Gemeinnütziger Golfverein, USt-Freiheit: 1. Die Überlassung von Golfbällen und die Nutzungsüberlassung einer Golfanlage an Nichtmitglieder eines gemeinnützigen Golfvereins gegen Entgelt kann nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein. - 2. Leistungen eines gemeinnützigen Golfvereins, die den Kernbereich der Befreiung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, sind nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG von der Befreiung ausgeschlossen. - Urt.; BFH 3.4.2008, V R 74/07; SIS 08 28 85
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger), ein als gemeinnützig anerkannter Verein,
betreibt eine Golfanlage.
In seinen Umsatzsteuererklärungen
für die Streitjahre 1999 und 2000 errechnete der Kläger
eine Umsatzsteuer von 1.846 DM (1999) und 1.882 DM (2000). Die
Erklärungen führten zu einer Festsetzung unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung (§ 168 Satz 1 der
Abgabenordnung - AO - ).
Der Kläger reichte am 4.10.2002
berichtigte Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre
ein, in denen er die Umsatzsteuer mit 201 DM (1999) und 901 DM
(2000) angab. Er war der Auffassung, die entgeltliche Nutzung von
Golfbällen aus einem Ballautomaten durch Mitglieder und
Nichtmitglieder sowie die Nutzung der Golfanlage durch
Nichtmitglieder gegen Entgelt (sog. Greenfee) seien aufgrund des
Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) vom 21.3.2002 Rs. C-174/00, Kennemer Golf & Country Club
(Slg. 2002, I-3293, BFH/NV Beilage 2002, 95 = SIS 02 07 71) nach
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der in den Streitjahren geltenden
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) lehnte diesen Änderungsantrag ab.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (vgl. SIS 08 09 77).
Das FG ist der Auffassung, die im Streit
stehenden Leistungen des Klägers seien zwar nicht nach §
4 Nr. 22 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG 1999)
steuerfrei. Jedoch könne sich der Kläger auf Art. 13 Teil
A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Die
Steuerbefreiung sei nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG ausgeschlossen. Denn der Kläger trete
nicht in unmittelbaren Wettbewerb mit Tätigkeiten gewerblicher
Unternehmer. „Zum Einen“ sei „eine solche
Wettbewerbssituation von den Beteiligten nicht vorgetragen“
worden, „zum Anderen“ sei „der Senat der
Auffassung, dass die Leistung z.B. eines Golfhotels eine im
Wesentlichen andere“ sei, „nämlich ein
Leistungspaket, bei dem die Übernachtung und Verpflegung die
wesentliche Leistung“ darstelle „und die
Möglichkeit des Golfsspiels einen zusätzlichen Anreiz
für den Aufenthalt“ biete.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das FA ist der Auffassung, die streitigen
Leistungen des Klägers seien nach Art. 13 Teil A Abs. 2
Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG von der Steuerbefreiung
ausgeschlossen, weil diese Leistungen für die Ausübung
der Tätigkeit, für die die Steuerbefreiung gewährt
werde, nicht unerlässlich gewesen seien (vgl. Art. 13 Teil A
Abs. 2 Buchst. b 1. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG).
Insoweit könne auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -
BFH - (Urteil vom 9.4.1987 V R 150/78, BFHE 149, 319, BStBl II
1987, 659 = SIS 87 12 23) zu den Voraussetzungen eines
Zweckbetriebs nach § 65 Nr. 2 AO zurückgegriffen werden.
Dementsprechend sei eine Tätigkeit nicht unerlässlich,
wenn sie sich von der Verfolgung der steuerbegünstigten Zwecke
nicht trennen lasse, vielmehr das unentbehrliche und einzige Mittel
zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks sei. Dies sei
hier nicht der Fall.
Ferner führe der Kläger seine
Leistungen in unmittelbarem Wettbewerb mit der Tätigkeit
gewerblicher Unternehmer aus (Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2.
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG). Im erweiterten
Einzugsbereich des Klägers gebe es mehrere gewerbliche
Golfanlagen, welche die gleichen Leistungen wie der Kläger
anböten. Unabhängig hiervon sei auf diese
Richtlinienbestimmung die Rechtsprechung des BFH zu § 65 Nr. 3
AO übertragbar, wonach auch der potenzielle Wettbewerb
geschützt sei (vgl. BFH-Urteil vom 30.3.2000 V R 30/99, BFHE
191, 434, BStBl II 2000, 705 = SIS 00 09 03).
Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist unbegründet;
sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die entgeltliche Überlassung von
Golfbällen aus dem Ballautomaten an Mitglieder des
Klägers und Nichtmitglieder sowie die entgeltliche
Nutzungsüberlassung der Golfanlage an Nichtmitglieder gegen
Greenfee ist zwar nicht gemäß § 4 Nr. 22 Buchst. b
UStG 1999 steuerfrei. Der Kläger kann sich aber auf die
Steuerfreiheit dieser Umsätze nach Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG berufen.
1. Nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG 1999
sind kulturelle und sportliche Veranstaltungen u.a. von
gemeinnützigen Zwecken dienenden Einrichtungen steuerfrei,
soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.
Gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 der
Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten „unter
den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten
und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung
von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen
Missbräuchen festsetzen“, von der Umsatzsteuer:
„m)
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bestimmte in engem Zusammenhang mit Sport
und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die
Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport
oder Körperertüchtigung ausüben;“
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Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b der
Richtlinie 77/388/EWG bestimmt: „Von der in Absatz 1
Buchstaben … m) … vorgesehenen Steuerbefreiung sind
Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen
ausgeschlossen, wenn
-
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sie zur Ausübung der Tätigkeiten,
für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht
unerlässlich sind;
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-
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sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der
Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu
verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit
Tätigkeiten von der Mehrwert steuer unterliegenden
gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden.“
|
2. Die streitigen Leistungen des Klägers
sind nicht nach § 4 Nr. 22 Buchst. b UStG 1999 steuerfrei.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist
unter „sportlicher Veranstaltung“ eine
organisatorische Maßnahme eines Sportvereins zu verstehen,
die es aktiven Sportlern ermöglicht, Sport zu treiben. Eine
bestimmte Organisationsform oder -struktur schreibt das Gesetz
nicht vor. Die untere Grenze der sportlichen Veranstaltung ist erst
unterschritten, wenn die Maßnahme nur eine
Nutzungsüberlassung von Sportgegenständen bzw. -anlagen
oder lediglich eine konkrete Dienstleistung, wie z.B. die
Beförderung zum Ort der sportlichen Betätigung oder ein
spezielles Training für einzelne Sportler, zum Gegenstand hat
(BFH-Urteile vom 25.7.1996 V R 7/95, BFHE 181, 222, BStBl II 1997,
154 = SIS 97 05 20, unter II.2.b; vom 9.8.2007 V R 27/04, BFHE 217,
314, UR 2007, 811 = SIS 07 31 80, unter II.3.a aa; vom 11.10.2007 V
R 69/06, BFH/NV 2008, 322, UR 2008, 153 = SIS 08 05 57, unter
II.2.b aa).
Demnach ist hier die Nutzungsüberlassung
der Golfbälle und der Golfanlage keine sportliche
Veranstaltung.
b) Die Vorschrift des § 4 Nr. 22 Buchst.
b UStG 1999 setzt die gemeinschaftsrechtlichen
Befreiungsbestimmungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der
Richtlinie 77/388/EWG nicht um, sondern knüpft an die
Verwendung des Begriffs „sportliche
Veranstaltung“ als sog. Zweckbetrieb in § 67a AO an
(BFH-Urteil in BFHE 181, 222, BStBl II 1997, 154 = SIS 97 05 20,
unter II.2.b). Der Begriff „sportliche
Veranstaltung“ ist nicht in dem Sinne auslegbar, dass er
alle „eng in Zusammenhang mit Sport und
Körperertüchtigung stehenden Dienstleistungen“
umfasst und damit weiter als nach der bisherigen Rechtsprechung zu
verstehen ist (BFH-Urteile in BFHE 217, 314, UR 2007, 811 = SIS 07 31 80, unter II.3.a bb; in BFH/NV 2008, 322, UR 2008, 153 = SIS 08 05 57, unter II.2.b aa).
3. Allerdings sind die streitigen Leistungen
des Klägers nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. m der
Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei.
a) Die Nutzungsüberlassung von
Golfbällen und der Golfanlage sind Dienstleistungen, die in
engem Zusammenhang mit Sport oder Körperertüchtigung
stehen und an Personen erbracht werden, die selbst Sport,
nämlich Golf, ausüben.
Der Kläger ist als gemeinnütziger
Verein nach § 55 AO selbstlos tätig und handelt daher
ohne Gewinnstreben.
b) Die Befreiung ist nicht nach Art. 13 Teil A
Abs. 2 Buchst. b 1. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG
ausgeschlossen.
aa) Entgegen der Auffassung des FA kann auf
die Rechtsprechung des Senats zu § 65 Nr. 2 AO (BFH-Urteil in
BFHE 149, 319, BStBl II 1987, 659 = SIS 87 12 23, unter 2.b) nicht
zurückgegriffen werden, weil diese Vorschrift andere
Voraussetzungen als die Richtlinienbestimmung hat.
Nach § 65 Nr. 2 AO ist u.a. Voraussetzung
für einen Zweckbetrieb, dass „die Zwecke nur durch
einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden
können“.
Im Rahmen des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b
1. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG kommt es hingegen nicht
auf den Zweck der Einrichtung an, sondern darauf, ob eine Leistung
für die Tätigkeit, für die Steuerbefreiung
gewährt wird, unerlässlich ist.
bb) Dies ist hier der Fall: Die im Streit
stehenden Leistungen des Klägers sind unmittelbar nach Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG befreit. Sowohl
die entgeltliche Überlassung von Bällen aus Ballautomaten
wie auch die entgeltliche Nutzungsüberlassung des Golfplatzes
sind Dienstleistungen an Personen, die Sport oder
Körperertüchtigung ausüben und betreffen deshalb den
Kernbereich der von dieser Bestimmung befreiten Leistungen. Daher
sind sie auch unerlässlich.
cc) Demnach kommt es nicht darauf an,
„ob die steuerbegünstigten Zwecke des“
Klägers „nur durch die Einnahmen aus Greenfee bzw.
der Nutzungsüberlassung des Ballautomaten erreicht werden
könnten“. Die Rüge des FA, das FG habe insoweit
den Sachverhalt nicht aufgeklärt (vgl. § 76 FGO),
führt bereits deshalb nicht zur Aufhebung des angegriffenen
Urteils (vgl. § 126 Abs. 4 FGO). Auf eine weitere
Begründung wird nach § 126 Abs. 6 FGO verzichtet.
c) Die Steuerbefreiung ist auch nicht nach
Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2. Gedankenstrich der Richtlinie
77/388/EWG ausgeschlossen.
aa) Für Tätigkeiten, die - wie im
Streitfall - den Kernbereich der Befreiung nach Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. m der Richtlinie 77/388/EWG betreffen, kommt ein
Ausschluss nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2. Gedankenstrich
der Richtlinie 77/388/EWG nicht in Betracht. Ansonsten liefe die
Befreiung in weiten Teilen leer.
bb) Demnach führt die Rüge des FA,
das FG hätte die Wettbewerbssituation mit gewerblichen
Unternehmern ermitteln müssen (vgl. § 76 FGO), nicht zur
Aufhebung der angegriffenen Entscheidung. Denn hierauf kommt es im
Streitfall nicht an (§ 126 Abs. 4 FGO). Von einer weiteren
Begründung sieht der Senat nach § 126 Abs. 6 FGO ab.
Aus demselben Grund ist im Streitfall ohne
Bedeutung, ob - wie das FA meint - auch der potenzielle Wettbewerb
von Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 2. Gedankenstrich der
Richtlinie 77/388/EWG erfasst ist.
4. Die Rüge des FA, das Urteil des FG sei
nicht mit Gründen versehen, hat keinen Erfolg.
Eine Entscheidung ist i.S. von § 119 Nr.
6 FGO aber nur dann nicht mit Gründen versehen, wenn diese
ganz oder zu einem wesentlichen Teil fehlen sowie wenn das FG einen
selbständigen Anspruch oder ein selbständiges
Verteidigungsmittel übergangen hat (z.B. BFH-Beschluss vom
10.8.2007 V B 196/06, BFH/NV 2007, 2311 = SIS 08 01 36,
m.w.N.).
Das FA meint, das FG hätte ausführen
müssen, ob die im Streit stehenden Leistungen des Klägers
unerlässlich i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchst. b 1.
Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG gewesen seien. Die
Rüge, die Entscheidung sei lückenhaft gewesen,
begründet noch keinen Verfahrensverstoß (vgl. hierzu
BFH-Beschluss in BFH/NV 2007, 2311 = SIS 08 01 36, m.w.N.).