Unentgeltliche Zuwendung eines Straßenbauwerks, USt, GrESt: 1. Der Begriff "unentgeltliche Zuwendung" i.S. von § 3 Abs. 1 b Satz 1 Nr. 3 UStG 1999 setzt nicht lediglich die Unentgeltlichkeit einer Lieferung voraus, sondern verlangt darüber hinaus, dass der Zuwendende dem Empfänger zielgerichtet einen Vermögensvorteil verschafft. - 2. Einen solchen Vermögensvorteil verschafft ein Unternehmer der Bundesrepublik Deutschland, wenn er auf eigene Kosten auf deren Grundbesitz einen Kreisverkehr errichtet. - Urt.; BFH 14.5.2008, XI R 60/07; SIS 08 28 81
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) errichtete im Streitjahr 1999 ein
Restaurantgebäude mit Tankstelle auf seinem in der Nähe
einer Autobahnanschlussstelle gelegenen Grundstück. Das
Restaurantgebäude vermietete er ab Fertigstellung
umsatzsteuerpflichtig an eine Restaurantbetriebsgesellschaft.
Ebenso vermietete er die Tankstelle umsatzsteuerpflichtig.
Für die ordnungsgemäße
Anbindung des Grundstücks an den öffentlichen
Straßenverkehr war es erforderlich, die bestehende
Straßenkreuzung mit vier Kreuzungsästen durch einen
Kreisverkehr zu ersetzen. Der Kläger hatte sich in einem mit
der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Vertrag
verpflichtet, den Kreisverkehr zu errichten und die hierfür
anfallenden Kosten zu tragen. Die dem Kläger für die
Errichtung von Restaurantgebäude und Tankstelle erteilte
Baugenehmigung stand unter der Bedingung, dass der Kläger den
mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenen Vertrag
erfüllt.
Der mit dem Tankstellenbetreiber
abgeschlossene Mietvertrag sah vor, dass zu dem vom Kläger
geschuldeten Leistungsumfang auch die Errichtung des Kreisverkehrs
einschließlich der Zu- und Abfahrt zum Mietgrundstück
gehörte. Nach dem Mietvertrag betrug der jährliche
Mietzins 300.000 DM zzgl. 8,25 % der Baukosten für die
Errichtung der Tankstelle mit Nebenanlagen einschließlich des
Kreisverkehrs.
Der Kläger errichtete
Restaurantgebäude, Tankstelle und Kreisverkehr und machte den
Vorsteuerabzug nach § 15 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG)
geltend.
Im Anschluss an eine
Umsatzsteuer-Sonderprüfung ging der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) davon aus, dass der
Kläger den auf eigene Kosten auf dem Grundstück eines
Hoheitsträgers errichteten Kreisverkehr unentgeltlich auf den
Hoheitsträger übertragen habe. Der Kläger habe mit
der „Erschließungsmaßnahme“ Kreisverkehr
für die Bundesfernstraßenverwaltung eine hoheitliche
Aufgabe unentgeltlich erfüllt. Er sei insoweit nicht im Rahmen
seines Unternehmens tätig geworden, so dass für ihn kein
Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe.
Im Einspruchsverfahren vertrat das FA
demgegenüber die Auffassung, dass der Kläger zwar zum
Vorsteuerabzug berechtigt sei, jedoch eine unentgeltliche Zuwendung
nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG zu versteuern habe, da er
„Erschließungsanlagen“ auf einem nicht in seinem
Eigentum stehenden Grundstück hergestellt und
anschließend unentgeltlich übertragen habe. Die
Bemessungsgrundlage richte sich nach den hierfür entstandenen
Selbstkosten. Das FA erließ einen geänderten
Umsatzsteuerjahresbescheid und wies den Einspruch als
unbegründet zurück.
Auch die Klage hatte keinen Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass
eine unentgeltliche Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3
UStG vorliege. Der Kreisverkehrsplatz stelle einen Gegenstand dar,
den der Kläger der Bundesrepublik Deutschland als
Grundstückseigentümerin im Rahmen einer Werklieferung
nach § 3 Abs. 4 UStG zugewendet habe. Unerheblich sei, dass
die Bundesrepublik Deutschland bereits unmittelbar nach
§§ 946, 94 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
Eigentümerin geworden sei. Es handele sich nicht um eine
Zuwendung an den Mieter der Tankstelle, da diesem keine
Verfügungsmacht an dem Kreisverkehr verschafft worden sei.
Dass die Errichtung des Kreisverkehrs Voraussetzung für den
Abschluss des Mietvertrags gewesen sei, sei unerheblich. Da der
Kläger die Kosten für die Errichtung des Kreisverkehrs
getragen habe, liege eine unentgeltliche Zuwendung an die
Bundesrepublik Deutschland vor. Der Mieter der Tankstelle habe auch
nicht als Dritter nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG ein Entgelt
für die Lieferung des Kreisverkehrs entrichtet.
Schließlich sei der Kläger nach § 3 Abs. 1b Satz 2
i.V.m. § 15 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt
gewesen.
Das Urteil des FG ist in EFG 2007, 1559 =
SIS 07 26 51 veröffentlicht.
Mit seiner vom Bundesfinanzhof (BFH)
zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung
materiellen Rechts. Die Besteuerung nach § 3 Abs. 1b Satz 1
Nr. 3 UStG führe zu einer systemwidrigen Doppelbelastung. Wie
sich aus § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG ergebe, solle durch § 3
Abs. 1b UStG ein zuvor in Anspruch genommener Vorsteuerabzug
kompensiert werden. Dies sei im vorliegenden Fall systemwidrig, da
die Aufwendungen zur Errichtung des Kreisverkehrs der
steuerpflichtigen Vermietungstätigkeit zuzurechnen seien.
Zumindest führe die steuerpflichtige Vermietung zu einem
Entgelt von dritter Seite. Hierfür spreche auch das Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 31.5.2002 IV B 7 - S
7100 - 167/02 (BStBl I 2002, 631 = SIS 02 09 68, unter I. Nr.
2).
Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben
und den Umsatzsteuerbescheid 1999 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass die
Umsatzsteuer auf ./. ... DM festgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Die Einbeziehung der Kosten für die
Errichtung des Kreisverkehrs in die Bemessung des Mietzinses sei
ohne Belang. Es liege kein Entgelt von dritter Seite, sondern ein
steuerpflichtiger Umsatz nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG
vor. Hierdurch ergebe sich keine systemwidrige Mehrbelastung. Durch
die Besteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe werde der
Kläger demjenigen gleichgestellt, der
Erschließungsbeiträge an eine öffentlich-rechtliche
Gebietskörperschaft zahle.
II. Die Revision des Klägers ist
unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Es liegt eine unentgeltliche
Zuwendung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vor.
1. Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG
wird neben den Entnahmen für Zwecke, die außerhalb des
Unternehmens liegen (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG), und den
unentgeltlichen Zuwendungen an das Personal für dessen
privaten Bedarf (§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG) jede andere
unentgeltliche Zuwendung einer Lieferung gegen Entgelt
gleichgestellt. Bei § 3 Abs. 1b UStG handelt es sich um eine
gegenüber § 3 Abs. 1 UStG eigenständige Regelung. So
liegt eine Entnahme z.B. nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG
auch dann vor, wenn der Unternehmer einen Gegenstand für
eigene nichtunternehmerische Zwecke entnimmt und somit keinem
Abnehmer - wie von § 3 Abs. 1 UStG vorausgesetzt -
Verfügungsmacht verschafft wird. Zum anderen setzen § 3
Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 und 3 UStG eine „Zuwendung“
voraus, die sich nicht bereits daraus ergibt, dass eine Lieferung
unentgeltlich erbracht wird. Eine Zuwendung nach diesen
Vorschriften erfordert dem allgemeinen Wortsinn entsprechend
vielmehr, dass der Zuwendende dem Empfänger der Zuwendung
zielgerichtet einen Vermögensvorteil verschafft.
Dementsprechend liegt nach der Gesetzesbegründung eine
gemäß § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG steuerbare
Zuwendung z.B. bei Sachspenden oder bei Lieferungen zu
Werbezwecken, zur Verkaufsförderung oder zur Imagepflege vor
(BRDrucks 910/98, S. 196). Diesen Vorgängen kommt der
erforderliche Zuwendungscharakter dadurch zu, dass sie dem
Begünstigten unbeschränkte Verfügungsmacht an dem
gespendeten oder verschenkten Gegenstand zielgerichtet
verschaffen.
Dem entspricht es, dass auch Art. 5 Abs. 6 der
Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über
die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) als
gemeinschaftsrechtliche Grundlage von § 3 Abs. 1b UStG nicht
alle unentgeltlichen Lieferungen, sondern nur „die
Entnahme ... durch einen Steuerpflichtigen ... für seinen
privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als
unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde
Zwecke“ erfasst. Somit steht eine Entnahme als
unentgeltliche Zuwendung einer Entnahme für
unternehmensfremde Zwecke gleich. Denn nach dem Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom
27.4.1999 C-48/97 - Kuwait Petroleum - (Slg. 1999, I-2323 = SIS 99 17 22) können selbst Entnahmen, die für Zwecke des
Unternehmens erfolgen, als unentgeltliche Zuwendung steuerbar sein.
Dies gilt nach diesem Urteil z.B. für die ohne weitere
Zuzahlung erfolgende Lieferung von Gegenständen aufgrund von
Gutscheinen, die dem Abnehmer von Treibstoff ausgehändigt
werden.
2. Die Entscheidung des FG, dass im Streitfall
die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG
vorliegen, ist revisionsrechtlich im Ergebnis nicht zu
beanstanden.
a) Die von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG
vorausgesetzte zielgerichtete Übertragung eines Gegenstandes
mit Begünstigungscharakter ergibt sich daraus, dass der
Bundesrepublik Deutschland rechtliches Eigentum an dem Kreisverkehr
ohne Gegenleistung verschafft wurde. Es liegen keine Anhaltspunkte
vor, nach denen der Kläger zumindest wirtschaftlich das
Eigentum oder auch nur Nutzungsrechte an dem Kreisverkehr behalten
hätte und die deshalb der Annahme einer derartigen Zuwendung
entgegenstehen würden.
b) Das Vorliegen einer zielgerichteten
Zuwendung an die Bundesrepublik Deutschland entfällt auch
nicht im Hinblick auf die mit dieser Zuwendung verfolgte
unternehmerische Zielsetzung. Zwar bezweckte der Kläger mit
der Errichtung des Kreisverkehrs die Schaffung der Voraussetzungen,
die für eine Bebauung und Vermietung seines Grundstücks
einzuhalten waren. Eine steuerbare Zuwendung nach § 3 Abs. 1b
Satz 1 Nr. 3 UStG liegt jedoch selbst dann vor, wenn die Zuwendung
aus unternehmerischen Gründen erfolgt, wie die
richtlinienkonforme Auslegung dieser Vorschrift unter
Berücksichtigung von Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG
zeigt. Eine Differenzierung zwischen Werbegeschenken, die aus
unternehmerischen Gründen erfolgen, und der Zuwendung anderer
Gegenstände, an denen der Unternehmer ein anders gelagertes
unternehmerisches Interesse hat, kommt insbesondere nach dem
EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-2323 (Kuwait Petroleum = SIS 99 17 22)
nicht in Betracht.
c) Die Zahlungen des Tankstellenmieters lassen
den Charakter als unentgeltliche Zuwendung unberührt. Insoweit
liegen keine Zahlungen eines Dritten vor. Zwar können nach dem
BFH-Urteil vom 19.10.2001 V R 48/00 (BFHE 196, 376, BStBl II 2003,
210 = SIS 02 02 58) Zahlungen einem fremden
Leistungsverhältnis im Einzelfall auch dann zuzuordnen sein,
wenn der Zahlende gegenüber dem Zahlungsempfänger
zugleich eine eigene Verpflichtung erfüllt. Voraussetzung ist
insoweit aber, dass die Zahlung des Dritten für die
fragliche Leistung des Unternehmers an den Leistungsempfänger
gewährt wird, er die Zahlung also hierfür erhält
(vgl. unter II.3.c der Entscheidungsgründe). Einen derartigen
Sachverhalt hat das FG im Streitfall nicht festgestellt. Seine
Würdigung ist nicht mit begründeten Revisionsrügen
angegriffen worden und damit für den Senat bindend (§ 118
Abs. 2 FGO).
Es kommt auch nicht auf die von der Revision
aufgeworfene Frage der Behandlung von Zuschüssen an. Das von
der Revision insoweit angeführte BFH-Urteil vom 20.12.2001 V R
81/99 (BFHE 197, 352, BStBl II 2003, 213 = SIS 02 06 33) betrifft
die Leistungserbringung gegenüber einer Gemeinde, die
hierfür einen als Entgelt anzusehenden
„Zuschuss“ leistet. Der in diesem Fall bejahte
unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Entgelt fehlt im
Streitfall.
d) Unerheblich ist auch die Behandlung von
Erschließungsmaßnahmen nach dem BMF-Schreiben in BStBl
I 2002, 631 = SIS 02 09 68 (unter I. Nr. 2), da es dort um die
durch einen Hoheitsträger erteilte Ermächtigung geht,
Erschließungsaufwendungen unmittelbar mit Bauwilligen
abzurechnen. Die Zahlungen der Bauwilligen seien dann als Entgelt
von dritter Seite anzusehen. Ohne dass der Senat sich zur
Beurteilung dieses Erschließungssachverhalts zu
äußern bräuchte, fehlt es im Streitfall bereits an
einer vergleichbaren Abrechnungsermächtigung durch den
Zuwendungsempfänger.
e) Die Zuwendung des Kreisverkehrs als
Straßenbauwerk war auch nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a
UStG steuerfrei. Unabhängig davon, ob dieser
Befreiungstatbestand auf Entnahmen und Zuwendungen nach § 3
Abs. 1b UStG überhaupt anzuwenden ist, unterliegt nach §
2 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes nur die Übertragung von
Gebäuden, nicht aber auch von Straßenbauwerken der
Grunderwerbsteuer (vgl. auch Peppersack, BB 2008, S. 640, 647).
f) Es kommt schließlich auch nicht zu
der vom Kläger angeführten Doppelbesteuerung. Der
Kläger hat vielmehr das von ihm als steuerpflichtig behandelte
Mietentgelt zu versteuern. Im Übrigen war er im Hinblick auf
die Steuerpflicht der Zuwendung gemäß § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 UStG zum Vorsteuerabzug aus den von ihm bezogenen
Bauleistungen für den Kreisverkehr berechtigt.