1
|
I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) zu 1. und 2., Vater (V) und Sohn (S), bewirtschaften
seit dem 1.7.1991 einen landwirtschaftlichen Betrieb in A
(Westbetrieb) in der Rechtsform einer GbR, der Klägerin und
Revisionsklägerin zu 3. Daneben bewirtschaftete V bis zum
30.6.1996 einen weiteren landwirtschaftlichen Betrieb in der
Nähe von B (Ostbetrieb). Ab dem 1.7.1996 führten die
Kläger den Ostbetrieb in der Rechtsform einer atypisch stillen
Gesellschaft. S verpachtete ab dem 1.7.1995 bis zur Gründung
der atypisch stillen Gesellschaft landwirtschaftliche
Grundstücke an den Ostbetrieb. Während der Verpachtung
ordnete S die Grundstücke seinem landwirtschaftlichen
Einzelunternehmen (Verpachtungsbetrieb) zu.
|
|
|
2
|
In den Wirtschaftsjahren 1993/94 und
1994/95 veräußerten die Kläger jeweils in ihrem
Sonderbetriebsvermögen befindliche landwirtschaftliche
Flächen des Westbetriebs und bildeten in Höhe der
entstandenen Veräußerungsgewinne in den zeitnah beim
Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) eingereichten
Sonderbilanzen des Westbetriebs zum 30.6.1994 und 30.6.1995
gewinnmindernde Rücklagen. Im Einzelnen bildete V in der
Sonderbilanz zum 30.6.1994 eine Rücklage in Höhe von
346.001,51 DM und eine weitere Rücklage in Höhe von
184.267,74 DM in der Sonderbilanz zum 30.6.1995. S bildete in der
Sonderbilanz zum 30.6.1995 eine Rücklage in Höhe von
229.979 DM.
|
|
|
3
|
V erwarb in den Wirtschaftsjahren 1994/95
bis 1997/98 für den Ostbetrieb verschiedene
landwirtschaftliche Grundstücke sowie eine Scheune. Daneben
erwarb auch S am 1.7.1995 und 8.7.1996 landwirtschaftliche
Grundstücke, die von dem Ostbetrieb, Erstere zunächst auf
Grund Pachtvertrags mit dem Verpachtungsbetrieb, bewirtschaftet
wurden.
|
|
|
4
|
In den Bilanzen für den Ostbetrieb bis
zum 30.6.1995 (Einzelbetrieb des V) sind die bis dahin angefallenen
Anschaffungskosten des V für die landwirtschaftlichen
Grundstücke in tatsächlich entstandener Höhe
ausgewiesen. Eine Übertragung von Rücklagen nach §
6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) war nicht geltend gemacht
worden.
|
|
|
5
|
In den Bilanzen zum 30.6.1996 für den
Ostbetrieb (Einzelbetrieb des V) und für den daneben
bestehenden Verpachtungsbetrieb des S sowie in den Bilanzen zum
30.6.1997 und 30.6.1998 für den Ostbetrieb (nunmehr für
die atypisch stille Gesellschaft), die sämtlich am 10.12.1999
beim Finanzamt B eingereicht worden sind, übertrugen die
Kläger die Rücklagen weitgehend auf die in dem Ostbetrieb
bzw. dem Verpachtungsbetrieb des S getätigten
Grundstücksinvestitionen. Dies blieb im Rahmen einer
Betriebsprüfung für den Ostbetrieb unbeanstandet. Die
danach erlassenen Feststellungsbescheide für den Ostbetrieb
sind bestandskräftig geworden.
|
|
|
6
|
In den bereits zuvor beim FA eingereichten
Sonderbilanzen des Westbetriebs für S und V zum 30.6.1996 und
30.6.1997 wurden die Rücklagen allerdings unverändert
ausgewiesen.
|
|
|
7
|
In der am 14.6.1999 eingereichten
Sonderbilanz des Westbetriebs für V zum 30.6.1998 wurde die
Rücklage in Höhe von 346.001,51 DM gewinnneutral
aufgelöst. Zur Begründung wurde angeführt, dass die
Rücklage auf die Anschaffungskosten der für den
Ostbetrieb in den Wirtschaftsjahren 1994/95 und 1995/96 erworbenen
Grundstücke übertragen worden sei.
|
|
|
8
|
Am 10.12.1999 reichten die Kläger eine
berichtigte Sonderbilanz des V zum 30.6.1998 ein. Darin lösten
sie die verbliebene Rücklage gewinnneutral in Höhe von
139.007,86 DM auf, so dass nur noch eine Rücklage in der
Sonderbilanz des V in Höhe von 45.259,88 DM verblieb. In der
verbliebenen Höhe ist die Rücklage, was im vorliegenden
Verfahren nicht streitig ist, im Wirtschaftsjahr 1998/99 auf die
Anschaffungskosten einer im Ostbetrieb errichteten Halle
übertragen worden.
|
|
|
9
|
Am 19.8.1999 wurden zudem berichtigte
Sonderbilanzen des Westbetriebs für S zum 30.6.1996, 30.6.1997
und 30.6.1998 eingereicht. In der Bilanz zum 30.6.1996 wurde die
Rücklage teilweise ausgebucht und in den Bilanzen zum
30.6.1997 und 30.6.1998 keine Rücklage mehr ausgewiesen. Zur
Erläuterung wurde ausgeführt, dass die Rücklage
vollständig auf Anschaffungskosten der am 1.7.1995 und
8.7.1996 von S für den Ostbetrieb angeschafften
landwirtschaftlichen Flächen übertragen worden
sei.
|
|
|
10
|
Im Rahmen der Betriebsprüfung des
Westbetriebs vertrat der Betriebsprüfer die Auffassung, dass
die Rücklagen nicht wirksam auf Reinvestitionsgüter
übertragen worden seien, und löste sie deshalb in der
Sonderbilanz des V zum 30.6.1998 in Höhe von 346.001,51 DM und
zum 30.6.1999 in Höhe von 139.007,86 DM (Differenz 184.267,74
DM ./. 45.259,88 DM) und in der Sonderbilanz des S zum 30.6.1999 in
Höhe von 229.979 DM jeweils mit entsprechenden
Gewinnzuschlägen gemäß § 6b Abs. 7 EStG
auf.
|
|
|
11
|
Dem folgte das FA und erließ für
die GbR (Westbetrieb) unter dem 5.3.2003 entsprechend
geänderte Bescheide über die gesonderte und einheitliche
Feststellung der landwirtschaftlichen Einkünfte für 1997
bis 1999 (Streitjahre).
|
|
|
12
|
Die dagegen nach vorherigem
Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg.
|
|
|
13
|
Das Finanzgericht (FG) führte im
Wesentlichen aus, dass die Kläger ihr Ansatzwahlrecht nach
§ 6b EStG in den ursprünglich eingereichten Bilanzen des
Westbetriebs wirksam ausgeübt hätten. Daran seien sie
festzuhalten. Die nachträgliche Auflösung und
Übertragung der Rücklagen auf den Ostbetrieb seien nicht
durch § 6b EStG gedeckt.
|
|
|
14
|
Eine Berichtigung der Bilanzen des
Westbetriebs nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG sei nicht
zulässig, da diese Bilanzen weder fehlerhaft gewesen noch
durch die bilanzielle Behandlung der Rücklagen in den
Ostbilanzen fehlerhaft geworden seien. Dass sich der fehlerhafte
Bilanzansatz in den Bilanzen des Ostbetriebs in den
bestandskräftigen Feststellungsbescheiden für den
Ostbetrieb niedergeschlagen habe, führe nicht zur
Unrichtigkeit der Bilanzen des Westbetriebs. Allenfalls sei
insoweit eine Berichtigung der Feststellungsbescheide des
Ostbetriebs gemäß § 174 der Abgabenordnung geboten.
Darüber sei im Streitfall indes nicht zu entscheiden.
|
|
|
15
|
Eine Bilanzänderung komme ebenfalls
nicht in Betracht.
|
|
|
16
|
Im Übrigen wird auf die in den EFG
2010, 472 = SIS 09 39 43 veröffentlichten
Entscheidungsgründe verwiesen.
|
|
|
17
|
Mit der Revision rügen die Kläger
die Verletzung des § 6b Abs. 1, 3 und 7 sowie § 4 Abs. 2
EStG.
|
|
|
18
|
Die Kläger beantragen, das Urteil des
FG Köln vom 4.11.2008 9 K 2227/04 und die
Einspruchsentscheidung vom 30.3.2004 aufzuheben und die Bescheide
über die gesonderte und einheitliche Feststellung von
Besteuerungsgrundlagen für 1997, 1998 und 1999, jeweils vom
5.3.2003, dahin zu ändern, dass ein Gewinn aus der
Auflösung der Rücklage zum 30.6.1998 in Höhe von
346.001,51 DM zuzüglich Gewinnzuschlag in Höhe von 83.040
DM und ein Gewinn aus der Auflösung der Rücklagen zum
30.6.1999 in Höhe von 139.007,86 DM zuzüglich
Gewinnzuschlag in Höhe von 33.362 DM sowie in Höhe von
229.979 DM zuzüglich Gewinnzuschlag in Höhe von 55.195 DM
bei der Feststellung der Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft nicht berücksichtigt wird.
|
|
|
19
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
20
|
II. Die Revision ist unbegründet. Sie
wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass neben den
beiden Gesellschaftern auch die GbR Klägerin und
Revisionsklägerin und das Rubrum des angefochtenen Urteils
entsprechend gemäß § 107 Abs. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zu berichtigen ist.
|
|
|
21
|
1. Das FG hat als Kläger entsprechend der
eingereichten Klageschrift vom 22.4.2004 die beiden Gesellschafter
der GbR ausgewiesen.
|
|
|
22
|
a) Nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 FGO
ist eine Außen-GbR im finanzgerichtlichen Verfahren wegen
gesonderter und einheitlicher Gewinnfeststellungsbescheide sowohl
beteiligtenfähig als auch subjektiv klagebefugt, unbeschadet
der Art der von ihr erzielten Einkünfte (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.4.2007 IV R 28/05, BFHE 218, 75,
BStBl II 2007, 704 = SIS 07 25 19, m.w.N.).
|
|
|
23
|
Unerheblich ist insoweit, ob die
Gesellschafter nur einzeln oder gemeinschaftlich vertretungsbefugt
sind, wie es dem Regelstatut nach § 709 Abs. 1, § 714 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) entspricht (BFH-Urteile in BFHE
218, 75, BStBl II 2007, 704 = SIS 07 25 19, und vom 6.10.2004 IX R
68/01, BFHE 207, 24, BStBl II 2005, 324 = SIS 04 41 18).
|
|
|
24
|
Die Klagebefugnis (Prozessstandschaft) der
Personengesellschaft nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 FGO
erstreckt sich nach ständiger Rechtsprechung auch auf
streitige Feststellungen, die - wie vorliegend - einen
Mitunternehmer persönlich angehen (§ 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO;
vgl. u.a. BFH-Urteil vom 15.4.2010 IV R 9/08, BFHE 229, 42, BStBl
II 2010, 929 = SIS 10 22 04, m.w.N.).
|
|
|
25
|
b) Bei der § 6b-Rücklage handelt es
sich um eine personenbezogene Steuervergünstigung (BFH-Urteil
vom 25.4.1985 IV R 83/83, BFHE 144, 25, BStBl II 1986, 350 = SIS 85 16 09). Die hier in Streit stehende Rechtsfrage betreffend die
Rechtmäßigkeit der Übertragung bzw. der
Auflösung der Rücklagen, die in den Sonderbilanzen der
Gesellschafter gebildet worden sind, berührt beide
Gesellschafter deshalb persönlich und begründet mithin
deren - zusätzliche - subjektive Klagebefugnis
gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO.
|
|
|
26
|
c) Nach dem Grundsatz der
rechtsschutzgewährenden Auslegung ist im Zweifel anzunehmen,
dass dasjenige Rechtsmittel eingelegt werden sollte, das
zulässig ist. Waren im Streitfall die Gesellschafter
persönlich klagebefugt und konnten sie daneben als
vertretungsberechtigte Geschäftsführer der GbR (§
709 Abs. 1 BGB) in deren Namen Klage erheben, ist die Klage mithin
dahin auszulegen, dass sie sowohl im eigenen Namen der
Gesellschafter als auch im Namen der GbR erhoben worden ist.
|
|
|
27
|
d) Die Berichtigung des Rubrums kann der BFH
auch noch im Revisionsverfahren vornehmen (BFH-Urteil vom 31.5.2007
IV R 25/06, BFH/NV 2007, 2086 = SIS 07 35 34, m.w.N.).
|
|
|
28
|
2. Die angefochtenen geänderten
Feststellungsbescheide sind rechtmäßig und verletzen die
Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die in den
Sonderbilanzen der Kläger gebildeten § 6b-Rücklagen
nicht wirksam auf Reinvestitionsgüter in dem Ostbetrieb
übertragen worden sind und deshalb mit Ablauf der
Reinvestitionsfrist in den Streitjahren gemäß § 6b
Abs. 3 Satz 5 und Abs. 7 EStG gewinnwirksam aufzulösen
waren.
|
|
|
29
|
a) Nach § 6b Abs. 1 EStG können
Gewinne aus der Veräußerung von Grund und Boden u.a. auf
Anschaffungskosten von Grund und Boden, die im Wirtschaftsjahr der
Veräußerung oder im vorangegangenen Wirtschaftsjahr
entstanden sind, übertragen werden. Soweit eine
Übertragung nicht vorgenommen wird, kann nach § 6b Abs. 3
EStG im Wirtschaftsjahr der Veräußerung eine den
steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. Bis
zur Höhe der Rücklage können sodann die
Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach § 6b EStG
begünstigter Wirtschaftsgüter, die in den folgenden vier
Jahren angeschafft oder hergestellt werden, im Wirtschaftsjahr
ihrer Anschaffung oder Herstellung gekürzt werden. In
Höhe des Kürzungsbetrags ist die Rücklage
aufzulösen.
|
|
|
30
|
Eine Rücklage kann auch gebildet werden,
wenn der Gewinn aus der Veräußerung von
Sonderbetriebsvermögen entsteht. Die Rücklage ist in
diesem Fall zwingend in der Sonderbilanz des
veräußernden Mitunternehmers zu bilden (BFH-Urteil vom
7.3.1996 IV R 34/95, BFHE 180, 305, BStBl II 1996, 568 = SIS 96 17 18; BFH-Beschluss vom 25.1.2006 IV R 14/04, BFHE 212, 231, BStBl II
2006, 418 = SIS 06 12 92).
|
|
|
31
|
Die Übertragung der Rücklage ist
nicht auf Reinvestitionsgüter beschränkt, die in dem
Alleineigentum des Veräußerers stehen und dem
Betriebsvermögen des Veräußerungsbetriebs
zuzuordnen sind. Die Übertragung kann auch auf
Reinvestitionsgüter erfolgen, die zum
Gesellschaftsvermögen (Gesamthandsvermögen) einer anderen
Personengesellschaft gehören, an der der Veräußerer
als Mitunternehmer beteiligt ist, soweit diese
Wirtschaftsgüter ihm anteilig zuzurechnen sind (BFH-Urteil in
BFHE 144, 25, BStBl II 1986, 350 = SIS 85 16 09).
|
|
|
32
|
Ist eine Rücklage am Schluss des vierten
auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahrs noch vorhanden, so ist
sie nach § 6b Abs. 3 Satz 5 EStG zu diesem Zeitpunkt mit einem
Gewinnzuschlag nach § 6b Abs. 7 EStG von 6 % für jedes
volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat,
gewinnerhöhend aufzulösen.
|
|
|
33
|
b) § 6b EStG räumt dem
Steuerpflichtigen hinsichtlich der Übertragung stiller
Reserven Wahlrechte ein. Der Steuerpflichtige kann stille Reserven
unter den in § 6b EStG näher beschriebenen
Voraussetzungen übertragen, er muss es aber nicht.
Dementsprechend hängt es auch von seinem Willen ab, ob er die
gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG gebildete
Rücklage von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines
in § 6b Abs. 1 Satz 2 EStG genannten Wirtschaftsguts
(Reinvestitionsgut) abziehen will (§ 6b Abs. 3 Satz 2 EStG).
Der Steuerpflichtige ist deshalb während des Laufs der
Reinvestitionsfrist befugt, die Rücklage ganz oder teilweise
gewinnerhöhend aufzulösen oder auf ein anderes
Reinvestitionsgut ganz oder teilweise zu übertragen
(BFH-Urteile vom 17.9.1987 IV R 8/86, BFHE 151, 139, BStBl II 1988,
55 = SIS 88 25 01, und vom 22.6.2010 I R 77/09, BFH/NV 2011, 10 =
SIS 10 39 45).
|
|
|
34
|
c) Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs.
1 EStG werden die vorgenannten Wahlrechte (Bilanzierungswahlrechte)
durch entsprechenden Ansatz oder die Auflösung einer
Rücklage in der Steuerbilanz, bzw. bei der
Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen in der
jeweiligen Sonderbilanz ausgeübt (BFH-Urteil vom 21.1.1992
VIII R 72/87, BFHE 169, 219, BStBl II 1992, 958 = SIS 92 19 17;
BFH-Beschluss in BFHE 212, 231, BStBl II 2006, 418 = SIS 06 12 92).
Maßgeblich für die Bildung und Auflösung der §
6b-Rücklage ist dabei die Steuer- bzw. Sonderbilanz des
„veräußernden“ Betriebs (BFH-Urteil
in BFHE 180, 305, BStBl II 1996, 568 = SIS 96 17 18). Denn in
diesem Betrieb ist der Veräußerungsgewinn angefallen,
der durch die Bildung der Rücklage neutralisiert werden
soll.
|
|
|
35
|
Entgegen der Auffassung der Kläger ist
das Bilanzierungswahlrecht auch dann durch entsprechenden
Bilanzansatz im „veräußernden“
Betrieb auszuüben, wenn die Rücklage auf
Wirtschaftsgüter eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen
übertragen werden soll. Zwar setzt die Übertragung der
Rücklage in diesem Fall voraus, dass ein Abzug von den
Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des Reinvestitionsguts im
Wirtschaftsjahr der Anschaffung bzw. Herstellung im
Reinvestitionsbetrieb vorgenommen wird (vgl. auch R 41b Abs. 8 Satz
3 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1997; heute R 6b.2 Abs.
8 Satz 3 EStR). Daraus folgt aber nicht, dass das
(Übertragungs-)Wahlrecht erst in der Handels- oder
Steuerbilanz des Betriebs auszuüben ist, auf dessen
Reinvestitionsgut die Rücklage übertragen werden soll.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Rücklage,
wenn sie auf ein Reinvestitionsgut eines anderen Betriebs
übertragen wird, im Veräußerungsbetrieb
gewinnneutral über das Kapitalkonto ausgebucht wird (so auch
zutreffend R 41b Abs. 8 EStR 1997; R 6b.2 Abs. 8 EStR). Denn
dadurch wird lediglich buchungstechnisch das vom Gesetzgeber
gewollte Überspringen der stillen Reserven vom
veräußernden in den reinvestierenden Betrieb
sichergestellt. Dass für das Schicksal der Rücklage
maßgeblich auf die Bilanz des veräußernden
Betriebs abzustellen ist, lässt sich auch mittelbar dem
BFH-Urteil in BFHE 180, 305, BStBl II 1996, 568 = SIS 96 17 18
entnehmen. Dort hat der BFH bereits entschieden, dass es nicht
genügt, wenn eine Rücklage nur in der Sonderbilanz der
anderen, reinvestierenden Gesellschaft gebildet wird, der das
anzuschaffende oder herzustellende Wirtschaftsgut dienen soll. Die
Rücklage ist vielmehr zunächst immer in dem Betrieb zu
bilden, in dem der Veräußerungsgewinn angefallen ist. In
der Bilanz der „reinvestierenden“ Gesellschaft
wirkt sich die Übertragung der Rücklage immer erst in
Form der Minderung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten aus.
Zwar ging es in dem in BFHE 180, 305, BStBl II 1996, 568 = SIS 96 17 18 entschiedenen Fall um die erstmalige Bildung der
Rücklage nach § 6b EStG. Da die § 6b-Rücklage
aber, wie dargelegt, ausschließlich der Neutralisation des
Veräußerungsgewinns im Veräußerungsbetrieb
dient, kann über das weitere Schicksal der Rücklage
während des Reinvestitionszeitraums auch nur durch die
Ausübung des Bilanzierungswahlrechts in diesem Betrieb
entschieden werden. Für diese Beurteilung spricht auch die
Regelung in § 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 EStG. Danach muss die
Bildung und Auflösung der Rücklage nach § 6b Abs. 3
EStG in der Buchführung verfolgt werden können. Da die
Verfolgbarkeit in der Buchführung an die Buchführung im
nämlichen Betrieb anknüpft, kommt insoweit nur die
Behandlung der Rücklage und damit auch die Ausübung des
Wahlrechts zur Auflösung im veräußernden Betrieb in
Betracht.
|
|
|
36
|
Dem Einwand, dass über das Ob und den
Umfang der Rücklagenübertragung immer erst bei
Aufstellung des Jahresabschlusses des Reinvestitionsbetriebs
entschieden werden könne und deshalb das
Bilanzierungswahlrecht erst bei der Bilanzaufstellung des
Reinvestitionsbetriebs ausgeübt werden müsse, folgt der
Senat nicht. Der Steuerpflichtige muss bei der Aufstellung der
Bilanz (Sonderbilanz) des Veräußerungsbetriebs zum
jeweiligen Bilanzstichtag stets neu über die
Rücklagenbildung bzw. die Rücklagenfortführung
entscheiden. Da die Reinvestition nach § 6b Abs. 3 Sätze
2 und 3 EStG innerhalb einer bestimmten Reinvestitionsfrist
getätigt werden muss, hat der Steuerpflichtige bei der
Bilanzaufstellung zum jeweiligen Bilanzstichtag auch zu beurteilen,
ob eine entsprechende Reinvestition, auf die er die Rücklage
übertragen will, in einem anderen Betrieb bereits
durchgeführt worden ist oder, sofern die Reinvestitionsfrist
noch nicht abgelaufen ist, noch durchgeführt werden soll. Es
ist nicht ersichtlich, warum der Steuerpflichtige von einzelnen
Anschaffungs- bzw. Herstellungsvorgängen, die in einem
anderen, jedoch von ihm geführten Einzelbetrieb bzw. in einer
anderen Gesellschaft, an der er als Mitunternehmer beteiligt ist,
getätigt worden sind, nicht hinreichende Kenntnis haben
sollte, die es ihm ermöglicht, sein Bilanzierungswahlrecht
sachgerecht auszuüben. Es obliegt grundsätzlich dem
Steuerpflichtigen, den für die sachgerechte Ausübung
seines Bilanzierungswahlrechts erforderlichen und notwendigen
Sachverhalt zu ermitteln. Dies gilt gleichermaßen für
den Fall, dass der veräußernde und der aufnehmende
Betrieb ihre Gewinnermittlung nicht auf denselben Bilanzstichtag
erstellen oder dass unterschiedliche Finanzämter für die
jeweilige Veranlagung zuständig sind.
|
|
|
37
|
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem
BFH-Urteil vom 28.4.1988 IV R 298/83 (BFHE 153, 353, BStBl II 1988,
885 = SIS 88 16 29). Der Entscheidung lässt sich nicht
entnehmen, dass das Wahlrecht in der Steuerbilanz des
reinvestierenden Betriebs auszuüben ist. Die Entscheidung
verhält sich ausschließlich zu der Frage, ob und
inwieweit Rücklagen, die bei einer Realgemeinde gebildet
worden sind, auf Reinvestitionen übertragen werden
können, die in den Betrieben der Mitglieder erfolgt sind, und
wie die steuerliche Umsetzung im Rahmen einer
Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG
erfolgt.
|
|
|
38
|
d) Hat der Steuerpflichtige sein
Bilanzierungswahlrecht in der dem FA eingereichten Bilanz des
Veräußerungsbetriebs dahin ausgeübt, dass die
Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG
fortgeführt wird, kommt eine nachträgliche Änderung
des Bilanzierungswahlrechts nur noch nach der Regelung des § 4
Abs. 2 Satz 2 EStG in Betracht (BFH-Urteil vom 18.8.2005 IV R
37/04, BFHE 211, 155, BStBl II 2006, 165 = SIS 05 45 95;
BFH-Beschluss in BFHE 212, 231, BStBl II 2006, 418 = SIS 06 12 92).
Diese Regelung greift ein, wenn ein weder dem Grunde noch der
Höhe nach fehlerhafter und somit zulässiger Bilanzansatz
durch einen anderen, gesetzlich wahlweise ebenfalls zulässigen
Ansatz ersetzt werden soll (sog. Bilanzänderung). Da das
Bilanzierungswahlrecht, wie unter II.2.c dargelegt, nur in der
Bilanz des veräußernden Betriebs auszuüben ist,
scheidet eine Bilanzberichtigung in diesem Betrieb gemäß
§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG aus. Denn sofern die
Reinvestitionsfrist noch nicht abgelaufen ist, entspricht die
Bilanz den Grundsätzen ordnungsgemäßer
Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des EStG. Die
Bilanz ist mithin nicht fehlerhaft i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 1
EStG. Die in der Bilanz des veräußernden Betriebs
ausgewiesene Rücklage wird auch nicht dadurch unrichtig, dass
in der Bilanz eines anderen Betriebs des Steuerpflichtigen in
Höhe der Rücklage die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten gekürzt werden. Denn dadurch wird das im
Veräußerungsbetrieb ausgeübte
Bilanzierungswahlrecht nicht berührt.
|
|
|
39
|
e) Unter Heranziehung dieser Grundsätze
hat das FG zutreffend entschieden, dass die Rücklagen nicht
(mehr) auf die in dem Ostbetrieb bzw. dem Verpachtungsbetrieb des S
angeschafften Reinvestitionsgüter übertragen werden
konnten und deshalb mit Ablauf der Reinvestitionsfrist in den
Streitjahren gemäß § 6b Abs. 3 Satz 5 und Abs. 7
EStG gewinnwirksam aufzulösen waren. Dabei geht der Senat auf
Grund der ihn gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden
tatsächlichen Feststellungen des FG davon aus, dass die
Kläger zu 1. und 2. die hier streitigen Rücklagen
ordnungsgemäß, insbesondere in der Buchführung
verfolgbar (§ 6b Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 EStG), gebildet
haben.
|
|
|
40
|
(1) Im Ergebnis zu Recht haben das FA und ihm
folgend das FG die (gewinnneutrale) Übertragung der
Rücklage in Höhe von 346.001,51 DM auf die
Anschaffungskosten der Grundstücke, die V in den
Wirtschaftsjahren 1994/95 und 1995/96 für den Ostbetrieb
angeschafft hat, verneint. V hat das Übertragungswahlrecht
erstmals in der am 14.6.1999 eingereichten Sonderbilanz des
Westbetriebs zum 30.6.1998 ausgeübt. Der
Rücklagenübertragung steht bereits entgegen, dass diese
gemäß § 6b Abs. 3 Satz 2 EStG nur im
Wirtschaftsjahr der Anschaffung des Reinvestitionsguts vorgenommen
werden kann. V hätte mithin in der Sonderbilanz für den
Westbetrieb zum 30.6.1995 bzw. zum 30.6.1996 sein
Bilanzierungswahlrecht zur Übertragung der Rücklage auf
die vorgenannten Grundstücke ausüben müssen. Eine
Nachholung der Übertragung der Rücklage auf bereits in
früheren Wirtschaftsjahren angeschaffte
Reinvestitionsgüter scheidet aus.
|
|
|
41
|
(2) Ebenfalls zutreffend haben das FA und ihm
folgend das FG die gewinnneutrale Übertragung der
Rücklage in Höhe von 139.007,86 DM auf die
Anschaffungskosten der Grundstücke und Gebäude, die V in
den Wirtschaftsjahren 1995/96 bis 1997/98 angeschafft hat,
abgelehnt. Eine Übertragung der Rücklage auf die
Anschaffungskosten der Grundstücke und Gebäude, die von V
in den Wirtschaftsjahren 1995/96 und 1996/97 für den
Ostbetrieb angeschafft worden sind, kommt bereits aus den unter
II.2.e (1) dargelegten Gründen nicht in Betracht.
|
|
|
42
|
Die Rücklagenübertragung auf
Anschaffungskosten der Grundstücke und Gebäude, die von V
in dem Wirtschaftsjahr 1997/98 für den Ostbetrieb angeschafft
worden sind, scheitert an den Voraussetzungen einer
Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG. V
hat sein Bilanzierungswahlrecht in der am 14.6.1999 eingereichten
Sonderbilanz zum 30.6.1998 zunächst zulässigerweise dahin
ausgeübt, dass er die Rücklage in Höhe von
184.267,74 DM fortführen möchte. Die nunmehr andere
Ausübung dieses Bilanzierungswahlrechts in der am 10.12.1999
eingereichten geänderten Sonderbilanz des Westbetriebs zum
30.6.1998 stellt eine nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht mehr
zulässige Bilanzänderung dar.
|
|
|
43
|
Da die geänderte Sonderbilanz erst nach
dem 31.3.1999, dem Tag der Verkündung des
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 vom 24.3.1999 (BGBl I
1999, 402, BStBl I 1999, 304), eingereicht worden ist, findet
§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes
(StBereinG) 1999 vom 22.12.1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000,
13) Anwendung (§ 52 Abs. 9 EStG i.d.F. des StBereinG 1999;
BFH-Urteil vom 31.5.2007 IV R 54/05, BFHE 218, 188, BStBl II 2008,
665 = SIS 07 31 53). Danach ist eine Änderung der Bilanz (nur)
zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen
Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung nach Satz 1 des § 4
Abs. 2 EStG steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach
Satz 1 auf den Gewinn reicht. Eine Bilanzberichtigung wurde in den
streitigen Veranlagungszeiträumen nicht durchgeführt, so
dass eine Änderung der am 14.6.1999 eingereichten Sonderbilanz
des V nicht zulässig war.
|
|
|
44
|
(3) Schließlich ist auch die
(gewinnneutrale) Übertragung der Rücklage in Höhe
von 229.979 DM, die S in seinen Sonderbilanzen des Westbetriebs zum
30.6.1996 und 30.6.1997 gebildet hatte, auf die Anschaffungskosten
der Grundstücke, die S in den Wirtschaftsjahren 1995/96 und
1996/97 angeschafft hat, zu Recht abgelehnt worden. Auch S hatte
sein Wahlrecht zunächst zulässigerweise dahin
ausgeübt, dass er die in den Sonderbilanzen zum 30.6.1996 und
30.6.1997 gebildete Rücklage in Höhe von 229.979 DM
fortführen möchte. Die geänderte Ausübung des
Wahlrechts durch die Einreichung der geänderten Sonderbilanzen
zum 30.6.1996 und 30.6.1997 am 19.8.1999 stellt daher eine
Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG
dar, die mangels einer vorhergehenden Bilanzberichtigung
unzulässig ist.
|
|
|
45
|
(4) Konnten die in den Sonderbilanzen des V
und des S gebildeten Rücklagen daher nicht auf die
Anschaffungskosten der für den (zunächst)
Verpachtungsbetrieb des S bzw. den Ostbetrieb angeschafften
Wirtschaftsgüter übertragen werden, waren sie mit Ablauf
der Reinvestitionsfrist gewinnerhöhend gemäß §
6b Abs. 3 Satz 5 EStG unter Berücksichtigung eines
Gewinnzuschlags gemäß § 6b Abs. 7 EStG
aufzulösen.
|