Darlehensverträge zwischen Nahestehenden, Würdigung von Indizien: 1. Halten nahe Angehörige zivilrechtliche Formerfordernisse nicht ein, spricht dies im Rahmen der steuerrechtlichen Beurteilung des Vertrages indiziell gegen den vertraglichen Bindungswillen (Bestätigung der BFH-Urteile vom 7.6.2006 IX R 4/04, BFHE 214 S. 173, BStBl 2007 II S. 294 = SIS 06 38 96, und vom 22.2.2007 IX R 45/06, BFHE 217 S. 409 = SIS 07 16 99). - 2. Die Gesamtwürdigung mehrerer Beweisanzeichen ist insgesamt fehlerhaft, wenn das FG aus einem Indiz, das es in seine Gesamtbetrachtung einbezieht, den falschen Schluss zieht. (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 23.12.2010, IV C 6 - S 2144/07/10004, BStBl 2011 I S. 37 = SIS 10 42 39) - Urt.; BFH 12.5.2009, IX R 46/08; SIS 09 20 91
I. Die Sache befindet sich im zweiten
Rechtsgang.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) errichtete in den Jahren
1991 bis 1993 drei Mehrfamilienhäuser. Zur Finanzierung der
Herstellungskosten schloss sie mit ihren drei minderjährigen
Enkelkindern Ende August 1991 jeweils Darlehensverträge ab.
Unterzeichnet wurden die Verträge durch den Vater als dem
gesetzlichen Vertreter seiner Söhne; ein
Ergänzungspfleger wurde nicht eingeschaltet. Die im April 1992
vollzogenen Vertragsänderungen wurden auf Seiten der
Darlehensgeber wiederum von deren Vater als Vertreter
unterzeichnet. Danach gewährten die Enkel der Klägerin
weitere Kredite in variabler Höhe.
Mit notarieller Urkunde vom November 1998
genehmigte der jetzt eingeschaltete Ergänzungspfleger die
Darlehensverträge; danach wurden Grundschulden zur Sicherung
der Darlehen bestellt.
Die Zinsen für den Zeitraum von Ende
August bis 31.12.1991 in Höhe von 6.980 DM zahlte die
Klägerin am 15.1.1992, die Zinsen für den Zeitraum vom 1.
Januar bis 31.12.1992 in Höhe von 21.385 DM zahlte sie am
30.12.1992 an die Enkel.
Aufgrund einer Außenprüfung
versagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
die steuerliche Anerkennung der Darlehen und erhöhte für
das Streitjahr (1992) die Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung um die gezahlten Darlehenszinsen.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in seinem Urteil aus, die
Darlehensverträge seien als Vereinbarung zwischen nahen
Angehörigen steuerlich nicht zu berücksichtigen, da sie
nicht formwirksam abgeschlossen worden seien (vgl. SIS 09 07 36).
Dieses Urteil hob der Bundesfinanzhof (BFH) mit seinem Urteil vom
7.6.2006 IX R 4/04 (BFHE 214, 173, BStBl II 2007, 294 = SIS 06 38 96) auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurück. Auch im zweiten Rechtsgang wies
das FG die Klage ab. Nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom
22.2.2007 IX R 45/06 (BFHE 217, 409 = SIS 07 16 99) sei es den
Vertragsparteien anzulasten, die zivilrechtliche Form nicht
beachtet zu haben. Dieses verstärkte Indiz gegen den
vertraglichen Bindungswillen werde durch die Genehmigung nicht in
Frage gestellt. Gegen die steuerliche Anerkennung spreche auch die
fehlende Besicherung.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Die
Darlehensverträge seien - zunächst schwebend unwirksam -
durch den Ergänzungspfleger genehmigt und damit zivilrechtlich
wirksam geworden. Es verhalte sich wie bei der nachträglichen
Befreiung vom Verbot des In-Sich-Geschäfts nach den
Grundsätzen des BFH-Urteils vom 23.10.1996 I R 71/95 (BFHE
181, 328, BStBl II 1999, 35 = SIS 97 01 22). Überdies sei die
zivilrechtliche Unwirksamkeit lediglich ein Beweisanzeichen im
Rahmen einer Gesamtwürdigung und der Klägerin im
Übrigen nicht anzulasten.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die
Einkommensteuer 1992 unter Berücksichtigung der
Darlehenszinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Das
angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache nach § 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Das FG ist unzutreffend davon ausgegangen, die
Darlehensverträge seien auf Grund ihrer Formunwirksamkeit im
Streitjahr (1992) sowie ihrer fehlenden Besicherung steuerrechtlich
nicht anzuerkennen.
1. Vertragsverhältnisse zwischen nahen
Angehörigen sind steuerrechtlich nur anzuerkennen, wenn die
Verträge bürgerlich-rechtlich wirksam vereinbart worden
sind und sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des
Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen. Fehlt
es innerhalb eines Familienverbundes typischerweise an einem
Interessensgegensatz und können zivilrechtliche
Gestaltungsmöglichkeiten steuerrechtlich missbraucht werden,
so ist es im Interesse einer effektiven Missbrauchsbekämpfung
geboten und zulässig, an den Beweis des Abschlusses und an den
Nachweis der Ernstlichkeit von Vertragsgestaltungen zwischen nahen
Angehörigen strenge Anforderungen zu stellen (ständige
Rechtsprechung, vgl. z.B. den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 7.11.1995 2 BvR 802/90,
BStBl II 1996, 34 = SIS 96 01 13). Die besonderen Anforderungen der
Rechtsprechung bilden Beweisanzeichen (Indizien) bei der im Rahmen
einer Gesamtbetrachtung zu treffenden Entscheidung, ob die
streitigen Aufwendungen in einem sachlichen Zusammenhang mit dem
Erzielen von Einkünften stehen oder dem nicht steuerbaren
privaten Bereich (§ 12 des Einkommensteuergesetzes - EStG - )
zugehörig sind. Lassen die Vertragsbeteiligten zivilrechtliche
Formerfordernisse unbeachtet, so führt dieses Beweisanzeichen
gegen die Ernsthaftigkeit der getroffenen Vereinbarung - anders als
z.B. das Nichterfüllen eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals
- nicht allein und ausnahmslos dazu, das Vertragsverhältnis
steuerrechtlich nicht anzuerkennen. Die Indizwirkung gegen den
vertraglichen Bindungswillen wird verstärkt, wenn es den
Vertragspartnern angelastet werden kann, zivilrechtliche
Formvorschriften insbesondere bei klarer Rechtslage nicht beachtet
zu haben (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 217, 409 = SIS 07 16 99, m.w.N.). Damit hat der BFH seine Rechtsprechung entgegen
der Vorinstanz gegenüber seinem Urteil im ersten Rechtszug
nicht geändert, wie sich aus dem Urteil in BFHE 217, 409 = SIS 07 16 99, unter II. 3. der Gründe explizit ergibt.
2. Diesen Grundsätzen widerspricht die
angefochtene Entscheidung. Sie hat die streitigen Darlehenszinsen
in einer unvollständigen und unzutreffenden
Gesamtwürdigung der Beweisanzeichen vom Abzug als
Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 1 EStG) bei
den Einkünften der Klägerin aus Vermietung und
Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG
ausgeschlossen.
a) Zwar würdigt es das FG zutreffend als
Indiz gegen den vertraglichen Bindungswillen, dass die zu Grunde
liegenden Darlehensverträge gemäß § 1629 Abs.
2 Satz 1 i.V.m. § 1795 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB) zunächst - nämlich im Streitjahr -
schwebend unwirksam waren. Dabei hat das FG in Übereinstimmung
mit der Rechtsprechung des BFH darauf abgestellt, der Klägerin
sei das Nichtbeachten der Formvorschriften anzulasten gewesen.
Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden,
weil sich - entgegen der Revision - die klare Rechtslage schon aus
dem Wortlaut der einschlägigen Vorschriften des BGB ableiten
lässt. Obschon der Ergänzungspfleger im Jahr 1998 die
Darlehensverträge genehmigte, wirkte diese nachträgliche
Zustimmung - wovon die Rechtsprechung anders als bei einer
Genehmigung des In-sich-Geschäfts entgegen der Revision
übereinstimmend ausgeht (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 214,
173, BStBl II 2007, 294 = SIS 06 38 96; anders bei § 181 BGB
das BFH-Urteil in BFHE 181, 328, BStBl II 1999, 35 = SIS 97 01 22)
- nur zivilrechtlich nach § 184 Abs. 1 BGB (i.V.m. §
1909, § 1915 Abs. 1, § 1829 Abs. 1 BGB), nicht aber
steuerrechtlich auf den Zeitpunkt der Vornahme der
Darlehensverträge zurück.
b) Indes ergibt sich der Rechtsfehler und
Aufhebungsgrund aus dem zusätzlich in die Würdigung
einbezogenen Indiz der fehlenden Sicherung der
Darlehensverträge. Denn dieses Beweisanzeichen ist im
Streitfall nicht ergiebig, erlaubt also nicht den Schluss auf einen
fehlenden Bindungswillen der Vertragsparteien. Zwar geht die
Rechtsprechung grundsätzlich davon aus, der
Rückzahlungsanspruch aus einem langfristigen Darlehen zwischen
nahen Angehörigen müsse ausreichend besichert sein (vgl.
z.B. das BFH-Urteil vom 7.11.1990 X R 126/87, BFHE 163, 49, BStBl
II 1991, 291 = SIS 91 05 21, m.w.N.). Dieses aus dem Fremdvergleich
abgeleitete generelle Erfordernis wird durch einen konkreten
Fremdvergleich im jeweiligen Einzelfall überlagert (vgl.
BFH-Urteil vom 28.6.2002 IX R 68/99, BFHE 199, 380, BStBl II 2002,
699 = SIS 02 87 46). In diesem Zusammenhang hätte das FG nach
der Aktenlage, wie sie in den Entscheidungen im ersten Rechtszug in
Bezug genommen wurden, berücksichtigen müssen, dass drei
verschiedene Kreditinstitute der Klägerin ungesicherte
Darlehen von 200.000 DM, 250.000 DM und nochmals 250.000 DM
bestätigt haben (vgl. Band III der Einkommensteuerakten, Bl.
32 bis 34). Vor diesem konkreten Hintergrund verliert das zwischen
fremden Dritten übliche Vertragsgebaren für die
Indizienwürdigung an Gewicht, so dass die fehlende Besicherung
nicht ohne weiteres auf eine steuerrechtlich unerhebliche
Veranlassung des hingegebenen Geldes hindeutet.
3. Wegen der unzutreffenden Würdigung
eines Beweisanzeichens wird die vom FG angestellte
Gesamtwürdigung insgesamt fehlerhaft. Die Vorentscheidung ist
deshalb aufzuheben.
Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird
die Darlehensverträge der Klägerin mit ihren Enkelkindern
insgesamt neu zu beurteilen haben. Dabei wird es die im
Revisionsurteil des ersten Rechtszuges (BFH-Urteil in BFHE 214,
173, BStBl II 2007, 294 = SIS 06 38 96) aufgestellten
Maßstäbe nach § 126 Abs. 5 FGO zu beachten haben.
Hierbei wird es angesichts der tatsächlichen Durchführung
der Verträge als späteren Umstand (vgl. BFH-Urteil vom
14.12.2004 IX R 1/04, BFHE 208, 235, BStBl II 2005, 211 = SIS 05 08 92, unter II. 1. a a.E.) auch würdigen müssen, dass die
Parteien nach Erkennen der Unwirksamkeit zeitnah darauf hingewirkt
haben, eine Genehmigung durch den Ergänzungspfleger zu
erreichen und sich im Übrigen auch künftig
tatsächlich so verhalten haben, wie sie es von vornherein
untereinander vereinbart hatten. Der Senat kann als
Revisionsinstanz die der Tatsacheninstanz obliegende
Gesamtwürdigung nicht selbst anstellen.