Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Thüringer Finanzgerichts vom 20.05.2021 - 3 K
266/20 = SIS 22 00 54 wird mit der
Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass die
Klage hinsichtlich des Folgenbeseitigungsantrags bereits
unzulässig ist.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die
Klägerin zu tragen.
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I. Die Beteiligten streiten über eine
Zurückweisung der Klägerin und Revisionsklägerin
(Klägerin) als Bevollmächtigte nach § 80 Abs. 7 der
Abgabenordnung (AO) und über einen
Folgenbeseitigungsantrag.
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Die Klägerin ist ein inländisches
selbständiges Buchführungsbüro in der Rechtsform der
UG (haftungsbeschränkt). Sie führt Arbeiten im Sinne des
§ 6 Nr. 3 und 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) aus.
Für die Firma B-GmbH ist sie seit circa 20 Jahren als
Lohnbuchhaltungsbüro tätig.
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3
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) setzte gegen die B-GmbH einen
Verspätungszuschlag zur Lohnsteuer-Anmeldung für
September 2019 in Höhe von 180 EUR fest. Daraufhin wandte sich
die Klägerin als Vertreterin der B-GmbH mit Schreiben vom
11.12.2019 an das FA und erklärte, die Lohnsteuer-Anmeldung
für September 2019 sei urlaubsbedingt leider zu spät
abgegeben worden. Wörtlich führte sie aus: „Da dies
aber ein einmaliges Versehen war, bitten wir den
Verspätungszuschlag zu erlassen.“
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Das FA verstand dieses Schreiben als einen
Erlassantrag und betrachtete die Tätigkeit der Klägerin
insoweit als eine unbefugte geschäftsmäßige
Hilfeleistung in Steuersachen.
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Mit Verwaltungsakt vom 19.12.2019 wies das
FA die Klägerin - unter Bezugnahme auf den Antrag auf Erlass
eines Verspätungszuschlags - als Bevollmächtigte
gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 AO mit Wirkung für
alle anhängigen und zukünftigen Verwaltungsverfahren der
B-GmbH im Zuständigkeitsbereich des FA zurück, da sie
unbefugt Hilfe in Steuersachen geleistet habe. Zudem teilte das FA
der Klägerin mit, dass gemäß § 80 Abs. 10 AO
alle Verfahrenshandlungen, die sie trotz Zurückweisung
künftig für die B-GmbH vornehme, ohne steuerliche Wirkung
blieben. Dem Verwaltungsakt war ein Merkblatt über die
Tätigkeiten im Bereich der selbständigen
Buchführungshilfe beigefügt. Darin waren Ausnahmen vom
Verbot der Hilfeleistung in Steuersachen gemäß § 6
Nr. 3 und 4 StBerG erläutert. Weiter war ausgeführt:
„Nicht zulässig sind mit der Buchführung
zusammenhängende Beratungen der Mandanten oder deren
Vertretung gegenüber den
Finanzbehörden.“
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Mit Schreiben vom 19.12.2019 gab das FA
auch der B-GmbH die Zurückweisung gemäß § 80
Abs. 7 Satz 2 AO bekannt und fügte dasselbe Merkblatt bei, das
sie der Klägerin gesandt hatte. Das FA führte aus, nach
seinen Feststellungen habe die B-GmbH die Klägerin „mit
der Erledigung Ihrer Steuersachen (Antrag auf Erlass eines
Verspätungszuschlags) beauftragt“. Weiter
erklärte das FA, dass „alles“, was
die Klägerin im Rahmen der Erledigung der steuerlichen
Angelegenheiten der B-GmbH bei den Finanzbehörden vorbringe,
nach § 80 Abs. 10 AO ohne Wirkung bleibe. Zudem wies es auf
die Möglichkeit hin, einen Verstoß gegen das Verbot der
unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen als Ordnungswidrigkeit mit
einer Geldbuße zu ahnden. Abschließend bat es die
B-GmbH, im „eigenen Interesse“ die
Klägerin nicht mehr zu beauftragen.
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Aufgrund eines von der Klägerin
eingelegten Einspruchs vom 16.01.2020 teilte das FA der
Klägerin mit Schreiben vom 04.02.2020 mit, „dass die
Zurückweisung vom 19.12.2019 insoweit aufzuheben ist, als
diese sich nicht ausschließlich auf den Erlassantrag vom
11.12.2019 bezieht“. Im Übrigen wies das
FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 24.04.2020 als
unbegründet zurück.
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Dagegen erhob die Klägerin Klage vor
dem Finanzgericht (FG), mit der sie eine Aufhebung des
Verwaltungsakts vom 19.12.2019 in Gestalt des Schreibens vom
04.02.2020 und der Einspruchsentscheidung begehrte. Zudem begehrte
sie, das FA zu verurteilen, der B-GmbH mitzuteilen, dass die dieser
gegenüber aufgestellten Aussagen zurückgenommen
werden.
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Während des Klageverfahrens wandte
sich das FA mit Schreiben vom 11.11.2020 an die B-GmbH und stellte
ausdrücklich klar, dass sich die Zurückweisung der
Klägerin als Bevollmächtigte lediglich auf den Antrag vom
11.12.2019 auf Erlass des Verspätungszuschlags bezogen habe.
Bereits aus dem damals übersandten Merkblatt sei
hervorgegangen, dass das Buchführungsbüro weiterhin
laufende Geschäftsvorfälle buchen, die Lohnbuchhaltung
übernehmen sowie die Lohnsteuer-Anmeldungen erstellen
dürfe. Die vom Buchführungsbüro - der Klägerin
- erstellten Lohnsteuer-Anmeldungen würden
selbstverständlich weiterhin vom FA entgegengenommen und
bearbeitet. Einer weiteren Beauftragung stehe insoweit nichts
entgegen.
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Das FG wies die Klage mit Urteil vom
20.05.2021 ab. Zur Begründung führte es aus, die
Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom 11.12.2019 einen Antrag
auf Erlass des Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung
gestellt. Sie könne sich nicht darauf berufen, keinen
förmlichen Antrag, sondern lediglich eine
„Bitte“ formuliert zu haben. Es sei
offenkundig, dass die Klägerin mit der Formulierung einer
„Bitte“ einen förmlichen
Erlassantrag gemäß § 227 AO gestellt habe, da das
Schreiben auf die Herbeiführung einer konkreten Rechtsfolge
abgezielt habe. Dass es sich um einen Antrag gehandelt habe, ergebe
sich auch daraus, dass die Klägerin selbst mit Schriftsatz vom
09.07.2020 vorgetragen habe, es passe nicht, wenn der Buchhalter
nicht berechtigt sein solle, „einen Antrag auf Erlass eines
Verspätungszuschlag für eine
Lohnsteueranmeldung“ zu stellen. Die
Klägerin gehe demnach selbst von einer Antragstellung aus.
Jedoch habe es der Klägerin gemäß § 6 Nr. 4
StBerG an der erforderlichen Befugnis gefehlt, diesen Antrag zu
stellen. Denn ein Erlassantrag stelle auf sachliche oder
persönliche Billigkeitsgründe ab, die die Klägerin
im Rahmen ihrer Buchführungstätigkeiten für die
B-GmbH nicht ohne weiteres habe abschätzen können. Dies
solle im Interesse der Allgemeinheit und der Steuerpflichtigen
anderen Personen als einem ausgebildeten steuerlichen Berater nicht
überlassen werden. Darauf, dass es sich im Einzelfall um einen
einfach gelagerten Fall gehandelt habe, komme es im
Steuerberatungsrecht nicht an. Auch eine analoge Anwendung des
§ 6 Nr. 4 StBerG auf einfach gelagerte Tätigkeiten im
Zusammenhang mit Lohnsteuer-Anmeldungen komme nicht in Betracht.
Die Stellung des Erlassantrags sei weiterhin nicht kraft
Sachzusammenhangs als bloße Nebentätigkeit zur
Lohnsteuer-Anmeldung von § 6 Nr. 4 StBerG erfasst. Das FA habe
die Klägerin daher zu Recht gemäß § 80 Abs. 7
AO als Bevollmächtigte zurückgewiesen.
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Der Klägerin stehe auch kein
Folgenbeseitigungsanspruch zu. Das FA habe gegenüber der
B-GmbH hinreichend deutlich gemacht, dass sich die
Zurückweisung lediglich auf den Antrag vom 11.12.2019 auf
Erlass des Verspätungszuschlags bezogen habe. Wenngleich das
Schreiben vom 19.12.2019 - unter Berücksichtigung des
beigefügten Merkblatts - wenigstens missverständlich
gewesen sei, habe sich diese Einschränkung aus dem Schreiben
vom 11.11.2020 und aus dem Umstand ergeben, dass das FA die von der
Klägerin für die B-GmbH erstellten Lohnsteuer-Anmeldungen
beanstandungslos entgegengenommen und bearbeitet habe. Ein
rechtswidriger Zustand habe jedenfalls nicht fortgedauert.
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Mit ihrer Revision verfolgt die
Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Zur Begründung
trägt sie vor, das FG habe das Schreiben vom 11.12.2019
unzutreffend als einen Antrag auf Erlass des
Verspätungszuschlags ausgelegt. Das Schreiben sei nach seinem
Wortlaut als „Bitte“ formuliert. Eine
Bitte sei kein Antrag. Ein Bittsteller erwarte nicht eine positive
Reaktion, sondern rechne damit, dass gegebenenfalls auf die Bitte
nicht einmal reagiert werde. Ein Antrag müsse
demgegenüber von der Behörde beantwortet werden. Schon
mangels Antragstellung beim FA liege eine unerlaubte
geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen nicht
vor.
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Selbst wenn sie aber einen Antrag beim FA
gestellt hätte, wäre diese Tätigkeit
gemäß § 6 Nr. 4 StBerG erlaubt. Denn § 6 Nr. 4
StBerG erlaube nicht nur die Fertigung der Lohnabrechnungen und
Lohnsteuer-Anmeldungen, sondern auch deren Berichtigung,
Ergänzung oder Rücknahme. Dies ergebe sich aus dem
Sachzusammenhang. Dasselbe müsse auch für einen
Erlassantrag gelten, der als erlaubte
„Annextätigkeit“ zu betrachten sei.
Dabei gehe das FG fehl in der Annahme, es komme im
Steuerberatungsrecht nicht darauf an, dass es sich im Einzelfall um
einen einfach gelagerten Fall handele. Hierdurch habe das FG den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verkannt. Die
Betrachtung des FG sei zu formal und beachte nicht, dass ein
einfacher (Bagatell-)Fall als ein solcher zu behandeln sei. Weiter
habe das FG nicht berücksichtigt, dass der Gesetzgeber
zahlreiche Vorschriften zur elektronischen Datenverarbeitung
vorsehe, um die Kommunikation zwischen Steuerpflichtigen und
Finanzbehörden zu vereinfachen. Dazu passe es nicht, wenn dem
Buchhalter die monatliche Lohnabrechnung erlaubt sei und er auch
die Lohnsteuer anmelden dürfe, jedoch nicht berechtigt sein
solle, einen Antrag auf Erlass eines Verspätungszuschlags
für die Lohnsteuer-Anmeldung zu stellen.
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Ihr - der Klägerin - stehe auch ein
Folgenbeseitigungsanspruch zu. Dieser sei durch das Schreiben des
FA vom 11.11.2020 nicht erledigt. Dieses Schreiben enthalte keine
unmissverständliche Erklärung, dass sie für die
B-GmbH keine unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen geleistet
habe. Es stelle auch keine Rücknahme oder Abkehr von dem
Schreiben vom 19.12.2019 dar. Sie habe weiterhin einen Anspruch auf
Rehabilitation. Zudem sei die Androhung der Einleitung eines
Bußgeldverfahrens vom FA nicht zurückgenommen
worden.
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Die Klägerin beantragt,
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1.
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die Vorentscheidung und den Verwaltungsakt
vom 19.12.2019 in Gestalt des Schreibens vom 04.02.2020 und der
Einspruchsentscheidung vom 24.04.2020 aufzuheben,
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2.
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das FA zu verurteilen, der B-GmbH
mitzuteilen,
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a) dass das Schreiben des FA vom 19.12.2019
gegenstandslos ist und nicht mehr an der Behauptung festgehalten
wird, dass die Klägerin für die B-GmbH unbefugt
geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen
geleistet habe,
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b) die Aufforderung an die B-GmbH, die
Klägerin nicht mehr zu beauftragen, zurückgenommen
wird,
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c) die Androhung der Einleitung eines
Bußgeldverfahrens bei weiterer Beauftragung der Klägerin
zurückgenommen wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Nach seiner Auffassung waren die
Voraussetzungen für eine Zurückweisung eines
Bevollmächtigten gemäß § 80 Abs. 7 AO
erfüllt. Die Klägerin habe mit ihrem Antrag vom
11.12.2019 die ihr nach § 6 Nr. 4 StBerG erlaubten
Tätigkeiten überschritten. Ein Erlassantrag stelle, wie
das FG zutreffend erkannt habe, auf sachliche und persönliche
Billigkeitsgründe ab, welche die Klägerin als
selbständiges Buchführungsbüro für deren
Mandantin nicht ohne weiteres habe abschätzen können.
Diese Tätigkeit solle im Interesse der Allgemeinheit und der
Steuerpflichtigen anderen Personen als einem ausgebildeten
steuerlichen Berater nicht überlassen werden. Dies stehe im
Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH).
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II. Die Revision ist mit der Maßgabe
unbegründet, dass die Klage hinsichtlich des
Folgenbeseitigungsantrags bereits unzulässig ist. Daher ist
die Revision zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ; vgl. BFH-Urteil vom 11.05.2023 - IV
R 3/19 = SIS 23 12 34, Rz 35).
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1. Die Revision ist mit ihrem Antrag, das FA
zu verurteilen, der B-GmbH die von der Klägerin näher
bezeichneten Mitteilungen zu machen (Folgenbeseitigungsantrag),
unbegründet.
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a) Die Vorentscheidung ist nicht deshalb
aufzuheben, weil das FG die Klage hinsichtlich des
Folgenbeseitigungsantrags als zulässig angesehen und lediglich
einen diesbezüglichen Anspruch der Klägerin in der Sache
abgelehnt hat. Zwar verletzt ein FG-Urteil Bundesrecht (§ 118
Abs. 1 FGO), soweit es eine unzulässige Klage als
unbegründet abweist (BFH-Beschluss vom 15.11.2016 - VI R 48/15
= SIS 17 01 83, Rz 8). Das Urteil
hat aber Bestand, weil insoweit der Urteilstenor - hier die
Abweisung der Klage - richtig ist; die Revision ist insoweit nach
§ 126 Abs. 4 FGO zurückzuweisen (BFH-Beschluss vom
15.11.2016 - VI R 48/15 = SIS 17 01 83, Rz 8; BFH-Urteil vom 07.05.2013 - VIII R 17/09 =
SIS 13 25 24, Rz 11, m.w.N.;
Senatsurteil vom 11.12.2012 - VII R 69/11 = SIS 13 10 76, Rz 13).
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b) Der von der Klägerin mit ihrer Klage
gestellte Folgenbeseitigungsantrag ist unzulässig. Es fehlt
das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
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aa) Die Klägerin macht einen
Folgenbeseitigungsanspruch als Ergänzung zu der Anfechtung des
Verwaltungsakts vom 19.12.2019 in Gestalt des Schreibens vom
04.02.2020 und der Einspruchsentscheidung vom 24.04.2020 geltend.
Damit ergänzt sie eine Anfechtungsklage mit einer
Leistungsklage, weil der angefochtene Verwaltungsakt insoweit
bereits vollzogen war. Das FA hatte die Zurückweisung des
Bevollmächtigten bereits dem Vollmachtgeber - der B-GmbH -
gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 AO bekannt gegeben.
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Soweit der Verwaltungsakt schon vollzogen ist,
kann das Gericht zwar gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 FGO
auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde
die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Für eine -
neben der die Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts
erstrebenden Anfechtungsklage - zusätzliche Leistungsklage
fehlt es im Streitfall allerdings an dem erforderlichen
Rechtsschutzbedürfnis. Ein solches besteht in der Regel nicht,
da die gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) an
Gesetz und Recht gebundene Verwaltungsbehörde von sich aus die
sich aus der Aufhebung ihres bereits vollzogenen Verwaltungsakts
ergebenden Konsequenzen ziehen wird (Senatsurteil vom 16.07.1980 -
VII R 24/77, BFHE 131, 158, BStBl II 1980, 632 = SIS 80 03 25,
letzter Absatz der Gründe; vgl. auch Senatsbeschluss vom
23.01.2004 - VII B 131/03, BFH/NV 2004, 794 = SIS 04 29 53; Rauda
in Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 100 FGO Rz 153;
Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., §
100 Rz 71). Für den Ausspruch eines zusätzlichen
Folgenbeseitigungsanspruchs müsste die Klägerin vielmehr
konkret darlegen, weshalb nicht damit zu rechnen sei, dass die
Finanzbehörde ein stattgebendes Urteil befolgen und eine
gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 AO erfolgte Mitteilung
zurückziehen würde. Denn aus der aus § 80 Abs. 7
Satz 2 AO folgenden Pflicht des FA, die Zurückweisung nach
§ 80 Abs. 7 Satz 1 AO auch dem Vollmachtgeber bekannt zu
geben, folgt die Pflicht des FA als actus contrarius, diesem auch
eine Aufhebung der Zurückweisung bekannt zu geben. Aus welchen
Gründen im Streitfall davon auszugehen sein könnte, dass
das FA dieser Pflicht nicht nachkommen würde, hat die
Klägerin nicht dargelegt.
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bb) Abgesehen davon, dass die Klage
hinsichtlich des Folgenbeseitigungsanspruchs von vornherein
unzulässig war, hätte sich dieses Klagebegehren zumindest
insoweit erledigt, als das FA mit dem an die B-GmbH gerichteten
Schreiben vom 11.11.2020 die Folgen der Zurückweisung
teilweise beseitigt hat.
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Das FA ist mit seinem an die B-GmbH
gerichteten Schreiben vom 19.12.2019 möglicherweise insofern
über die gesetzlich vorgesehene Bekanntgabe gemäß
§ 80 Abs. 7 Satz 2 AO hinausgegangen, als es die
Zurückweisung der Klägerin als Bevollmächtigte und
die damit verbundenen Folgen nicht eindeutig auf den Antrag vom
11.12.2019 auf Erlass des Verspätungszuschlags zur
Lohnsteuer-Anmeldung beschränkt hat. Vielmehr führte das
FA aus, dass „alles“, was die
Klägerin im Rahmen der Erledigung der steuerlichen
Angelegenheiten der B-GmbH bei den Finanzbehörden vorbringe,
nach § 80 Abs. 10 AO ohne Wirkung bleibe und ein Verstoß
mit einer Geldbuße zu ahnden sei. Hierzu hat das FG
festgestellt, die Ausführungen des FA seien - auch unter
Berücksichtigung des beigefügten Merkblatts - wenigstens
missverständlich gewesen. Jedoch hat das FA durch sein
Schreiben vom 11.11.2020 klargestellt, dass sich die
Zurückweisung lediglich auf den Antrag auf Erlass des
Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung bezogen hat.
Durch diese Klarstellung ist ein Rechtsschutzbedürfnis der
Klägerin im Hinblick auf eine Folgenbeseitigung insoweit
entfallen, als das FA zuvor eine Zurückweisung über den
Erlassantrag hinaus ausgesprochen hatte (vgl. zum Entfallen des
Rechtsschutzbedürfnisses nach Erledigung BFH-Beschluss vom
28.03.2007 - III B 118/05, BFH/NV 2007, 1336 = SIS 07 20 34, unter
II. der Gründe).
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26
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2. Die Revision ist hinsichtlich des
Anfechtungsantrags unbegründet. Der angefochtene
Verwaltungsakt vom 19.12.2019 in Gestalt des Schreibens vom
04.02.2020 und der Einspruchsentscheidung vom 24.04.2020 ist
rechtmäßig. Das FA hat die Klägerin aufgrund ihrer
streitgegenständlichen Tätigkeit zu Recht
gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 AO
zurückgewiesen.
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a) Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 AO
kann sich ein Beteiligter durch einen Bevollmächtigten
vertreten lassen.
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Soweit ein Bevollmächtigter
geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leistet, ohne
dazu befugt zu sein, ist er gemäß § 80 Abs. 7 Satz
1 AO mit Wirkung für alle anhängigen und künftigen
Verwaltungsverfahren des Vollmachtgebers im
Zuständigkeitsbereich der Finanzbehörde
zurückzuweisen. Die Zurückweisung ist gemäß
§ 80 Abs. 7 Satz 2 AO dem Vollmachtgeber und dem
Bevollmächtigten bekannt zu geben. Gemäß § 80
Abs. 10 AO sind Verfahrenshandlungen, die ein Bevollmächtigter
vornimmt, nachdem ihm die Zurückweisung bekannt gegeben worden
ist, unwirksam.
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b) Die Klägerin hat
geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet.
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aa) Die Klägerin leistete Hilfe in
Steuersachen.
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Ob jemand zur geschäftsmäßigen
Hilfeleistung in Steuersachen befugt ist, richtet sich nach dem
Steuerberatungsgesetz, das nach seinem § 1 Abs. 1 Nr. 1 unter
anderem auf die Hilfeleistung in Angelegenheiten anzuwenden ist,
die durch Bundesrecht geregelte Steuern und Vergütungen
betreffen, soweit diese durch Bundesfinanzbehörden oder durch
Landesfinanzbehörden verwaltet werden (vgl. BFH-Urteil vom
07.06.2017 - II R 22/15, BFHE 258, 380, BStBl II 2017, 973 = SIS 17 12 38, Rz 11). Gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG
umfasst die Hilfeleistung in Steuersachen auch die Hilfeleistung
bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie bei
der Aufstellung von Abschlüssen, die für die Besteuerung
von Bedeutung sind.
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32
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Im Streitfall stellt die Hilfeleistung der
Klägerin sowohl bei der Lohnbuchführung (§ 1 Abs. 2
Nr. 2 StBerG) als auch bei der Lohnsteuer-Anmeldung und einem
eventuellen Antrag auf
Erlass im Sinne von § 227 AO im Zusammenhang mit einer
Lohnsteuer-Anmeldung (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 StBerG) eine
Hilfeleistung in Steuersachen dar.
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bb) Diese Hilfe leistete die Klägerin
geschäftsmäßig.
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Die Hilfeleistung in Steuersachen erfolgt
geschäftsmäßig, wenn der Leistende
ausdrücklich oder erkennbar die Absicht verfolgt, die
Tätigkeit in gleicher Art zu wiederholen und zu einem
wiederkehrenden oder dauernden Bestandteil seiner
selbständigen Beschäftigung zu machen; selbständig
handelt, wer sich nach eigenem Willen und in eigener Verantwortung,
unabhängig von den Weisungen einer übergeordneten Person
betätigt (BFH-Urteil vom 07.06.2017 - II R 22/15, BFHE 258,
380, BStBl II 2017, 973 = SIS 17 12 38, Rz 12).
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Nach den Feststellungen des FG stellte die
(Lohn-)Buchführung einen dauernden Bestandteil der
selbständigen Beschäftigung der Klägerin als
selbständiges Buchführungsbüro dar. Für die
B-GmbH war die Klägerin seit 20 Jahren
geschäftsmäßig tätig.
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cc) Die Klägerin hat auch dadurch
geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen geleistet,
dass sie für die B-GmbH mit Schreiben vom 11.12.2019 einen
Antrag auf Erlass des Verspätungszuschlags zur
Lohnsteuer-Anmeldung für September 2019 gestellt hat. Mit
diesem Schreiben hat sie nach den bindenden Feststellungen des FG
nicht lediglich eine „Bitte“
geäußert.
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37
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(1) Die Auslegung von Willenserklärungen
gehört zum Bereich der tatsächlichen Feststellungen und
bindet den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie den
Grundsätzen der §§ 133, 157 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) entspricht und nicht gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze verstößt, das heißt
jedenfalls möglich ist. Das Revisionsgericht prüft somit
lediglich, ob das FG die gesetzlichen Auslegungsregeln sowie die
Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet und die für die
Vertragsauslegung bedeutsamen Begleitumstände erforscht und
rechtlich zutreffend gewürdigt hat (Senatsurteil vom
29.08.2023 - VII R 1/23 = SIS 24 00 37, Rz 28, m.w.N.).
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(2) Das FG hat festgestellt, die Klägerin
habe mit ihrem Schreiben vom 11.12.2019 einen Antrag auf Erlass des
Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung gestellt und
nicht lediglich eine „Bitte“ formuliert.
Diese Auslegung entspricht den Grundsätzen der §§
133, 157 BGB und verstößt nicht gegen Denkgesetze und
Erfahrungssätze. Das FG hat erkannt, dass das Schreiben vom
11.12.2019 auslegungsbedürftig ist, weil es nach seinem
Wortlaut und Zweck keinen eindeutigen Inhalt hatte. Denn mit einer
„Bitte“ hätte die Klägerin -
wie sie selbst vorträgt - eine positive Reaktion nicht
erwarten und ihr Ziel eines Erlasses nicht erreichen können.
Ausgehend davon, wie die Erklärung vom Empfänger nach
ihrem objektiven Erklärungswert verstanden werden musste (vgl.
Senatsurteil vom 29.08.2023 - VII R 1/23 = SIS 24 00 37, Rz 26), erscheint es jedenfalls
möglich und vertretbar, das Schreiben vom 11.12.2019 als
Antrag auf Erlass des Verspätungszuschlags auszulegen.
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39
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c) Die Klägerin war jedoch nicht befugt,
im Rahmen ihrer geschäftsmäßigen Hilfe in
Steuersachen einen Antrag auf Erlass des Verspätungszuschlags
zur Lohnsteuer-Anmeldung zu stellen.
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40
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aa) Gemäß § 2 Satz 1 StBerG
(ab 01.08.2022: § 2 Abs. 1 Satz 1 StBerG) darf die
Hilfeleistung in Steuersachen geschäftsmäßig nur
von Personen und Vereinigungen ausgeübt werden, die hierzu
befugt sind. Zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in
Steuersachen sind die in § 3 StBerG bezeichneten Personen
befugt, zum Beispiel Steuerberater (§ 3 Satz 1 Nr. 1 Variante
1 StBerG). Aus § 3a StBerG ergibt sich für bestimmte
Personen und Vereinigungen eine Befugnis zur vorübergehenden
und gelegentlichen geschäftsmäßigen Hilfeleistung
in Steuersachen, aus § 4 StBerG eine Befugnis zu
beschränkter Hilfeleistung in Steuersachen. Nach § 5 Abs.
1 Satz 1 StBerG in der im Streitfall bis zum 31.07.2022 anwendbaren
Fassung dürfen andere als die in den §§ 3, 3a und 4
StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen nicht
geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leisten,
insbesondere nicht geschäftsmäßig Rat in
Steuersachen erteilen.
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Eine Befugnis der Klägerin ergibt sich
nicht aus §§ 3, 3a und 4 StBerG, weil sie als
Buchführungsbüro nicht zu den in §§ 3, 3a und 4
StBerG bezeichneten Personen und Vereinigungen gehört.
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42
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bb) Die Klägerin kann für den
beschriebenen Erlassantrag eine Ausnahme von dem Verbot der
unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen nicht aus § 6 Nr. 4
StBerG ableiten.
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(1) Das Verbot des § 5 StBerG gilt
gemäß § 6 Nr. 4 StBerG nicht für das Buchen
laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung
und das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen, soweit diese
Tätigkeiten verantwortlich durch Personen erbracht werden, die
nach Bestehen der Abschlussprüfung in einem
kaufmännischen Ausbildungsberuf oder nach Erwerb einer
gleichwertigen Vorbildung mindestens drei Jahre auf dem Gebiet des
Buchhaltungswesens in einem Umfang von mindestens 16 Wochenstunden
praktisch tätig gewesen sind.
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(2) § 6 Nr. 4 StBerG ist entsprechend
seinem Wortlaut und unter Berücksichtigung der mit der
Vorschrift verfolgten Zielsetzung und Entstehungsgeschichte eng
auszulegen und auf die gesetzlich beschriebenen Tätigkeiten zu
beschränken. Die Vorschrift kann nicht auf die Hilfeleistung
in einem selbständigen Verwaltungsverfahren einer
Finanzbehörde angewandt werden, und zwar selbst dann nicht,
wenn das Verwaltungsverfahren mit einer gemäß § 6
Nr. 4 StBerG zulässigen Tätigkeit im Zusammenhang
steht.
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(a) Die genannte Vorschrift geht auf zwei
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zurück.
Mit Beschluss vom 18.06.1980 - 1 BvR 697/77 (BVerfGE 54, 301, BStBl
II 1980, 706 = SIS 80 03 68) hat das BVerfG entschieden, dass das
frühere Buchführungsprivileg für steuerberatende
Berufe mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit das
geschäftsmäßige Kontieren von Belegen Personen
untersagt wird, die eine kaufmännische Gehilfenprüfung
bestanden hatten. Dabei hat das BVerfG unterschieden zwischen einer
Steuerberatung im Sinne einer Rechtsberatung in Steuersachen
einerseits, wozu die Einrichtung der Buchführung mit einem
Kontenplan und die Aufstellung des Jahresabschlusses zählen,
und der Verbuchung der laufenden Geschäftsvorfälle
andererseits, welche keine besonderen handels- und
steuerrechtlichen Kenntnisse erfordert (BVerfG-Beschluss vom
18.06.1980 - 1 BvR 697/77, BVerfGE 54, 301, BStBl II 1980, 706 =
SIS 80 03 68, unter B.II.3.a aa und bb der Gründe). Die
letztgenannten Tätigkeiten dürfen nicht den
steuerberatenden Berufen vorbehalten bleiben.
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Zudem hat das BVerfG mit Beschluss vom
27.01.1982 - 1 BvR 807/80 (BVerfGE 59, 302, BStBl II 1982, 281 =
SIS 82 25 54) entschieden, dass das Buchführungsprivileg
für steuerberatende Berufe auch hinsichtlich der laufenden
Lohnbuchhaltung mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar ist.
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(b) Als Reaktion auf diese Entscheidungen hat
der Gesetzgeber § 6 Nr. 4 StBerG durch Art. 1 Nr. 4 des
Vierten Gesetzes zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom
09.06.1989 (BGBl I 1989, 1062) eingeführt. Seine heutige
Fassung hat die Vorschrift durch eine Änderung aufgrund von
Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften
über die Tätigkeit der Steuerberater (7. StBÄndG)
vom 24.06.2000 (BGBl I 2000, 874) erhalten. Im Gesetzentwurf der
Bundesregierung zu dem erstgenannten Gesetz war ausgeführt,
§ 6 Nr. 4 trage den Beschlüssen des BVerfG vom 18.06.1980
- 1 BvR 697/77 (BVerfGE 54, 301, BStBl II 1980, 706 = SIS 80 03 68)
und vom 27.01.1982 - 1 BvR 807/80 (BVerfGE 59, 302, BStBl II 1982,
281 = SIS 82 25 54) Rechnung (BT-Drucks. 11/3915, S. 17).
Dementsprechend werde das Buchen laufender
Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das
Fertigen von Lohnsteuer-Anmeldungen vom Verbot der unbefugten
Hilfeleistung in Steuersachen ausgenommen, soweit diese
Tätigkeiten verantwortlich durch Personen erbracht
würden, die über eine ausreichende Ausbildung und
berufliche Erfahrung verfügten. Weiter war im Gesetzentwurf
ausgeführt, da auch das Fertigen der laufenden
Lohnsteuer-Anmeldungen im Allgemeinen keine schwierigen rechtlichen
Wertungen verlange, werde diese Tätigkeit vom Verbot der
unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen ausgenommen. Mit dem
BVerfG sei davon auszugehen, dass die zur laufenden Lohnabrechnung
befugten Personen in der Lage seien, bei schwierigen
Steuerrechtsfragen einen qualifizierten steuerlichen Berater
hinzuzuziehen und ihm die Beratung in diesen Sachen zu
überlassen. Die Durchführung des
Lohnsteuer-Jahresausgleichs im Betrieb und die Vorbereitung anderer
Steueranmeldungen als der Lohnsteuer-Anmeldung würden dagegen
von dieser Vorschrift nicht erfasst (BT-Drucks. 11/3915, S.
18).
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(c) Nach Maßgabe der zitierten
Rechtsprechung des BVerfG ist zu unterscheiden zwischen der
Steuerberatung einerseits, die einem grundsätzlichen Verbot
der unbefugten Hilfeleistung unterliegt, und den von diesem Verbot
auszunehmenden Tätigkeiten andererseits, die keine besonderen
handels- und steuerrechtlichen Kenntnisse erfordern und bei denen
qualitätssichernde Vorgaben nicht oder nur eingeschränkt
geboten erscheinen (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs - BGH -
vom 28.03.2023 - II ZB 11/22 = SIS 23 12 04, Rz 49; BGH-Urteil vom 02.05.2019 - IX ZR 11/18 =
SIS 19 08 46, Rz 19 ff.). Daraus
ergibt sich ein Verhältnis von Regel und Ausnahme, welches
auch im Gesetzgebungsverfahren für das Vierte Gesetz zur
Änderung des Steuerberatungsgesetzes beschrieben worden ist
(BT-Drucks. 11/3915, S. 17 und 18). Diese Entstehungsgeschichte
lässt eine enge Wortlautauslegung des § 6 Nr. 4 StBerG
geboten erscheinen.
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(d) Ausgehend hiervon hat der erkennende Senat
bereits in einer früheren Entscheidung eine erweiternde
Anwendung der oben dargelegten Rechtsgrundsätze des BVerfG auf
die Hilfeleistung bei der Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen
abgelehnt (Senatsurteil vom 01.03.1983 - VII R 27/82, BFHE 138,
129, BStBl II 1983, 318 = SIS 83 10 49, unter B.I.2.c der
Gründe). Weiter hat der erkennende Senat aus den zitierten
Entscheidungen des BVerfG gefolgert, dass das Verbot der unbefugten
Hilfeleistung bei der Führung steuerlich bedeutsamer
Bücher und Aufzeichnungen, soweit dessen Unvereinbarkeit mit
Art. 12 Abs. 1 GG nicht ausdrücklich festgestellt worden sei,
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei (Senatsurteil vom
12.01.1988 - VII R 60/86, BFHE 152, 393, BStBl II 1988, 380 = SIS 88 06 41, unter II.1. der Gründe).
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Der II. Senat des BFH hat diese Rechtsprechung
fortgeführt und entschieden, dass die Erstellung von
Umsatzsteuervoranmeldungen vom Anwendungsbereich des § 6 Nr. 4
StBerG auch dann nicht erfasst sei, wenn das verwendete
Buchführungsprogramm es ermögliche, die
Umsatzsteuervoranmeldungen aufgrund der Buchführung
automatisch zu erstellen (BFH-Urteil vom 07.06.2017 - II R 22/15,
BFHE 258, 380, BStBl II 2017, 973 = SIS 17 12 38, Rz 21). Dabei hat
sich der II. Senat des BFH maßgeblich von der Erwägung
leiten lassen, dass das Fertigen einer Umsatzsteuervoranmeldung
kein bloßes mechanisches Rechenwerk darstelle, sondern ein
eigenverantwortliches und sachkundiges Tätigwerden erfordere.
Dass der Gesetzgeber diese Tätigkeit den Personen vorbehalte,
die aufgrund einer sachgerechten Vorbildung zur Hilfeleistung in
Steuersachen zugelassen seien, sei kein Eingriff in die
Berufsfreiheit, der weitergehe, als es die sie legitimierenden
öffentlichen Interessen erforderten. Der erkennende Senat hat
diese Rechtsprechung mit Beschluss vom 23.11.2020 - VII B 37/20
(nicht veröffentlicht) bestätigt.
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(e) Unter Berücksichtigung dieser am
Ausnahmecharakter des § 6 Nr. 4 StBerG orientierten engen
Auslegung kann die Vorschrift nicht auf die Hilfeleistung in einem
selbständigen Verwaltungsverfahren einer Finanzbehörde
angewandt werden, und zwar selbst dann nicht, wenn das
Verwaltungsverfahren mit einer gemäß § 6 Nr. 4
StBerG zulässigen Tätigkeit im Zusammenhang steht. Denn
die Hilfeleistung in einem solchen Verfahren ist vom Wortlaut des
§ 6 Nr. 4 StBerG nicht erfasst. Diese Vorschrift benennt
lediglich bestimmte Tätigkeiten, und zwar das Buchen laufender
Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das
Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen. Die damit im Zusammenhang
stehenden Tätigkeiten sind nicht eingeschlossen.
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Eine Ausdehnung des § 6 Nr. 4 StBerG auf
die Hilfeleistung in einem selbständigen Verwaltungsverfahren
einer Finanzbehörde kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil
diese Tätigkeit nach der vom BVerfG vorgenommenen Einordnung
zu denjenigen Tätigkeiten zählt, die als Steuerberatung
dem grundsätzlichen Verbot der unbefugten Hilfeleistung
unterliegen. Es handelt sich nicht - im Sinne eines Ausnahmefalls -
um eine Tätigkeit, die keine besonderen handels- und
steuerrechtlichen Kenntnisse erfordert und bei der
qualitätssichernde Vorgaben nicht oder nur eingeschränkt
geboten erscheinen würden. Die Hilfeleistung in einem
selbständigen Verwaltungsverfahren setzt vielmehr vertiefte
verfahrensrechtliche Kenntnisse voraus, beginnend etwa mit der
Frage, welches Rechtsmittel oder welcher Antrag im Einzelfall
statthaft ist. Ebenso muss der Verfahrensvertreter
abzuschätzen vermögen, ob der statthafte Rechtsbehelf
oder Antrag nach den Tatbestandsvoraussetzungen der
einschlägigen Norm in der Sache erfolgversprechend sein
könnte, und er muss imstande sein, das Vorliegen der
Tatbestandsvoraussetzungen gegenüber der Behörde anhand
des Sachverhalts darzulegen. Dies erfordert vertiefte
verfahrensrechtliche und je nach Gegenstand auch
materiell-rechtliche Kenntnisse. Der Umstand, dass das
Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit einer nach § 6 Nr. 4
StBerG zulässigen Tätigkeit - im Streitfall einer
Lohnsteuer-Anmeldung - steht, vermag hieran nichts zu ändern.
Denn dies ändert nichts am Erfordernis der vertieften
verfahrensrechtlichen Kenntnisse des Vertreters.
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(3) Nach Maßgabe dieser Grundsätze
stellt die streitgegenständliche Tätigkeit der
Klägerin, die Stellung eines Antrags auf Erlass eines
Verspätungszuschlags zur Lohnsteuer-Anmeldung gemäß
§ 227 AO, keine gemäß § 6 Nr. 4 StBerG
zulässige Tätigkeit dar.
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(a) Bei einem Erlassverfahren gemäß
§ 227 AO handelt es sich um ein selbständiges
Verwaltungsverfahren, das von dem Steuerfestsetzungsverfahren
abzugrenzen ist und zu einer Zweigleisigkeit der Verfahren
führt (Senatsbeschluss vom 30.01.2007 - VII B 337/05, BFH/NV
2007, 1323 = SIS 07 20 21, unter II.1. der Gründe). Die
Entscheidung über den Erlass stellt eine gegenüber der
Steuerfestsetzung selbständige Regelung durch einen
selbständigen Verwaltungsakt dar (von Groll in HHSp, §
227 AO Rz 338 und 371; Koenig/Klüger, Abgabenordnung, 4.
Aufl., § 227 Rz 59; Oellerich in Gosch, AO § 227 Rz
105).
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Zudem handelt es sich auch bei einem Verfahren
wegen der Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur
Lohnsteuer-Anmeldung gemäß § 152 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 8 AO um ein gegenüber der Steueranmeldung abzugrenzendes
Verfahren. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags ist ein
selbständiger Verwaltungsakt (vgl. Schober in Gosch, AO §
152 Rz 135).
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(b) Wegen der Selbständigkeit sowohl des
Verfahrens über die Festsetzung des Verspätungszuschlags
zur Lohnsteuer-Anmeldung als auch des Antrags auf Erlass des
Verspätungszuschlags gegenüber der - der Klägerin
gestatteten - Lohnsteuer-Anmeldung war die Klägerin
gemäß § 6 Nr. 4 StBerG nicht befugt, den
Erlassantrag zu stellen. § 6 Nr. 4 StBerG kann - wie
beschrieben - nicht auf die Hilfeleistung in einem
selbständigen Verwaltungsverfahren einer Finanzbehörde
angewandt werden (vgl. auch Raab in Kuhls, Kommentar zum StBerG,
§ 6 Rz 28 zum Stundungsantrag). Es handelt sich insoweit nicht
um eine bloße
„Annextätigkeit“ zu dem Fertigen
der Lohnsteuer-Anmeldungen von § 6 Nr. 4 StBerG.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin sind
auch weder die Festsetzung des Verspätungszuschlags noch das
Verfahren über den Erlass eines solchen
Verspätungszuschlags mit der Berichtigung, Ergänzung oder
Rücknahme der Lohnsteuer-Anmeldung zu vergleichen. Dies folgt
schon allein daraus, dass eine Lohnsteuer-Anmeldung stets
berichtigungsfähig ist, die Festsetzung eines
Verspätungszuschlags oder die Ablehnung eines Erlassantrags
hingegen nach deren Bestandskraft grundsätzlich nicht mehr
änderbar sind (vgl. Senatsurteil vom 17.03.1987 - VII R 26/84,
BFH/NV 1987, 620). Auch die von der Klägerin erwähnten
Vorschriften zur elektronischen Datenverarbeitung vermögen
daran nichts zu ändern.
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d) Das FA hat die Klägerin daher zu Recht
gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 AO mit Wirkung für
alle anhängigen und künftigen Verwaltungsverfahren des
Vollmachtgebers im Zuständigkeitsbereich der
Finanzbehörde zurückgewiesen. Dabei hat sie die
Zurückweisung auf den Antrag auf Erlass eines
Verspätungszuschlags beschränkt. Diese Beschränkung
ergab sich jedenfalls aus dem an die Klägerin gerichteten
Schreiben vom 04.02.2020.
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Das FA hat zudem die Klägerin zutreffend
auf die Regelung des § 80 Abs. 10 AO hingewiesen. Ebenso hat
das FA folgerichtig gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 AO die
Zurückweisung dem Vollmachtgeber, der B-GmbH, bekannt
gegeben.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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