Direktversicherung, insolvenzbedingter Verlust des Bezugsrechts, Lohnsteuer: Der Verlust des durch eine Direktversicherung eingeräumten Bezugsrechts bei Insolvenz des Arbeitgebers löst keine lohnsteuerrechtlichen Folgen aus. Das folgt aus den Besonderheiten der Insolvenzsicherung gemäß § 7 BetrAVG. - Urt.; BFH 5.7.2007, VI R 58/05; SIS 07 27 20
I. Über das Vermögen der Firma G
wurde am 1.11.2001 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der
Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde zum
Insolvenzverwalter bestellt. G hatte ihren Mitarbeitern eine
betriebliche Altersversorgung durch Abschluss von
Direktversicherungen gewährt und dazu am 5.1.1977 einen
Gruppen-Direktversicherungsvertrag mit der C abgeschlossen. Nach
den Vereinbarungen handelte es sich um eine Versicherung mit
widerruflichem Bezugsrecht. Im Zeitpunkt der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens hatten fast sämtliche Mitarbeiter bereits
einen unverfallbaren Versicherungsanspruch erworben. G hatte von
den Beitragsleistungen gemäß § 40b des
Einkommensteuergesetzes (EStG) pauschal Lohnsteuer
abgeführt.
Nachdem der Kläger das Bezugsrecht
widerrufen hatte, zahlte C 776.778 EUR an den Kläger aus.
Davon entfielen 30.420 EUR auf verfallbare Ansprüche. Im
Hinblick auf diese Rückzahlung machte der Kläger in der
Lohnsteuer-Anmeldung für März 2002 einen
Lohnsteuer-Erstattungsanspruch in Höhe von 155.355 EUR
geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
berücksichtigte in dem angefochtenen Bescheid einen
Erstattungsanspruch nur insoweit, als verfallbare Ansprüche
betroffen waren. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit
den in EFG 2006, 495 = SIS 06 06 59 veröffentlichten
Gründen ab.
Mit der Revision rügt der Kläger
die Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt, die
Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die
Lohnsteuer für März 2002 auf 145.137 EUR
festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Dem Kläger steht kein
Lohnsteuer-Erstattungsanspruch zu.
1. Gemäß § 40b Abs. 1 EStG in
der im Streitfall maßgeblichen Fassung kann ein Arbeitgeber
die Lohnsteuer von Beiträgen für eine Direktversicherung
der Arbeitnehmer mit einem Pauschsteuersatz der Beiträge
erheben. Davon hat G, wie zwischen den Beteiligten auch unstreitig
ist, zu Recht Gebrauch gemacht. Soweit C für die Arbeitnehmer
mit unverfallbaren Anwartschaften den Rückkaufswert an den
Kläger ausgezahlt hat und dieser in die Masse fiel, steht
diesem kein Steuererstattungsanspruch zu. Entgegen der Auffassung
des Klägers führt dieser Vorgang nicht zur
Rückzahlung von Arbeitslohn.
a) Zahlt ein Arbeitnehmer Arbeitslohn
zurück, der dem Lohnsteuerabzug unterlegen hat, so bleibt der
früher gezahlte Arbeitslohn zugeflossen (§ 11 Abs. 1
EStG; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7.11.2006 VI R 2/05,
BStBl II 2007, 315 = SIS 07 03 21, m.w.N.). Die
zurückgezahlten Beträge sind vielmehr im Zeitpunkt der
Rückzahlung als negative Einnahmen oder Werbungskosten zu
berücksichtigen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 4.5.2006 VI R 33/03,
BFHE 214, 92, BStBl II 2006, 911 = SIS 06 37 88). Es kann im
Streitfall dahinstehen, ob eine Rückzahlung von Arbeitslohn
anzunehmen ist, wenn der Arbeitnehmer sein Bezugsrecht aus einer
Direktversicherung ganz oder teilweise ersatzlos verliert (so zum
Verlust vor Unverfallbarkeit Pflüger in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 19 EStG Rz 431; Blomeyer/Rolfs/Otto,
Betriebsrentengesetz, 4. Aufl., StR D, Rz 10 ff.; Höfer,
Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, Bd. II,
Abschnitt III Rz 1833 f.). Ebenso kann offenbleiben, welche
steuerlichen Auswirkungen der Verlust des Bezugsrechts auf die vom
Arbeitgeber geschuldete und gezahlte pauschale Lohnsteuer hat (vgl.
dazu einerseits das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -
BMF - vom 9.2.1993, BStBl I 1993, 248 = SIS 93 06 11, Tz. 2.4, 4.2;
R 129 Abs. 14, 15 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - 2002;
Höfer, a.a.O., Rz 1834; andererseits Blomeyer/Rolfs/Otto,
a.a.O., Rz 50; Schmidt/Drenseck, EStG, 26. Aufl., § 40b Rz 6).
Denn der Verlust des Bezugsrechts bei Insolvenz des Arbeitgebers
infolge Widerrufs löst keine lohnsteuerlichen Folgen aus
(Höfer, a.a.O., Rz 1837). Dies ergibt sich aus den
Besonderheiten der Insolvenzsicherung gemäß § 7 des
Betriebsrentengesetzes (BetrAVG).
b) Durch §§ 7 bis 15 BetrAVG werden
die Versorgungsrechte der durch eine Versorgungszusage des
Arbeitgebers begünstigten Arbeitnehmer bei einer
insolvenzbedingten Zahlungsunfähigkeit geschützt. Der
Pensions-Sicherungs-Verein (PSV) als Träger der
Insolvenzsicherung (§ 14 BetrAVG) wird gesetzlicher Schuldner
einer Ausfallhaftung (Höfer, a.a.O., Bd. I, § 7 Rz
4297).
Nach dem hier einschlägigen § 7 Abs.
2 Satz 1 Nr. 2 BetrAVG in der im Streitjahr geltenden Fassung haben
Arbeitnehmer, die bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
eine nach § 1b des Gesetzes unverfallbare
Versorgungsanwartschaft haben, einen Anspruch gegen den Träger
der Insolvenzsicherung, wenn die Anwartschaft auf einer
Direktversicherung beruht und der Arbeitnehmer hinsichtlich der
Leistungen des Versicherers widerruflich bezugsberechtigt ist. Das
bedeutet, dass für den Versorgungsanwärter mit dem
Eintritt des Sicherungsfalls eine gesetzliche
Versicherungsanwartschaft in Form eines auf den Eintritt des
Versorgungsfalls aufschiebend bedingten Anspruchs entsteht
(Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., § 7 Rz 187). Auf diese Weise
bleibt im Ergebnis der Versicherungsschutz für die von der
Insolvenz betroffenen Arbeitnehmer erhalten. Zwar werden aufgrund
des Widerrufs der Bezugsrechte durch den Insolvenzverwalter die
Deckungsmittel aus der Versicherung zur Masse gezogen und gehen den
Arbeitnehmern insofern verloren. Dieser Verlust wird jedoch durch
den gemäß § 7 Abs. 2 BetrAVG gewährleisteten
gesetzlichen Insolvenzschutz kompensiert (Höfer, a.a.O., Bd.
II, Abschnitt III Rz 1837). Der Anspruch gegen den PSV tritt an die
Stelle des ursprünglichen Versorgungsanspruchs. Da sich der
Umfang der gesicherten Leistungsanwartschaften prinzipiell nach der
Versorgungszusage des Arbeitgebers richtet (vgl. im Einzelnen
Blomeyer/Rolfs/Otto, a.a.O., § 7 Rz 217, 225; Höfer,
a.a.O., Bd. I, § 7 Rz 4297 ff., 4478 ff.), ist wirtschaftlich
kein Verlust der Versorgungsanwartschaften gegeben. Im Hinblick
darauf sind auch die als Arbeitslohn versteuerten
Versicherungsbeiträge nicht verloren, so dass für die
Annahme einer Lohnrückzahlung kein Raum ist.
2. Der beantragte Erstattungsanspruch ergibt
sich auch nicht aus R 129 Abs. 14 i.V.m. Abs. 15 LStR 2002 bzw. Tz.
2.4 i.V.m. 4.2 des BMF-Schreibens in BStBl I 1993, 248 = SIS 93 06 11. Zwar werden danach, soweit Arbeitslohnrückzahlungen aus
pauschal versteuerten Beitragsleistungen anzunehmen sind, die im
selben Kalenderjahr anfallenden pauschalbesteuerungsfähigen
Beitragsleistungen des Arbeitgebers entsprechend gemindert. Auch
soll eine Arbeitslohnrückzahlung u.a. dann anzunehmen sein,
wenn der Arbeitnehmer sein Bezugsrecht aus einer Direktversicherung
ganz oder teilweise ersatzlos verliert. Es ist jedoch schon
fraglich, ob nach dem Verständnis der Verwaltung diese
Anweisung auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden ist. Denn die
unverfallbaren Versorgungsanwartschaften sind, wie dargestellt,
insolvenzgeschützt. Der Arbeitnehmer verliert sein Bezugsrecht
daher nicht ersatzlos. Im Übrigen besteht für den Senat
keine Bindung an norminterpretierende Regelungen der Verwaltung
(BFH-Urteil vom 23.10.2003 V R 48/01, BFHE 203, 531, BStBl II 2004,
196 = SIS 03 53 57).