Rückzahlung einer Abfindung, Berücksichtigungszeitpunkt: 1. Die Rückzahlung einer Abfindung ist auch dann im Abflussjahr zu berücksichtigen, wenn die Abfindung im Zuflussjahr begünstigt besteuert worden ist. - 2. Eine Lohnrückzahlung ist regelmäßig kein rückwirkendes Ereignis, das zur Änderung des Einkommensteuerbescheides des Zuflussjahres berechtigt. - Urt.; BFH 4.5.2006, VI R 33/03; SIS 06 37 88
I. Streitig ist, in welchem
Veranlagungszeitraum die Rückzahlung einer 1997 vom
Arbeitgeber erhaltenen und ermäßigt besteuerten, aber
1998 an ihn teilweise rückerstatteten Abfindung
einkommensteuerlich zu berücksichtigen ist.
Die Ehefrau des Klägers und
Revisionsbeklagten (Kläger) war bis einschließlich
30.11.1997 bei der A-GmbH, einer zum X-Konzern gehörenden
Gesellschaft, tätig. Mit Wirkung zum 30.11.1997 wurde das
Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der A-GmbH aus
betriebsbedingten Gründen beendet. Sie erhielt noch im Jahr
1997 eine Abfindung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes auf
der Grundlage von Betriebsvereinbarungen. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) erfasste im
bestandskräftig gewordenen - hier nicht streitigen -
Einkommensteuerbescheid des Klägers und seiner Ehefrau
für 1997 neben anderen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit auch die Abfindung und unterwarf sie
gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) i.V.m. § 24 Nr. 1 EStG einem ermäßigten
Steuersatz.
Im Streitjahr 1998 zahlte die Ehefrau des
Klägers an die A-GmbH einen Teil der Abfindung - wie in den
Betriebsvereinbarungen vereinbart - zurück. Danach waren 2/3
der Abfindung zurückzuzahlen, wenn der Mitarbeiter innerhalb
des Konzerns einen neuen Arbeitsplatz findet.
Die zusammen mit dem Kläger zur
Einkommensteuer veranlagte Ehefrau des Klägers erklärte
für das Streitjahr 1998 die zurückgezahlte Abfindung als
negative Einnahmen.
Im streitigen Einkommensteuerbescheid
für 1998 berücksichtigte das FA die Rückzahlung der
Abfindung nicht. Es änderte stattdessen, gestützt auf
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO 1977), den
bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid für
1997.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage gegen
den Einkommensteuerbescheid für 1998 nach erfolglosem
Einspruchsverfahren aus den in EFG 2004, 31 = SIS 03 50 77
veröffentlichten Gründen statt und ließ die
Revision zu.
Das FA rügt mit der Revision die
Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, unter Aufhebung des
angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, aus den
Gründen des angefochtenen Urteils, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG ist zu Recht davon
ausgegangen, dass zurückgezahlte Einnahmen erst im Zeitpunkt
des Abflusses steuermindernd zu berücksichtigen sind.
1. Ausgaben sind nach § 11 Abs. 2 Satz 1
EStG in dem Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden
sind. Die Teilrückzahlung der Abfindung ist deshalb im
Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Leistung einkommensteuerlich zu
berücksichtigen, hier also im streitigen Veranlagungszeitraum
1998. Entgegen der Auffassung des FA ist die spätere
Rückzahlung des Arbeitslohns nicht schon im
Veranlagungszeitraum des Arbeitslohnzuflusses als
rückwirkendes Ereignis zu berücksichtigen.
a) Die Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit i.S. von § 19 Abs. 1 EStG
ergeben sich nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2 EStG aus dem
Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Nach
§ 2 Abs. 7 Satz 2 EStG i.V.m. § 25 EStG sind ihre
Grundlagen für die Einkommensbesteuerung jeweils für ein
Kalenderjahr (Veranlagungszeitraum) nach dem Zufluss und Abfluss
von Gütern und nicht - wie die Gewinneinkünfte i.S. des
§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG - nach der Veränderung des
Vermögensbestandes zu ermitteln. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Satz 1 EStG sind Einnahmen und Ausgaben nach dem
kalenderjahrbezogenen Zu- und Abflussprinzip zu erfassen, sofern
nicht eine abweichende gesetzliche Ausnahmeregelung greift (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.1.2000 IX R 87/95, BFHE
191, 274, BStBl II 2000, 396 = SIS 00 08 52).
b) Zutreffend ist die Vorinstanz davon
ausgegangen, dass das in § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG normierte
Abflussprinzip auch für zurückgezahlten Arbeitslohn gilt.
Diese Regelung greift auch dann, wenn die streitigen Einkünfte
besonderen Steuersätzen unterworfen waren. Der BFH hat schon
wiederholt entschieden, dass es hinzunehmen sei, wenn es durch das
in § 11 EStG normierte Zu- und Abflussprinzip bei einer
Zusammenballung von Einnahmen und Ausgaben in einem
Veranlagungszeitraum zu Ergebnissen kommen kann, die als Folge der
Einkommensteuerprogression oder fehlender tatsächlicher
Ausgleichsmöglichkeiten zu steuerlichen Be- oder Entlastungen
führen können (vgl. BFH-Urteile vom 2.4.1974 VIII R
76/69, BFHE 112, 348, BStBl II 1974, 540 = SIS 74 03 06; vom
24.9.1985 IX R 2/80, BFHE 145, 507, BStBl II 1986, 284 = SIS 86 08 02; vom 17.4.1996 I R 78/95, BFHE 180, 559, BStBl II 1996, 571 =
SIS 96 22 95; in BFHE 191, 274, BStBl II 2000, 396 = SIS 00 08 52).
Eine zeitabschnittsbezogene Steuerermittlung bewirkt typischerweise
bei progressiven Steuersätzen Unterschiede der Steuerbelastung
zwischen den verschiedenen Abschnitten.
c) Das FG hat auch zutreffend entschieden,
dass die tatsächliche Teilrückzahlung der Abfindung an
den Arbeitgeber nicht als rückwirkendes Ereignis i.S. von
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 schon im früheren
Veranlagungszeitraum einkünftemindernd zu berücksichtigen
ist. Denn ob einer nachträglichen Änderung des
Sachverhalts rückwirkende steuerliche Bedeutung zukommt, also
bereits eingetretene steuerliche Rechtsfolgen mit Wirkung für
die Vergangenheit sich ändern oder vollständig entfallen,
bestimmt sich allein nach dem jeweils einschlägigen
materiellen Recht. Eine ausdrückliche Vorschrift, die
ausnahmsweise eine Änderung des steuererheblichen Sachverhalts
rückwirkend zulässt, ist nicht ersichtlich. Für die
Überschusseinkünfte sind die tatsächlichen Zu- und
Abflüsse von Einnahmen und Ausgaben materiell-rechtlich
erheblich. Diese tatsächlichen Vorgänge können nicht
durch später bewirkte tatsächliche Rückzahlungen
ungeschehen gemacht werden (vgl. BFH-Urteil vom 22.5.2002 VIII R
74/99, BFH/NV 2002, 1430 = SIS 02 97 85 mit Hinweis auf
BFH-Beschlüsse vom 26.3.1991 VIII R 55/86, BFHE 166, 21, BStBl
II 1992, 479 = SIS 92 07 23, unter B. III. 4. b bb der Gründe,
und vom 19.7.1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33, unter C. II. 1. d der Gründe).
2. Der Streitfall gibt schließlich
keinen Anlass darüber zu entscheiden, ob
Einnahmenrückzahlungen als negative Einnahmen oder als
Werbungskosten einkommensteuerlich zu berücksichtigen sind.
Denn der Arbeitnehmer-Pauschbetrag kommt hier jedenfalls nicht zum
Abzug. Die für die Einkommensbesteuerung zu
berücksichtigenden - negativen - Einkünfte der Ehefrau
des Klägers sind in beiden Fällen in gleicher Höhe
anzusetzen. Denn im streitigen Veranlagungszeitraum sind die
Einnahmen der Ehefrau des Klägers geringer als die
Einnahmenrückzahlung, so dass der Betrag ihrer Einnahmen
negativ ist. Von dem negativen Einnahmenbetrag kann nach § 9a
Satz 2 EStG der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nicht mehr abgezogen
werden. Berücksichtigte man die Einnahmenrückzahlung als
Werbungskosten, wäre der Arbeitnehmer-Pauschbetrag ebenfalls
nicht anzusetzen, weil höhere Werbungskosten nachgewiesen sind
(§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG).