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Zeitliche Grenzen für die Ausübung oder Änderung von Antrags- oder Wahlrechten

Zeitliche Grenzen für die Ausübung oder Änderung von Antrags- oder Wahlrechten: 1. Einkommensteuerrechtliche Antrags- oder Wahlrechte können auch nach Eintritt der Bestandskraft eines vorangehenden Bescheids jedenfalls dann erstmalig ausgeübt oder geändert werden, wenn das FA einen steuererhöhenden Änderungsbescheid erlassen hat, mit dem ein weiterer steuererheblicher Sachverhalt erfasst worden ist, aufgrund dessen überhaupt erst die wirtschaftliche Notwendigkeit entstanden ist, sich mit der erstmaligen bzw. geänderten Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts zu befassen (Abweichung vom BFH-Beschluss vom 10.5.2010 IX B 220/09, BFH/NV 2010, 1415 = SIS 10 21 06 mit Zustimmung des IX. Senats). Die nachträgliche Antrags- oder Wahlrechtsausübung wird in zeitlicher Hinsicht durch die formelle Bestandskraft des Änderungsbescheids und in betragsmäßiger Hinsicht durch den Änderungsrahmen des § 351 Abs. 1 AO begrenzt. - 2. Der Freibetrag für Betriebsveräußerungs- oder -aufgabegewinne kann auch bei Veräußerung oder Aufgabe mehrerer Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile innerhalb desselben Veranlagungszeitraums nur für einen einzigen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn in Anspruch genommen werden. - Urt.; BFH 27.10.2015, X R 44/13; SIS 16 02 82

Kapitel:
Unternehmensbereich > Betriebsaufgabe, Veräußerung, Anteilsübertragung
Fundstellen
  1. BFH 27.10.2015, X R 44/13
    BStBl 2016 II S. 278
    DStR 2016 S. 459
    BFHE 252 S. 94

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 4.4.2016
    -/- in NWB 8/2016 S. 536
    J.H. in StuB 5/2016 S. 198
    Ch. Hildebrand in BB 12-13/2016 S. 737
    B. Rätke in BBK 8/2016 S. 359
    J. Förster in BFH/PR 5/2016 S. 135
    T. Carlé in DStZ 10/2016 S. 349
    -/- in GmbH-Stpr 8/2016 S. 245
Normen
[EStG] § 16 Abs. 4
[AO 1977] § 351 Abs. 1
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG Münster, 24.04.2013, SIS 14 01 64, Änderung, Bestandskraft, Fehlerberichtigung, Wahlrecht, Freibetrag, Veräußerungsgewinn
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 20.4.2023, SIS 23 08 68, Änderung von Antrags- und Wahlrechten: 1. Die Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten, die dem Grunde nach...
  • FG Köln 23.3.2023, SIS 23 12 82, Wahlrechtsausübung bei einer Spende auf den zu erhaltenden Vermögensstock einer Stiftung: 1. Das Wahlrech...
  • FG Hamburg 1.3.2023, SIS 23 07 86, Unanfechtbarkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 UStG: Unter Unanfechtbarkeit im Sinne des § 23 Abs. 3 Sa...
  • BFH 19.1.2022, SIS 22 11 03, Nachträgliche Geltendmachung des Wahlrechts auf einen Sonderausgabenabzug nach § 10 a EStG: 1. Die Inansp...
  • FG Münster 27.10.2021, SIS 22 00 21, Voll- bzw. Optionsverschonung gemäß § 13 a Abs. 8 ErbStG nach Änderung einer bestandskräftigen Steuerfest...
  • BFH 3.3.2021, SIS 21 15 10, Zur Nichtwohnsitz-Fiktion des NATO-Truppenstatuts: Eine Person hält sich für die Anwendung des Art. X Abs...
  • FG Berlin-Brandenburg 30.1.2020, SIS 19 21 87, Nacherklärte Kapitalerträge: 1. Nacherklärte Kapitalerträge sowie die vom Gläubiger der Kapitalerträge da...
  • BFH 21.8.2019, SIS 19 19 17, Nachträgliche Wahl der Antragsveranlagung nach § 32 d Abs. 4 EStG, Nichtigkeit eines Schätzungsbescheids:...
  • FG Düsseldorf 8.11.2018, SIS 18 21 21, Antrag auf Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns gem. § 34 a EStG: 1. Eine Rücknahme des Antrags auf...
  • Thüringer FG 5.10.2018, SIS 19 14 83, Antragsfrist für die Feststellung eines fortführungsgebundenen Verlustvortrags: Das in § 8 d Abs. 1 Satz ...
  • FG Münster 13.9.2018, SIS 18 20 11, Begünstigung des Betriebsvermögens, Vollverschonung, Vorläufigkeitsvermerk, rückwirkendes Ereignis: 1. De...
  • FG Münster 13.9.2018, SIS 18 20 13, Begünstigung des Betriebsvermögens, Vollverschonung, Vorläufigkeitsvermerk, rückwirkendes Ereignis: 1. De...
  • BFH 14.6.2018, SIS 18 15 72, Zusammenveranlagung nach bestandskräftiger Einzelveranlagung: 1. Erfüllen Ehegatten die Voraussetzungen d...
  • BFH 26.4.2018, SIS 18 10 42, Änderung von Antrags- und Wahlrechten: 1. Wird ein Mitunternehmeranteil gegen eine Leibrente veräußert, s...
  • BFH 14.9.2017, SIS 17 22 10, Umfang eines Vorläufigkeitsvermerks: Für die Reichweite eines Vorläufigkeitsvermerks kommt es darauf an, ...
  • FG München 16.3.2017, SIS 17 09 64, Wahlrecht zur nachgelagerten Besteuerung von Veräußerungsrenten, Wahlrechtsausübung bei Anfechtung eines ...
  • BMF 12.1.2017, SIS 17 00 55, AEAO, Änderung 2017: Der Anwendungserlass zur Abgabenordnung wurde in zahlreichen Punkten geändert. U.a. ...
  • FG Berlin-Brandenburg 30.5.2016, SIS 17 22 94, Änderung des Ehegattenveranlagungswahlrechts zur Zusammenveranlagung für den Veranlagungszeitraum der Ehe...
  • BFH 9.12.2015, SIS 16 04 56, Änderung von Antrags- und Wahlrechten: 1. Die Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten, die dem Grunde nach...

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 24.4.2013 7 K 2342/11 E = SIS 14 01 64 und die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 9.6.2011 aufgehoben.

Die Einkommensteuer 2007 wird unter Abänderung des Bescheids vom 7.9.2010 auf den Betrag festgesetzt, der sich ergibt, wenn statt des bisher berücksichtigten Freibetrags für Betriebsveräußerungs- und -aufgabegewinne von 3.705 EUR ein solcher von 22.975 EUR abgezogen wird.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens haben der Beklagte zu 84 % und die Klägerin zu 16 % zu tragen.

 

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte sowohl als Einzelunternehmerin als auch durch eine mitunternehmerische Beteiligung an einer Publikums-GmbH & Co. KG (KG) Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zum 1. Januar des Streitjahres 2007 schied sie aus der KG aus. Ferner gab sie zum 31.12.2007 den Betrieb des Einzelunternehmens auf. In ihrer Einkommensteuererklärung ermittelte sie einen Gewinn aus der Aufgabe des Einzelunternehmens in Höhe von 3.705 EUR und beantragte hierfür den - nur einmal zu gewährenden - Freibetrag nach § 16 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG), dessen persönliche Voraussetzungen (Vollendung des 55. Lebensjahres) sie erfüllte. In der Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung führte sie auch die KG-Beteiligung auf, ließ das Feld zur Angabe der Höhe der hieraus bezogenen Einkünfte jedoch leer.

 

 

2

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) veranlagte die Klägerin am 20.6.2008 erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und beließ den Aufgabegewinn aus dem Einzelunternehmen steuerfrei. Im Anschluss an eine Außenprüfung, die nicht zu Änderungen der Besteuerungsgrundlagen führte, hob das FA den Vorbehalt der Nachprüfung mit Bescheid vom 6.8.2009 auf.

 

 

3

Am 24.8.2010 teilte das für die KG zuständige Betriebs-FA dem FA mit, die Klägerin habe aufgrund ihres Ausscheidens aus der KG einen Veräußerungsgewinn in Höhe von 22.975 EUR erzielt. Diesen Betrag, der auf der Auflösung eines negativen Kapitalkontos beruhte, erfasste das FA in dem nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten, im vorliegenden Verfahren angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2007 vom 7.9.2010. Es gewährte hierfür zwar die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG, nicht aber den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG.

 

 

4

Im Einspruchsverfahren beantragte die Klägerin erfolglos, den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG auf den - höheren - Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung anzuwenden. Sie vertrat hierzu die Auffassung, der Bescheid könne nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden. Ihr sei erst nachträglich bekannt geworden, dass sie durch das Ausscheiden aus der KG einen Veräußerungsgewinn erzielt habe.

 

 

5

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (EFG 2014, 287 = SIS 14 01 64). Zwar seien die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht erfüllt, weil der Veräußerungsgewinn keine neue Tatsache darstelle. Der steuerlich beratenen Klägerin sei sowohl ihr Ausscheiden aus der KG als auch der Umstand, dass ihr Kapitalkonto negativ gewesen sei, bekannt gewesen. Allerdings sei eine Rechtsfehlerkompensation nach § 177 Abs. 1 AO vorzunehmen. Hierfür reiche es aus, wenn im Zeitpunkt der Änderung des Bescheids ein nicht eigenständig korrigierbarer materieller Fehler gegeben sei. Die nachträgliche Ausübung eines Wahlrechts könne einen solchen Fehler herbeiführen.

 

 

6

Mit seiner Revision verweist das FA auf eine gegenteilige Entscheidung des FG München vom 29.10.2009 15 K 298/07 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.5.2010 IX B 220/09, BFH/NV 2010, 1415 = SIS 10 21 06).

 

 

7

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

 

8

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

9

Sie hält die vom FA angeführte Entscheidung des FG München nicht für einschlägig, da sie zu den Überschusseinkünften und zu einem Wahlrecht mit mehrjährigem Begünstigungszeitraum (Sonderabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz) ergangen sei. Demgegenüber habe die Klägerin ihre Einkünfte durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt.

 

 

10

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung des Senats in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).

 

 

11

Die verfahrensrechtlichen Überlegungen des FG und der Beteiligten zur Anwendbarkeit einer Korrekturvorschrift oder des § 177 AO gehen schon deshalb ins Leere, weil die Klägerin Einspruch gegen einen steuererhöhenden Änderungsbescheid eingelegt hat und im Umfang der vorgenommenen Änderung eine Herabsetzung der festgesetzten Steuer im Einspruchsverfahren verfahrensrechtlich immer möglich ist (dazu unten 1.). Zu Recht hat das FG aber die Auffassung vertreten, dass die Klägerin ihr Antragsrecht im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid erneut ausüben konnte (unten 2.). Gleichwohl muss das angefochtene Urteil aufgehoben werden, weil das FG die Gegenrechnung des bisher gewährten Freibetrags unterlassen hat (unten 3.).

 

 

12

1. Anders als das FG und die Beteiligten meinen, ist im Streitfall weder entscheidungserheblich, ob die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift erfüllt sind noch ob eine Rechtsfehlerkompensation nach § 177 Abs. 1 AO möglich ist. Die Frage, ob eine verfahrensrechtliche Änderungsmöglichkeit für den Fall eröffnet wäre, dass der angefochtene Steuerbescheid materiell-rechtlich rechtswidrig sein sollte, ist vielmehr offensichtlich zu bejahen. Denn die Klägerin hat einen Änderungsbescheid, in dem im Vergleich zum vorangehenden Bescheid eine höhere Steuer festgesetzt worden ist, mit dem Rechtsbehelf des Einspruchs angefochten. Ein solcher Änderungsbescheid kann im Einspruchsverfahren gemäß § 351 Abs. 1 AO insoweit angegriffen - und gemäß § 367 Abs. 2 Satz 2 AO durch Erlass eines (Teil-)Abhilfebescheids auch geändert - werden, als die Änderung reicht. Da die Klägerin im Einspruchsverfahren lediglich begehrt hat, die Einkommensteuer auf einen Betrag herabzusetzen, der zwar niedriger ist als die im Änderungsbescheid festgesetzte Steuer, aber höher ist als der im ursprünglichen Bescheid festgesetzte Betrag, wäre - wenn man allein auf die verfahrensrechtlich eröffneten Möglichkeiten abstellt - im Einspruchsverfahren eine Änderungsmöglichkeit zweifelsfrei gegeben, ohne dass es auf die Voraussetzungen einer der Korrekturvorschriften oder der Rechtsfehlerkompensation ankäme.

 

 

13

2. Die Klägerin konnte ihr durch § 16 Abs. 4 EStG eröffnetes Antragsrecht im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid anderweitig ausüben. Damit steht ihr der Freibetrag nunmehr für den Gewinn aus der Veräußerung der KG-Beteiligung (22.975 EUR) zu.

 

 

14

a) Dem steht im Streitfall die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung nicht entgegen, wonach auch solche Antrags- oder Wahlrechte, für deren Ausübung im Gesetzeswortlaut keine ausdrückliche zeitliche Begrenzung vorgesehen ist, grundsätzlich nur bis zum Eintritt der Bestandskraft des entsprechenden Steuerbescheids erstmals oder in geänderter Weise ausgeübt werden können.

 

 

15

Alle diese Entscheidungen sind zu Fallgestaltungen ergangen, in denen die Steuerfestsetzung für denjenigen Veranlagungszeitraum, auf den sich die begehrte erstmalige oder geänderte Ausübung des Antrags- oder Wahlrechts beziehen sollte, bereits bestandskräftig war, und der Steuerpflichtige durch Stellung eines Änderungsantrags die Durchbrechung der Bestandskraft zu seinen Gunsten erreichen wollte (BFH-Urteile vom 10.10.1969 VI R 180/67, BFHE 97, 186, BStBl II 1970, 63 = SIS 70 00 34; vom 18.12.1973 VIII R 101/69, BFHE 111, 302, BStBl II 1974, 319 = SIS 74 01 76; vom 25.2.1992 IX R 41/91, BFHE 167, 369, BStBl II 1992, 621 = SIS 92 14 08; vom 13.2.1997 IV R 59/95, BFH/NV 1997, 635 = SIS 97 18 32; vom 17.9.2008 IX R 72/06, BFHE 222, 571, BStBl II 2009, 639 = SIS 08 40 76, und vom 14.5.2009 IV R 6/07, BFH/NV 2009, 1989 = SIS 09 36 32; BFH-Beschluss vom 11.6.2014 IV B 46/13, BFH/NV 2014, 1369 = SIS 14 21 18).

 

 

16

Wenn die Ausübung eines Wahlrechts den Steuerpflichtigen für mehrere Veranlagungszeiträume bindet, tritt diese Bindung bereits dann ein, wenn nur der erste Veranlagungszeitraum bestandskräftig veranlagt wurde (BFH-Beschluss vom 2.7.1992 IX B 169/91, BFHE 168, 298, BStBl II 1992, 909 = SIS 92 19 09: degressive Gebäude-AfA; BFH-Urteil vom 27.10.1992 IX R 60/90, BFH/NV 1993, 467: keine Verteilung größerer Erhaltungsaufwendungen nach § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung, wenn die Aufwendungen bereits im Jahr ihres Abflusses bestandskräftig als Werbungskosten abgezogen worden sind). Ebenso kann ein Gewinnermittlungswahlrecht, das einem bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid zugrunde gelegt wurde, für einen verfahrensrechtlich noch offenen Gewerbesteuermessbescheid nicht anderweitig ausgeübt werden (BFH-Urteil vom 9.8.1989 X R 110/87, BFHE 158, 520, BStBl II 1990, 195 = SIS 90 03 15).

 

 

17

Dass mit dem - in den meisten Entscheidungen nicht näher erläuterten - Begriff der „Bestandskraft“ nicht die materielle, sondern die formelle Bestandskraft gemeint ist, ergibt sich u.a. aus dem BFH-Urteil vom 30.8.2001 IV R 30/99 (BFHE 196, 507, BStBl II 2002, 49 = SIS 02 02 45, unter II.2.a), wo es in dem hier interessierenden Zusammenhang heißt, unanfechtbar sei eine Steuerfestsetzung, wenn sie nicht mehr mit ordentlichen außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfen angefochten werden könne.

 

 

18

Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Eintritt der formellen Bestandskraft die zeitliche Grenze für die anderweitige Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten bildet, macht die Rechtsprechung aber, wenn der ursprüngliche Bescheid noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht (BFH-Urteil vom 3.2.1987 IX R 255/84, BFH/NV 1987, 751, unter II.1.; diese Entscheidung wird auch in dem vom FA im vorliegenden Revisionsverfahren angeführten BFH-Beschluss in BFH/NV 2010, 1415 = SIS 10 21 06 zustimmend zitiert; im Ergebnis wohl auch BFH-Urteil vom 25.10.2007 III R 39/04, BFHE 219, 294, BStBl II 2008, 226 = SIS 08 07 20; anders allerdings für das umsatzsteuerrechtliche Wahlrecht zur Bestimmung des Vorsteuer-Aufteilungsschlüssels BFH-Urteil vom 22.11.2007 V R 35/06, BFH/NV 2008, 628 = SIS 08 14 57).

 

 

19

Im Ergebnis besteht damit Einigkeit, dass durch die erstmalige oder geänderte Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts die Änderung einer formell bestandskräftigen, nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerfestsetzung nicht erreicht werden kann, und eine solche Verfahrenshandlung insbesondere nicht die Voraussetzungen einer der gesetzlichen Korrekturvorschriften erfüllt.

 

 

20

b) Vorliegend begehrt die Klägerin indes nicht die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids. Vielmehr hat sie einen steuererhöhenden Änderungsbescheid angegriffen, der als solcher nicht bestandskräftig geworden ist. Zu derartigen Fallgestaltungen hat sich in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch kein einheitliches Bild entwickelt.

 

 

21

aa) Für Zwecke der Ausübung des Ehegatten zustehenden Rechts auf Wahl der Veranlagungsform (§§ 26 ff. EStG) lässt die ständige Rechtsprechung der hierfür zuständigen bzw. zuständig gewesenen Senate des BFH eine Änderung der bereits ausgeübten Wahlmöglichkeit auch dann zu, wenn die anderweitige Veranlagungsform erst nach Ergehen eines Änderungsbescheids, der an die Stelle eines formell bestandskräftig gewordenen Bescheids getreten ist, gewählt wird (tragend in den BFH-Urteilen vom 27.7.1988 VI R 43/85, BFH/NV 1989, 156; vom 27.9.1988 VIII R 98/87, BFHE 155, 91, BStBl II 1989, 229 = SIS 89 04 52, und vom 25.6.1993 III R 32/91, BFHE 171, 407, BStBl II 1993, 824 = SIS 93 20 05; ferner obiter dicta in den BFH-Urteilen vom 28.8.1981 VI R 139/78, BFHE 134, 412, BStBl II 1982, 156 = SIS 82 09 01; vom 24.5.1991 III R 105/89, BFHE 165, 345, BStBl II 1992, 123 = SIS 92 01 02, unter 2.b; vom 19.5.1999 XI R 97/94, BFHE 189, 63, BStBl II 1999, 762 = SIS 99 19 38; vom 20.1.1999 XI R 31/96, BFH/NV 1999, 1333 = SIS 99 51 39, und vom 24.1.2002 III R 49/00, BFHE 198, 12, BStBl II 2002, 408 = SIS 02 05 83, unter II.1.).

 

 

22

Diese Entscheidungen sind allerdings jedenfalls nicht zwingend auf andere einkommensteuerrechtliche Antrags- oder Wahlrechte übertragbar, da es sich bei der anderweitigen Ausübung des Ehegattenwahlrechts nach der Rechtsprechung des III. Senats weder um einen Einspruch noch um einen Änderungsantrag handelt. Eine solche Verfahrenshandlung berechtigt daher nur zu einer Änderung der Veranlagungsform, nicht aber zur Änderung der bisher berücksichtigten Besteuerungsgrundlagen (BFH-Urteil vom 3.3.2005 III R 60/03, BFHE 209, 308, BStBl II 2005, 564 = SIS 05 24 58).

 

 

23

bb) Auch hat es die höchstrichterliche Rechtsprechung zugelassen, ein Wahlrecht (erstmals) im Einspruchsverfahren gegen einen Änderungsbescheid auszuüben, wenn erst dieser Änderungsbescheid überhaupt die Grundlage für die Ausübung des Wahlrechts gelegt hat. So hat es der IV. Senat gebilligt, dass die Vergünstigung des § 6c EStG für die Übertragung stiller Reserven aus der Veräußerung von landwirtschaftlichem Grund und Boden im Einspruchsverfahren gegen einen Änderungsbescheid geltend gemacht wurde, wenn erst in diesem Änderungsbescheid ein Veräußerungsgewinn aus dem - vom Steuerpflichtigen als Privatvermögen angesehenen - Grundbesitz angesetzt worden ist (BFH-Urteil in BFHE 196, 507, BStBl II 2002, 49 = SIS 02 02 45).

 

 

24

cc) Darüber hinaus wird die Änderung eines bestandskräftigen Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zugelassen, wenn der Sachverhalt, auf dem das Wahlrecht beruht, dem FA nachträglich bekannt wird und den Steuerpflichtigen an dem nachträglichen Bekanntwerden kein grobes Verschulden trifft. In diesem Fall kann der Steuerpflichtige sein Wahlrecht erstmals ausüben, obwohl der Sachverhalt als solcher bereits in der ursprünglichen Veranlagung erfasst war und diese bestandskräftig geworden ist (BFH-Urteil vom 28.9.1984 VI R 48/82, BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117 = SIS 84 21 34: wenn dem Steuerpflichtigen erst nach Bestandskraft der Veranlagung bekannt wird, dass darin auch Jubiläumszuwendungen seines Arbeitgebers erfasst worden sind, kann er gleichwohl deren ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG beantragen und das FA zur Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO veranlassen).

 

 

25

c) Jedenfalls in Fallgestaltungen wie im Streitfall wird die zeitliche Grenze für die Möglichkeit der erstmaligen oder geänderten Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts nach Auffassung des erkennenden Senats nicht durch die formelle Bestandskraft des Erstbescheids, sondern erst durch die formelle Bestandskraft des steuererhöhenden Änderungsbescheids gezogen, sofern die steuerlichen Auswirkungen der Ausübung des Antrags- oder Wahlrechts nicht über den durch § 351 Abs. 1 AO gezogenen Rahmen hinaus gehen.

 

 

26

Der Zweck der unter a) zitierten Rechtsprechung liegt darin, zu verhindern, dass ein formell und materiell bestandskräftiger Steuerbescheid, für dessen Änderung keine Korrekturvorschrift zur Verfügung steht, allein wegen der erstmaligen oder anderweitigen Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts geändert werden muss. Der Steuerpflichtige soll die Finanzverwaltung nicht allein durch die nachträgliche („verspätete“) erstmalige oder geänderte Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten zwingen können, die Veranlagung verfahrensrechtlich wieder zu „öffnen“. Vor diesem Hintergrund ist die Ausübung von Antrags- oder Wahlrechten in der zitierten Rechtsprechung zutreffend insbesondere weder als neue Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO noch als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO angesehen worden.

 

 

27

Eine grundlegend andere Situation ist aber gegeben, wenn das FA den formell bestandskräftig gewordenen Bescheid ohnehin - mit steuererhöhender Wirkung - ändern muss, weil die Voraussetzungen einer Korrekturvorschrift erfüllt sind und insoweit die materielle Bestandskraft des Bescheids durchbrochen wird. Jedenfalls dann, wenn für den Steuerpflichtigen - wie im vorliegenden Fall - erst durch die erstmalige Erfassung eines weiteren steuererheblichen Sachverhalts im Änderungsbescheid überhaupt die wirtschaftliche Notwendigkeit entsteht, sich mit der Ausübung bzw. geänderten Ausübung eines einkommensteuerrechtlichen Antrags- oder Wahlrechts für denselben Veranlagungszeitraum zu befassen (vgl. hierzu auch die vorstehend unter b bb angeführte Rechtsprechung), ist es interessengerecht, ihm diese Möglichkeit bis zur formellen Bestandskraft des Änderungsbescheids zuzugestehen. Davon unberührt bleibt, dass andere einkommensteuerrechtliche Vorschriften (z.B. das Gewinnermittlungswahlrecht nach § 4 Abs. 3 EStG oder jedenfalls die Ansparabschreibung nach § 7g EStG a.F.) weitere materiell-rechtliche Anforderungen an eine geänderte Wahlrechtsausübung stellen und in diesen Fällen allein der noch fehlende Eintritt der formellen Bestandskraft eines Änderungsbescheids nicht hinreichend für eine geänderte Wahlrechtsausübung ist.

 

 

28

Soweit der IX. Senat des BFH im Beschluss in BFH/NV 2010, 1415 = SIS 10 21 06 zu einer mit dem vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt im Wesentlichen vergleichbaren Konstellation im Ergebnis - ohne näher zwischen der Bestandskraft von Erstbescheiden und der von Änderungsbescheiden zu differenzieren - eine andere Auffassung vertreten hat, hat er auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt, daran nicht mehr festzuhalten.

 

 

29

3. Das vorinstanzliche Urteil ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft, als es der Klägerin zwar den Freibetrag für den Gewinn aus der Veräußerung der KG-Beteiligung (22.975 EUR) zugesprochen, den bisher gewährten Freibetrag für die Betriebsveräußerung (3.705 EUR) aber nicht gegengerechnet hat.

 

 

30

Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG kann nach dem Gesetzeswortlaut („nur einmal zu gewähren“) auch bei Veräußerung oder Aufgabe mehrerer Betriebe, Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile innerhalb desselben Veranlagungszeitraums nur für einen einzigen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn in Anspruch genommen werden (so zutreffend auch Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG Rz 730).

 

 

31

Vorliegend hat das FG tenoriert, der Einkommensteueränderungsbescheid werde „nach Maßgabe der Urteilsgründe geändert“. Die Urteilsgründe enthalten allerdings lediglich Rechtsausführungen, aber keine Hinweise zur Steuerberechnung. Hinreichend klar wird nur, dass das FG den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG für den Gewinn aus der Veräußerung der KG-Beteiligung (22.975 EUR) gewähren wollte. Angesichts des Umstands, dass die Klägerin ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils die Steuerfreistellung des Betrags von 22.975 EUR (ohne Gegenrechnung des bisher gewährten Freibetrags von 3.705 EUR) beantragt hatte und das FG der Klage in vollem Umfang stattgegeben hat, ohne der Klägerin für den zu weit gehenden Klageantrag eine Kostenquote aufzuerlegen, ist davon auszugehen, dass das FG keine Gegenrechnung des bisher gewährten Freibetrags vornehmen wollte. In diesem Umfang war das angefochtene Urteil zu ändern.

 

 

32

Die Ermittlung der festzusetzenden Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO dem FA übertragen.

 

 

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.