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I. Streitig ist, ob die unentgeltliche
Abgabe eines Sets, bestehend aus Blutzuckermessgerät,
Stechhilfe und Teststreifen, an Diabetiker zur Bestimmung des
Blutzuckerspiegels als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs.
1b Satz 1 Nr. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) der
Umsatzbesteuerung unterliegt.
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Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) ist umsatzsteuerrechtliche Organträgerin einer
GmbH, die im Streitjahr 1999 über Ärzte, Schulungszentren
für Diabetiker und bestimmte Laboreinrichtungen kostenlos Sets
an interessierte Diabetiker überließ. Die Sets bestanden
aus einem in einem Karton verpackten elektronischen
Blutzuckermessgerät, einer Stechhilfe und einer geringen
Anzahl von Teststreifen; regelmäßig handelte es sich um
... Teststreifen. Zur Messung des Blutzuckerspiegels muss der
Diabetiker nach der dem Set beigefügten Kurzanleitung einen
Teststreifen in das Messgerät einführen,
anschließend unter Verwendung der Stechhilfe aus der
Fingerkuppe einen Tropfen Blut entnehmen und mit dem Tropfen den
vorderen Rand des Teststreifens berühren; das Messgerät
ermittelt sodann den Blutzuckerwert und zeigt ihn digital an. Die
Diabetiker wurden von den Ärzten, Schulungszentren und
Laboreinrichtungen jeweils in der Handhabung des Systems
unterwiesen.
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Der Diabetiker durfte das als
„unverkäufliches Testgerät“ bezeichnete (in
der Regel von ihm im Rahmen einer Schulung benutzte) Set behalten.
Er zahlte kein Entgelt und konnte über das Set nach Belieben
verfügen. Das Blutzuckermessgerät konnte nur mit den in
dem Set enthaltenen und von der GmbH auch separat vertriebenen
Teststreifen genutzt werden, die jeweils zum einmaligen Gebrauch
geeignet waren. Das Geschäftsmodell beruhte darauf, dass ein
Diabetiker, der mehrmals am Tag misst, mit dem ihm vertrauten
System weiter messen will und sich die für das geschlossene
System benötigten Teststreifen selbst kauft oder vom Arzt
verschreiben lässt, um sie zu erwerben. ...
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Die Klägerin machte die Vorsteuern aus
Aufwendungen für die Herstellung der Sets geltend, unterwarf
die Abgabe der Sets in ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung
für 1999 aber nicht der Umsatzbesteuerung.
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Im Rahmen einer Außenprüfung
wurde die Abgabe der Sets soweit sie nach dem 1.4.1999 erfolgt war
als unentgeltliche Wertabgabe i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr.
3 UStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 -
StEntlG 1999/2000/ 2002 - vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I
1999, 304) qualifiziert; ein Warenmuster im Sinne dieser Vorschrift
liege nicht vor. Dementsprechend bezog der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) mit nach § 164
Abs. 2 der Abgabenordnung geändertem Umsatzsteuerbescheid
für 1999 vom ... die Abgabe der Sets als unentgeltliche
Wertabgabe in die Bemessungsgrundlage ein und erhöhte die
Umsatzsteuer von ... DM (... EUR) auf ... DM (... EUR).
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In der Einspruchsentscheidung vom ...
kürzte das FA die Bemessungsgrundlage um den auf die
unentgeltliche Abgabe der Teststreifen in den Sets entfallenden
Teil der Bemessungsgrundlage in Höhe von ... DM und setzte die
Umsatzsteuer auf ... EUR (= ... DM) fest. Im Übrigen war der
Einspruch erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
und setzte die Umsatzsteuer für 1999 auf ... EUR fest. Es
führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Abgabe der
Sets sei nicht nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG steuerbar.
Die Sets, jeweils bestehend aus Blutzuckermessgerät,
Stechhilfe und Teststreifen, seien Warenmuster, die für Zwecke
des Unternehmens, nämlich zu Werbezwecken, abgegeben
würden. Ziel sei es, den Kaufentschluss für die
ausschließlich zu den Blutzuckermessgeräten der GmbH
passenden Teststreifen zu fördern. Dabei stellten
Messgerät und Teststreifen eine technische Einheit dar; der
Annahme eines Warenmusters stehe es daher nicht entgegen, dass mit
der Abgabe der Messgeräte nicht ausschließlich der Kauf
eines weiteren Messgeräts, sondern vor allem der Kauf der
für dessen Betrieb erforderlichen Teststreifen angestrebt
werde. Es handele sich um ein zusammengesetztes
Warenmuster.
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Offen könne daher bleiben, ob es sich
bei der Abgabe des Blutzuckermessgeräts auch um ein - die
Besteuerung ebenfalls ausschließendes - Geschenk von geringem
Wert i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG handele.
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Mit der vom FG zugelassenen Revision
rügt das FA die Verletzung von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3
UStG. Es führt zur Begründung im Wesentlichen aus, in
Bezug auf die Messgeräte finde ein unversteuerter Endverbrauch
statt, der gesetzlich nicht gewollt sei.
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Zudem stünden die Ausführungen
des FG im Widerspruch zu Verwaltungsanweisungen. Nach Abschn. 24b
Abs. 12 Satz 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) lägen dann
keine Warenmuster vor, wenn gleichartige Erzeugnisse in solchen
Mengen an denselben Empfänger abgegeben würden, dass sie
insgesamt gesehen kein Muster im handelsüblichen Sinne
darstellten; die an die Empfänger der Sets - das seien nicht
die einzelnen Diabetiker, sondern die Ärzte, Schulungszentren
für Diabetiker und bestimmte Laboreinrichtungen - abgegebenen
Mengen überschritten diese Stückzahl. Gemäß
Abschn. 24b Abs. 12 Satz 5 UStR solle ein Warenmuster zum Kauf
anregen und nicht diesen ersparen. Ärzte, Schulungszentren und
Laboreinrichtungen würden jedoch nicht zum Kauf angeregt, da
die Abgabe an diese unentgeltlich erfolge. Auch ein Diabetiker
erhalte in der Regel unentgeltlich ein Ersatzgerät, wenn er
dieses benötige. Zudem seien nach Abschn. 24b Abs. 10 UStR
für die Prüfung, ob Geschenke von geringem Wert
vorlägen, die einem Empfänger je Kalenderjahr
zugewendeten Geschenke zusammenzurechnen.
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Die vom FG vorgenommene Definition eines
Warenmusters entspreche nicht dem Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) vom 30.9.2010 C-581/08 - EMI Group -
(Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38). Dort habe der
EuGH entschieden, dass ein Warenmuster ein Probeexemplar darstelle,
durch das dessen Absatz gefördert werden solle. Mit der
Überlassung der Blutzuckermessgeräte sei jedoch gerade
nicht deren entgeltlicher Absatz am Markt beabsichtigt gewesen. Das
Geschäftsmodell basiere vielmehr auf der Vermarktung der
Teststreifen, deren Überlassung daher zutreffend als
Überlassung von Warenmustern qualifiziert worden sei. Nach dem
EuGH-Urteil sei entscheidendes Kriterium für das Vorliegen
eines Warenmusters, ob die Abgabe zu einem Endverbrauch führe.
Das sei hier der Fall.
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Gegen die Qualifikation der Sets als
Warenmuster spreche auch, dass neben diesen Sets auch weitere
Test-Geräte als „klassische
Vorführgeräte“ an Ärzte, Schulungszentren und
Laboreinrichtungen unentgeltlich abgegeben worden seien.
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Zu Unrecht zweifle das FG daran, dass
für das Vorliegen von Geschenken mit geringem Wert auf die von
dem Empfänger im Kalenderjahr insgesamt erhaltenen Zuwendungen
abzustellen sei. Der EuGH habe in der EMI Group-Entscheidung (Slg.
2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38) festgestellt, dass der
Begriff „Geschenke von geringem Wert“ i.S. von Art. 5
Abs. 6 Satz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG)
einer nationalen Regelung nicht entgegenstehe, für alle
Geschenke, die einer Person innerhalb eines Zeitraums von
zwölf Monaten zugewendet werden, eine monetäre Obergrenze
festzulegen.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen,
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hilfsweise das Urteil des FG aufzuheben und
die Sache zurückzuverweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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Die Klägerin führt aus, es liege
bereits keine unentgeltliche Wertabgabe i.S. des § 3 Abs. 1b
Satz 1 Nr. 3 UStG vor. Vielmehr habe sie mit der Abgabe der Sets
eine entgeltliche Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
UStG erbracht, weil ein innerer Zusammenhang mit dem
anschließenden Verkauf der Teststreifen bestehe.
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Soweit man dagegen die Entgeltlichkeit
verneine, stelle die Abgabe der Sets keine unentgeltliche
Wertabgabe i.S. von Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG dar.
Diese Bestimmung sei so zu verstehen, dass lediglich eine
unentgeltliche Zuwendung an das Personal den Steuertatbestand
erfülle, nicht aber die hier vorliegende unentgeltliche Abgabe
aus unternehmerischen Gründen an andere Personen.
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Jedenfalls erfülle das Set die
Begriffsmerkmale eines Warenmusters i.S. von § 3 Abs. 1b Satz
1 Nr. 3 UStG und Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG. Es
handele sich nach den gemäß § 118 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) bindenden Tatsachenfeststellungen des
FG insgesamt um ein zusammengesetztes Warenmuster. Das
Messgerät könne nicht mit Teststreifen anderer Hersteller
benutzt werden. Beide Teile des Sets seien untrennbar miteinander
verbundene Komponenten für eine bestimmungsgemäße
Benutzung, die einen steten Zukauf der jeweils nur einmal
benutzbaren und sich damit verbrauchenden Teststreifen erfordere.
Die Abgabe des zusammengesetzten Warenmusters erfolge also, um
durch Einweisung und Erprobung, insbesondere auch in
Alltagssituationen, des Blutzuckermesssystems zum Kauf der
Teststreifen anzuregen. Bei einem geschlossenen System mache es
keinen Sinn, allein die Teststreifen als eine Komponente abzugeben,
die isoliert nur zweckentfremdet, z.B. als Lesezeichen, verwendet
werden könnten.
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Ein Warenmuster liege unabhängig davon
vor, ob ein Gegenstand an einen Unternehmer für dessen
unternehmerische Zwecke oder an Personen, bei denen es als
Letztverbraucher zu einem Endverbrauch komme, abgegeben werde. Dies
ergebe sich bereits aus dem ersten Entscheidungssatz des
EuGH-Urteils - EMI Group - (Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38), wonach ein Warenmuster eine Bewertung der Merkmale und
der Qualität des Produkts ermöglichen solle, „ohne
zu einem anderen als dem mit solchen Werbeumsätzen
naturgemäß verbundenen Endverbrauch zu
führen“. Dies komme auch in Abschn. 24b Abs. 12 Satz 6
UStR (ebenso Abschn. 3.3. Abs. 13 Satz 6 des
Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) zum Ausdruck: „Ohne
Bedeutung ist, ob Warenmuster einem anderen Unternehmer für
dessen unternehmerische Zwecke oder einem Letztverbraucher
zugewendet werden.“
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Aus diesem Grund gehe auch der Hinweis des
FA ins Leere, es sei einerseits zwischen den „klassischen
Vorführgeräten“, die an Ärzte,
Schulungseinrichtungen und Laboreinrichtungen abgegeben werden und
bei denen es sich mangels Weiterreichung an Patienten unstreitig um
Warenmuster handele, und andererseits den weitergegebenen Sets zu
unterscheiden. Denn auf die Weitergabe der Sets an Patienten und
damit an Letztverbraucher komme es nicht an.
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Mit der Abgabe des Messgeräts solle
zwar nicht der Verkauf von Messgeräten gefördert werden.
Es gehe jedoch um die Werbung für den Kauf damit untrennbar
verbundener, stetig neu zu besorgender, sich verbrauchender
Produkte in Form der Teststreifen. Ebenso lasse sich von einer
Gewohnheit sprechen, die beim Patienten entstehen solle. Denn
aufgrund des bereits vorhandenen, erprobten und für gut
befundenen Messgeräts solle es zur Gewohnheit des Patienten
werden, zukünftig ausschließlich die dazu passenden
Teststreifen zu verwenden.
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Die Abgabe des Sets befriedige nicht den
Bedarf der Diabetiker an einem funktionierenden Messsystem. Der
Bedarf eines Verbrauchers an einem Blutzuckermesssystem könne
nur durch den Nachkauf von Teststreifen und später auch
Ersatzgeräten gedeckt werden. Eine Bedarfsbefriedigung trete
daher auch mit der Abgabe des Messgeräts nicht ein. Die Abgabe
des Sets ermögliche nach der vom EuGH (Urteil in Slg. 2010,
I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38) vorgenommenen
Begriffsdefinition keinen anderen als den mit solchen
Werbeumsätzen naturgemäß verbundenen
Endverbrauch.
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Im Übrigen stelle die Abgabe eines
Sets ein „Geschenk von geringem Wert“ i.S. von § 3
Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG und Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie
77/388/EWG dar. Nach dem Willen der Klägerin seien die
Beschenkten ausschließlich die Diabetiker. Der Patient
erhalte zunächst eine Einweisung in das Messsystem durch den
Arzt, das Schulungszentrum oder den Apotheker. Durch das
Ausprobieren des Messsystems werde es kontaminiert und dadurch
wertlos. Der Wert eines Sets werde zu diesem Zeitpunkt bereits vor
seiner Abgabe auf Null reduziert, da es von keiner anderen Person
mehr verwendet werden könne, unverkäuflich geworden sei
und kein Markt für derartig gebrauchte Produkte
existiere.
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II. Die Revision ist begründet; sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 FGO).
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Entgegen der Ansicht des FG stellt das hier zu
beurteilende Set kein Warenmuster i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1
Nr. 3 UStG für die beworbenen Teststreifen dar. Die
Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu
können, ob die Überlassung eines Sets ein Geschenk von
geringem Wert im Sinne dieser Vorschrift ist.
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1. Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG
werden einer Lieferung gegen Entgelt jede andere unentgeltliche
Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem
Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens,
gleichgestellt. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine
Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt
haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).
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a) In der Gesetzesbegründung (BTDrucks
14/23, 196) wird zu der mit Wirkung ab 1.4.1999 durch das StEntlG
1999/2000/2002 eingeführten Vorschrift ausgeführt:
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„Nach dem neuen § 3 Abs. 1b Nr.
3 UStG werden unentgeltliche Zuwendungen von Gegenständen
besteuert, die aus unternehmerischen Gründen (z.B. zu
Werbezwecken, zur Verkaufsförderung oder zur Imagepflege)
erbracht werden. Hierunter fallen z.B. höherwertige Geschenke
an Geschäftsfreunde, Sachspenden an Vereine, Warenabgaben
anlässlich von Preisausschreiben, Verlosungen usw. zu
Werbezwecken. Ausgenommen von der Besteuerung werden lediglich
Geschenke von geringem Wert oder die Abgabe von Warenmustern. Die
Regelung entspricht Artikel 5 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie und dient
der Vermeidung eines umsatzsteuerlich unbelasteten Letztverbrauchs.
Geschenke und andere unternehmerisch veranlasste Warenabgaben
werden nur besteuert, wenn die Anschaffungs- oder
Herstellungskosten des abgegebenen Gegenstands oder seine
Bestandteile mit Umsatzsteuer belastet waren und der Unternehmer
hinsichtlich dieser Steuer entweder zum vollen oder zumindest
teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt war.“
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b) Die Vorschrift entspricht Art. 5 Abs. 6 der
Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG des
Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
(vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14.5.2008 XI R
60/07, BFHE 221, 512, BStBl II 2008, 721 = SIS 08 28 81, unter
II.1.; vom 13.1.2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61 =
SIS 11 06 14).
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30
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Durch Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie
77/388/EWG wird einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt die
Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem
Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf
seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein
für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder
seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der
Mehrwertsteuer berechtigt haben. Jedoch fallen Entnahmen für
Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des
Unternehmens nicht darunter (Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie
77/388/EWG).
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c) Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt
Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG sicher, dass ein
Steuerpflichtiger, der einen Gegenstand aus seinem Unternehmen
entnimmt, und ein gewöhnlicher Verbraucher, der einen
Gegenstand gleicher Art kauft, gleich behandelt werden. Diese
Bestimmung lässt es daher nicht zu, dass ein
Steuerpflichtiger, der beim Kauf eines seinem Unternehmen
zugeordneten Gegenstands die Mehrwertsteuer abziehen konnte, der
Zahlung der Mehrwertsteuer entgeht, wenn er diesen Gegenstand aus
seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf entnimmt, und
dass er so gegenüber einem gewöhnlichen Verbraucher, der
beim Erwerb des Gegenstands Mehrwertsteuer zahlt, einen
ungerechtfertigten Vorteil genießt. Die Besteuerung der in
Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG erwähnten
Entnahmen dient nämlich der Verhinderung von unversteuertem
Endverbrauch (vgl. EuGH-Urteile vom 6.5.1992 C-20/91 - de Jong -,
Slg. 1992, I-2847 = SIS 92 25 16, Rz 15; vom 20.1.2005 C-412/03 -
Hotel Scandic Gåsabäck -, Slg. 2005, I-743, UR 2005, 194
= SIS 05 16 74, Rz 23; in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38, Rz 17; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 232, 261, BStBl II 2012,
61 = SIS 11 06 14).
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Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG
stellt eine Ausnahme von diesem Grundsatz dar, da er Entnahmen
für Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu
Zwecken des Unternehmens gleichwohl von der Besteuerung ausnimmt
(vgl. EuGH-Urteile vom 27.4.1999 C-48/97 - Kuwait Petroleum -, Slg.
1999, I-2323, UR 1999, 278 = SIS 99 17 22, Rz 23; in Slg. 2010,
I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38, Rz 18 f.). Die Begriffe in
Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG sind daher eng
auszulegen, damit die Ziele von Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie
77/388/EWG nicht beeinträchtigt werden, wobei darauf zu achten
ist, dass der Ausnahme für Warenmuster und Geschenke von
geringem Wert nicht ihre praktische Wirksamkeit genommen wird (vgl.
EuGH-Urteile vom 18.11.2004 C-284/03 - Temco Europe -, Slg. 2004,
I-11237, UR 2005, 24 = SIS 05 07 23, Rz 17; vom 14.6.2007 C-434/05
- Horizon College -, Slg. 2007, I-4793, UR 2007, 587 = SIS 07 34 67, Rz 16; in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38, Rz
20).
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2. Das FG hat in der Überlassung eines
Sets zu Recht eine unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands i.S.
von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG gesehen.
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a) Die GmbH als Zuwendende hat dem jeweiligen
Diabetiker als Empfänger des Sets zielgerichtet einen
Vermögensvorteil verschafft.
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aa) Das FG hat insoweit festgestellt, dass die
GmbH die Sets „über Ärzte, Schulungszentren
für Diabetiker und bestimmte Laboreinrichtungen ... an
interessierte Diabetiker“ überlassen hat. Dies
versteht der Senat als Feststellung dahingehend, dass entsprechend
dem Zweck der kostenlosen Abgabe eine unentgeltliche Zuwendung des
jeweiligen Sets an den Diabetiker und nicht an die Ärzte usw.
vorliegt.
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Ohne Erfolg wendet das FA hiergegen ein, dass
nach den Feststellungen des FG die Klägerin ihre Sets vor
allem an Ärzte, Schulungszentren für Diabetiker und
bestimmte Laboreinrichtungen abgegeben habe. Denn das FG hat den
„gewöhnliche[n] Vertriebsweg“ dahingehend
konkretisiert, dass nach der Vorstellung der zuwendenden GmbH im
Streitfall letztlich die Diabetiker die Beschenkten sein sollten.
Den Ärzten, Schulungszentren für Diabetiker und
Laboreinrichtungen kam insoweit lediglich eine Botenfunktion zu.
Die an die Diabetiker abgegebenen Sets ermöglichten ihnen die
Beurteilung und Prüfung des Wesens, der Eigenschaften und der
Qualität des Blutzuckermesssystems.
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bb) Die GmbH hat dem begünstigten
Diabetiker unbeschränkte Verfügungsmacht an dem Set
eingeräumt, ohne dass dieser eine Gegenleistung zu erbringen
hatte. Der spätere entgeltliche Erwerb der Teststreifen stellt
kein „Entgelt“ i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1
Satz 1 UStG und Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG für den
Erhalt des Sets dar. Es fehlt - entgegen der Auffassung der
Klägerin - an einem unmittelbaren Leistungszusammenhang und
dem Austausch gegenseitiger Leistungen (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile
vom 3.3.1994 C-16/93 - Tolsma -, Slg. 1994, I-743, HFR 1994, 357 =
SIS 94 14 34, Rz 14; in Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278 = SIS 99 17 22, Rz 26; BFH-Urteile vom 18.8.2005 V R 31/04, BFHE 211, 551,
BStBl II 2007, 183 = SIS 05 47 51, unter II.1. und 2.; vom
5.12.2007 V R 60/05, BFHE 219, 455, BStBl II 2009, 486 = SIS 08 17 97, unter II.1.a, m.w.N.; vom 15.4.2010 V R 10/08, BFHE 229, 406,
BStBl II 2010, 879 = SIS 10 18 85).
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38
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Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die
Ablehnung einer entgeltlichen Leistung würde zu einer
unzulässigen Doppelbesteuerung, nämlich zu einer
zweimaligen Besteuerung der Abgabe der Sets führen, da sich
die unentgeltliche Zuwendung des Sets über den Preis der
Teststreifen amortisiere und die Klägerin diesen Verkauf der
Teststreifen versteuert habe. Denn die unentgeltliche Zuwendung des
Sets (vgl. § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG) ist
umsatzsteuerrechtlich von einem evtl. späteren Umsatz aus der
Veräußerung der Teststreifen (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1
Satz 1 UStG) zu unterscheiden (vgl. auch EuGH-Urteil in Slg. 1999,
I-2323, UR 1999, 278 = SIS 99 17 22, Rz 28).
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39
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cc) Der Senat folgt nicht der Anregung der
Klägerin, gemäß Art. 267 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine
Vorabentscheidung des EuGH zur Frage der (Un-)Entgeltlichkeit
einzuholen.
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40
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Die Klägerin hat insoweit die Frage
aufgeworfen, ob Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG dahingehend
auszulegen ist, „dass eine entgeltliche Zuwendung nicht
vorliegt, wenn zwischen dem unentgeltlich zugewendeten Gegenstand
und späteren entgeltlichen Umsätzen mit anderen
Gegenständen ein innerer Zusammenhang dergestalt gegeben ist,
dass die später gelieferten Gegenstände ohne den
unentgeltlichen zugewendeten Gegenstand technisch nicht benutzt
werden können“.
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41
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Diese Frage stellt sich nicht, weil sie
fälschlicherweise davon ausgeht, dass die Teststreifen nur mit
zuvor unentgeltlich zugewendeten Messgeräten benutzt werden
können. Vielmehr können die Teststreifen auch mit
gekauften Messgeräten der GmbH verwendet werden. Im
Übrigen erachtet der Senat die Unionsrechtslage in Anbetracht
des zwischenzeitlichen Stands der Rechtsprechung des EuGH als
geklärt (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278 =
SIS 99 17 22, Rz 26, 28).
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42
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Unter diesen Umständen besteht für
den Senat keine Vorlagepflicht (vgl. zu den Voraussetzungen
EuGH-Urteile vom 6.10.1982 283/81 - C.I.L.F.I.T. u.a. -, Slg. 1982,
3415, Rz 21; vom 6.12.2005 C-461/03 - Gaston Schul -, Slg. 2005,
I-10513 = SIS 06 10 97, Rz 16; vom 15.9.2005 C-495/03 - Intermodal
Transports -, Slg. 2005, I-8151 = SIS 05 46 18, Rz 33).
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43
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dd) Ebenso wenig besteht ein Vorlagebedarf,
soweit die Klägerin vorbringt, dass nach der Textfassung der
Richtlinie 77/388/EWG eine Auslegung des Art. 5 Abs. 6 dahingehend
möglich sei, dass die grammatikalisch mit einem
„oder“ verbundene „unentgeltliche
Zuwendung“ sich auf den in der Richtlinie 77/388/EWG
vorher angeführten Bedarf seines Personals beziehe, so dass
lediglich eine unentgeltliche Zuwendung an das Personal den
Steuertatbestand erfülle, eine unentgeltliche Abgabe aus
unternehmerischen Gründen an andere Personen hingegen
nicht.
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Denn der EuGH hat mit Urteil - Kuwait
Petroleum - (Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278 = SIS 99 17 22, Rz 22)
entschieden, „bereits aus dem Wortlaut“ des Art.
5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie 77/388/EWG gehe hervor, dass
„die Sechste Richtlinie die Entnahme eines Gegenstands
durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen, den dieser
unentgeltlich weitergibt, dann einer Lieferung gegen Entgelt
gleichstellt, wenn dieser Gegenstand zu einem Vorsteuerabzug
berechtigt hat, ohne daß es grundsätzlich entscheidend
wäre, ob diese Weitergabe für die Zwecke des Unternehmens
stattfindet. Denn Satz 2 dieser Bestimmung, der Entnahmen für
Geschenke von geringem Wert und für Warenmuster zu Zwecken des
Unternehmens von der Steuer ausnimmt, hätte keinen Sinn, wenn
Satz 1 Entnahmen, die der Steuerpflichtige - für die Zwecke
des Unternehmens - unentgeltlich weitergibt, nicht der
Mehrwertsteuer unterwerfen würde.“ Nach dem EuGH
(Urteil in Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278 = SIS 99 17 22, Rz 22;
vgl. auch Urteil in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38,
Rz 8, 9, 11 und 46) ist Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der Richtlinie
77/388/EWG daher nicht lediglich dahin zu verstehen, dass alleine
eine unentgeltliche Zuwendung für den Bedarf des Personals
einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist. Die Auslegung des
EuGH wird auch durch die Entstehungsgeschichte des Art. 5 Abs. 6
der Richtlinie 77/388/EWG bestätigt (dazu im Detail vgl.
EuGH-Urteil in Slg. 1999, I-2323, UR 1999, 278 = SIS 99 17 22, Rz
23).
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b) Es liegt auch die Zuwendung eines
Gegenstands i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG vor.
Überlassen wurde das Set, bestehend aus seinen in einem Karton
verpackten und nur zusammen abgegebenen drei Bestandteilen. Dass
ein Gegenstand auch aus mehreren Bestandteilen bestehen kann,
ergibt sich aus § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG.
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c) Das FG hat ferner festgestellt, dass die
Klägerin - wie nach § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG erforderlich
- die Vorsteuern aus den Aufwendungen für die Herstellung der
Sets geltend gemacht hat, und dass die Abgabe der Sets für
Zwecke des Unternehmens, nämlich zu Werbezwecken, erfolgte.
Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
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3. Entgegen der Ansicht des FG ist das von der
GmbH unentgeltlich an Diabetiker abgegebene Set kein Warenmuster
i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG für die
Teststreifen.
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Das FG hat die Klagestattgabe darauf
gestützt, dass ein Set ein Warenmuster der für den
Betrieb des Messgeräts erforderlichen Teststreifen sei. Denn
das Blutzuckermessgerät und die Teststreifen stellten eine
technische Einheit dar. Die einzelnen Produkte könnten nicht
unabhängig voneinander sinnvoll genutzt werden. Es handele
sich daher um ein zusammengesetztes Warenmuster.
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Dies hält einer revisionsrechtlichen
Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher
aufzuheben.
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a) Der EuGH hat in dem Urteil - EMI Group -
(Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38, Rz 16)
entschieden, dass die Richtlinie 77/388/EWG keine Definition des
Warenmusterbegriffs enthält. Bei dessen Auslegung sind daher
der Wortlaut, der Zusammenhang und die Ziele von Art. 5 Abs. 6 Satz
2 der Richtlinie 77/388/EWG zu berücksichtigen (vgl.
EuGH-Urteil vom 6.3.2008 C-98/07 - Nordania Finans und BG Factoring
-, Slg. 2008, I-1281, UR 2008, 625 = SIS 08 16 69, Rz 17, m.w.N.).
Ein Warenmuster i.S. von Art. 5 Abs. 6 Satz 2 der Richtlinie
77/388/EWG ist danach ein Probeexemplar eines Produkts, durch das
dessen Absatz gefördert werden soll und das eine Bewertung der
Merkmale und der Qualität dieses Produkts ermöglicht,
ohne zu einem anderen als dem mit solchen Werbeumsätzen
naturgemäß verbundenen Endverbrauch zu führen
(EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38, Rz
40 und 1. Leitsatz. vgl. auch Klenk in Sölch/ Ringleb,
Umsatzsteuer, § 3 Rz 380).
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b) Diese vom EuGH aufgestellten
Voraussetzungen eines Warenmusters sind im Streitfall nicht
erfüllt.
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aa) Das von der GmbH an Diabetiker
unentgeltlich abgegebene Set, bestehend aus
Blutzuckermessgerät, Stechhilfe und Teststreifen, ist kein
„Probeexemplar eines Produkts, durch das dessen Absatz
gefördert werden soll“ im Sinne der dargelegten
Definition des EuGH eines Warenmusters.
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Denn gefördert werden soll mit dieser
unentgeltlichen Abgabe des Sets lediglich der Absatz von
(nachzukaufenden) Teststreifen, nicht aber auch ein späterer
entgeltlicher Erwerb eines weiteren Sets oder eines weiteren
Blutzuckermessgeräts oder einer weiteren Stechhilfe.
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bb) Die unentgeltliche Abgabe des Sets kann
auch deshalb nicht als Warenmuster qualifiziert werden, weil sie im
Sinne der dargelegten Definition des EuGH eines Warenmusters
„zu einem anderen als dem mit solchen Werbeumsätzen
naturgemäß verbundenen Endverbrauch“
führt.
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Denn die Diabetiker haben mit dem Set
unentgeltlich und dauerhaft ein Blutzuckermessgerät und eine
Stechhilfe erhalten.
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Durch das von der GmbH durchgeführte
Geschäftsmodell erspart sich der Diabetiker den Kauf des
Blutzuckermessgeräts und der Stechhilfe. Diesen
umsatzsteuerrechtlich unbelasteten Letztverbrauch soll § 3
Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG - wie dargelegt - gerade verhindern. Die
Abgabe eines Warenmusters soll dem Empfänger den Kauf nicht
ersparen, sondern zum Kauf anregen (vgl. Fritsch in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 3 Rz 322.44; Nieskens in
Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 3 Rz 1290;
Widmann, UR 2000, 19, 21).
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Dabei ist es nicht entscheidungserheblich und
kann offenbleiben, ob es Vorführgeräte gibt, die bei
Ärzten oder in Schulungszentren aufgestellt sind und dort von
Patienten ausprobiert werden können, oder ob aus
hygienisch-medizinischen Gründen ein Messgerät nur von
einem einzigen Diabetiker benutzt werden kann.
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c) Soweit die Klägerin unter Bezugnahme
auf Rz 20 des EuGH-Urteils - EMI Group - (Slg. 2010, I-8607, UR
2010, 816 = SIS 10 33 38) vorbringt, es sei darauf zu achten, dass
dem Warenmuster nicht die „praktische
Wirksamkeit“ genommen werde, kann dieser Einwand im
Streitfall nicht durchdringen. Aus den vorstehenden Gründen
ergibt sich, dass der Ausnahme für Warenmuster nicht ihre
praktische Wirksamkeit genommen wird, weil es bei dem
streitgegenständlichen Geschäftsmodell hinsichtlich der
Messgeräte und Stechhilfen an den Eigenschaften von
Warenmustern fehlt.
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d) Entgegen der Ansicht der Klägerin
stellt die Annahme des FG, bei einem Set handele es sich um ein
„zusammengesetztes Warenmuster“, keine den BFH
nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich bindende
Tatsachenfeststellung dar.
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Der Begriff des Warenmusters ist ein
umsatzsteuerrechtlicher Rechtsbegriff (vgl. EuGH-Urteil in Slg.
2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38, Rz 16 bis 40). Im
Streitfall geht es um die umsatzsteuerrechtliche Bewertung der
Überlassung von Sets, bei der es sich um eine rechtliche
Schlussfolgerung handelt. Das FG, das die vom EuGH in der
Rechtssache - EMI Group - nach Ergehen des FG-Urteils aufgestellten
Rechtsgrundsätze und die in dieser Rechtssache erfolgte
rechtliche Begriffsdefinition des Warenmusters nicht kennen konnte,
ist bei der Anwendung seiner im vorinstanzlichen Urteil
formulierten Rechtssätze auf den konkreten Sachverhalt von
anderen Grundsätzen ausgegangen.
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e) Eine abweichende rechtliche Beurteilung
folgt - entgegen der Ansicht der Klägerin - auch nicht aus dem
Beispiel im Schlussantrag des Generalanwalts Jääskinen
vom 15.4.2010 in der Rechtssache - EMI Group - (Slg. 2010, I-8607).
Nach Ansicht des Generalanwalts könne ein Warenmuster auch
dann vorliegen, wenn es einen Werbezweck dahingehend erfülle,
dass es bei den Käufern eine neue Gewohnheit entstehen lasse.
Auch könnten Einzelexemplare, etwa von Büchern,
Zeitschriften oder CDs, Warenmuster sein, wenn mit der Abgabe das
Ziel verfolgt werde, für eine Serie, Sammlung, Mitgliedschaft
in einem Buchclub oder das Abonnement einer Zeitschrift zu
werben.
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Der EuGH hat in dem Urteil - EMI Group - (Slg.
2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38) diese Erwägung
nicht übernommen und insbesondere den Begriff
„Gewohnheit“ nicht benutzt. Im Übrigen ist
der Streitfall auch nicht mit dem Beispielssachverhalt
vergleichbar.
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f) Ferner folgt der Senat nicht der Anregung
der Klägerin, gemäß Art. 267 AEUV eine
Vorabentscheidung des EuGH zu den Rechtsfragen einzuholen, ob auch
zusammengesetzte Warenmuster unter den Begriff des
„Warenmusters“ fallen, und wie die Voraussetzung
„ohne zu einem anderen als dem mit solchen
Werbeumsätzen naturgemäß verbundenen
Endverbrauch“ für die Annahme eines Warenmusters zu
verstehen ist. Die Vorlage kommt nicht in Betracht, weil die
Fragen, die der EuGH nach Ansicht der Klägerin beantworten
soll, von den konkreten, festgestellten Umständen des
jeweiligen Einzelfalls abhängen. Darüber hinaus erachtet
der Senat für den Streitfall die Definition eines Warenmusters
in Anbetracht der Rechtsprechung des EuGH als geklärt (vgl.
EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38, Rz
40 und 1. Leitsatz). Einer Vorlage an den EuGH gemäß
Art. 267 Abs. 3 AEUV bedurfte es deshalb nicht.
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4. Die Sache ist nicht spruchreif.
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§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG nimmt -
neben der unentgeltlichen Zuwendung von Warenmustern - auch
Geschenke von geringem Wert von einer Besteuerung aus. Die
Feststellungen des FG - das ausgehend von seiner Rechtsauffassung
diese Ausnahme nicht abschließend geprüft hat - reichen
nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Überlassung
des jeweiligen Sets ein Geschenk von geringem Wert ist. Für
diese Beurteilung hat das FG im zweiten Rechtsgang die im
EuGH-Urteil - EMI Group - (Slg. 2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38) aufgestellten Grundsätze zu beachten.
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Ausgehend von den Feststellungen des FG ist -
wie unter II.2.a aa dargelegt - der Diabetiker für das
jeweilige Set Geschenkempfänger, da die Beurteilung der
Übergabe eines Gegenstands als „Geschenk von geringem
Wert“ davon abhängt, wer nach der Vorstellung des
Schenkers der letztlich Beschenkte sein sollte (EuGH-Urteil in Slg.
2010, I-8607, UR 2010, 816 = SIS 10 33 38, Rz 49).
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Bei Geschenken von geringem Wert handelt es
sich im Streitjahr um die Abgabe von Waren, deren individueller
Nettowert ohne Umsatzsteuer den Betrag von 75 DM nicht
übersteigt (vgl. § 15 Abs. 1a Nr. 1 UStG i.V.m. § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung vom
1. April bis 31.12.1999; Abschn. 24b Abs. 8 Satz 6 UStR 2000; Michl
in Offerhaus/ Söhn/Lange, § 3 UStG Rz 74d; Fritsch in
Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 3 Rz 322.42 f.). Diese auf
das Streitjahr bezogene Wertgrenze liegt innerhalb des durch Art. 5
Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG eingeräumten
Ermessensspielraums (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2010, I-8607, UR
2010, 816 = SIS 10 33 38, Rz 44; Nieskens in
Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 3 Rz 1270 f.; Widmann, UR
2000, 19, 21). Auf die durchschnittlichen Aufwendungen der GmbH
kommt es nicht an.
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Soweit die Klägerin einwendet, dass das
Set bereits vor der Zuwendung durch die im Rahmen des Ausprobierens
erfolgte Kontamination wertlos wird, folgt der Senat dem im
Ergebnis nicht. Die Zuwendung und Übergabe des Sets gehen dem
Ausprobieren durch den Diabetiker voraus. Im Streitfall stand von
vornherein fest, dass der Diabetiker das im Rahmen einer Schulung
benutzte Set behalten und nach Belieben darüber verfügen
durfte.
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