Auslandsbeteiligungen, Abzugsverbot nach § 8 b Abs. 5 KStG a.F.: § 8 b Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. bis zur Änderung durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003 (BGBl 2003 I S. 2840, BStBl 2004 I S. 14) verstößt sowohl gegen die gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheit der freien Wahl der Niederlassung nach Art. 43 und 48 EG als auch gegen die Grundfreiheit des freien Kapitalverkehrs nach Art. 56 und 58 EG und ist deswegen auch gegenüber sog. Drittstaaten unanwendbar (Bestätigung des Senatsurteils vom 9.8.2006 I R 95/05, BFHE 214 S. 504, BStBl 2007 II S. 279 = SIS 06 44 43; teilweise Abweichung vom BMF-Schreiben vom 21.3.2007, BStBl 2007 I S. 302 = SIS 07 10 79). - Urt.; BFH 26.11.2008, I R 7/08; SIS 09 09 88
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist eine Beteiligungsgesellschaft in der Rechtsform
der GmbH. Sie vereinnahmte in den Streitjahren 2001 und 2002
Dividendenerträge aus Beteiligungen an jeweils einer
spanischen, britischen, italienischen sowie US-amerikanischen und
taiwanesischen Kapitalgesellschaft von insgesamt 8.870.185,85 DM
(2001) und 4.025.849,88 EUR (2002), davon im Streitjahr 2001 aus
der (100 %igen) US-amerikanischen Beteiligung in Höhe von
3.425.422,51 DM und im Streitjahr 2002 aus der US-amerikanischen
Beteiligung und der (94,5 %igen) taiwanesischen Beteiligung in
Höhe von insgesamt 2.544.467,01 EUR. Der Beteiligungsaufwand
belief sich auf insgesamt 624,67 DM (2001) und 285,20 EUR (2002),
davon im Streitjahr 2001 für die US-amerikanische Beteiligung
auf 241,23 DM und für die taiwanesische Beteiligung auf 0 DM
und im Streitjahr 2002 für die US-amerikanische Beteiligung
auf 177,69 EUR und für die taiwanesische Beteiligung auf 2,56
EUR.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) beließ die Dividenden gemäß
§ 8b Abs. 1 (i.V.m. § 34 Abs. 4 Satz 1) des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002), für die
Gewerbesteuer i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG
2002), steuerfrei, behandelte im Gegenzug aber 5 v.H. dieser
Erträge (443.509 DM für 2001 und 201.292,49 EUR für
2002) nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 als nicht abziehbare
Betriebsausgaben. Es setzte die Körperschaftsteuer sowie die
Gewerbesteuermessbeträge entsprechend fest; die Bescheide
ergingen unter Vorbehalt der Nachprüfung gemäß
§ 164 der Abgabenordnung (AO).
Die Klägerin sah demgegenüber -
unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 9.8.2006 I R 95/05 (BFHE
214, 504, BStBl II 2007, 279 = SIS 06 44 43) - nur die ihr
tatsächlich entstandenen Betriebsausgaben gemäß
§ 3c Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) i.V.m.
§ 8 Abs. 1 KStG 2002 als nichtabzugsfähig an; der Ansatz
der sog. Schachtelstrafe des § 8b Abs. 5 KStG 2002
verstoße gegen die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten
der freien Wahl der Niederlassung sowie der Freiheit des
Kapitalverkehrs (Art. 43 und Art. 56 des Vertrages von Amsterdam
zur Änderung des Vertrages über die Europäische
Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften - EG -, sowie einiger damit zusammenhängender
Rechtsakte, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG
- Nr. C-340, 1). Dementsprechend beantragte sie, den
Körperschaftsteuerbescheid für 2001 gemäß
§ 164 Abs. 2 AO zu ändern, und focht sie die übrigen
Steuerbescheide mit Einsprüchen an. Das FA lehnte den
Änderungsantrag ab und wies den dagegen gerichteten Einspruch
sowie die anderen Einsprüche zurück. Die
anschließende Klage war erfolgreich. Das Urteil des
Finanzgerichts (FG) Münster vom 9.11.2007 9 K 2912/04 K,G ist
in EFG 2008, 406 = SIS 08 13 26 abgedruckt.
Mit seiner Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts. Es akzeptiert zwar in der Sache das
Klagebegehren, soweit es um die Beteiligungen an den Gesellschaften
in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft geht
(hier Spanien, Großbritannien, Italien). Für die
Beteiligungsaufwendungen aus sog. Drittstaaten (hier die USA und
Taiwan) gelte das jedoch nicht. Das FA bezieht sich dazu auf das
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 21.3.2007
(BStBl I 2007, 302 = SIS 07 10 79). Es beantragt, das FG-Urteil
aufzuheben und die Klage bezogen auf jene Drittstaaten
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Das dem Verfahren beigetretene BMF hat sich
dem FA in der Sache angeschlossen, jedoch keine eigenen
Anträge gestellt.
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG
hat zutreffend davon abgesehen, 5 v.H. der vereinnahmten Dividenden
der ausländischen Beteiligungsgesellschaften nach § 8b
Abs. 5 KStG 2002 i.d.F. bis zur Änderung durch das Gesetz zur
Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur
Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom
22.12.2003 (BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14) - KStG 2002 a.F. -
als fiktive nichtabzugsfähige Betriebsausgaben anzusehen.
1. Nach § 8b Abs. 1 KStG 2002, für
die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 GewStG 2002, bleiben Bezüge
i.S. des § 20 Abs. 1 Nrn. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG 2002
außer Ansatz. Von diesen Bezügen gelten nach § 8b
Abs. 5 KStG 2002 a.F. 5 v.H. als Ausgaben, die nicht als
Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen, soweit sie aus
Anteilen an einer ausländischen Gesellschaft resultieren (sog.
Schachtelstrafe).
2. Der Senat hat in seinen Urteilen vom
13.6.2006 I R 78/04 (BFHE 215, 82, BStBl II 2008, 821 = SIS 07 04 32), vom 9.8.2006 I R 50/05 (BFHE 215, 93, BStBl II 2008, 823 = SIS 07 04 30) und in BFHE 214, 504, BStBl II 2007, 279 = SIS 06 44 43 -
im Anschluss an die einschlägigen Entscheidungen des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - (vgl.
dessen Urteile vom 18.9.2003 C-168/01 „Bosal“,
Slg. 2003, I-9409 = SIS 03 46 61, sowie vom 23.2.2006 C-471/04
„Keller Holding“, BStBl II 2008, 834 = SIS 06 16 86) - erkannt, dass die vorgenannte Fiktion von Betriebsausgaben
und das vorgenannte Abzugsverbot infolge des
gemeinschaftsrechtlichen Anwendungsvorrangs auf einen mit dem
Streitfall vergleichbaren Sachverhalt nicht anzuwenden sind. Denn
die Fiktion ebenso wie die Nichtabziehbarkeit von Betriebsausgaben
gemäß § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. erfassen nur
Auslandsbeteiligungen und verstoßen deswegen gegen das
gemeinschaftsrechtliche Beschränkungsverbot der freien Wahl
der Niederlassung gemäß Art. 43, Art. 48 EG und damit
gegen primäres Gemeinschaftsrecht. Darüber besteht im
Grundsatz unter den Beteiligten auch kein Streit mehr (vgl. die
BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 302 = SIS 07 10 79, und vom
30.9.2008, BStBl I 2008, 940 = SIS 08 38 51); das FA hat seinen
Revisionsantrag entsprechend eingeschränkt. Der Senat nimmt,
um Wiederholungen zu vermeiden, auf seine Urteile in BFHE 215, 93,
BStBl II 2008, 823 = SIS 07 04 30 und in BFHE 214, 504, BStBl II
2007, 279 = SIS 06 44 43 Bezug.
3. Der Senat hat in jenem Urteil in BFHE 214,
504, BStBl II 2007, 279 = SIS 06 44 43 darüber hinaus
entschieden, dass die geschilderte gesetzliche Ungleichbehandlung
von Inlands- und Auslandsbeteiligungen nicht nur gegen die
Niederlassungsfreiheit des Art. 43 EG, sondern zugleich auch gegen
das Verbot der Beschränkung des Kapitalverkehrs nach Art. 56
Abs. 1 EG verstößt. Darin folgt die Finanzverwaltung dem
Senat - im Hinblick auf die seinerzeit nach Ansicht des BMF noch
nicht hinreichend gefestigte Spruchpraxis des EuGH - nicht
(BMF-Schreiben in BStBl I 2007, 302 = SIS 07 10 79). Der Senat
hält dennoch an seiner Rechtsprechung fest.
a) Für die Beantwortung der Frage, ob
eine nationale Regelung unter die eine oder unter die andere
Grundfreiheit (oder unter beide Grundfreiheiten) fällt, ist
nach jedenfalls mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des EuGH
auf den Gegenstand der betreffenden nationalen Regelung abzustellen
(vgl. u.a. EuGH-Urteile vom 24.5.2007 C-157/05
„Holböck”, Slg. 2007, I-4051 = SIS 07 23 26, Rz 22
und 23; vom 13.3.2007 C-524/04 „Test Claimants in the Thin
Cap Group Litigation”, Slg. 2007, I-2107 = SIS 07 10 19, Rz
26 bis 34, und vom 3.10.2006 C-452/04 „Fidium Finanz“,
Slg. 2006, I-9521 = SIS 07 10 78, Rz 34 und 44 bis 49). Nationale
Bestimmungen, die nur auf solche Beteiligungen anwendbar sind, die
es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen
der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu
bestimmen, fallen danach unter die Niederlassungsfreiheit (vgl.
z.B. EuGH-Urteile vom 12.9.2006 C-196/04 „Cadbury
Schweppes”, Slg. 2006, I-7995 = SIS 06 39 02, dort Rz 31 und
32; in Slg. 2007, I-2107 = SIS 07 10 19, Rz 26 bis 34; vom
18.7.2007 C-231/05 „Oy AA“, Slg. 2007, I-6373 = SIS 07 28 57, Rz 20; vom 21.11.2002 C-436/00 „X und Y“, Slg.
2002, I-10829 = SIS 03 11 02, Rz 37, und vom 13.4.2000 C-251/98
„Baars“, Slg. 2000, I-2787 = SIS 00 06 56, Rz 22).
Insofern betreffen Rechtsvorschriften, die nur die Beziehungen
innerhalb einer Unternehmensgruppe regeln, vorwiegend die
Niederlassungsfreiheit (z.B. EuGH-Urteile vom 26.6.2008 C-284/06
„Burda“, IStR 2008, 515 = SIS 08 32 65 Rz 68; vom
12.12.2006 C-446/04, „Test Claimants in the FII Group
Litigation”, Slg. 2006, I-11753 = SIS 07 03 03, Rz 118; in
Slg. 2007, I-2107 = SIS 07 10 19, Rz 33, und in Slg. 2007, I-6373 =
SIS 07 28 57, Rz 23). Wenn mit solchen Vorschriften gleichzeitig
Auswirkungen auf die Kapitalverkehrsfreiheit verbunden sind,
rechtfertigt dies keine eigenständige Prüfung der Art. 56
ff. EG, weil diese Auswirkungen lediglich als zwangsläufige
Folge einer eventuellen Beschränkung der
Niederlassungsfreiheit anzusehen sind (z.B. EuGH-Urteile in Slg.
2007, I-6373 = SIS 07 28 57, Rz 24; in Slg. 2006, I-7995 = SIS 06 39 02, Rz 33, und in Slg. 2007, I-2107 = SIS 07 10 19, Rz 34).
b) Unter den Gegebenheiten des Streitfalles
wird damit durch § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. auch der
Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit eröffnet und wird
auch diese verletzt.
aa) § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. gilt
seinen Regelungsvoraussetzungen und -wirkungen nach unabhängig
von der Beteiligungshöhe und somit nicht nur für
Direktinvestitionen, sondern auch für Streubesitzanteile an
einer Kapitalgesellschaft. Zwar handelt es sich bei dieser
Bestimmung gleichwohl um eine solche, die die Beteiligung einer
Kapitalgesellschaft an einer anderen Kapitalgesellschaft
voraussetzt. Insbesondere § 8b Abs. 1 und 2 KStG 2002 steht im
Kontext des sog. Halbeinkünfteverfahrens; die Vorschrift
verhindert für verbundene Gesellschaften die wirtschaftliche
Doppelbesteuerung der Gewinne mit Körperschaftsteuer. So
gesehen betrifft strenggenommen auch § 8b Abs. 5 KStG 2002
(nur) die „Beziehungen innerhalb einer
Unternehmensgruppe“. Eine derartige Sichtweise wird dem
Regelungsgehalt des § 8b Abs. 5 KStG 2002 jedoch nicht
gerecht. Denn letzten Endes wird mittels dieser Vorschrift
lediglich das allgemeine Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG
2002 (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 2002), wonach Ausgaben, soweit
sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen
Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden
dürfen, für die Zwecke des § 8b Abs. 1 KStG 2002
pauschaliert und quantifiziert. Anders als die Steuerfreistellung
nach § 8b Abs. 1 KStG 2002 selbst regelt die insoweit nur
ergänzende Vorschrift also nicht subjektübergreifend die
(wechselseitigen) „Beziehungen innerhalb einer
Unternehmensgruppe“ und erfordert auch keinen „sicheren
Einfluss“ auf die Beteiligungsgesellschaft (vgl. dazu
ausdrücklich abgrenzend z.B. Senatsurteil vom 7.11.2007 I R
41/05, BFHE 219, 549 BStBl II 2008, 604 = SIS 08 12 00, für
die Hinzurechnung eines sog. Sperrbetrages nach § 50c Abs. 7
EStG 1990/1997 im Falle einer Aufwärtsverschmelzung). Sie
betrifft vielmehr vorbehaltlos und ausschließlich die
Besteuerung der Obergesellschaft und ersetzt bei dieser den
ansonsten einschlägigen, allgemein wirkenden Abzugsausschluss
von Betriebsausgaben nach § 3c Abs. 1 EStG 2002 (s. auch
für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg des § 9 Nr.
2a, Nr. 7 GewStG 2002 Senatsurteil vom 10.1.2007 I R 53/06, BFHE
217, 98, BStBl II 2007, 585 = SIS 07 19 52). Sichtbar wird dies
nicht zuletzt an der historischen Entwicklung der Vorschrift
(umfassend dazu s. Michaelis, Die territoriale Zuordnung von
Beteiligungsaufwand im Europäischen Unternehmenssteuerrecht,
2006, S. 23 ff.): § 8b Abs. 5 KStG wurde - seinerzeit noch als
Abs. 7 - erst durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG)
1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304)
neu geschaffen und war erstmals im Veranlagungszeitraum 1999
anzuwenden (§ 54 Abs. 6d KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur
Bereinigung von steuerlichen Vorschriften -
Steuerbereinigungsgesetz 1999 - [StBereinG 1999] vom 22.12.1999,
BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13). Zuvor griff infolge der
Steuerfreistellung entsprechender Gewinnanteile nach § 8b Abs.
1 KStG das beschriebene allgemeine Abzugsverbot des § 3c (Abs.
1) EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG). Daran knüpfte sodann
§ 8b Abs. 7 KStG 1999 zunächst wörtlich an. Erst
durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der
Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum
Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22.12.2003 wurde (in
§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n.F.) bestimmt, dass § 3c
(Abs. 1) EStG 2002 neben § 8b Abs. 5 (Satz 1) KStG 2002 n.F.
nicht (mehr) anwendbar ist.
Der Umstand, dass die Klägerin an ihren
Beteiligungsgesellschaften in den USA und in Taiwan im Streitjahr
100 v.H. bzw. 94,5 v.H. der Anteile hielt und dass sie damit einen
sicheren Einfluss auf diese Gesellschaften ausüben konnte,
hindert es im Ergebnis also nicht, dass der in Rede stehende
Sachverhalt sowohl in den Anwendungsbereich der
Niederlassungsfreiheit als auch in jenen der
Kapitalverkehrsfreiheit fällt.
bb) Infolge der Ungleichbehandlung von
Inlands- und Auslandsbeteiligungen wird die damit zu prüfende
Kapitalverkehrsfreiheit ebenso verletzt wie die
Niederlassungsfreiheit. Das hat wiederum zur Konsequenz, dass
§ 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. nicht nur bezogen auf
Auslandsbeteiligungen innerhalb der Europäischen Union (im
Streitfall die Beteiligungen an den spanischen, britischen und
italienischen Kapitalgesellschaften), sondern auch bezogen auf die
Auslandsbeteiligungen in sog. Drittstaaten (im Streitfall die
Beteiligungen in den USA und in Taiwan) unanwendbar bleibt. Denn
die Kapitalverkehrsfreiheit verbietet nach Art. 56 Abs. 1 EG alle
Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den
Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten
Ländern.
aaa) Zwar berührt Art. 56 EG nach Art. 58
Abs. 1 EG nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die
einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die
Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder
Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln. Doch dürfen
derartige Maßnahmen und Verfahren nach Art. 58 Abs. 3 EG
weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine
verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und
Zahlungsverkehrs i.S. des Art. 56 EG darstellen. Das aber ist nach
der ständigen Spruchpraxis des EuGH nur dann der Fall, wenn
die steuerrechtlichen Unterscheidungen auf Situationen angewandt
werden, die nicht objektiv vergleichbar sind oder durch zwingende
Gründe des Allgemeininteresses, insbesondere die Kohärenz
der Steuerregelung, gerechtfertigt sind, wobei die Rechtfertigung
von Behinderungen für den freien Kapitalverkehr letztlich
denselben Regeln unterworfen werden wie die Beschränkung
anderer gemeinschaftsvertraglich verbürgter Grundfreiheiten
(vgl. z.B. EuGH-Urteile vom 6.6.2000 C-35/98
„Verkooijen“, Slg. 2000, I-4071 = SIS 00 08 51;
in Slg. 2002, I-10829 = SIS 03 11 02; vom 15.7.2004 C-315/02
„Lenz“, Slg. 2004, I-7063 = SIS 04 28 52;
Beschluss vom 8.6.2004 C-268/03 „De Baeck“, Slg.
2004, I-5961 = SIS 04 39 80; Schön in Gocke/Gosch/Lang,
Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht,
Doppelbesteuerung, Festschrift für Wassermeyer, 2005, S. 489,
513 ff., m.w.N.).
Es ist für die hier in Rede stehende
Differenzierung hinsichtlich der fingierten
Beteiligungsaufwendungen bei Auslands- und Inlandsbeteiligungen in
§ 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. nichts erkennbar, das die
aufgezeigte Ungleichbehandlung rechtfertigen könnte: Inlands-
und Auslandsbeteiligungen sind hinsichtlich der
Beteiligungsaufwendungen objektiv vollen Umfangs vergleichbar. Die
unterschiedliche steuerliche Behandlung rechtfertigende zwingende
Gründe des Allgemeininteresses bestehen nicht. Der
administrative Vereinfachungseffekt, der mit der pauschalierten
„Schachtelstrafe“ verbunden sein mag, weil diese
es regelmäßig erübrigt, den Beteiligungsaufwand
konkret zu beziffern, besteht hier wie dort. Und der Gesichtspunkt
einer grenzüberschreitend erschwerten Steuerkontrolle ist
nicht tragfähig, weil der Beteiligungsaufwand ohnehin
vorzugsweise bei der (inländischen) Obergesellschaft und nicht
bei der (ausländischen) Untergesellschaft entstehen wird und
der bloße Umstand der Auslandsbeteiligung deshalb gemeinhin
keine besonderen steuerlichen Kontrollmaßnahmen erfordert.
Das erweist sich nicht zuletzt an § 8b Abs. 5 KStG 2002 n.F.,
der mittlerweile eine Gleichbehandlung beider Situationen
sicherstellt. So gesehen bleibt allein der Gesichtspunkt,
Steueraufkommensverluste in internationalen
Besteuerungszusammenhängen zu vermeiden, die daraus
resultieren können, dass die Besteuerung der Auslandsgewinne
regelmäßig dem Ansässigkeitsstaat der
Tochtergesellschaft zugewiesen ist, der Beteiligungsaufwand jedoch
im Inland abzugsfähig bleibt (vgl. Michaelis, a.a.O., S. 86
f., m.w.N.) – ein Aspekt, welcher wegen der
Dividendenfreistellung gemäß § 8b Abs. 1 KStG 2002
leerläuft und konkret im Streitfall ohnehin allenfalls
für die US-amerikanische Beteiligung der Klägerin
einschlägig wäre (vgl. Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 3
des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den
Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung
auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und
einiger anderer Steuern vom 29.8.1989 (BGBl II 1991, 355), für
die taiwanesische mangels eines Abkommens zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung zwischen Deutschland und Taiwan und des
stattdessen greifenden Welteinkommensprinzips in Deutschland jedoch
nicht. Unabhängig von Letzterem taugen fiskalische
Erwägungen durchgängig nicht, um
Gemeinschaftsrechtsverstöße zu rechtfertigen.
bbb) Der Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit
auf den vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt steht auch Art. 57
Abs. 1 EG nicht entgegen. Danach berührt Art. 56 EG nicht die
Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder,
die am 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher oder
gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr
mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen
bestehen. Die Einschränkung dieser sog. Stillhalteklausel ist
für § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. jedoch nicht
einschlägig.
Zwar handelt es sich bei den Allein- bzw.
Mehrheitsbeteiligungen der Klägerin an den beiden in Rede
stehenden Kapitalgesellschaften in den USA und in Taiwan um
„Direktinvestitionen“ i.S. von Art. 57 Abs. 1
EG, also um solche Beziehungen, welche die Möglichkeit geben,
sich tatsächlich an der Verwaltung der Untergesellschaft oder
an deren Kontrolle zu beteiligen (s. dazu EuGH-Urteil in Slg. 2007,
I-4051 = SIS 07 23 26, Rz 33; s. auch Senatsurteil vom 21.12.2005 I
R 4/05, BFHE 212, 226, BStBl II 2006, 555 = SIS 06 22 74, dort
unter II.3. der Entscheidungsgründe). § 8b Abs. 5 KStG
2002 erfüllt jedoch nicht die in Art. 57 Abs. 1 EG bestimmte
zeitliche Voraussetzung: § 8b KStG wurde mit erstmaliger
Wirkung für den Veranlagungszeitraum 1993 (vgl. § 54 Abs.
6c KStG 1993 i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung des
Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts -
Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz - vom
21.12.1993, BGBl I 1993, 2310) durch das Gesetz zur Verbesserung
der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts
Deutschland im Europäischen Binnenmarkt
(Standortsicherungsgesetz - StandOG - ) vom 13.9.1993 (BGBl I 1993,
1569) neu in das Körperschaftsteuergesetz eingefügt. Wie
dargestellt (unter II.3.b aa), fehlte eine spezielle
„Schachtelstrafe“ in Gestalt des § 8b Abs.
5 KStG 2002 seinerzeit noch. Stattdessen war § 3c EStG
anzuwenden. Daran gemessen handelt es sich bei dem später neu
geschaffenen § 8b Abs. 5 (zuvor Abs. 7) KStG um die
nachträgliche Verschärfung einer bereits zuvor existenten
Steuerbelastung nach dem 31.12.1993, und eine solche wird vom EuGH
untersagt (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2006, I-11753 = SIS 07 03 03,
Rz 192; in Slg. 2007, I-4051 = SIS 07 23 26, Rz 23 f.). Das geht
Hand in Hand damit, dass eine zwischenzeitlich - nach dem Stichtag
- abgeschaffte belastende Altregelung nicht später neu
eingeführt werden darf (EuGH-Urteil vom 18.12.2007 C-101/05
„A“, IStR 2008, 66 = SIS 08 10 41 Rz 49). Die
„Schaffung“ von § 8b Abs. 5 KStG wirkt aber
wie die nachträgliche Verschärfung einer nach dem
maßgeblichen Stichtag beseitigten Belastung.
c) Der Senat erachtet die aufgezeigte
Gemeinschaftsrechtslage in Anbetracht des zwischenzeitlichen Stands
der Rechtsprechung des EuGH als eindeutig. Sie entspricht den
Aussagen der zitierten EuGH-Urteile und war insoweit bereits
Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof. Sie ergibt sich
überdies zweifelsfrei aus dem EG-Vertrag. Überdies
gebührt dem nationalen Gericht und nicht dem EuGH die
vorrangige Einschätzung der Frage, ob eine Regelung wie
vorliegend § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. in erster Linie eine
Beherrschungssituation - mit der Folge der primären
Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit - im Auge hat, oder aber,
ob - mit der Folge der Anwendbarkeit der Kapitalverkehrsfreiheit -
diese Regelung allgemein wirkt (s. auch die Schlussanträge des
Generalanwalts Mengozzi vom 29.3.2007 in der Rechtssache C-298/05
„Columbus Container Services“, dort Rz 50 ff.).
Einer Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 Abs. 3 EG
bedurfte es deshalb nicht (vgl. EuGH-Urteil vom 6.10.1982 Rs.
283/81 „C.I.L.F.I.T.“, Slg. 1982, 3415).
4. Die Entscheidung des Senats erübrigt
es, auf die Frage einer möglichen Verfassungswidrigkeit des
§ 8b Abs. 5 KStG 2002 wegen Verstoßes gegen den
Grundsatz der steuerlichen Leistungsfähigkeit (Art. 3 Abs. 1
des Grundgesetzes) einzugehen. Diese Frage liegt dem
Bundesverfassungsgericht (BVerfG) derzeit für die auch im
Streitfall relevante Situation vor, dass der tatsächliche
Beteiligungsaufwand deutlich hinter der pauschalierten
Aufwandsfiktion nach § 8b Abs. 5 KStG 2002 zurückbleibt
(vgl. FG Hamburg, Vorlagebeschluss an das BVerfG vom 7.11.2007 5 K
153/06, EFG 2008, 236 = SIS 08 03 97, Az. des BVerfG: 1 BvL 12/07).
Darüber hinaus wird die Frage aufgeworfen, ob in der
Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen nach
§ 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F. ein nicht gerechtfertigter
Gleichheitsverstoß zu sehen ist (vgl. dazu z.B. Schön,
FR 2001, 381, 391; Schmidt/Hageböke, IStR 2002, 150, 153;
Kerssenbrock, BB 2003, 2148, 2151; Otto, Die Besteuerung von
gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern
nach dem Halbeinkünfteverfahren, 2007, S. 488 ff.,
m.w.N.).
Da die Klägerin den Abzugsausschluss der
ihr tatsächlich entstandenen Beteiligungsaufwendungen
akzeptiert hat, muss schließlich auch nicht die umstrittene
Rechtsfrage beantwortet werden, ob § 3c Abs. 1 EStG 2002
i.V.m. § 8b Abs. 1 KStG 2002 bei der europarechtlich
erzwungenen Nichtanwendung von § 8b Abs. 5 KStG 2002 a.F.
„wiederauflebt“ und subsidiär anzuwenden
wäre (vgl. dazu die Nachweise im Senatsurteil in BFHE 214,
504, BStBl II 2007, 279 = SIS 06 44 43; BMF-Schreiben in BStBl I
2008, 940 = SIS 08 38 51).