Auf die Revision des Klägers wird das
Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 19.03.2018 - 5 K
249/18 = SIS 19 19 62 aufgehoben.
Die Sache wird an das Sächsische
Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens übertragen.
1
|
I. Die Beteiligten streiten darüber,
ob dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) der
teilweise Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen zur Errichtung
eines gemischt genutzten Gebäudes zusteht.
|
|
|
2
|
Der Kläger betreibt seit dem Jahr 1999
als Einzelunternehmer einen Gerüstbaubetrieb; der Umsatz im
Jahr 2015 (Streitjahr) betrug ... EUR. Im Jahr 2014 plante der
Kläger die Errichtung eines Einfamilienhauses. In dem vom
Planungsbüro erstellten Grundriss vom 29.07.2014 ist ein 16,57
qm großer Raum im Erdgeschoss mit
„Arbeiten“ bezeichnet; die
„Nettogrundfläche gesamt“ des
Gebäudes ist mit 181,3 qm angegeben.
|
|
|
3
|
Der Kläger reichte im Streitjahr beim
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) monatliche
Umsatzsteuer-Voranmeldungen ein. Einen Vorsteuerabzug aus den
Eingangsleistungen zur Errichtung des Gebäudes machte er darin
nicht geltend.
|
|
|
4
|
Erstmals in der am 28.09.2016 beim FA
eingegangenen, zustimmungsbedürftigen
Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr machte der
Kläger für die Errichtung dieses Zimmers anteilig den
Vorsteuerabzug geltend.
|
|
|
5
|
Mit Schreiben vom 27.02.2017 ergänzte
der Kläger, dass der unternehmerische Nutzungsanteil nicht
(wie bisher angenommen) 8,91 %, sondern 10,28 % betragen habe. Die
abziehbare Vorsteuer erhöhe sich daher auf ... EUR.
|
|
|
6
|
Nach Durchführung einer
Umsatzsteuer-Sonderprüfung beim Kläger nahm die
Prüferin an, dass der geltend gemachte Vorsteuerabzug aus zwei
Gründen zu versagen sei: Erstens habe der Kläger das
Gebäude nicht zeitnah dem Unternehmen zugeordnet und zweitens
sei der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 2 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) ausgeschlossen, da die unternehmerische
Nutzung des Gebäudes weniger als 10 % betrage.
|
|
|
7
|
Das FA stimmte der Steuererklärung
daher nicht zu, sondern setzte mit Bescheid vom 05.04.2017 die
Umsatzsteuer für 2015 fest, ohne einen Vorsteuerabzug für
das mit „Arbeiten“ bezeichnete Zimmer
zuzulassen.
|
|
|
8
|
Den Einspruch, mit dem der Kläger u.a.
geltend machte, der abziehbare Anteil steige wegen der anteiligen
unternehmerischen Nutzung des Gäste-WC auf 12,32 % (... EUR
Vorsteuer), wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 17.01.2018
als unbegründet zurück.
|
|
|
9
|
Das Sächsische Finanzgericht (FG) wies
mit Urteil vom 19.03.2018 - 5 K 249/18 (EFG 2019, 1861 = SIS 19 19 62) die Klage ab. Es nahm an, eine zeitnahe Dokumentation der
Zuordnungsentscheidung liege nur vor, wenn sie bis zum 31. Mai des
Folgejahres dem FA gegenüber abgegeben werde. Dies sei hier
nicht geschehen. Die Planungsunterlagen seien keine hinreichende
Dokumentation der Zuordnungsentscheidung, weil die Bezeichnung
„Arbeiten“ nicht zum Ausdruck bringe,
dass es sich um ein dem Unternehmen zugeordnetes Zimmer handele. Es
könne sich auch um ein häusliches Arbeitszimmer im
Privatbereich handeln. Weiterhin könne es sich um ein
unternehmerisch genutztes Zimmer handeln, das aufgrund des geringen
Anteils an der Gesamtfläche im Privatvermögen belassen
werde. Ein Büroraum von 16,57 qm in einem ansonsten privat
genutzten Haus mit einer Gesamtfläche von 149,75 qm
(entsprechend den Berechnungen des Klägers) sei nicht
notwendiges Betriebsvermögen. Keinesfalls sei das
Gäste-WC dem Unternehmensvermögen zuzuordnen. Dieses habe
der Kläger erst im Einspruchsverfahren dem
Unternehmensvermögen zugeordnet. Außerdem sei nicht
plausibel, dass dies zu 1/3 unternehmerisch genutzt werde.
Angesichts der Lage sei von einer nahezu ausschließlich
privaten Nutzung auszugehen.
|
|
|
10
|
Der Kläger rügt mit seiner
Revision die Verletzung materiellen Rechts; insbesondere komme es
auf die Dokumentation der Zuordnungsentscheidung durch die
Umsatzsteuererklärung nicht an, da mit der Bauzeichnung und
der tatsächlich ausschließlich unternehmerischen Nutzung
ausreichende Anhaltspunkte für eine Zuordnung der bezogenen
Leistungen zum Unternehmen vorlägen.
|
|
|
11
|
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung und die
Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie den Umsatzsteuerbescheid
für das Jahr 2015 vom 05.04.2017 dahingehend zu ändern,
dass die Umsatzsteuer auf den Betrag festgesetzt wird, der sich
ergibt, wenn ein Vorsteuerabzug für die Errichtung des
Büros in Höhe von ... EUR zugelassen wird.
|
|
|
12
|
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
|
|
|
13
|
Es verteidigt die angefochtene
Vorentscheidung.
|
|
|
14
|
Der Senat hat mit Beschluss vom 18.09.2019
- XI R 3/19 (BFHE 266, 459, BStBl II 2021, 112 = SIS 20 00 14) das
Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der
Europäischen Union (EuGH) um Vorabentscheidung folgender
Fragen ersucht:
|
|
|
|
“1. Steht Art. 168
Buchst. a in Verbindung mit Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG des
Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach der das Recht auf
Vorsteuerabzug in den Fällen, in denen ein Zuordnungswahlrecht
beim Leistungsbezug besteht, ausgeschlossen ist, wenn bis zum
Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die
Umsatzsteuer-Jahreserklärung keine für die
Finanzbehörden erkennbare Zuordnungsentscheidung abgegeben
wurde?
|
|
|
|
2. Steht Art. 168 Buchst. a der Richtlinie
2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem einer nationalen Rechtsprechung entgegen, nach
der eine Zuordnung zum privaten Bereich unterstellt wird
beziehungsweise (bzw.) eine dahingehende Vermutung besteht, wenn
keine (ausreichenden) Indizien für eine unternehmerische
Zuordnung vorliegen?“
|
|
|
15
|
Der EuGH hat darauf durch Urteil Finanzamt
N (Mitteilung der Zuordnung) vom 14.10.2021 - C-45/20 und C-46/20
(EU:C:2021:852 = SIS 21 17 25) wie folgt geantwortet:
|
|
|
|
“Art. 168 Buchst. a in
Verbindung mit Art. 167 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der
durch die Richtlinie 2009/162/EU des Rates vom 22.12.2009
geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er nationalen
Bestimmungen nicht entgegensteht, die von einem nationalen Gericht
so ausgelegt werden, dass die zuständige nationale
Steuerverwaltung den Vorsteuerabzug in Bezug auf einen Gegenstand
unter der Annahme, dass dieser dem Privatvermögen des
Steuerpflichtigen zugewiesen wurde, verweigern darf, wenn ein
Steuerpflichtiger ein Wahlrecht hat, ob er einen Gegenstand dem
Vermögen seines Unternehmens zuordnet, und diese
Steuerverwaltung nicht spätestens bis zum Ablauf der
gesetzlichen Frist für die Abgabe der
Umsatzsteuer-Jahreserklärung in die Lage versetzt wurde,
aufgrund einer ausdrücklichen Entscheidung oder hinreichender
Anhaltspunkte eine solche Zuordnung des Gegenstands festzustellen,
es sei denn, die besonderen rechtlichen Modalitäten für
die Ausübung dieser Befugnis lassen erkennen, dass sie nicht
mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar
ist.“
|
|
|
16
|
Der Senat hat anschließend das
Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen XI R 28/21 (XI R 3/19)
fortgesetzt.
|
|
|
17
|
Der Kläger sieht es als nicht
nachvollziehbar an, wie der EuGH zu der Abhängigkeit der
Wirksamkeit der Zuordnungsentscheidung von einer Erklärung des
Steuerpflichtigen bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist
für die Steuererklärung komme. Die Entscheidung des
Unternehmers, die Leistung für sein Unternehmen zu beziehen,
stehe bereits bei Leistungsbezug fest. Der Kläger habe seit 15
Jahren kein externes Büro unterhalten. Dass das Büro
unternehmerischen Zwecken habe dienen sollen, sei daher nicht
zweifelhaft.
|
|
|
18
|
Das FA sieht sich in seiner Auffassung
bestätigt. Hilfsweise verweist es darauf, dass der Umfang der
unternehmerischen Nutzung streitig sei und die unternehmerische
Nutzung weniger als 10 % betragen könnte.
|
|
|
19
|
II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung des Rechtsstreits an das FG zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Unrecht angenommen,
dass eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung nur
dann vorliegt, wenn diese bis zum 31. Mai des Folgejahres dem FA
gegenüber abgegeben wird. Die Vorentscheidung ist deshalb
aufzuheben. Allerdings ist die Sache nicht spruchreif, da die
tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausreichen, um
abschließend zu entscheiden.
|
|
|
20
|
1. Für die Dokumentation der Zuordnung
ist keine fristgebundene Mitteilung an die Finanzbehörde
erforderlich. Liegen innerhalb der Dokumentationsfrist nach
außen hin objektiv erkennbare Anhaltspunkte für eine
Zuordnung vor, können diese der Finanzbehörde auch noch
nach Ablauf der Frist mitgeteilt werden. Der Senat verweist
diesbezüglich zur Vermeidung von Wiederholungen auf sein
Urteil vom gleichen Tag XI R 29/21 (XI R 7/19 = SIS 20 00 16, zur
amtlichen Veröffentlichung bestimmt).
|
|
|
21
|
2. Für eine Zuordnung zum Unternehmen
kann bei Gebäuden die Bezeichnung eines Zimmers als
Arbeitszimmer in Bauantragsunterlagen jedenfalls dann sprechen,
wenn dies durch weitere objektive Anhaltspunkte untermauert wird.
So ist es z.B. dann, wenn der Unternehmer für seinen
Gerüstbaubetrieb einen Büroraum benötigt, er bereits
in der Vergangenheit kein externes Büro, sondern einen Raum
seiner Wohnung für sein Unternehmen verwendet hat, und er
beabsichtigt, dies in dem von ihm neu errichteten Gebäude so
beizubehalten. Anhand der tatsächlichen Feststellungen des FG
kann allerdings nicht entschieden werden, ob der Kläger die
Zuordnung der Eingangsleistungen des Streitjahres zum Unternehmen
rechtzeitig, d.h. bis zum 31. Mai des Folgejahres,
„implizit“ (konkludent)
vorgenommen hat.
|
|
|
22
|
a) Zutreffend hat das FG zwar angenommen, dass
die Abgabe der Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das
Streitjahr im September 2016 keine rechtzeitige Zuordnung
darstellt. Entgegen der Auffassung des FG kann sich aber aus den
Bauplänen vom 29.07.2014 eine Zuordnung ergeben, sofern zu den
Bauplänen weitere Umstände hinzutreten. Die gegenteilige
Sichtweise des FG widerspricht dem EuGH, der in Rz 48 des Urteils
Finanzamt N (EU:C:2021:852 = SIS 21 17 25) in Bezug auf den
Streitfall Folgendes ausgeführt hat:
|
|
|
|
“Insoweit kann, was E
[den Kläger] betrifft, die Zuordnung eines Zimmers von
angemessener Größe als Arbeitszimmer in den
Bauplänen eines Einfamilienhauses ein Indiz für eine
solche Absicht darstellen. Da jedoch ein in den Bauplänen
eines Einfamilienhauses entsprechend bezeichnetes Zimmer nicht
notwendigerweise tatsächlich für die wirtschaftliche
Tätigkeit des Steuerpflichtigen genutzt wird, kommt es darauf
an, dass die Absicht des Steuerpflichtigen, dieses Zimmer für
sein Unternehmen zu nutzen, durch andere objektive Anhaltspunkte,
die diese Nutzung belegen, untermauert
wird.“
|
|
|
23
|
Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der
bisherigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). So ist der
Senat in seinem Urteil vom 17.12.2008 - XI R 64/06 (BFH/NV 2009,
798 = SIS 09 12 87, Rz 39) davon ausgegangen, dass sich aus den
beigezogenen Bauakten keine Hinweise für eine Zuordnung
ergaben. Im Urteil vom 07.07.2011 - V R 21/10 (BFHE 234, 531, BStBl
II 2014, 81 = SIS 11 38 66, Rz 41) verneinte der BFH eine Zuordnung
im Hinblick auf die Bezeichnung
„Party“,
„Abstell“ und
„Bad“ in Planungsunterlagen. Der
BFH-Beschluss vom 14.02.2017 - V B 154/16 (BFH/NV 2017, 767 = SIS 17 08 08, Rz 12) befasst sich lediglich mit der Frage einer
grundsätzlichen Bedeutung. Zudem betreffen der BFH-Beschluss
vom 10.03.2006 - V B 81/05 (BFH/NV 2006, 1364 = SIS 06 26 61, Rz 3)
sowie die BFH-Urteile vom 12.01.2011 - XI R 9/08 (BFHE 232, 254,
BStBl II 2012, 58 = SIS 11 06 52, Rz 32) und vom 12.01.2011 - XI R
10/08 (BFH/NV 2011, 860 = SIS 11 13 02, Rz 32) andere, mit dem
Streitfall von vorneherein nicht vergleichbare Sachverhalte.
|
|
|
24
|
b) Der Senat kann die nach den vorstehenden
Maßstäben des EuGH gebotene Prüfung, ob andere
objektive Anhaltspunkte innerhalb der Zuordnungsfrist festgestellt
werden können, die die Absicht des Klägers, das Zimmer
tatsächlich für seine wirtschaftliche Tätigkeit zu
benutzen, nicht selbst vornehmen, weil tatsächliche
Feststellungen dazu fehlen. Der pauschale Verweis des FG auf die
Behördenakten reicht nicht aus, um deren Inhalt als
tatsächlich festgestellt anzusehen (vgl. BFH-Urteile vom
19.10.2011 - XI R 40/09, BFH/NV 2012, 798 = SIS 12 10 75, Rz 31;
vom 26.07.2012 - III R 70/10, BFH/NV 2012, 1971 = SIS 12 29 90, Rz
19; jeweils m.w.N.). Außerdem steht nicht fest, ob die darin
enthaltenen Angaben tatsächlich zutreffen. Die Sache geht
deshalb an das FG zurück.
|
|
|
25
|
c) Der Senat weist das FG für den zweiten
Rechtsgang auf Folgendes hin:
|
|
|
26
|
aa) Die Steuerakten enthalten mehrere
Anhaltspunkte dafür, dass das mit
„Arbeiten“ bezeichnete Zimmer
bereits im Streitjahr (und damit vor dem 31. Mai des Folgejahres)
für die wirtschaftliche Tätigkeit des Steuerpflichtigen
tatsächlich genutzt worden ist. Der Erstbezug des
Gebäudes könnte nach Aktenlage am 23.11.2015 erfolgt sein
(Bl. 26 der Umsatzsteuerakten, 2. Abteilung, sowie Aufstellung
„Baukosten“ in der Bilanzakte).
Für den Dezember 2015 wurde eine Absetzung für Abnutzung
berechnet (s. dazu die Aufstellung in der Bilanzakte sowie Bl. 27
der Umsatzsteuerakte, 2. Abteilung). Dazu hat das FG im zweiten
Rechtsgang tatsächliche Feststellungen zu treffen.
|
|
|
27
|
Für ein Handeln des Klägers als
Steuerpflichtiger könnte, soweit es um das mit
„Arbeiten“ bezeichnete Zimmer
geht, außerdem sprechen, dass der Kläger mehrfach
unwidersprochen vorgetragen hat, seit 15 Jahren kein externes
Büro unterhalten zu haben. Dazu hat das FG ebenso weitere
Feststellungen zu treffen wie zu dem Zeitpunkt, zu dem der
Kläger ggf. sein Unternehmen an eine neue Adresse umgemeldet
und es für sein Unternehmen tatsächlich genutzt hat.
|
|
|
28
|
bb) In revisionsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise hat das FG im Übrigen angenommen, dass
das Gäste-WC (lt. Bauzeichnung mit Dusche) nicht rechtzeitig
dem Unternehmen zugeordnet worden sei; denn das vom EuGH in den
Bauplänen gesehene Indiz bezieht sich nur auf das mit
„Arbeiten“ bezeichnete Zimmer
(und nicht auf andere Flächen). Zur Versagung des
Vorsteuerabzugs für eine Dusche oder Badewanne s.
außerdem BFH-Urteil vom 07.05.2020 - V R 1/18 (BFHE 270, 146
= SIS 20 08 99, Rz 27).
|
|
|
29
|
Ebenfalls zutreffend ist das FG
stillschweigend davon ausgegangen, dass einer Zuordnung nicht
entgegensteht, dass der Kläger in den von ihm beim FA
eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen einen Vorsteuerabzug
nicht vorgenommen hat (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2011 - V R 42/09,
BFHE 234, 519, BStBl II 2014, 76 = SIS 11 31 06, Rz 29 und 39; in
BFHE 234, 531, BStBl II 2014, 81 = SIS 11 38 66, Rz 29 und 39 sowie
44). Dem Inhalt der Voranmeldungen kommt bei der Abwägung
keine unwiderlegbare Beweiswirkung zu, sondern er muss im
Zusammenhang mit den anderen Umständen gewürdigt werden
(vgl. auch BFH-Urteil vom 27.07.1995 - V R 44/94, BFHE 178, 482,
BStBl II 1995, 853 = SIS 96 03 23, Rz 12 f.). Die bisherige
Rechtsprechung des BFH ist auch insoweit mit Unionsrecht vereinbar
(vgl. EuGH-Urteil Finanzamt N, EU:C:2021:852 = SIS 21 17 25, Rz
49).
|
|
|
30
|
cc) Das FG wird außerdem, da es im
Streitfall um ein Gebäude geht, in Bezug auf die Höhe der
ggf. abziehbaren Vorsteuer das Vorsteuerabzugsverbot des § 15
Abs. 1b UStG, Art. 168a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(MwStSystRL) zu berücksichtigen haben.
|
|
|
31
|
dd) Anhaltspunkte für eine
Vorsteuerberichtigung (§ 15a Abs. 6a UStG) sind im Streitfall
nicht ersichtlich, so dass der Senat zu der Frage, ob im
Anwendungsbereich des § 15 Abs. 1b UStG für eine solche
Berichtigung eine vorherige volle Zuordnung des Gebäudes zum
Unternehmen erforderlich ist (vgl. dazu bei nichtwirtschaftlicher
Tätigkeit BFH-Urteil vom 20.10.2021 - XI R 10/21, BFH/NV 2022,
543 = SIS 22 03 77, Rz 53 ff., m.w.N.), nicht Stellung nehmen muss
(vgl. auch BFH-Beschluss vom 10.02.2021 - XI B 24/20, BFH/NV 2021,
549 = SIS 21 03 13, Rz 14).
|
|
|
32
|
3. Darüber hinaus kann anhand der
tatsächlichen Feststellungen des FG nicht hinreichend
beurteilt werden, ob die unternehmerische Mindestnutzung (§ 15
Abs. 1 Satz 2 UStG) erreicht ist.
|
|
|
33
|
a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gilt die
Lieferung, die Einfuhr oder der innergemeinschaftliche Erwerb eines
Gegenstandes, den der Unternehmer zu weniger als 10 % für sein
Unternehmen nutzt, als nicht für das Unternehmen
ausgeführt. Bei der Ermittlung dieser unternehmerischen
Mindestnutzung ist auf die Verwendungsverhältnisse des
gesamten Gebäudes abzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 19.07.2011
- XI R 21/10, BFHE 235, 14, BStBl II 2012, 434 = SIS 11 36 18, Rz
49 ff.).
|
|
|
34
|
b) Gegen die Anwendung von § 15 Abs. 1
Satz 2 UStG bestehen keine unionsrechtlichen Bedenken (vgl.
BFH-Urteil vom 03.08.2017 - V R 59/16, BFHE 258, 553, BStBl II
2017, 1209 = SIS 17 16 20; BFH-Beschluss vom 01.03.2016 - XI B
51/15, BFH/NV 2016, 957 = SIS 16 10 09); denn das Gebäude,
für das der Kläger den anteiligen Vorsteuerabzug begehrt,
wurde im Streitfall neben der Verwendung für das Unternehmen
nur für private Wohnzwecke, nicht aber für
nichtwirtschaftliche, d.h. nicht in den Anwendungsbereich der
Mehrwertsteuer fallende Tätigkeiten verwendet.
|
|
|
35
|
c) Soweit der Senat im Vorlagebeschluss
(BFH-Beschluss in BFHE 266, 459, BStBl II 2021, 112 = SIS 20 00 14,
Rz 34) noch angenommen hatte, dass die Fläche des
unternehmerisch genutzten Zimmers nicht weniger als 10 % der
Gesamtnutzungsfläche des gemischt genutzten Grundstücks
betrage und die unternehmerische Mindestnutzung erfüllt sei,
hält er hieran im Hinblick auf den Vortrag des FA zum Urteil
des EuGH nicht fest. Denn danach ist dies weiter streitig, da das
FA von einer unternehmerischen Nutzung von weniger als 10 %
ausgeht. Die Sache geht daher auch deshalb an das FG
zurück.
|
|
|
36
|
4. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.
|
|
|
37
|
5. Der Senat entscheidet mit
Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
durch Urteil (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO). Er hat die
Entscheidung in einer Videokonferenz unter den hierfür von der
BFH-Rechtsprechung (Urteil vom
10.02.2021 - IV R 35/19, BFHE 272, 152 = SIS 21 06 74) aufgestellten Voraussetzungen
getroffen.
|
|
|
|