Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Finanzgerichts Köln vom 09.03.2022 - 15 K 1055/20 =
SIS 22 20 45 wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die
Kläger zu tragen.
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I. Streitig ist, ob ein im Jahr 2014
gestellter Antrag auf ermäßigte Besteuerung nach §
34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die
Einkommensteuer 2007 zurückgenommen werden kann, um ihn im
Jahr 2016 für die Einkommensteuerveranlagung 2014 zu
stellen.
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Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Ihre
Einkommensteuererklärung für 2007 reichten sie am
19.12.2008 ein. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt - FA
- ) erließ am 14.05.2009 einen (Erst-)Bescheid über die
Einkommensteuer 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
(§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - ). In der Folgezeit
erließ das FA unter Aufrechterhaltung des Vorbehalts der
Nachprüfung einen Änderungsbescheid gemäß
§ 164 Abs. 2 AO sowie später einen Bescheid über die
Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung gemäß
§ 164 Abs. 3 AO. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger
Einspruch ein und stellten im Rahmen des seinerzeitigen - hier
nicht streitigen - Einspruchsverfahrens erstmals einen Antrag auf
Berücksichtigung der Begünstigung nach § 34 Abs. 3
EStG für einen Veräußerungsgewinn des Klägers
aus der Beteiligung an der „... KG“
(nachfolgend X-KG) in Höhe von ... EUR für das Streitjahr
2007. Das FA entsprach dem Einspruchsbegehren mit Bescheid vom
27.03.2014 (Abhilfebescheid) und berücksichtigte die
Begünstigung nach § 34 Abs. 3 EStG.
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Aufgrund einer dann folgenden
Außenprüfung bei der X-KG erging durch das
Feststellungsfinanzamt ein geänderter Bescheid über die
einheitliche und gesonderte Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen. Hieraus ergab sich für die Kläger
ein geringerer als der bisher im Folgebescheid der Einkommensteuer
unterworfene Veräußerungsgewinn.
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Das FA erließ daraufhin nach §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO am 18.01.2016 als Folgebescheid einen
Änderungsbescheid über die Einkommensteuer 2007. Neben
der Reduzierung des Veräußerungsgewinns um ... EUR
wurden im geänderten Einkommensteuerbescheid erstmals eine
vortragsfähige Großspende aus dem Jahr 2006 erfasst und
die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung um ... EUR
gemindert. Der Veräußerungsgewinn war im geänderten
Bescheid weiterhin nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigt
besteuert. Die Einkommensteuer wurde entsprechend
herabgesetzt.
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Mit Schreiben vom 28.01.2016 teilten die
Kläger mit, dass sie den Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG
für das Streitjahr 2007 zurücknehmen. Stattdessen
stellten sie den Antrag nun für das Jahr 2014, in welchem ein
zwischenzeitlich festgestellter hoher Veräußerungsgewinn
einer anderen Gesellschaft (Y-KG) entstanden war. Ferner stellten
die Kläger am 07.04.2016 hilfsweise einen Antrag auf getrennte
Veranlagung.
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Das FA lehnte den Antrag auf Rücknahme
der Besteuerung nach § 34 Abs. 3 EStG für das Jahr 2007
sowie den Antrag auf getrennte Veranlagung durch Bescheid vom
28.07.2016 ab.
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Gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.07.2016
legten die Kläger Einspruch ein. Während des
Einspruchsverfahrens erging unter dem 18.05.2018 - aus anderen
Gründen - ein erneuter Änderungsbescheid zur
Einkommensteuerfestsetzung 2007. Der Einspruch wurde mit
Einspruchsentscheidung vom 15.04.2020 als unbegründet
zurückgewiesen. Die anschließend erhobene Klage hatte
nur mit dem Hilfsantrag auf getrennte Veranlagung Erfolg. Im
Übrigen wies das Finanzgericht (FG) die Klage mit den in EFG
2023, 95 = SIS 22 20 45 veröffentlichten Gründen als
unbegründet ab.
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Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung materiellen Rechts. Bei einer späteren
Änderung des Veräußerungsgewinns stehe der
Gesetzeszweck des § 34 Abs. 3 EStG dem Ausschluss der
Rücknahme des Antrags auf ermäßigte Besteuerung
entgegen.
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Die Kläger beantragen,
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das Urteil des FG Köln vom 09.03.2022
- 15 K 1055/20 hinsichtlich des abgelehnten Hauptantrags aufzuheben
und dem Antrag auf „Rücknahme des Antrags auf
begünstigte Besteuerung gemäß § 34 Abs. 3 EStG
vom 28.01.2016“ zuzustimmen und den
Einkommensteuerbescheid 2007 entsprechend zu ändern.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Die ausdrückliche gesetzliche
Regelung, dass das Wahlrecht nur einmal im Leben ausgeübt
werden könne, erfordere auch unter Berücksichtigung des
Gesetzeszwecks keinen weitergehenden zeitlichen Rahmen. Der
Gesetzgeber habe in der Begründung zum Gesetz zur Senkung der
Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung
(Steuersenkungsgesetz - StSenkG -, BT-Drucks. 14/2683, BGBl I 2000,
1433) - bezogen auf die seinerzeit noch antragsgebundene
Vergünstigung außerordentlicher Einkünfte nach
§ 34 Abs. 1 EStG - ausdrücklich auf den
verfahrensrechtlich vorgesehenen Änderungsrahmen hingewiesen.
Es könne daher davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber
auch bei Einführung der Vergünstigung nach § 34 Abs.
3 EStG mit dem Gesetz zur Ergänzung des Steuersenkungsgesetzes
vom 19.12.2000 (Steuersenkungsergänzungsgesetz - StSenkErgG -,
BGBl I 2000, 1812) von diesem Änderungsrahmen ausgegangen
sei.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Die Kläger haben keinen Anspruch auf
Änderung des Einkommensteuerbescheids 2007 in der Weise, dass
der Veräußerungsgewinn nicht nach § 34 Abs. 3 EStG
ermäßigt besteuert und demzufolge eine höhere
Steuer festgesetzt wird. Der Änderung stehen § 351 Abs. 1
AO und § 177 Abs. 2 AO entgegen.
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1. Nach § 34 Abs. 3 EStG kann die Steuer
auf außerordentliche Einkünfte auf Antrag unter
bestimmten Voraussetzungen nach einem ermäßigten
Steuersatz bemessen werden. Der Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG
in der im Streitjahr geltenden Fassung ist grundsätzlich frei
widerruflich. Eine gesetzliche Frist für den Widerruf besteht
nicht (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 09.12.2015 - X R
56/13, BFHE 252, 241, BStBl II 2016, 967 = SIS 16 04 56, Rz 14
ff.). Ob die geänderte Ausübung des Wahlrechts durch
erstmaligen Antrag, durch Rücknahme eines Antrags oder durch
abweichende Ausübung eines Antrags ihrerseits eine
Änderung des Einkommensteuerbescheids rechtfertigt, ist eine
hiervon zu trennende Frage (BFH-Urteil in BFHE 252, 241, BStBl II
2016, 967 = SIS 16 04 56, Rz 17).
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2. Einer Änderung des
Einkommensteuerbescheids 2007 stehen - wie das FG zutreffend in den
Urteilsgründen ausgeführt hat - § 351 Abs. 1 AO und
§ 177 AO entgegen.
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a) Die ständige Rechtsprechung des BFH
lässt zwar die Ausübung und Änderung von Antrags-
oder Wahlrechten, die dem Grunde nach keiner zeitlichen Begrenzung
unterliegen, grundsätzlich so lange zu, wie der entsprechende
Steuerbescheid nicht formell und materiell bestandskräftig ist
(vgl. z.B. BFH-Urteile vom 27.10.2015 - X R 44/13, BFHE 252, 94,
BStBl II 2016, 278 = SIS 16 02 82, und in BFHE 252, 241, BStBl II
2016, 967 = SIS 16 04 56; Senatsurteil vom 26.04.2018 - III R
12/17, BFH/NV 2018, 948 = SIS 18 10 42). Die Änderung eines
Antrags- oder Wahlrechts ist auch dann zuzulassen, wenn und soweit
der Bescheid lediglich partiell noch nicht formell und materiell
bestandskräftig ist. Damit werden grundsätzlich auch
diejenigen Fälle erfasst, in denen Änderungsbescheide auf
der Grundlage einer selbständigen Änderungsvorschrift -
wie hier § 175 Abs. 1 AO - die teilweise Durchbrechung der
Bestandskraft bewirken (BFH-Urteil in BFHE 252, 241, BStBl II 2016,
967 = SIS 16 04 56, Rz 25).
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b) Wird ein solcher Änderungsbescheid
angefochten, so folgt jedoch aus § 351 Abs. 1 AO, dass die
Änderung der Antrags- oder Wahlrechtsausübung nur dann
möglich ist, wenn die dadurch zu erzielende
Steueränderung den durch die partielle Durchbrechung der
Bestandskraft gesetzten Rahmen nicht verlässt.
Gemäß § 351 Abs. 1 AO können Verwaltungsakte,
die unanfechtbare Verwaltungsakte ändern, nur insoweit
angegriffen werden, als die Änderung reicht, es sei denn, dass
sich aus den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung
von Verwaltungsakten etwas anderes ergibt. Die Vorschrift begrenzt
die Anfechtbarkeit und damit auch die durch den Einspruch bewirkte
Änderbarkeit eines Änderungsbescheids auf den Umfang der
Änderung und stellt damit u.a. klar, dass es im Übrigen
bei der zuvor eingetretenen Bestandskraft bleibt (BFH-Urteil in
BFHE 252, 241, BStBl II 2016, 967 = SIS 16 04 56, Rz 26;
Senatsurteil in BFH/NV 2018, 948 = SIS 18 10 42, Rz 27;
BFH-Beschluss vom 05.03.2020 - II B 99/18, BFH/NV 2020, 852 = SIS 20 07 27, Rz 8). Für Änderungen, die über diesen
Rahmen hinausgehen und demnach im Wege eines
Verpflichtungsbegehrens zu verfolgen wären, bedarf es folglich
einer eigenen Änderungsvorschrift. Die Änderung eines
Antrags- oder Wahlrechts stellt für sich genommen keine
Änderungsvorschrift dar (BFH-Urteil in BFHE 252, 241, BStBl II
2016, 967 = SIS 16 04 56, Rz 27).
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c) Dieselben Erwägungen gelten im Rahmen
des § 177 AO. Zwar kann die zulässige Ausübung eines
Wahlrechts oder die zulässige Änderung eines solchen
einen materiellen Fehler i.S. des § 177 Abs. 3 AO
auslösen (vgl. BFH-Urteil vom 03.03.2011 - IV R 35/09, BFH/NV
2011, 2045 = SIS 11 36 51, Rz 22). Insoweit erhält der
Steuerpflichtige die mit dem Eintritt der Bestandskraft verlorene
Befugnis zurück, auf die Höhe des in Frage stehenden
Steueranspruchs einzuwirken (Loose in Tipke/Kruse, § 177 AO Rz
4; von Wedelstädt in Gosch, AO § 177 Rz 17; a.A. von
Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 177 AO Rz 133). Dies
gilt aber gemäß § 177 Abs. 1 und 2 AO nur,
„soweit die Änderung reicht“. Die
Berichtigung muss sich daher im Rahmen der Durchbrechung der
Bestandskraft halten. Dieser Berichtigungsrahmen darf weder
überschritten noch unterschritten werden (BFH-Urteil vom
14.10.2009 - X R 14/08, BFHE 227, 312, BStBl II 2010, 533 = SIS 10 00 77, Rz 26). Die Berichtigung darf demnach bei einer
Änderung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen die bisherige
Steuer nicht unterschreiten und auch nicht zu einer höheren
Steuer führen, als sie sich aufgrund der Änderung ergibt;
bei einer Änderung zu Gunsten des Steuerpflichtigen darf sie
die bisherige Steuer nicht übersteigen und auch nicht zu einer
niedrigeren Steuer führen, als die Änderung zur Folge hat
(von Wedelstädt in Gosch, AO § 177 Rz 26, m.w.N.).
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3. Das FG hat die vorstehenden Grundsätze
zutreffend auf den Streitfall angewandt. Die Kläger haben
keinen Anspruch auf Erlass eines Änderungsbescheids zur
Einkommensteuer 2007 ohne Berücksichtigung des § 34 Abs.
3 EStG.
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a) Der nach Bestandskraft des
Einkommensteuerbescheids 2007 vom 27.03.2014 erlassene
Änderungsbescheid vom 18.01.2016 durchbricht die Bestandskraft
nur insoweit, als der Folgebescheid (Einkommensteuerbescheid 2007)
an den Grundlagenbescheid (geänderter Bescheid über die
einheitliche und gesonderte Feststellung für die X-KG)
angepasst wurde. Zu Recht hat das FG darauf abgestellt, dass die
durch die Änderung des Wahlrechts bewirkte Steueränderung
nicht mehr innerhalb des Rahmens des § 351 Abs. 1 AO und des
§ 177 AO liegt. Dies ist auch zwischen den Beteiligten
unstreitig.
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b) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus,
dass der Grundlagenbescheid eine Anpassung des Folgebescheids
gerade auch im Hinblick auf die Höhe des
Veräußerungsgewinns verlangte. Zwar hat der BFH diese
Frage in seinem Urteil in BFHE 252, 241, BStBl II 2016, 967 = SIS 16 04 56 (Rz 29) ausdrücklich offengelassen. Nach Auffassung
des Senats ändert aber die Tatsache, dass die Änderung
des Veräußerungsgewinns auch Grund für die
Änderung des Einkommensteuerbescheids war, nichts an der
Anwendbarkeit des § 351 Abs. 1 AO und des § 177 AO. Die
Bindungswirkung entfällt auch hier nur im Umfang der
Durchbrechung.
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aa) Das FA weist zu Recht darauf hin, dass der
Gesetzgeber in der Begründung zum StSenkG - bezogen auf die
seinerzeit noch antragsgebundene Vergünstigung
außerordentlicher Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG -
die Rücknahme eines Antrags dann für möglich
erachtet hat, wenn im Rahmen einer Änderung von
Steuerbescheiden dies nach den Vorschriften der AO zulässig
ist. Den Gesetzesmaterialien ist nicht zu entnehmen, dass
hinsichtlich der Rücknahme des durch das StSenkErgG
eingeführten Antrags nach § 34 Abs. 3 EStG etwas anderes
gelten soll (BT-Drucks. 14/4217, S. 8; vgl. BFH-Urteil in BFHE 252,
241, BStBl II 2016, 967 = SIS 16 04 56, Rz 36). Vielmehr hat der
Gesetzgeber auch bei der Regelung des § 34 EStG von einer
gegenüber den Vorschriften der AO eigenständigen
Korrekturvorschrift abgesehen.
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bb) Eine Ausnahme ist nach dem eindeutigen
Gesetzeswortlaut daher nur dann möglich, wenn sich
gemäß § 351 Abs. 1 Halbsatz 2 AO aus den
Vorschriften über die Aufhebung und Änderung etwas
anderes ergibt. Im Streitfall ist keine allgemeine gesetzliche
Berichtigungs- oder Änderungsnorm einschlägig, die zu
einer Änderung des Einkommensteuerbescheids 2007 ohne
Berücksichtigung der Begünstigung nach § 34 Abs. 3
EStG führen kann.
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(1) Die Änderungsvorschrift des §
175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO durchbricht die Bestandskraft nur
insoweit, als ein Folgebescheid an einen Grundlagenbescheid
anzupassen ist. Infolgedessen erlaubt die Vorschrift des § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO keine darüber hinausgehende Korrektur,
da das Wahlrecht nicht Gegenstand des Grundlagenbescheids ist.
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(2) Der Einkommensteuerbescheid kann auch
nicht unter Anwendung von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
geändert werden. Danach ist ein Steuerbescheid zu erlassen,
aufzuheben oder zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das
steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat
(rückwirkendes Ereignis). Unter Ereignis ist jede Begebenheit
zu verstehen, die den Sachverhalt oder einen Teil des Sachverhaltes
ausfüllt, der den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, d.h.
alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge (BFH-Urteil vom 06.03.2003
- XI R 13/02, BFHE 201, 421, BStBl II 2003, 554 = SIS 03 23 69,
unter II.1.; Loose in Tipke/Kruse, § 175 AO Rz 25, m.w.N.).
Ein Antrag, der selbst Merkmal des gesetzlichen Tatbestands ist und
insofern unmittelbar rechtsgestaltend einwirkt, kann ein Ereignis
i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sein (vgl. von
Wedelstädt in Gosch, AO § 175 Rz 50). Kein Ereignis i.S.
des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist hingegen ein
nachträglich erstmals ausgeübtes oder geändertes
Wahlrecht, das aus verfahrensrechtlichen Gründen Voraussetzung
für eine von mehreren steuerlichen Folgen für einen
bestimmten Tatbestand ist (BFH-Urteile in BFHE 252, 94, BStBl II
2016, 278 = SIS 16 02 82, Rz 26; vom 17.09.2008 - IX R 72/06, BFHE
222, 571, BStBl II 2009, 639 = SIS 08 40 76, unter II.2.b dd). Die
Rücknahme des Antrags nach § 34 Abs. 3 EStG stellt daher
kein rückwirkendes Ereignis dar.
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cc) Angesichts der vom Gesetzgeber
grundsätzlich vorgesehenen Bestandskraft von Steuerbescheiden
und den vorgesehenen Korrekturvorschriften in der AO gebietet es
auch nicht der Gesetzeszweck des § 34 Abs. 3 EStG - die
Sicherung der Altersvorsorge aus dem Berufsleben ausscheidender
Unternehmer über 55 Jahre (BT-Drucks. 14/4217, S. 8) -, den
durch die Anwendung der Korrekturvorschriften vorgegebenen
Änderungsrahmen zu durchbrechen. Der Gesetzeszweck erfordert
nicht, dass das Antragsrecht dem Steuerpflichtigen eine
veranlagungszeitraumübergreifende Optimierung seiner
Steuerlast außerhalb der maßgeblichen
Korrekturvorschriften ermöglichen muss. Darüber hinaus
hat schon der X. Senat in seiner Entscheidung in BFHE 252, 241,
BStBl II 2016, 967 = SIS 16 04 56 in Rz 36 darauf hingewiesen, dass
die Änderung der Geschäftsgrundlage, die der
Steuerpflichtige seinen steuerlichen Dispositionen zugrunde gelegt
hat, für sich allein nicht den Tatbestand einer
Änderungsvorschrift erfülle und deswegen für sich
allein auch nicht die Änderung von Bescheiden rechtfertigen
könne. Der Steuerpflichtige kenne seine aktuellen
Einkünfte und könne seine zu erwartenden Einkünfte
besser prognostizieren als jeder andere. Es sei daher folgerichtig,
wenn er auch das Risiko einer etwaigen Fehleinschätzung trage.
Soweit die Änderung des Wahlrechts nicht möglich sei,
wenn sie zu einer das Änderungspotential nur um 1 EUR
übersteigenden Steueränderung führe, sei das eine
unvermeidbare Folge des Umstands, dass der
Ermäßigungsantrag als solcher nicht teilbar sei
(BFH-Urteil in BFHE 252, 241, BStBl II 2016, 967 = SIS 16 04 56, Rz
40). Dem schließt sich der erkennende Senat an. Das FA weist
zu Recht darauf hin, dass die dargestellten Erwägungen auch
gelten, wenn der Veräußerungsgewinn - wie vorliegend -
aus Beteiligungseinkünften resultiert.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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