1
|
A. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin), eine KG, war bis 2009 eine OHG, an der im
Streitjahr 1996 sowohl unbeschränkt als auch - im Umfang von
rd. 30,86 v.H. - beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter
beteiligt waren. Die Klägerin war ihrerseits
Komplementärin der Beigeladenen, einer börsennotierten
KGaA, und hielt an dieser einen Anteil von 73,837 v.H.; die
übrigen Anteile der Beigeladenen wurden von
Kommanditaktionären gehalten.
|
|
|
2
|
Die Beigeladene hielt u.a. - zu ca. 99 v.H.
bzw. 100 v.H. - Beteiligungen an zwei französischen
Kapitalgesellschaften. Aus diesen Beteiligungen vereinnahmte sie im
Streitjahr 1996 phasengleich Dividenden in Höhe von insgesamt
rd. ... Mio. DM, von denen für das Streitjahr gemäß
der Beteiligungsquote auf die Klägerin ... DM
entfielen.
|
|
|
3
|
In der Satzung der Beigeladenen ist
wirtschaftlich eine umfassende Gewinnpoolung zwischen der
Klägerin und den Kommanditaktionären vereinbart, die
sowohl das Ergebnis der Klägerin als auch das Ergebnis der
Beigeladenen umfasst. Rechtlich wird die Gewinnpoolung durch
Ergebnisbeteiligungs- und Ergebnisaufteilungsabreden erreicht. Wird
wegen des Bezugs von Dividenden aus der Beteiligung an einer
ausländischen Gesellschaft von dieser Gesellschaft geschuldete
ausländische Körperschaftsteuer durch die
ausländische oder durch die deutsche Finanzverwaltung
erstattet, steht nach der Satzung der Beigeladenen dieser der
Erstattungsbetrag als Ertrag aus ihrer Beteiligung an der
ausländischen Gesellschaft zu. Die Satzung der Beigeladenen
begründet damit deren handelsrechtlichen Anspruch auf einen
zusätzlichen Anteil an Beteiligungserträgen in Höhe
der bei den Gesellschaftern durch die ausländischen
Beteiligungen erzeugten steuerlichen Zusatzerträge (Erstattung
ausländischer Körperschaftsteuer). Dies gilt entsprechend
für den Fall, dass zusätzlich zu den Dividenden aus einer
Beteiligung von der Beteiligungsgesellschaft entrichtete
Körperschaftsteuer vergütet wird. Entsprechend dieser
Satzungsvorschrift hat die Beigeladene den vollen Betrag der auf
sie entfallenden Brutto-Bardividenden der beiden französischen
Gesellschaften und den auf die Gesellschafter der Klägerin
entfallenden Betrag der französischen Steuergutschrift - des
„avoir fiscal“ - als Beteiligungsertrag ausgewiesen.
Die Gesellschafter der Klägerin haben ihre Ansprüche auf
den „avoir fiscal“ an die Beigeladene
abgetreten.
|
|
|
4
|
Die Klägerin beanspruchte - entgegen
ihrer ursprünglichen Feststellungserklärungen - für
die der Beigeladenen zugeflossenen Brutto-Bardividenden aus den
beiden französischen Beteiligungen das sog. Schachtelprivileg
gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Buchst. b
Doppelbuchst. aa Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der
Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und
Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom
21.7.1959 (BGBl II 1961, 398) in der für das Streitjahr
maßgeblichen Fassung des Zusatzabkommens vom 28.9.1989 (BGBl
II 1990, 772) - DBA-Frankreich a.F. -, nunmehr Art. 20 Abs. 1
Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Satz 1 DBA-Frankreich in der Fassung
des Zusatzabkommens vom 20.12.2001 (BGBl II 2002, 2372) -
DBA-Frankreich n.F. -, und Art. 4 der Richtlinie (EWG) Nr. 90/435
über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und
Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vom 23.7.1990
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - 1990 Nr.
L 225, 6, ber. ABlEG 1990 Nr. L 266, 20, geändert durch
Beitrittsakte 1995, ABlEG 1995 Nr. L 1, 144) -
Mutter-Tochter-Richtlinie - .
|
|
|
5
|
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) folgte dem im Ergebnis - und entsprechend einer
langjährigen steuerlichen Behandlung - nur in Bezug auf die
Kommanditaktionäre, nicht aber in Bezug auf die Klägerin
als (personalistische) Komplementäraktionärin, und
stellte die Besteuerungsgrundlagen entsprechend fest. Den (nunmehr
nur noch) hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin auf
(anteilige) Erstattung des sog. avoir fiscal entsprach das FA im
Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellungen für
das Streitjahr - abweichend von der zuvorigen Praxis - lediglich
bezogen auf die unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter
der Klägerin; hinsichtlich der beschränkt
steuerpflichtigen Gesellschafter lehnte es den Antrag wegen
mangelnder Ansässigkeit jener Personen, wie aber für die
Anrechnung bzw. Erstattung gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst.
b Doppelbuchst. bb Satz 2 DBA-Frankreich a.F. vonnöten, ab. In
Einklang hiermit wurde der in dem (anteilig) festgestellten Gewinn
der Klägerin enthaltene Ertrag wegen Gewährung des sog.
avoir fiscal in entsprechendem Umfang nicht mehr erfasst. Dass die
Klägerin den Ertrag aus dem avoir fiscal handels- ebenso wie
steuerbilanziell tatsächlich nicht im Streitjahr, sondern erst
im Wirtschaftsjahr 2000 ausgebucht hatte, ließ das FA dabei
unberücksichtigt.
|
|
|
6
|
Die dagegen gerichtete Klage war mit ihrem
Hauptantrag erfolgreich. Das Hessische Finanzgericht (FG) gab ihr
mit Urteil vom 23.6.2009 12 K 3439/01 (veröffentlicht in IStR
2009, 658 = SIS 10 19 57) statt.
|
|
|
7
|
Während des Klageverfahrens hatte das
FA den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer
Außenprüfung durch abermaligen Änderungsbescheid
vom 17.9.2003 ersetzt; das FG war darüber unterrichtet
worden.
|
|
|
8
|
Seine Revision stützt das FA auf
Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es beantragt
sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
|
|
|
9
|
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
|
|
|
10
|
Die Beigeladene hat sich nicht
geäußert.
|
|
|
11
|
B. Die Revision bleibt ohne Erfolg.
|
|
|
12
|
I. Die verfahrensrechtlichen Einwendungen des
FA greifen nicht durch.
|
|
|
13
|
1. Das betrifft zunächst die
„falsche“ Bezeichnung der Klägerin im Rubrum des
angegriffenen FG-Urteils. Diese Falschbezeichnung ist
richtigzustellen; Klägerin ist nicht die OHG, sondern deren
Rechtsnachfolgerin, die KG. Die in 2009 durchgeführte
Umwandlung ist in der (formalen) Bezeichnung der Klägerin als
Verfahrensbeteiligte nachzuvollziehen; das kann auch durch das
Revisionsgericht geschehen.
|
|
|
14
|
2. Auch der Umstand, dass das FG den
Änderungsbescheid vom 17.9.2003 bei seiner Entscheidung nicht
einbezogen hat, führt nicht zum Erfolg der Revision.
|
|
|
15
|
Allerdings ist das Urteil des FG zu einem im
Zeitpunkt der Entscheidung materiell nicht mehr wirksamen
Verwaltungsakt ergangen (vgl. Beschluss des Großen Senats des
Bundesfinanzhofs - BFH - - vom 25.10.1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1,
BStBl II 1973, 231 = SIS 73 01 27). Denn Gegenstand des
Klageverfahrens war ausschließlich der (abermalige)
Änderungsbescheid vom 17.9.2003, der nach § 68 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Verfahren übergeleitet
worden ist. Zwar hat die Klägerin ihren Antrag nicht
entsprechend an diesen Bescheid angepasst, das FG ist über das
Ergehen des Änderungsbescheids jedoch gemäß §
68 Satz 3 FGO in Kenntnis gesetzt worden. Sein Urteil ist dennoch
gegen den zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr existenten
Bescheid vom 7.8.2001 ergangen. Darin liegt ein Verstoß gegen
die Grundordnung des Verfahrens.
|
|
|
16
|
Jedoch widerspräche es Sinn und Zweck des
§ 68 Satz 1 FGO, der darin besteht, das Verfahren fortsetzen
zu können, wenn die Vorentscheidung im Rechtsmittelverfahren
in einem solchen Fall auch dann zwingend aufzuheben und die Sache
zurückzuverweisen wäre, wenn durch den
Änderungsbescheid keine neuen Streitpunkte in das Verfahren
eingeführt worden sind; der Zweck einer Aufhebung und
Zurückverweisung würde sich dann darin erschöpfen,
der Vorinstanz Gelegenheit zu geben, den Änderungsbescheid
datumsmäßig zu erfassen. Aus prozessökonomischen
Gründen reicht deshalb in einem solchen Fall eine
Richtigstellung in der Rechtsmittelentscheidung aus. Das wurde in
der Vergangenheit für die Konstellation entschieden, dass das
FG in Unkenntnis des Änderungsbescheides über den
früheren Bescheid befunden hat (vgl. BFH-Beschluss vom
29.8.2003 II B 70/03, BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944 = SIS 03 46 56; BFH-Urteile vom 31.5.2006 II R 32/04, BFH/NV 2006, 2232 = SIS 06 44 58; vom 13.12.2006 VIII R 31/05, BFHE 216, 214, BStBl II
2007, 393 = SIS 07 07 88; Senatsbeschluss vom 7.8.2008 I B 161/07,
BFH/NV 2008, 2053 = SIS 08 41 60, dort unter konkludenter Aufgabe
der früheren Sichtweise im Urteil vom 22.11.1995 I R 35/95,
BFH/NV 1996, 611). Der Senat sieht jedoch keinen Grund, diese
prozessökonomische und in Einklang mit § 68 Satz 1 FGO
stehende Vorgehensweise auf eine derartige Konstellation zu
verengen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Einbeziehung des
aktenkundigen Änderungsbescheides in die abschließende
Entscheidung jedenfalls dann nur versehentlich unterblieben ist,
wenn keine anderweitigen Anhaltspunkte ersichtlich sind.
|
|
|
17
|
Im Streitfall kann danach von einer
Zurückverweisung abgesehen werden. Zwar hat das FA nach
Aktenlage das FG über den Erlass des Änderungsbescheides
in Kenntnis gesetzt. Ausweislich der Ausführungen in
Tatbestand und Entscheidungsgründen des FG-Urteils hatte die
Vorinstanz indes bei der Entscheidungsfindung die Existenz des
Änderungsbescheides offenkundig nicht (mehr) vor Augen, ebenso
wenig, wie die Klägerin bei Formulierung ihres Klageantrags
diesen an die neue Bescheidslage angepasst hat. Es kann somit
ausgeschlossen werden, dass das FG bewusst nicht über den
Änderungsbescheid, aus dem sich nach nunmehr
übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten kein neuer
Streitstoff ergeben hat, als Verfahrensgegenstand hat entscheiden
wollen. Nach allem ist daher die Entscheidung des FG auf den
Änderungsbescheid vom 17.9.2003 zu beziehen.
|
|
|
18
|
II. Die Revision ist auch in der Sache
unbegründet.
|
|
|
19
|
1. Die Beigeladene war im Streitjahr in
Deutschland ansässig und unterfällt hier mit ihrem
Welteinkommen (§ 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes
- KStG 1991 -, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des
Einkommensteuergesetzes - EStG 1990 - ) der unbeschränkten
Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991). Darin einbezogen
sind auch die Dividenden, die ihr seitens der französischen
Tochtergesellschaften zugeflossen sind.
|
|
|
20
|
2. Das Besteuerungsrecht für diese
Dividenden steht im Ergebnis jedoch Frankreich und nicht
Deutschland zu; sie sind nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und
Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. von der
Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer
auszunehmen (im Ergebnis ebenso Kramer, IStR 2010, 57 und 63;
Hageböke, IStR 2010, 59; K. Ebling in
Hörmann/Jüptner/Kobor/Zugmaier [Hrsg.], Brennpunkte des
Steuerrechts, Festschrift für Jakob, 2001, S. 67; vgl. auch -
zu dem mit Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b
Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. vergleichbaren, in Art.
23 Abs. 3 Buchst. a Satz 3 des Abkommens zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der
Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und
vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29.8.1989
vereinbarten sog. Schachtelprivileg - Wolff in Debatin/Wassermeyer,
DBA, Art. 7 USA Rz 122; anders Wassermeyer in
Kessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung,
Festschrift für Herzig, 2010, S. 897 ff., S. 902 ff.; derselbe
in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 3 MA Rz 31). Denn es handelt
sich hierbei in Einklang mit jenen Regelungen um aus Frankreich
stammende Einkünfte, die einerseits nach dem DBA-Frankreich in
Frankreich besteuert werden können (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a
Satz 1 DBA-Frankreich a.F.) und die andererseits den Dividenden
(i.S. von Art. 9 Abs. 1 und 6 DBA-Frankreich a.F.) entsprechen, die
von in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaften an eine in
Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft, der mindestens 10
v.H. des Gesellschaftskapitals der französischen
Gesellschaften gehören, gezahlt werden (Art. 20 Abs. 1 Buchst.
b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F.).
|
|
|
21
|
a) Die Dividenden können
grundsätzlich nach dem DBA-Frankreich in Frankreich besteuert
werden. Dass Art. 9 Abs. 4 Satz 1 DBA-Frankreich a.F. bei sog.
Schachtelbeteiligungen von mindestens 10 v.H. Frankreich insofern
ein Quellenbesteuerungsrecht versagt, steht dem nicht entgegen; es
genügt für die Anwendung des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a
Satz 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich
a.F., dass Frankreich gemäß Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich
a.F. allgemein ein Besteuerungsrecht zusteht. Im Einzelnen wird
dazu auf das Senatsurteil vom 29.5.1996 I R 21/95 (BFHE 180, 422,
BStBl II 1997, 63 = SIS 96 15 44, dort unter II.2.a der
Entscheidungsgründe) verwiesen.
|
|
|
22
|
b) Bei der beigeladenen KGaA handelt es sich -
nach Maßgabe des insoweit ausschlaggebenden deutschen Rechts
(s. dazu auch Senatsurteil vom 20.8.2008 I R 39/07, BFHE 222, 509,
BStBl II 2009, 234 = SIS 08 42 89) - um eine in Deutschland
ansässige (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich
a.F.) Kapitalgesellschaft, die im erforderlichen Mindestumfang von
10 v.H. Beteiligungen am Kapital der beiden französischen
Tochtergesellschaften hält. Die Tochtergesellschaften sind
ihrerseits Kapitalgesellschaften, die in Frankreich ansässig
sind, und die in Rede stehenden Dividenden dieser Gesellschaften
wurden an die Beigeladene gezahlt.
|
|
|
23
|
c) Damit sind sämtliche tatbestandlichen
Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des sog.
Schachtelprivilegs i.S. von Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und
Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. erfüllt.
Die unter den Beteiligten diskutierten Rechtsfragen danach, ob eine
KGaA „Person“ i.S. des Einleitungssatzes von
Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b DBA-Frankreich
a.F. ist und ob sie als eine solche Person aus wirtschaftlicher
oder steuerrechtlicher Sicht Zahlungsempfängerin der
Dividenden ist, stellt sich angesichts dessen nicht.
|
|
|
24
|
aa) Zwar regelt Art. 20 Abs. 1 DBA-Frankreich
a.F., in welcher Weise die Doppelbesteuerung „bei
Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind“,
vermieden wird. In der Regel geschieht dies nach Abs. 1 Buchst. a
Satz 1 der Vorschrift durch Freistellung der aus Frankreich
stammenden Einkünfte jener Personen, bei denen es sich um in
einem Vertragsstaat ansässige natürliche oder juristische
Personen handeln muss. Doch steht diese Regelung unter dem
Vorbehalt der Sonderregeln für Dividenden in Abs. 1 Buchst. b
und Buchst. c der Vorschrift, in denen (auch) die Voraussetzungen
für die betroffenen „Personen“ im Sinne des
Einleitungssatzes spezifiziert und eingegrenzt werden. Nach Art. 20
Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. sind
das - gewissermaßen als eine Teilmenge jener Personen i.S.
des Einleitungssatzes - in der Bundesrepublik ansässige
Kapitalgesellschaften, zu denen die Beigeladene fraglos gehört
(vgl. § 278 des Aktiengesetzes). Personen im Sinne des
Einleitungssatzes, die das sog. Schachtelprivileg nach Art. 20 Abs.
1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F.
beanspruchen können, sind so gesehen einerseits nur,
andererseits jedwede Kapitalgesellschaften, die (nur) in der
Bundesrepublik ansässig sind. Einschränkungen nach der
Gesellschafterstruktur jener Kapitalgesellschaften enthält das
Abkommen insofern nicht.
|
|
|
25
|
Sie werden - im Hinblick auf die
Qualifizierung als eine solche Kapitalgesellschaft - auch
innerstaatlich nicht getroffen. Soweit solches für den
Komplementär einer KGaA geschieht, betrifft das (lediglich)
die Einkommenszuordnung zwischen der KGaA und ihrem persönlich
haftenden Gesellschafter (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991
i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990), nicht jedoch die
(Subjekt-)Eigenschaft der KGaA als Kapitalgesellschaft und damit
auch nicht ihre abkommensrechtliche Behandlung im Zusammenhang mit
der Gewährung des sog. Schachtelprivilegs. Um die
abkommensrechtliche Behandlung der KGaA und des persönlich
haftenden Gesellschafters als „Person“ (vgl.
dazu Senatsurteil vom 17.10.1990 I R 16/89, BFHE 163, 38, BStBl II
1991, 211 = SIS 91 13 74) geht es in jenem Zusammenhang indes
nicht. Ebenso wenig kommt die sog. Wurzeltheorie, nach der der
Komplementär der KGaA originäre gewerbliche
Einkünfte (i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1990)
und keine (umqualifizierten, vgl. § 20 Abs. 3 EStG 1990)
Dividenden erzielt (vgl. grundlegend BFH- Urteil vom 21.6.1989 X R
14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881 = SIS 89 19 36; näher
Hageböke, Das „KGaA-Modell“, 2008, S. 120
f.), in diesem Zusammenhang zum Zuge: Zwar ist es im Ausgangspunkt
Sache des innerstaatlichen und nicht des Abkommensrechts, wem eine
Einkunft (in Deutschland nach Maßgabe von § 2 Abs. 1
EStG 1990, ggf. auch § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung)
zuzurechnen ist. (Erst) an diese Zurechnung knüpft aus
methodischer Sicht das Abkommensrecht - über die
Abkommensberechtigung - an und hiernach ist die sich hieraus
ergebende Steuerfreistellung zu gewähren. Doch setzt sich Art.
20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F.
über diese materielle Zurechnung abkommensspezifisch hinweg
und begünstigt die KGaA als solche, und zwar auch dann, wenn
die zu gewährende Freistellung aufgrund der innerstaatlichen
Zurechnung - wie im Streitfall der Komplementärin in der
Rechtsform einer Personengesellschaft - (auch) einer Person zugute
kommt, der die Freistellung an sich nicht zusteht; die
(Teil-)Transparenz der „hybriden“ KGaA wirkt
sich nicht aus. Dafür, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991
i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 umgekehrt als sog.
Treaty override konzipiert wäre, wonach das Abkommensrecht
hinter dem nationalen Steuerrecht zurücktreten können
soll, ist nichts ersichtlich.
|
|
|
26
|
bb) Gleiches gilt für die Frage, ob
Empfänger der Dividenden jenseits des bloßen
Zahlungsvorganges die „hinter“ der KGaA
stehenden Gesellschafter sind. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b
Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. stellt darauf nicht ab.
Ausschlaggebend ist hiernach vielmehr allein die Zahlung an eine in
der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft
(„... gezahlt ...“). Letzteres ist unter den
Gegebenheiten des Streitfalls die KGaA, nicht deren persönlich
haftender Gesellschafter. Ob dies nach Maßgabe eines
Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, das sich enger als
das DBA-Frankreich an das Musterabkommen der Organisation for
Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) anlehnt und wie
dort die Begriffe des „Nutzungsberechtigten“ als
desjenigen verwendet, welcher die betreffenden Einkünfte
„bezieht“ (so Wassermeyer in Festschrift Herzig,
a.a.O., S. 897, 906; s. in diesem Zusammenhang auch Senatsurteil in
BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234 = SIS 08 42 89), anders ist, mag
dahinstehen; in Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1
DBA-Frankreich a.F. werden beide Begriffe nicht aufgegriffen.
Maßgeblich ist deswegen der bloße Abfluss der
Beträge bei den leistenden Gesellschaften an die
inländische Kapitalgesellschaft (vgl. zu diesem spezifisch
abkommensrechtlichen Verständnis des Ausdrucks
„Zahlung“ Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer,
a.a.O., Art. 10 MA Rz 39; Grützner in Gosch/ Kroppen/Grotherr,
DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 46 f.; Gaffron in Haase, AStG/DBA, Art. 10
MA Rz 44).
|
|
|
27
|
3. Ist das Urteil der Vorinstanz im Ergebnis
in dem von der Klägerin gestellten Hauptantrag zu
bestätigen, kam es auf die weiteren Streitfragen, insbesondere
derjenigen nach der vollen Erfassung und Anrechnung bzw. Erstattung
der französischen Steuergutschrift (des sog. avoir fiscal)
für die unbeschränkt ebenso wie für die
beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter der Klägerin,
die diese mit ihrem Hilfsantrag beansprucht, nicht mehr an.
|
|
|