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Keine Berichtigung nach § 129 AO bei Übernahme "vermeintlicher" mechanischer Fehler des Steuerpflichtigen

Keine Berichtigung nach § 129 AO bei Übernahme "vermeintlicher" mechanischer Fehler des Steuerpflichtigen: 1. Fehler bei der Auslegung oder (Nicht-)Anwendung einer Rechtsnorm schließen die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit und damit die Anwendung des § 129 AO aus. - 2. § 129 AO ermöglicht auch dann nicht die Berichtigung "vermeintlicher" mechanischer Fehler des Steuerpflichtigen, welche tatsächlich auf der unzutreffenden Anwendung einer Rechtsnorm beruhen, wenn sie aus der Sicht der den Fehler übernehmenden Finanzbehörde als offenbare Unrichtigkeiten erscheinen mögen. - Urt.; BFH 16.9.2015, IX R 37/14; SIS 15 23 41

Kapitel:
Verschiedenes > Aufhebung, Änderung, Berichtigung
Fundstellen
  1. BFH 16.09.2015, IX R 37/14
    BStBl 2015 II S. 1040
    DStR 2015 S. 2445

    Anmerkungen:
    zur Veröffentlichung in BStBl II bestimmt nach BMF-Online vom 11.12.2015
    B. Rätke in BBK 2/2016 S. 53
    E. Ratschow in BFH/PR 1/2016 S. 17
Normen
[AO 1977] § 129
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: FG München, 04.06.2014, SIS 15 04 29, Veräußerungsgeschäft, Berichtigung, Vordruck, Stillhalter, Erklärung
Zitiert in... / geändert durch...
  • FG Berlin-Brandenburg 13.9.2023, SIS 23 21 09, Offenbare Unrichtigkeit einer elektronischen Steuererklärung: 1. Die Finanzbehörde kann sich eine Unricht...
  • FG Düsseldorf 7.9.2023, SIS 23 20 54, Offenbare Unrichtigkeit, Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos, Erkennbarkeit des tats...
  • BFH 18.7.2023, SIS 23 17 74, Keine Änderung eines Steuerbescheids nach § 173 a der Abgabenordnung (AO) bei fehlerhaftem Datenimport in...
  • FG Münster 14.6.2023, SIS 23 15 62, Anwendung von § 129 AO: 1. Offenbare Unrichtigkeiten i.S. des § 129 AO sind mechanische Versehen wie beis...
  • Niedersächsisches FG 16.5.2023, SIS 23 12 18, Anwendung von Korrekturnormen bei Veranlagungen unter Verwendung eines Risikomanagementsystems: 1. Das Me...
  • FG Münster 10.5.2023, SIS 23 10 17, Offenbare Unrichtigkeit bei Eintragung falscher Kennziffern im Rahmen der Umsetzung eines Betriebsprüfung...
  • FG des Saarlandes 20.4.2023, SIS 23 15 70, Offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO bei unzutreffender Angabe des steuerlichen Einlagekontos in...
  • Niedersächsisches FG 21.9.2022, SIS 22 20 56, Frage der Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, § 129 AO oder § 1...
  • BFH 8.12.2021, SIS 22 12 54, Offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO bei fehlender Erkennbarkeit des zutreffenden Werts: 1. Allein der U...
  • FG Münster 30.6.2021, SIS 21 13 66, Erforderlichkeit einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von Veräußerungsgewinnen nach § 23 Abs....
  • FG München 20.4.2021, SIS 22 10 27, Änderungsmöglichkeit der Feststellung des steuerlichen Einlagekontos gemäß § 129 AO bei Buchwerteinbringu...
  • FG Hamburg 1.10.2020, SIS 20 20 69, (Nicht-)Ausübung des Antragsrechts nach § 34 Abs. 3 EStG als Fehler nach § 129 AO: 1. Eine Wahlrechtsausü...
  • Niedersächsisches FG 4.8.2020, SIS 20 18 86, Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit bei versehentlich unterbliebener Aufhebung der Werbungskosten...
  • BFH 26.5.2020, SIS 20 13 06, Nachträgliches Bekanntwerden i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO: 1...
  • Niedersächsisches FG 19.2.2020, SIS 19 22 29, Berichtigung eines Bescheides nach § 129 Satz 1 AO bei fehlender Berücksichtigung eines nach § 43 a Abs. ...
  • BFH 12.2.2020, SIS 20 12 92, Keine Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO bei Tatsachen- oder Rechtsirrtum: 1. § 129 AO ist auch dann ...
  • FG Münster 5.12.2019, SIS 19 21 32, Berichtigung einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO: 1. Die zu § 129 AO entwickelten Grundsätze gel...
  • BFH 22.5.2019, SIS 19 10 31, Anwendung des § 129 AO bei Abgabe elektronischer Steuererklärungen, offenbare Unrichtigkeit bei nicht aus...
  • FG Münster 15.2.2019, SIS 19 22 14, Keine Änderungsbefugnis zugunsten des Steuerpflichtigen bei antragsgemäßer Steuerveranlagung: Einkommenst...
  • FG Köln 27.9.2018, SIS 19 04 66, Offenbare Unrichtigkeit: Ein Rechtsanwendungsfehler auf der Ebene des Steuerpflichtigen wird durch die Üb...
  • FG München 17.9.2018, SIS 18 19 66, Keine offenbare Unrichtigkeit nach § 129 AO bei Nichtberücksichtigung einer Einzahlung in die Kapitalrück...
  • FG Baden-Württemberg 7.5.2018, SIS 19 10 71, Keine Berichtigung nach § 129 AO bei von einem Steuerberater unzutreffend in eine falsche Zeile der Einko...
  • FG Baden-Württemberg 19.12.2017, SIS 20 16 97, Offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 129 AO bei Bescheid nach § 27 Abs. 2 KStG über die gesonderte Fest...
  • FG Düsseldorf 17.10.2017, SIS 18 01 46, Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit, Übernahmefehler bei falscher Kennzifferwahl durch den Steuer...
  • FG Münster 13.10.2017, SIS 17 23 93, Offenbare Unrichtigkeit bei Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Eigenkapitals über...
  • FG Münster 13.10.2017, SIS 17 23 94, Offenbare Unrichtigkeit bei Bescheid über die gesonderte Feststellung des steuerlichen Eigenkapitals über...
  • BFH 17.5.2017, SIS 17 22 12, Bescheidkorrektur bei Nichtberücksichtigung einer Umsatzsteuervorauszahlung als Betriebsausgabe im Jahr i...
  • BFH 3.5.2017, SIS 17 18 63, Bescheidkorrektur bei Nichtberücksichtigung einer Umsatzsteuervorauszahlung als Betriebsausgabe im Jahr i...
  • FG Baden-Württemberg 14.12.2016, SIS 19 17 96, Durch die Programmierung des Steuerberechnungsprogramms der Finanzverwaltung verursachte unterbliebene Kü...
  • BFH 26.10.2016, SIS 17 01 66, Keine Berichtigungsmöglichkeit bei fehlerhafter Eintragung von Beiträgen an Versorgungswerke: 1. Wird ein...
  • FG Baden-Württemberg 6.10.2016, SIS 16 26 77, Offenbare Unrichtigkeit bei der Erstellung einer Einkommensteuererklärung, Klageerweiterung, Rücknahme de...
  • BFH 3.8.2016, SIS 17 03 39, Offenbare Unrichtigkeit bei unvollständig ausgefülltem Steuererklärungsvordruck und unvollständigem Beleg...
  • FG München 26.7.2016, SIS 17 15 17, Auslegung eines Bescheids als Nachforderungsbescheid oder als Haftungsbescheid i.S. des § 27 Abs. 5 Satz ...
  • FG Düsseldorf 20.7.2016, SIS 16 22 46, Negativer Widerstreit i.S. des § 174 Abs. 3 AO, regelmäßig wiederkehrende Ausgaben i.S. des § 11 Abs. 2 S...
  • BFH 10.5.2016, SIS 16 18 78, Bindungswirkung der Feststellungen im Grundlagenbescheid, Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens, Berichti...
  • FG Bremen 25.2.2016, SIS 16 08 29, Ermittlung der grunderwerbsteuerlichen Bemessungsgrundlage bei Übernahme schon vorhandener Grundpfandrech...
  • FG Baden-Württemberg 5.2.2016, SIS 17 17 29, Tatbestandliche Voraussetzungen der Änderungsnorm des § 10 Abs. 2 a S. 8 EStG, offenbare Unrichtigkeit be...
  • FG München 3.2.2016, SIS 18 12 98, Ablehnungsbescheid, offenbare Unrichtigkeit: § 129 AO ist dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernstha...

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 4.6.2014 1 K 1333/12 = SIS 15 04 29 sowie die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 28.3.2012 aufgehoben.

Der Einkommensteuerbescheid des Beklagten vom 4.3.2011 wird mit der Maßgabe geändert, dass die nach § 129 der Abgabenordnung vorgenommene Berichtigung hinsichtlich der Einkünfte aus Stillhaltergeschäften unterbleibt.

Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

 

1

I. Der verheiratete Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr 2005 getrennt zur Einkommensteuer veranlagt. Streitig ist, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) berechtigt war, den aufgrund der Einkommensteuererklärung des Klägers bestandskräftig ergangenen Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 22.8.2007 nach § 129 der Abgabenordnung (AO) zu berichtigen.

 

 

2

Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a. Einkünfte aus Stillhaltergeschäften, deren Höhe von dem mit der Abwicklung der Geschäfte beauftragten Bankinstitut ermittelt und deren Umfang in einer sechsseitigen Einzelumsatzaufstellung dargestellt wurde. Der Einzelumsatzaufstellung hat das Bankinstitut eine mit „Zusammenfassung nach § 22 EStG (Stillhaltergeschäfte)“ überschriebene Übersicht vorangestellt, in der die Einnahmen den Werbungskosten gegenübergestellt sind und das steuerliche Ergebnis errechnet wurde.

 

 

3

Der mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beauftragte steuerliche Berater des Klägers ordnete die - nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegenden - Einkünfte aus Stillhaltergeschäften in Höhe von 41.295 EUR den Einkünften aus „privaten Veräußerungsgeschäften“ i.S. der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) zu. Er berücksichtigte diese - nach Saldierung mit weiteren Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von ./. 186 EUR, die ebenfalls nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterlagen - in Höhe von 41.109 EUR unter Kennziffer 116 auf der Rückseite der „Anlage SO“, welche an dieser Stelle im Feld „Private Veräußerungsgeschäfte - Andere Wirtschaftsgüter“ Eintragungen für nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegende „Gewinne/Verluste aus weiteren Veräußerungen von anderen Wirtschaftsgütern“ des Steuerpflichtigen vorsieht. Dementsprechend nahm der steuerliche Berater auf der Vorderseite der „Anlage SO“ im Feld „Leistungen“, in dem Steuerpflichtige aufgefordert werden, „Einnahmen aus Stillhaltergeschäften im Optionshandel“ einzutragen, keine Eintragungen vor.

 

 

4

Dem vom steuerlichen Berater des Klägers insoweit unter Kennziffer 116 angegebenen (saldierten) Betrag in Höhe von 41.109 EUR wurde maschinenschriftlich der Vermerk „s. Ergänzung zur Anlage SO“ hinzugefügt. Die insoweit in Bezug genommene, vom steuerlichen Berater des Klägers erstellte und der Einkommensteuererklärung des Klägers beigefügte „Ergänzungsliste zur Anlage SO“ ist mit „private Veräußerungsgeschäfte - Weitere Veräußerungen Andere Wirtschaftsgüter“ überschrieben. In der Liste sind sechs Geschäfte benannt und hinsichtlich Zeitpunkt von Anschaffung und Veräußerung, Veräußerungspreis und Anschaffungskosten erläutert; zudem findet sich der Hinweis, ob Gewinne bzw. Verluste dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen oder nicht. Aus dem Saldo der ersten fünf privaten Veräußerungsgeschäfte (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG) errechnet sich ein Verlust in Höhe von ./. 186 EUR. Das letzte Geschäft auf dieser Liste ist wie folgt bezeichnet:

 

 

 

 

“Anderes Wirtschaftsgut: Stillhaltergeschäft lt. Zusammenf. (..Bankinstitut..) 23.5.06,

 

 

 

Zeitpunkt der Anschaffung 01.01.2005

 

 

 

Zeitpunkt der Veräußerung 31.12.2005

 

 

 

Nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegend

 

 

 

[...]

 

 

 

Gewinn/Verlust 41.295 EUR“.

 

 

 

 

Als Beleg zu diesem Geschäft hat der Kläger die sechsseitige Einzelumsatzaufstellung seines Bankinstituts einschließlich der vorangestellten „Zusammenfassung nach § 22 EStG (Stillhaltergeschäfte)“ seiner Einkommensteuererklärung beigefügt.

 

 

5

Nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Feststellungen des Finanzgerichts (FG) hat der steuerliche Berater des Klägers eingehende rechtliche Überlegungen zur steuerrechtlichen Behandlung der Stillhaltergeschäfte, welche zum Zeitpunkt der Erstellung der Einkommensteuererklärung rechtlich umstritten und nicht höchstrichterlich geklärt war, angestellt; erst aufgrund dieser rechtlichen Wertung ist er zu einer Zuordnung der Stillhaltergeschäfte zu den „privaten Veräußerungsgeschäften“ und mithin zu einer Berücksichtigung unter Kennziffer 116 der „Anlage SO“ gelangt.

 

 

6

Nachdem der Kläger auf Anfrage des FA weitere Erläuterungen zu den in seiner Steuererklärung angegebenen Kapitaleinkünften nachgereicht hatte, hakte die Sachbearbeiterin des FA den unter Kennziffer 116 in der Steuererklärung eingetragenen Betrag in Höhe von 41.109 EUR ab und nahm im Feld „Private Veräußerungsgeschäfte - Andere Wirtschaftsgüter“ auf der Rückseite der „Anlage SO“ mit brauner Farbe folgende Eintragung vor: „? HEV ./. 187 lt. Ergänzungsliste“. Durch das Belassen der Einkünfte aus dem Stillhaltergeschäft in dem unter Kennziffer 116 eingetragenen Gesamtbetrag wurden die insoweit erzielten Einkünfte im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2, 4 EStG) im dort angesetzten Gesamtbetrag von 40.759 EUR berücksichtigt und kamen dadurch mit einem Verlustvortrag aus Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in gleicher Höhe zur Verrechnung. Im Falle einer Eintragung des Stillhaltergeschäftes im Feld „Leistungen“ auf der Vorderseite der „Anlage SO“, in dem „Einnahmen aus Stillhaltergeschäften im Optionshandel“ unter der Kennziffer 164 und hierdurch angefallene Werbungskosten unter der Kennziffer 176 anzugeben sind, wäre es zu einer Berücksichtigung als sonstige Leistung (§ 22 Nr. 3 EStG) gekommen, ohne dass hierauf Verlustvorträge verrechnet worden wären. Der unter Maßgabe dieser Besteuerungsgrundlagen erlassene Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 22.8.2007 wurde bestandskräftig.

 

 

7

Im Anschluss an eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung erließ das FA unter dem 4.3.2011 einen nach § 129 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr, in dem - neben nicht weiter streitigen Änderungen - die Einkünfte aus den Stillhaltergeschäften nunmehr bei den Einkünften aus Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG in Höhe von 45.488 EUR berücksichtigt wurden. Gegen die geänderte Zuordnung der Stillhaltergeschäfte wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch; dieser blieb ohne Erfolg.

 

 

8

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es vertrat die Auffassung, dass der maßgebliche Einkommensteuerbescheid zu Recht nach § 129 AO geändert worden sei; denn die genannte Vorschrift sei auch dann anwendbar, wenn das FA - wie im Streitfall - offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernehme. Zwar habe der steuerliche Berater bei der Zuordnung der Stillhaltergeschäfte zu den privaten Veräußerungsgeschäften zweifelsfrei rechtliche Überlegungen angestellt. Für einen objektiven Dritten habe sich diese Zuordnung indes - unter Berücksichtigung der weiteren Umstände der Erklärungsabgabe - als mechanisches Versehen dargestellt, welches dem Kläger bei Erstellung seiner Einkommensteuererklärung unterlaufen sei. Diese lediglich als mechanisches Versehen erscheinende Zuordnung habe das FA bei Erlass des Einkommensteuerbescheides übernommen, ohne selbst rechtliche Überlegungen anzustellen.

 

 

9

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er vertritt die Auffassung, dass ihm bzw. seinem steuerlichen Berater bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr kein nach § 129 AO berichtigungsfähiger Schreibfehler, Rechenfehler und auch keine ähnliche offenbare Unrichtigkeit unterlaufen sei; vielmehr liege der Fehler in einer unzutreffenden Einordnung des Stillhaltergeschäftes als „privates Veräußerungsgeschäft“, welche aufgrund tiefgehender rechtlicher Überlegungen unzutreffend vorgenommen worden sei. Ein solcher Rechtsfehler des Steuerpflichtigen sei auch dann nicht nach § 129 AO zu berichtigen, wenn er vom FA übernommen worden sei. Entgegen der Auffassung des FG habe aber auch das FA rechtliche Überlegungen angestellt und nicht lediglich „mechanisch“ gehandelt.

 

 

10

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil des FG vom 4.6.2014 1 K 1333/12 aufzuheben und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2005 vom 4.3.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.3.2012 dahin zu ändern, dass die nach § 129 AO vorgenommene berichtigte Zuordnung der Einkünfte aus Stillhaltergeschäften zu den sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 3 EStG unterbleibt.

 

 

11

Das FA beantragt,  die Revision zurückzuweisen.

 

 

12

Im Streitfall sei zwar davon auszugehen, dass weder dem Kläger noch dem FA ein mechanischer Fehler unterlaufen sei. Vielmehr sei dem Kläger durch die Zuordnung der Stillhaltergeschäfte zu den „privaten Veräußerungsgeschäften“ i.S. des § 23 EStG ein rechtlicher Fehler unterlaufen. Allerdings habe sich aus dem Akteninhalt bei objektiver Betrachtung ein mechanisches Versehen ergeben, welches in Wahrheit nicht vorgelegen habe. Das FG sei zutreffend davon ausgegangen, dass auch ein „vermeintliches“, nur aus Empfängersicht als solches erscheinendes Versehen nach § 129 AO berichtigungsfähig sei.

 

 

13

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der bestandskräftige Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 22.8.2007 nach § 129 AO berichtigt werden konnte.

 

 

14

1. Nach § 129 AO können Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigt werden.

 

 

15

a) Offenbare Unrichtigkeiten in diesem Sinne sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht.

 

 

16

b) Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO - jenseits seines Wortlauts - nach ständiger Rechtsprechung auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.6.2007 IX R 2/07, BFH/NV 2007, 2056 = SIS 07 35 12; vom 17.6.2004 IV R 9/02, BFH/NV 2004, 1505 = SIS 04 38 49, und vom 3.6.1987 X R 61/81, BFH/NV 1988, 342 = SIS 87 25 12, jeweils m.w.N.). Unrichtigkeiten auf der Seite des Steuerpflichtigen sind offenbar, wenn sie sich ohne weiteres aus der Steuererklärung des Steuerpflichtigen, deren Anlagen sowie den in den Akten befindlichen Unterlagen für das betreffende Veranlagungsjahr ergeben (BFH-Urteil vom 27.5.2009 X R 47/08, BFHE 226, 8, BStBl II 2009, 946 = SIS 09 30 53).

 

 

17

c) Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ermöglicht § 129 AO dem Grunde nach die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten, die der Finanzbehörde beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen. Die Vorschrift gilt dagegen nicht für Versehen des Steuerpflichtigen oder eines anderen Beteiligten, es sei denn, ein solches Versehen wird von der Finanzbehörde als eigenes in den Verwaltungsakt übernommen (s. etwa Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 129 AO Rz 14 mit zahlreichen Nachweisen zur höchstrichterlichen Rechtsprechung). Bereits die von der Rechtsprechung anerkannte Berücksichtigung derartiger „Übernahmefehler“ geht über den Wortlaut der Norm hinaus; eine noch weiter gehende Berichtigung „vermeintlicher“ mechanischer Fehler, welche als solche gar nicht von § 129 AO erfasst sind, sondern lediglich aus Empfängersicht als offenbare Unrichtigkeiten erscheinen mögen, ist weder vom Wortlaut noch vom Zweck der Regelung des § 129 AO gedeckt.

 

 

18

2. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil es diesen Grundsätzen nicht entspricht.

 

 

19

a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass dem Kläger kein Fehler i.S. des § 129 AO unterlaufen ist. Vielmehr hat das FG - für den Senat bindend - festgestellt, dass der steuerliche Berater des Klägers im Rahmen der Zuordnung der Stillhaltergeschäfte zu den „privaten Veräußerungsgeschäften“ i.S. des § 23 EStG umfangreiche rechtliche Erwägungen angestellt hat, als er die Zuordnungsfrage intern mit der Sachbearbeiterin, welche in der Steuerkanzlei für die Erstellung der Einkommensteuererklärung verantwortlich war, erörtert hat. Vor diesem Hintergrund fehlt es im Streitfall an offenbar fehlerhaften Angaben des Steuerpflichtigen, welche das FA als eigene (mechanische) Fehler hätte übernehmen können; denn Fehler bei der Auslegung oder (Nicht-)Anwendung einer Rechtsnorm schließen die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit und damit die Anwendung des § 129 AO aus.

 

 

20

b) Die Beteiligten des Revisionsverfahrens gehen im Übrigen davon aus, dass auch der Veranlagungssachbearbeiterin des FA bei der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung des Klägers gerade kein „mechanisches“ Versehen unterlaufen ist. Dies entspricht auch der Aktenlage; denn den Prüfvermerken der Sachbearbeiterin ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass sie den unter Kennziffer 116 vom Kläger eingetragenen Betrag in Höhe von 41.109 EUR durch Saldierung der Gewinne und Verluste, welche der Kläger in der seiner Einkommensteuererklärung beigefügten „Ergänzungsliste zur Anlage SO“ aufgeführt hat, nachvollzogen hat. Da eine solche Saldierung nur dann in Betracht kommt, wenn die saldierten Geschäftsvorfälle das gleiche steuerrechtliche Schicksal teilen, kann nicht ernsthaft die Möglichkeit in Abrede gestellt werden, dass die Sachbearbeiterin in diesem Zusammenhang einem sachverhalts- oder rechtsfolgenbezogenen Denkfehler unterlegen ist.

 

 

21

3. Die Sache ist spruchreif. Das angefochtene Urteil des FG ist aufzuheben und der Klage stattzugeben.

 

 

22

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.