Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 11.03.2021 - 6 K 6322/17
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
1
|
A. Zwischen den Beteiligten
ist nur noch streitig, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) im Jahr 2008 (Streitjahr) gewerbesteuerpflichtig
war.
|
|
|
2
|
Gegenstand des Unternehmens der
zunächst unter A-GmbH & Co. KG firmierenden Klägerin war
laut Gesellschaftsvertrag „der Ankauf von Grundstücken
und grundstücksgleichen Rechten, Wertpapieren und sonstigen
Kapitalanlagen aller Art sowie deren Vermietung, Verpachtung und
Verwaltung ihres eigenen Vermögens“.
Gründungskomplementärin der Klägerin war die weder
am Vermögen noch am Ergebnis beteiligte A-GmbH (GmbH).
Gründungskommanditist der Klägerin und alleiniger
Gesellschafter der GmbH war A. Zur Geschäftsführung der
Klägerin war allein der Kommanditist berechtigt und
verpflichtet. A hielt den Kommanditanteil sowie die Beteiligung an
der GmbH als Treuhänder für Z (nachfolgend auch
Treugeberin). Z war die Lebensgefährtin und spätere
Ehefrau des E.
|
|
|
3
|
Mit Vertrag vom 03.04.2007 übertrug A
den Geschäftsanteil an der GmbH und seinen Kommanditanteil an
der Klägerin auf F. Zugleich wurde der Treuhandvertrag dahin
geändert, dass F die Beteiligungen als Treuhänderin
halten sollte. Treugeberin blieb unverändert Z. Im Jahr 2011
trat F als Kommanditistin der Klägerin aus. Als Kommanditistin
wurde nunmehr Z im Handelsregister eingetragen. Im Jahr 2012 kam es
zu einem Wechsel der Komplementärin der Klägerin.
|
|
|
4
|
In den Jahren 2004 bis 2006 kaufte die
Klägerin für insgesamt 2.050.000 EUR mit Genehmigung der
Treugeberin von mehreren Banken notleidende Darlehensforderungen
unter Nennwert an oder löste Darlehensforderungen durch
Zahlung einer unter Nennwert der Gesamtforderungen liegenden Summe
gegen Freigabe diverser Sicherheiten ab. Diesen Kauf- und
Ablösungsvorgängen lagen sechs zivilrechtlich
selbständige Verträge zwischen den ehemaligen
Gläubigern der gekauften und abgelösten Forderungen zu
Grunde. Bei einem dieser Kauf- und Ablösungsvorgänge
traten Leistungsstörungen auf; er wurde nicht erfüllt.
Die fünf vollzogenen Kauf- und Ablösungsverträge
wurden mehrheitlich von verschiedenen Vergleichsvereinbarungen
zwischen den jeweiligen Forderungsschuldnern und den involvierten
Banken flankiert. Bei allen Kauf- und Ablösungsvorgängen
trat die Klägerin als Forderungskäuferin oder als
diejenige auf, die die fremde Darlehensschuld ablöste. Als
Altgläubiger beziehungsweise Forderungsverkäufer waren
bei drei der Kauf- und Ablösungsverträge die B-Bank (B),
einmal die C-Bank und einmal die S-GmbH & Co. KG involviert.
Schuldner der jeweils erworbenen Forderungen waren in den fünf
vollzogenen Kauf- und Ablösungsvorgängen entweder E
persönlich oder eine Gesellschaft, an der E zumindest
beteiligt war. Sofern bei den Kauf- und
Ablösungsvorgängen der Klägerin auf
Altgläubigerseite die B auftrat, waren jeweils
unterschiedliche Kreditengagements betroffen.
|
|
|
5
|
Zur Sicherung der gekauften
Darlehensforderungen beziehungsweise zur Sicherung der
Regressforderung gegen den Forderungsschuldner wurden in den Kauf-
und Ablösungsverträgen zwischen der Klägerin und den
Gläubigern sowohl bestehende, akzessorische Sicherheiten auf
die Klägerin übertragen als auch zusätzliche, nicht
akzessorische Sicherheiten (überwiegend Grundpfandrechte).
Zusätzlich ließ sich die Klägerin von den
jeweiligen Forderungsschuldnern Vermögensansprüche aus
verschiedenen Beteiligungen abtreten.
|
|
|
6
|
Die Finanzierung der Forderungskaufpreise
und Ablösesummen erfolgte zum großen Teil
fremdfinanziert, wobei die angekauften Forderungen selbst und die
diesbezüglichen Sicherungsmittel zum Teil bereits im Voraus an
die finanzierenden Dritten als Sicherheit abgetreten
wurden.
|
|
|
7
|
Im Folgenden flossen der Klägerin aus
einem Teil der Kauf- und Ablösungsvorgänge
unregelmäßig Einnahmen aus den abgetretenen Forderungen
sowie den zur Sicherung abgetretenen Vermögensansprüchen
zu, etwa Mieteinnahmen oder Auskehrungen von
Grundstücksverkaufserlösen. Darüber hinaus erfolgten
auch unregelmäßig Zinszahlungen auf die erworbenen
Forderungen. Für die Überwachung der Zahlungen und
Ansprüche aus den abgetretenen Vermögensrechten
unterhielt die Klägerin keine eigenen Büroräume. Sie
hatte auch keine eigenen Angestellten. Die Mietverhältnisse,
deren Einnahmen zum Teil Gegenstand der Abtretungen waren, wurden
weiterhin von den bereits zuvor beauftragten Hausverwaltungen
verwaltet. Die Buchhaltung der Klägerin erledigte die Kanzlei
der Klägervertreterin. Diese prüfte auch die Kongruenz
der auf den Konten der Klägerin eingehenden Mieteinnahmen mit
den Aufstellungen der Hausverwaltungen. Die Klägerin
entfaltete keine Mahnungs- oder Vollstreckungstätigkeit
gegenüber den jeweiligen Schuldnern der abgelösten
Forderungen. Keine der abgelösten beziehungsweise erworbenen
Forderungen wurde in den Folgejahren durch die Klägerin
verkauft.
|
|
|
8
|
Im Streitjahr erhielt die Klägerin
3.290.000 EUR aus der Verwertung einer Sicherheit. Im
Verwertungsprozess hatte sie keine aktive Rolle eingenommen. Im
Jahr 2016 schrieb die Klägerin - von der
Außenprüfung unbeanstandet - die uneinbringlichen
Restforderungen aus den Ablösungsvorgängen ab.
|
|
|
9
|
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts
(FG) war die Klägerin im Streitjahr an der L-GmbH & Co. KG
beteiligt, für die bestandskräftig gewerbliche
Einkünfte gesondert und einheitlich festgestellt waren. Im
Streitjahr nahm die Klägerin an deren Gewinnverteilung jedoch
nicht teil.
|
|
|
10
|
In ihren Feststellungserklärungen
für 2004 und 2005 hatte die Klägerin zunächst
gewerbliche Einkünfte erklärt, später jedoch dem
vormals zuständigen Finanzamt (FA A) mitgeteilt, dass sie
keine gewerblichen Einkünfte erziele. Das hierzu geführte
Klageverfahren (Aktenzeichen des FG 6 K 6221/09) endete mit einer
Klagerücknahme.
|
|
|
11
|
Die Klägerin erklärte für
das Streitjahr ausschließlich Einkünfte aus Vermietung
und Verpachtung sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen. Eine
Gewerbesteuererklärung gab sie für das Streitjahr nicht
ab. Abweichend davon erließ das FA A am 11.04.2012 einen
unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß §
164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) stehenden
Gewerbesteuermessbescheid für das Streitjahr und setzte darin
einen der Höhe nach unstreitigen Gewerbesteuermessbetrag von
127.701 EUR fest.
|
|
|
12
|
Der hiergegen gerichteten Sprungklage
stimmte das FA A nicht zu, so dass die Sprungklage als Einspruch
gegen den Gewerbesteuermessbescheid behandelt wurde. Mit
Einspruchsentscheidung vom 23.08.2013 wies das FA A den Einspruch
als unbegründet zurück.
|
|
|
13
|
Der nachfolgenden Klage gab das FG
Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 11.03.2021 - 6 K 6322/17 statt.
Es war der Auffassung, dass die Klägerin im Streitjahr aus der
L-GmbH & Co. KG keine Beteiligungseinkünfte bezogen habe, so
dass eine Aufwärtsabfärbung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz
1 Alternative 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG - ) ausscheide.
Darüber hinaus sei - im Anschluss an die Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) - § 2 Abs. 1 Satz 2 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) verfassungskonform dahin auszulegen,
dass ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr.
1 Satz 1 Alternative 2 EStG nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1
GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gelte.
Schließlich habe die Klägerin auch keine originär
gewerbliche Tätigkeit ausgeübt. Sie sei zwar nachhaltig
tätig gewesen. Ihre Tätigkeit habe jedoch nicht den
Rahmen der privaten Vermögensverwaltung
überschritten.
|
|
|
14
|
Hiergegen richtet sich die Revision des -
nach einem gesetzlichen Beteiligtenwechsel während des
FG-Verfahrens zuständigen - Beklagten und
Revisionsklägers (Finanzamt - FA - ), der die Verletzung von
Bundesrecht rügt.
|
|
|
15
|
Das FA beantragt,
|
|
das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom
11.03.2021 - 6 K 6322/17 aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
|
|
|
16
|
Die Klägerin beantragt,
|
|
die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
|
|
|
17
|
Das dem Verfahren beigetretene
Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat keinen Antrag gestellt. Es
wendet sich insbesondere gegen die vom FG als zutreffend erachtete
verfassungskonforme Auslegung des § 2 Abs. 1 GewStG durch den
BFH.
|
|
|
18
|
B. Die Revision ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
|
|
|
19
|
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die
Klägerin im Streitjahr nicht der Gewerbesteuer unterliegt. Die
Klägerin hat insbesondere keine originär gewerbliche
Tätigkeit ausgeübt (hierzu unter I.). Ebenso wenig hat
eine etwaige Abfärbung gewerblicher Beteiligungseinkünfte
gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG zur Folge
gehabt, dass ein nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der
Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gegeben war (hierzu
unter II.).
|
|
|
20
|
I. Das FG hat ohne Rechtsfehler angenommen,
dass die Klägerin weder als gewerblich geprägte
Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) anzusehen war
(hierzu unter 1.) noch eine originär gewerbliche
Tätigkeit ausgeübt hat (hierzu unter 2.).
|
|
|
21
|
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG
unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland
betrieben wird, der Gewerbesteuer. Unter Gewerbebetrieb ist ein
gewerbliches Unternehmen im Sinne des Einkommensteuergesetzes zu
verstehen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG). Eine
Personengesellschaft erzielt - insoweit als Steuerrechtssubjekt bei
der Ermittlung der Einkünfte - gewerbliche Einkünfte,
wenn die Gesellschafter in ihrer Verbundenheit als
Personengesellschaft ein gewerbliches Unternehmen (§ 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG) betreiben. Des Weiteren gilt als
Gewerbebetrieb in vollem Umfang die mit
Einkünfteerzielungsabsicht unternommene Tätigkeit einer
Personengesellschaft, die keine gewerbliche Tätigkeit im Sinne
des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ausübt und bei der
ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften
persönlich haftende Gesellschafter sind und nur diese oder
Personen, die nicht Gesellschafter sind, zur
Geschäftsführung befugt sind (gewerblich geprägte
Personengesellschaft, § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG).
|
|
|
22
|
1. Die Klägerin war im Streitjahr keine
gewerblich geprägte Personengesellschaft, denn die
Komplementärin der Klägerin war gesellschaftsvertraglich
von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Diese wurde vom
Kommanditisten A wahrgenommen.
|
|
|
23
|
2. Auch die Entscheidung des FG, die
Klägerin habe keine Einkünfte aus einem gewerblichen
Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG
erzielt, ist frei von Rechtsfehlern. Nach Maßgabe der den
Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden
Feststellungen des FG sowie unter Einbeziehung der von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten
Rechtsgrundsätze zur Abgrenzung einer gewerblichen von einer
vermögensverwaltenden Tätigkeit ist die Würdigung
des FG, dass die Betätigung der Klägerin zwar nachhaltig
gewesen sei, jedoch den Rahmen der privaten
Vermögensverwaltung nicht überschritten habe,
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
|
|
|
24
|
a) Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist
Gewerbebetrieb eine selbständige nachhaltige Betätigung,
die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird, sich als
Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt und
weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als
Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere
selbständige Arbeit anzusehen ist. Ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal des Gewerbebetriebs ist nach der Rechtsprechung
des BFH im Übrigen, dass die Betätigung den Rahmen einer
privaten Vermögensverwaltung überschreitet (Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 - GrS 4/82, BFHE 141,
405, BStBl II 1984, 751 = SIS 84 21 08, unter C.III.3.b aa (1);
seitdem ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom
31.05.2007 - IV R 17/05, BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768 =
SIS 07 31 17, unter II.2.; vom
11.10.2012 - IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538 =
SIS 13 02 22, Rz 23 ff.; vom
19.01.2017 - IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456 =
SIS 17 06 28, Rz 26 ff.).
|
|
|
25
|
b) Das FG hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass
die Tätigkeit der Klägerin nachhaltig war.
|
|
|
26
|
aa) Das Merkmal der Nachhaltigkeit dient dazu,
nur gelegentliche Aktivitäten aus dem Bereich der gewerblichen
Tätigkeit auszuschließen. Eine Tätigkeit ist
regelmäßig nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung
angelegt ist, also eine Wiederholungsabsicht in der Weise besteht,
dass weitere Geschäfte geplant sind (z.B. BFH-Urteile vom
19.02.2009 - IV R 10/06, BFHE 224, 321, BStBl II 2009, 533 =
SIS 09 11 99; vom 22.07.2010 - IV
R 62/07 = SIS 10 35 70, Rz 36; vom
14.09.2017 - IV R 34/15 = SIS 17 22 17, Rz 29). Liegen tatsächlich zwei Geschäfte vor,
wird das Vorliegen der Wiederholungsabsicht vermutet. Tätigt
der Steuerpflichtige hingegen nur ein Geschäft, liegt kein
nachhaltiges Handeln vor, wenn sich die Wiederholungsabsicht nicht
aus anderen Umständen feststellen lässt (vgl. BFH-Urteil
vom 08.06.2017 - IV R 30/14, BFHE 258, 403, BStBl II 2017, 1061 =
SIS 17 15 93).
|
|
|
27
|
Abzustellen ist für die Nachhaltigkeit
auf die Geschäfte, die die gewerbliche Tätigkeit des
Steuerpflichtigen ausmachen. So kommt es zum Beispiel beim
Händler, dessen Tätigkeit auf den marktmäßigen
Umschlag von Sachwerten gerichtet ist, auf ein wiederholtes
Tätigwerden auf der Absatzseite an; ein wiederholtes
Tätigwerden auf der Beschaffungsseite reicht demgegenüber
nicht aus (z.B. BFH-Urteil vom 09.12.2002 - VIII R 40/01, BFHE 201,
180, BStBl II 2003, 294 = SIS 03 17 09; vgl. ferner BFH-Urteile vom
15.04.2004 - IV R 54/02, BFHE 206, 90, BStBl II 2004, 868 = SIS 04 33 37, unter II.2.; vom 08.06.2017 - IV R 30/14, BFHE 258, 403,
BStBl II 2017, 1061 = SIS 17 15 93, Rz 43; vom 14.09.2017 - IV R 34/15 = SIS 17 22 17, Rz 30). Bei einem
Forderungskäufer hingegen ist zur Beantwortung der Frage der
Nachhaltigkeit seiner Tätigkeit nicht auf die
Verwertungsseite, sondern auf die Beschaffungsseite abzustellen, da
die entscheidende Tätigkeit der Ankauf von (gegebenenfalls
gesicherten) Forderungen ist, nicht hingegen das Ob und Wie ihrer
Einziehung beziehungsweise der Verwertung der für sie
bestellten Sicherheiten. Die Wiederholungsabsicht muss sich daher
darauf beziehen, wiederholt (das heißt mindestens mit zwei
getrennten Erwerbsgeschäften) Forderungen zu erwerben. Der
Erwerb mehrerer Forderungen in einem einzigen Vertrag ist danach
grundsätzlich nicht nachhaltig. Abweichendes kann in einem
solchen Fall allenfalls dann gelten, wenn der Steuerpflichtige auf
der Einziehungs- beziehungsweise Verwertungsseite ausnahmsweise
besondere Aktivitäten entwickelt, die seine Tätigkeit
insgesamt als Gewerbebetrieb erscheinen lassen, wie etwa eine
besondere büromäßige Organisation und die
Anstellung von Personal (vgl. BFH-Urteil vom 14.09.2017 - IV R
34/15 = SIS 17 22 17, Rz 33).
|
|
|
28
|
bb) An diesen Grundsätzen hält der
Senat fest. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann es in
den Fällen, in denen es um die Beurteilung der Tätigkeit
eines Forderungskäufers geht, nicht auf die Absatzseite
ankommen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - die
Tätigkeit nicht auf den Umschlag von Sachwerten gerichtet ist,
wobei weder die Einziehung von Forderungen bei Fälligkeit noch
die Verwertung von Sicherheiten eine Veräußerung
darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 14.09.2017 - IV R 34/15 =
SIS 17 22 17, Rz 31 f.). Ebenso
wenig überzeugt der Einwand der Klägerin, es hänge
oftmals vom Zufall oder von Umständen ab, die der
Steuerpflichtige nicht beeinflussen könne, ob der
Forderungserwerb in einem Vertrag oder in mehreren Verträgen
erfolge. Denn als Vertragsbeteiligter hat der Steuerpflichtige sehr
wohl Einfluss auf die Wahl seiner Vertragspartner, die
Vertragsgestaltung sowie die zeitliche Abfolge der von ihm
getätigten Forderungserwerbe.
|
|
|
29
|
cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen hat
das FG zur Begründung seiner Entscheidung zutreffend
maßgeblich darauf abgestellt, dass die Klägerin in einem
Zeitraum von Dezember 2004 bis Oktober 2006 sechs selbständige
Kauf- oder Ablöseverträge mit verschiedenen
Altgläubigern geschlossen hat, von denen fünf
Verträge vollständig und ohne Leistungsstörungen
abgewickelt wurden. Dass es in Anbetracht dieser Umstände von
einer nachhaltigen Tätigkeit der Klägerin ausgegangen
ist, unterliegt keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
|
|
|
30
|
c) Ebenfalls ohne Rechtsfehler ist das FG im
Rahmen einer umfassenden Würdigung der besonderen
Gegebenheiten des Streitfalls zu der Überzeugung gelangt, die
Grenze der privaten Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb sei
nicht überschritten.
|
|
|
31
|
aa) Die Grenze der privaten
Vermögensverwaltung zum Gewerbebetrieb wird
überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung
und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die
Ausnutzung substantieller Vermögenswerte durch Umschichtung
gegenüber der Nutzung der Vermögenswerte im Sinne einer
Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den
Vordergrund tritt (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 10.12.2001 - GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl
II 2002, 291 = SIS 02 06 32, unter C.III.1., m.w.N.). Der
Kernbereich der Vermögensverwaltung wird in § 14 Satz 3
AO durch Bezugnahme auf Regelbeispiele (verzinsliche Anlage von
Kapitalvermögen und Vermietung oder Verpachtung von
unbeweglichem Vermögen) abgegrenzt. Dadurch wird „die
Vermögensverwaltung“ gleichwohl nicht
abschließend definiert. Sie wird in der Rechtsprechung des
BFH letztlich negativ danach bestimmt, „ob die Tätigkeit
dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsauffassung einen
Gewerbebetrieb ausmacht“ (z.B. BFH-Urteil vom
19.01.2017 - IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456 =
SIS 17 06 28, Rz 27, m.w.N.).
|
|
|
32
|
bb) Bei der Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb
und Vermögensverwaltung ist somit auf das Gesamtbild der
Verhältnisse und die Verkehrsanschauung abzustellen. In
Zweifelsfällen ist die gerichtsbekannte und nicht
beweisbedürftige Auffassung darüber maßgebend, ob
die Tätigkeit, soll sie in den gewerblichen Bereich fallen,
dem Bild entspricht, das nach der Verkehrsanschauung einen
Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung
fremd ist (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 10.12.2001 - GrS 1/98, BFHE 197,
240, BStBl II 2002, 291 = SIS 02 06 32, unter C.II., m.w.N.). Es
entspricht langjähriger und gefestigter
Rechtsprechungstradition, das „Bild des
Gewerbebetriebs“ durch Orientierung an
unmittelbar der Lebenswirklichkeit entlehnten Berufsbildern zu
konturieren. Zu diesen gehören die - selbständig und
nachhaltig ausgeübten - Tätigkeiten der Produzenten, der
Dienstleister und der Händler (vgl. z.B. BFH-Urteile vom
15.03.2005 - X R 39/03, BFHE 209, 320, BStBl II 2005, 817 = SIS 05 29 91, unter B.II.1.b; vom 19.01.2017 - IV R 50/14, BFHE 257, 35,
BStBl II 2017, 456 = SIS 17 06 28,
Rz 28; vom 11.10.2012 - IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013,
538 = SIS 13 02 22, Rz 28,
m.w.N.).
|
|
|
33
|
cc) Das „Bild des
Handels“ ist durch die Ausnutzung
substantieller Werte durch Umschichtung von Vermögenswerten
gekennzeichnet; es unterscheidet sich von der
„Vermögensumschichtung im Rahmen privater
Vermögensverwaltung“ durch den
marktmäßigen Umschlag von Sachwerten (z.B. BFH-Urteile
vom 31.05.2007 - IV R 17/05, BFHE 218, 183, BStBl II 2007, 768 =
SIS 07 31 17, unter II.2.b; vom
19.01.2017 - IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456 =
SIS 17 06 28, Rz 29, m.w.N.). Ob
Veräußerungen noch der Vermögensverwaltung
zuzuordnen sind, lässt sich nicht für alle
Wirtschaftsgüter nach einheitlichen Maßstäben
beurteilen. Vielmehr sind die jeweiligen artspezifischen
Besonderheiten zu beachten (ständige Rechtsprechung, z.B.
BFH-Urteile vom 31.05.2007 - IV R 17/05, BFHE 218, 183, BStBl II
2007, 768 = SIS 07 31 17, unter
II.2.a; vom 19.01.2017 - IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017,
456 = SIS 17 06 28, Rz 29; vom
11.10.2012 - IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538 =
SIS 13 02 22, Rz 29).
|
|
|
34
|
Im Zusammenhang mit der Beurteilung der
Tätigkeit einer Personengesellschaft, die Darlehens- und
Kreditforderungen sowie zugehörige Sicherungsrechte gegen eine
in Insolvenz befindliche GmbH zu einem erheblich unter dem
Nennbetrag liegenden Kaufpreis erworben hatte, hat der Senat
entschieden, dass die Verwertung von Sicherheiten keine
Veräußerung darstellt, wie sie für einen
marktmäßigen Umschlag eines Händlers erforderlich
sei. Es handele sich lediglich um die zwangsweise Einziehung der
fälligen Forderung durch Verwertung der für ihren Ausfall
bestellten Sicherheiten (BFH-Urteil vom 14.09.2017 - IV R 34/15 =
SIS 17 22 17, Rz 32; kritisch
hierzu Krumm in Kirchhof/Seer, EStG, 22. Aufl., § 15 Rz
132a).
|
|
|
35
|
dd) Das „Bild des gewerblichen
Dienstleisters“ ist durch ein Tätigwerden
für Andere, vor allem ein Tätigwerden für fremde
Rechnung geprägt (ständige Rechtsprechung, z.B.
BFH-Urteile vom 29.10.1998 - XI R 80/97, BFHE 187, 287, BStBl II
1999, 448 = SIS 99 05 02, unter II.2.b; vom 20.12.2000 - X R 1/97,
BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706 = SIS 01 08 44, unter II.3.f; vom
19.01.2017 - IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456 =
SIS 17 06 28, Rz 39; vom
11.10.2012 - IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538 =
SIS 13 02 22, Rz 30). Im
Zusammenhang mit der gewerblichen Dienstleistung hat das
ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Vermögensverwaltung in
Gestalt einer Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten (vgl.
§ 14 Satz 3 AO) keine rechtliche Bedeutung. Gewerblicher
Dienstleister kann auch sein, wer keinerlei „Früchte aus
Substanzwerten zieht“ (BFH-Urteile vom
20.12.2000 - X R 1/97, BFHE 194, 198, BStBl II 2001, 706 = SIS 01 08 44, unter II.2.e aa; vom 11.10.2012 - IV R 32/10, BFHE 239, 248,
BStBl II 2013, 538 = SIS 13 02 22,
Rz 30).
|
|
|
36
|
ee) Ausgehend von diesen Erwägungen hat
der Senat in Ansehung der Tatsache, dass der Factor beim echten
Factoring weder einen Handel mit Forderungen betreibt noch eine
Dienstleistung gegenüber Dritten erbringt, entschieden, dass
nach dem Gesamtbild der Verhältnisse unter
Berücksichtigung der Verkehrsanschauung zu beurteilen ist, ob
seine Tätigkeit zu Einkünften aus Gewerbebetrieb
führt (im Einzelnen BFH-Urteil vom 11.10.2012 - IV R 32/10,
BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538 = SIS 13 02 22, Rz 41; vgl. auch BFH-Urteil vom 14.09.2017 - IV R
34/15 = SIS 17 22 17, Rz 31).
|
|
|
37
|
ff) Gemessen an diesen Grundsätzen hat
das FG zutreffend angenommen, dass die Tätigkeit der
Klägerin nicht der eines gewerblichen Dienstleisters
ähnelt, weil die Klägerin nicht für Andere
tätig geworden ist. Sie hat das komplette Ausfallrisiko in
Bezug auf die erworbenen Forderungen getragen. Dementsprechend
standen - anders als zum Beispiel beim unechten Factoring -
Dienstleistungselemente nicht im Vordergrund ihrer
Tätigkeit.
|
|
|
38
|
gg) Ebenso zutreffend hat das FG erkannt, dass
die Klägerin, die keine der unter Nennwert erworbenen
Forderungen verkauft hat, nicht als Forderungshändlerin
tätig geworden ist. Dabei hat es - ohne dass dies zu
beanstanden wäre - als weitere wesentliche Tatsache
berücksichtigt, dass die Ankäufe der Forderungen und
Sicherungsrechte durch die private Nähebeziehung der
Treugeberin zu den Forderungsschuldnern motiviert waren, und
hieraus den Schluss gezogen, dass das persönliche, zum Teil
familiäre Umfeld dem Bild eines Gewerbetreibenden, der sich
regelmäßig mit seiner Leistung auf einem breiten Markt
bewege, widerspreche. Diese Würdigung lässt keine
Rechtsfehler erkennen, insbesondere keine Verstöße gegen
Denkgesetze oder Erfahrungssätze, zumal das FG ebenso
berücksichtigt hat, dass die Klägerin keinerlei
Aktivitäten zur Beitreibung der Forderungen unternommen
hat.
|
|
|
39
|
aaa) Zu Recht hat das FG angenommen, dass es
im Streitfall an einem händlertypischen Umschlag der
erworbenen Forderungen fehlt, weil die Klägerin die
notleidenden Forderungen nebst Sicherheiten zwar erworben, diese
aber nicht weiterveräußert hat. Der hiergegen unter
Hinweis auf § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG vorgebrachte Einwand des
FA, das FG habe verkannt, dass die Einlösung einer erworbenen
Forderung im Wege einer „Verrechnung“
einer Veräußerung im Hinblick auf die Erzielung von
Substanzgewinnen aus Wertänderungen von Kapitalansprüchen
gleichzustellen sei, greift nicht durch. Denn der
Veräußerungstatbestand in § 20 Abs. 2 EStG
einschließlich der in § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG
enthaltenen Veräußerungsfiktionen orientiert sich nicht
an dem Bild, das nach der Verkehrsauffassung einen Gewerbebetrieb
ausmacht (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.2012 - IV R 32/10, BFHE 239,
248, BStBl II 2013, 538 = SIS 13 02 22, Rz 36, zu § 23 EStG; im Ergebnis ebenso Stapperfend
in Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rz 1174).
|
|
|
40
|
bbb) Das FG hat zudem - ohne dass dies zu
beanstanden wäre - darauf abgestellt, dass sich die
Klägerin nach dem Erwerb der Forderungen weder aktiv um die
Forderungsrealisierung bemüht noch für die
Überwachung ihrer Zahlungsansprüche eigene Mitarbeiter
beschäftigt oder eigene Büroräume unterhalten hat.
Dies zeigt nicht nur, dass sie gänzlich anders agiert hat als
ein Inkassounternehmen, sondern auch, dass ihre Tätigkeit
durch die private Nähebeziehung zum Forderungsschuldner E
beeinflusst war.
|
|
|
41
|
hh) Das FG hat ferner die Tatsache, dass die
Klägerin ausschließlich notleidende Darlehensforderungen
nebst zugehöriger Sicherheiten angekauft hat, in seine
Würdigung einbezogen. Entgegen der Auffassung des FA musste
das FG nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Klägerin
nachhaltig zahlungsgestörte Darlehensforderungen nebst
Sicherungsrechten erworben und im Anschluss hieran Tilgungs- oder
Zinsleistungen beziehungsweise Zahlungen aus der Verwertung von
Sicherungsrechten erhalten hat, zur Annahme einer gewerblichen
Tätigkeit gelangen. Denn die Tätigkeit der Klägerin
kann nach Maßgabe der dargelegten
Rechtsprechungsgrundsätze nicht unabhängig von den
konkreten Umständen des Streitfalls als gewerblich angesehen
werden.
|
|
|
42
|
aaa) Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass
der Aspekt der Fruchtziehung in Gestalt von Zinsen aus einer
Kapitalnutzung in den Fällen des Erwerbs
zahlungsgestörter Darlehensforderungen regelmäßig
nicht im Vordergrund steht. Ist die Tätigkeit des
Forderungskäufers - wie im Streitfall - nicht auf die weitere
Verwertung der Forderungen durch Verkauf ausgerichtet, zielt sie
vornehmlich auf eine Anspruchsrealisierung. Auch wenn im Zeitpunkt
des Forderungserwerbs Zinszahlungen, Tilgungsleistungen und
Erträge aus der Verwertung von Sicherheiten ungewiss sind, so
geht die Erwartung des Forderungskäufers gleichwohl dahin,
dass es - neben etwaigen Zinszahlungen - zu
Teil(rück)zahlungen und Erlösen aus der Verwertung von
Sicherheiten kommt und diese seine Anschaffungskosten
übersteigen. Dass sich die Fruchtziehung nicht in einem
laufenden (wiederkehrenden) Ertrag (Zinsen oder Dividenden)
charakterisiert, sondern in der Differenz zwischen gezahltem
Kaufpreis und Teilrückzahlung beziehungsweise Ertrag aus der
Verwertung von Sicherheiten, führt nicht zur Annahme eines
Gewerbebetriebs. Denn die Fruchtziehung aus zu erhaltenden
Substanzwerten wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die
Ertragserwartung in der Anspruchsrealisierung liegt (vgl. auch
BFH-Urteil vom 11.10.2012 - IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II
2013, 538 = SIS 13 02 22, Rz 44,
zum Ankauf gebrauchter Lebensversicherungen).
|
|
|
43
|
bbb) Aus dem gleichen Grund geht auch der
Hinweis des FA auf die Ausführungen im Anhang zum
Jahresabschluss der Klägerin zum 31.12.2006 ins Leere, aus dem
es ableiten will, dass der Fokus der Tätigkeit nicht auf der
Erzielung von Zinseinnahmen, sondern von Substanzgewinnen gelegen
habe. Zudem handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen,
das im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigen ist (z.B.
BFH-Urteil vom 09.05.2017 - VIII R 15/15, BFHE 258, 68, BStBl II
2017, 956 = SIS 17 12 42,
m.w.N.).
|
|
|
44
|
ccc) Aus der sogenannten
Verklammerungsrechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 28.09.2017 - IV R
50/15, BFHE 259, 341, BStBl II 2018, 89 = SIS 17 22 20) folgt - entgegen der Auffassung
des FA - ebenfalls kein anderes Ergebnis. Insbesondere stützt
diese Rechtsprechung nicht den Schluss, die Annahme einer
vermögensverwaltenden Tätigkeit scheide im Streitfall
aus, weil die Umschichtung von Vermögenswerten gegenüber
der Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in
den Vordergrund trete. Dies gilt ungeachtet des Umstands, dass sich
- wie das FA vorträgt - aus der Gegenüberstellung von
Zinseinnahmen und Finanzierungskosten ergibt, dass die
Klägerin hieraus keine Überschüsse erzielt hat. Denn
im Streitfall fehlt es an einem Geschäftskonzept der
Klägerin, das darin besteht, (zahlungsgestörte)
Forderungen zu kaufen, zwischenzeitlich zu halten und zu verkaufen,
wobei bereits bei Aufnahme der Tätigkeit festgestanden hat,
dass sich das erwartete positive Gesamtergebnis nur unter
Einbeziehung des Erlöses aus dem Verkauf der Forderungen
erzielen lässt (vgl. BFH-Urteil vom 28.09.2017 - IV R 50/15,
BFHE 259, 341, BStBl II 2018, 89 = SIS 17 22 20, Rz 27 ff.).
|
|
|
45
|
ii) Entgegen der Auffassung des FA musste das
FG dem Umstand, dass die erworbenen Darlehensforderungen
Nennbeträge in teils erheblicher Höhe auswiesen, keine
ausschlaggebende Bedeutung beimessen. Der Einsatz umfangreicher
finanzieller Mittel kommt bei Kapitalanlagen sowohl in der
betrieblichen als auch in der privaten Sphäre vor. Dabei ist
kein Rechts- oder Erfahrungssatz ersichtlich, dass mit steigendem
Kapitaleinsatz (zwingend) der Übergang zur gewerblichen
Betätigung einhergeht. Die „Höhe des
Anlagevolumens“ und dementsprechend auch die
„Höhe des Nennbetrags der erworbenen
Darlehensforderungen“ ist zudem auch wegen
ihrer Unbestimmtheit kein geeignetes Abgrenzungskriterium (vgl.
BFH-Urteil vom 11.10.2012 - IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II
2013, 538 = SIS 13 02 22, Rz 45),
zumal der Nennbetrag einer zahlungsgestörten Forderung wenig
über Umfang und Risiko des Forderungskaufs aussagt.
|
|
|
46
|
jj) Auch aufgrund der Tatsache, dass die
Forderungserwerbe überwiegend fremdfinanziert waren, musste
das FG nicht zur Annahme einer Gewerblichkeit gelangen. Zwar hat
der Senat den Einsatz erheblicher Fremdmittel beim Handel mit
physischem Gold - anders als im Zusammenhang mit dem
Wertpapierhandel oder im Rahmen der Vermietung und Verpachtung -
als Indiz für eine gewerbliche Tätigkeit angesehen, weil
sich infolge der Ertraglosigkeit des Anlageobjekts die
Fremdkapitalkosten allein durch den Verkauf und das Erzielen einer
Gewinnmarge decken ließen (vgl. BFH-Urteil vom 19.01.2017 -
IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456 = SIS 17 06 28, Rz 37). Diese Überlegungen
sind indes - anders als das BMF in der mündlichen Verhandlung
vertreten hat - auf die Tätigkeit der Klägerin schon
deshalb nicht übertragbar, weil die Klägerin ihre
Fremdkapitalkosten nicht aus dem Verkauf der Forderungen decken
wollte, sondern sie auf eine (teilweise) Forderungsrealisierung
hoffte. Daher kommt es - entgegen der Auffassung des BMF - für
die Abgrenzung von privater Vermögensverwaltung und
Gewerbebetrieb hier auch nicht darauf an, ob die Klägerin
erwarten konnte, die Fremdkapitalkosten durch Zinserträge
decken zu können, oder ob dies - infolge der Höhe der
Kosten sowie des Ausfallrisikos der erworbenen Forderungen und
Sicherheiten - unrealistisch war. Darüber hinaus ist zu
bedenken, dass die Fremdfinanzierung der Forderungskäufe nicht
das Risiko der Investition erhöht hat, sondern allein Einfluss
auf deren Ertragsaussichten hatte. Diese Tatsache ist indes nicht
geeignet, eine gewerbliche Tätigkeit der Klägerin zu
begründen.
|
|
|
47
|
kk) Gleiches gilt hinsichtlich des Umstands,
dass die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit
möglicherweise auf die Kenntnisse und die Expertise des E
zurückgreifen konnte. Denn allein die Nutzung fremder
(Markt-)Kenntnisse, Erfahrungen und Expertisen sowie die
Inanspruchnahme fremder Dienste begründen noch kein
hinreichendes Indiz für einen Gewerbebetrieb (vgl. BFH-Urteil
vom 11.10.2012 - IV R 32/10, BFHE 239, 248, BStBl II 2013, 538 =
SIS 13 02 22, Rz 46).
|
|
|
48
|
II. Ebenfalls zutreffend hat das FG
entschieden, dass § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG verfassungskonform
dahin auszulegen ist, dass die Klägerin - wäre sie als
gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1
Alternative 2 EStG anzusehen - nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz
1 GewStG der Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb gilt.
|
|
|
49
|
1. Nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1
Alternative 2 EStG gilt die mit Einkünfteerzielungsabsicht
unternommene Tätigkeit einer Personengesellschaft in vollem
Umfang als Gewerbebetrieb, wenn die Gesellschaft gewerbliche
Einkünfte im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
bezieht. Dies gilt unabhängig davon, ob die gewerblichen
Einkünfte im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 positiv oder
negativ sind (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 Alternative 2
EStG).
|
|
|
50
|
2. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG in der
am 18.12.2019 rückwirkend in Kraft getretenen Fassung des
Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der
Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher
Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) -
WElektroMobFördG - findet im Streitfall Anwendung, weil der
BFH während des gerichtlichen Verfahrens eingetretene
rückwirkende Gesetzesänderungen zu beachten hat, soweit
diese - wie diejenige des § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 EStG -
verfassungsrechtlich zulässig sind (vgl. BFH-Urteile vom
30.06.2022 - IV R 42/19, BFHE 278, 42, BStBl II 2023, 118 =
SIS 22 18 29, Rz 28, 30; vom
05.09.2023 - IV R 24/20 = SIS 23 18 02, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, Rz 54,
m.w.N.).
|
|
|
51
|
3. Ob § 15 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 EStG
i.d.F. des WElektroMobFördG im Streitfall ebenfalls Anwendung
finden könnte oder ob insoweit eine verfassungswidrige
Rückwirkung vorläge, kann der Senat mangels
Entscheidungserheblichkeit dahingestellt lassen.
|
|
|
52
|
Ebenso kann unentschieden bleiben, ob die
Klägerin aus der L-GmbH & Co. KG (oder anderen Beteiligungen)
Beteiligungserträge im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG bezogen hat, die im Streitjahr zu einer sogenannten
Aufwärtsabfärbung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1
Satz 1 Alternative 2 und Satz 2 EStG geführt haben. Denn
selbst wenn dies der Fall wäre, so wäre die Klägerin
gleichwohl nicht als nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG der
Gewerbesteuer unterliegender Gewerbebetrieb anzusehen. Der Senat
verweist zur Begründung auf seine Urteile vom 06.06.2019 - IV
R 30/16 (BFHE 265, 157, BStBl II 2020, 649 = SIS 19 10 33, Rz 19, 40) sowie vom 05.09.2023
- IV R 24/20 = SIS 23 18 02 (zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmt). Der allein
streitgegenständliche Gewerbesteuermessbescheid des
Streitjahres wäre somit auch bei Vorliegen einer
Aufwärtsabfärbung aufzuheben gewesen.
|
|
|
53
|
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §
135 Abs. 2 FGO.
|