Reinvestition, Rücklage, Bilanzierung: 1. Rücklagen i.S. des § 6 b Abs. 3 EStG für Gewinne aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen sind in der durch die Mitunternehmerschaft aufzustellenden Sonderbilanz zu passivieren. Das gilt auch bei ausgeschiedenen Gesellschaftern. - 2. Das Wahlrecht zur Bildung der Rücklage nach § 6 b Abs. 3 Satz 1 EStG ist von dem Mitunternehmer persönlich auszuüben. Grundsätzlich wird vermutet, dass die Sonderbilanz mit dem Mitunternehmer abgestimmt ist. Diese Vermutung gilt nicht bei einem ausgeschiedenen Gesellschafter. - 3. Hat ein Mitunternehmer die Vermutung seines Mitwirkens an der Aufstellung der Sonderbilanz erschüttert oder greift die Vermutung gar nicht ein, ist die von der Mitunternehmerschaft aufgestellte Sonderbilanz keine Bilanz, die das Änderungsverbot des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des StBereinG 1999 auslöst. - Urt.; BFH 25.1.2006, IV R 14/04; SIS 06 12 92
Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) war bis zu seinem Ausscheiden wegen ernsthafter
Meinungsverschiedenheiten Kommanditist der beigeladenen
B-KG.
Im Rahmen des Auseinandersetzungsvertrages
vom 3.6.1998 übertrug er den zu seinem
Sonderbetriebsvermögen gehörenden Miteigentumsanteil an
dem Grundstück L-Str. auf die Komplementäre der
B-KG.
Am 28.6.1999 reichte die B-KG die
Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr (1998) sowie die
Bilanz auf den 31.12.1998 ein. Sie erklärte dabei u.a. einen
Veräußerungsgewinn des Klägers in Höhe von
858.066 DM. Weder in der Bilanz der B-KG noch in einer Sonderbilanz
für den Kläger war eine den steuerlichen Gewinn mindernde
Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr
gültigen Fassung gebildet worden.
Mit Bescheid über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1998
vom 6.7.1999 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) die Besteuerungsgrundlagen
erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 der
Abgabenordnung (AO 1977) fest, gab diesen Bescheid allerdings
lediglich dem empfangsbevollmächtigten Komplementär der
B-KG bekannt.
Am 8.10.1999 übersandte der
Kläger dem FA eine durch seinen steuerlichen Berater erstellte
Sonderbilanz, in der er eine Rücklage gemäß §
6b Abs. 3 Satz 1 EStG in Höhe von 807.929 DM passivierte und
den Abzug von Rechts- und Beratungskosten in Höhe von 35.000
DM als Sonderbetriebsausgaben begehrte.
Mit Datum vom 26.10.1999 gab das FA auch
dem Kläger den Bescheid über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1998
bekannt.
Mit dem hiergegen eingelegten Einspruch
begehrte der Kläger neben den bereits geltend gemachten
Sonderbetriebsausgaben nunmehr eine Minderung des Gewinns durch
Bildung einer Rücklage gemäß § 6b Abs. 3 Satz
1 EStG in Höhe von 713.014 DM, da nur insoweit der Gewinn auf
die Veräußerung des Grundstücks L-Str.
entfalle.
Unter dem 31.3.2000 änderte das FA den
Bescheid vom 26.10.1999 gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977
und erkannte die geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben in der
beantragten Höhe an.
Im Übrigen hatten Einspruch und die
gegen die Einspruchsentscheidung erhobene Klage keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in EFG 2004, 819 = SIS 04 16 27 veröffentlichten Gründen ab, da die Voraussetzungen
einer Bilanzänderung i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG
i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes (StBereinG) 1999 vom
22.12.1999 (BGBl I 1999, 2601) - EStG n.F. - nicht
vorlägen.
Mit seiner dagegen gerichteten Revision hat
der Kläger die Verletzung materiellen Rechts gerügt. Die
nach Aufstellung der Bilanz der Gesellschaft durch einen
ausgeschiedenen Gesellschafter abgegebene Erklärung, wegen
eines Veräußerungsgewinns eine Rücklage nach §
6b EStG zu bilden, stelle keine Bilanzänderung i.S. des §
4 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. dar.
Der Kläger beantragte zunächst
sinngemäß, das Urteil des FG Münster vom 17.12.2003
1 K 7673/00 F = SIS 04 16 27 sowie die Einspruchsentscheidung vom
20.11.2000 aufzuheben und den Feststellungsbescheid für 1998
des FA vom 31.3.2000 insoweit abzuändern, als bei seiner
Gewinnfeststellung die Bildung einer Rücklage gemäß
§ 6b EStG in Höhe von 713.014 DM berücksichtigt
wird.
Das FA beantragte demgegenüber, die
Revision zurückzuweisen.
Der Senat hob mit Gerichtsbescheid vom
18.8.2005 das Urteil des FG auf und verwies die Sache an dieses zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. Dagegen hat
das FA rechtzeitig Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt
(§ 121 Satz 1 i.V.m. § 90a Abs. 2 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ) und den Kläger
anschließend durch Erlass eines geänderten
Gewinnfeststellungsbescheids klaglos gestellt.
Nachdem der Kläger und das FA
daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend
für erledigt erklärt haben, beantragt der Kläger
nunmehr, dem FA die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
1. a) Der Rechtsstreit ist infolge der
übereinstimmenden Erledigungserklärungen des Klägers
und des FA in der Hauptsache erledigt. Einer
Erledigungserklärung der Beigeladenen als sonstige Beteiligte
bedarf es nicht (s. etwa Brandis in Tipke/ Kruse,
Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Tz. 105, mit
weiteren Hinweisen). Die Erledigung in der Hauptsache kann auch
dann erklärt werden, wenn nach Ergehen eines
Gerichtsbescheides Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt
worden ist (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
17.12.2002 I R 87/00, BFH/NV 2003, 785 = SIS 03 24 24, m.w.N.; vom
13.5.2004 IX R 8/02, BFH/NV 2004, 1290 = SIS 04 33 12; vom
28.6.2005 I R 35/03, BFH/NV 2005, 1847 = SIS 05 41 01;
Christiansen, DStR 2003, 264, 264 f.; derselbe, DStR 2005, 1488,
1488 f.; a.A. Renz, DStZ 1986, 166, 166 f., wonach ein Antrag auf
mündliche Verhandlung für die Regelung des Vorbescheides
dann unzulässig sei, wenn der Antragsteller die ablehnende
Entscheidung des Gerichts tatsächlich annimmt).
b) Da die Erklärungen des Klägers
und des FA erst im Revisionsverfahren abgegeben wurden, ist das
angefochtene Urteil einschließlich der darin enthaltenen
Kostenentscheidung gegenstandslos geworden. Der Senat hat folglich
nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens
gemäß §§ 143 Abs. 1 i.V.m. 138 FGO zu
entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2004, 1290 = SIS 04 33 12, und vom 26.8.2002 IX R 75/01, BFH/NV 2003, 15 = SIS 03 06 32, m.w.N.). Es kann dahinstehen, ob § 138 Abs. 2 Satz 1, 2.
Fall FGO vor § 138 Abs. 1 FGO anzuwenden ist (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 12.5.1992 VII R 42/91, BFH/NV 1992, 854,
und vom 22.2.2001 VIII R 78/98, BFH/NV 2001, 936 = SIS 01 66 54,
unter II.2. der Gründe, m.w.N.; Brandis in Tipke/Kruse,
a.a.O., § 138 FGO Tz. 62). Denn selbst bei Annahme eines
Vorranges des § 138 Abs. 1 FGO sind unter
Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach
billigem Ermessen gemäß dieser Vorschrift die Kosten des
gesamten Verfahrens dem FA aufzuerlegen. Dabei ist im Rahmen des
§ 138 Abs. 1 FGO zu prüfen, wie der Rechtsstreit
mutmaßlich ausgegangen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom
15.12.1986 IV R 251/83, BFH/NV 1988, 182; Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 138 Rz. 27).
2. Die Revision des Klägers wäre
begründet gewesen. Sie hätte zur Aufhebung der
Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3
Satz 1 Nr. 2 FGO) geführt.
Das FG hatte die Bildung einer den
steuerlichen Gewinn des Klägers mindernde Rücklage i.S.
des § 6b Abs. 3 Satz 1 EStG zu Unrecht aufgrund der Vorschrift
des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. versagt.
a) Erzielt ein Mitunternehmer durch die
Veräußerung eines zu seinem Sonderbetriebsvermögen
gehörenden Anlageguts i.S. des § 6b EStG einen Gewinn,
kann er im Wirtschaftsjahr der Veräußerung nach §
6b Abs. 3 EStG eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage
in Anspruch nehmen. Die Rücklage ist dann in der Sonderbilanz
zu bilden, die von der Mitunternehmerschaft aufgestellt werden
muss. Dies gilt auch, wenn der Mitunternehmer bis zum
Bilanzstichtag aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. Der Senat
hält an der diesbezüglichen Rechtsprechung fest (s.
insoweit Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.2.1991
GrS 7/89, BFHE 163, 1, 13 f. = SIS 91 08 21, BStBl II 1991, 691,
699, m.w.N.; Senatsurteile vom 25.4.1985 IV R 83/83, BFHE 144, 25,
BStBl II 1986, 350 = SIS 85 16 09, unter 4. der Gründe, und
vom 7.3.1996 IV R 34/95, BFHE 180, 305, BStBl II 1996, 568 = SIS 96 17 18; grundlegend BFH-Urteil vom 23.10.1990 VIII R 142/85, BFHE
162, 99, BStBl II 1991, 401 = SIS 91 01 22; aus jüngerer Zeit
Senatsurteil vom 25.3.2004 IV R 49/02, BFH/NV 2004, 1247 = SIS 04 32 64, unter 2.b der Gründe).
b) Das Wahlrecht zur Bildung der Rücklage
nach § 6b Abs. 3 EStG in Bezug auf den Gewinn aus der
Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen kann nur von
dem Mitunternehmer persönlich ausgeübt werden.
Die Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen
kann - ungeachtet der Pflicht zur Aufstellung der Sonderbilanz
durch die Mitunternehmerschaft - nichts daran ändern, dass die
Rechtszuständigkeit für ein Wirtschaftsgut des
Sonderbetriebsvermögens von derjenigen des
Gesellschaftsvermögens abweicht. Dementsprechend hat der BFH
mit Urteil vom 7.7.1992 VIII R 2/87 (BFHE 168, 322, BStBl II 1993,
328 = SIS 92 21 24) entschieden, dass die Bildung gewillkürten
Sonderbetriebsvermögens einen Willkürakt des
Mitunternehmers und nicht etwa der Mitunternehmerschaft erfordert.
Nicht anders kann es sich mit Bilanzierungswahlrechten für ein
Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens verhalten,
insbesondere dann, wenn es sich um die Inanspruchnahme einer
personenbezogenen Steuervergünstigung wie nach § 6b EStG
handelt. Nur der Mitunternehmer selbst kann ein solches Wahlrecht
ausüben, denn nur ihn allein treffen die Besteuerungsfolgen
(im Ergebnis ebenso Knobbe-Keuk, Bilanz- und
Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., 1993, 443).
c) Grundsätzlich ist zu vermuten, dass
die von der Mitunternehmerschaft aufgestellte Sonderbilanz mit dem
betreffenden Mitunternehmer abgestimmt ist. Diese Vermutung
erstreckt sich auch auf die Ausübung von allein dem
Mitunternehmer zustehenden Bilanzierungswahlrechten. Sie ist
allerdings durch den Mitunternehmer widerlegbar.
Eine derartige Vermutung gilt ausnahmsweise
jedoch nicht, wenn der betreffende Mitunternehmer bei Aufstellung
der Bilanz bereits aus der Gesellschaft ausgeschieden ist. In
gleicher Weise entfällt die Vermutung, wenn der
Finanzbehörde bekannt ist, dass zwischen dem Mitunternehmer
und der Mitunternehmerschaft ernstliche Meinungsverschiedenheiten
bestehen. Der Senat hält in diesem Zusammenhang die Wertungen
des § 183 Abs. 2 AO 1977 für entsprechend anwendbar.
Hat der Mitunternehmer die Vermutung seines
Mitwirkens erschüttert oder greift - wie im Streitfall - die
Vermutung nicht ein, kann die von der Mitunternehmerschaft
aufgestellte Sonderbilanz nicht eine Bilanz sein, die das
Änderungsverbot des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F.
auslöst.
d) Im Streitfall steht das
Änderungsverbot des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. der
Bildung einer Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG danach nicht
entgegen. Das Wahlrecht zur Bildung der Rücklage wurde
erstmals mit Schreiben des Klägers an das FA vom 7.10.1999 in
Anspruch genommen. Es gilt nicht durch die von der B-KG
aufgestellte Sonderbilanz als ausgeübt. Denn wegen des
Ausscheidens des Klägers aus der B-KG kann nicht vermutet
werden, dass die Sonderbilanz mit ihm abgestimmt war. Das FG hat
auch keine anderweitigen Feststellungen getroffen, die darauf
schließen lassen, dass die Aufstellung der Sonderbilanz durch
die B-KG mit Billigung des Klägers erfolgte.
3. Die Sache war für den Senat nicht
entscheidungsreif, weil das FG - von seinem Standpunkt aus zu Recht
- keine Feststellungen zur Höhe der Rücklage getroffen
hatte. Das angefochtene Urteil des FG wäre daher - wie im
Gerichtsbescheid des Senats auch geschehen - aufzuheben und die
Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückzuverweisen gewesen. Gleichwohl sind die Kosten dem FA
gemäß § 138 Abs. 1 FGO in voller Höhe
aufzuerlegen, da der Rechtsstreit offensichtlich zugunsten des
Klägers zu entscheiden gewesen wäre. Denn wie die Abhilfe
des FA zeigt, bestanden an der Höhe der vom Kläger
zunächst beantragten Rücklage keine Zweifel.
Dieselbe Kostenfolge ergibt sich im
Übrigen auch aus § 138 Abs. 2 Satz 1, 2. Fall FGO, da das
FA den Kläger durch den Erlass des Änderungsbescheides
klaglos gestellt hat.
4. Die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen sind nicht gemäß § 143 Abs. 1 Satz 1
i.V.m. § 139 Abs. 4 FGO erstattungsfähig, da sie keinen
eigenen Sachantrag gestellt hat (vgl. BFH-Urteile vom 23.1.1985 II
R 2/83, BFHE 143, 119, BStBl II 1985, 368 = SIS 85 09 44, und vom
15.10.1997 I R 10/92, BFHE 184, 212, BStBl II 1998, 63 = SIS 98 04 63).