Formerfordernisse für Rechnungsberichtigung: 1. Für die Berichtigung einer Rechnung i.S. des § 14 UStG 1993 genügt die einfache Schriftform auch dann, wenn in einem notariell beurkundeten Kaufvertrag mit Umsatzsteuerausweis abgerechnet worden ist. - 2. Die zivilrechtliche Befugnis zur Rechnungsberichtigung ist umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich nicht zu prüfen. - Urt.; BFH 11.10.2007, V R 27/05; SIS 08 14 81
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine
Kapitalanlagegesellschaft, die offene Immobilienfonds betreibt und
dazu Grundstücke an- und verkauft. Mit notariellem Kaufvertrag
vom 14.9.1994 erwarb sie von der niederländischen Firma W ein
im Inland belegenes, vermietetes Grundstück. Der
Nettokaufpreis betrug nach § 2 des Kaufvertrages … DM.
Zusätzlich hatte die Klägerin 15 % Umsatzsteuer auf den
um 50 % der Grunderwerbsteuer erhöhten Kaufpreis (mithin
… DM), insgesamt also … DM, zu bezahlen. Eine
gesonderte Rechnungsstellung erfolgte nicht. Nach mehreren
Entgeltsänderungen erhöhte sich der Nettokaufpreis auf
… DM und die Umsatzsteuer auf … DM.
Weil das Grundstück nach § 6 des
Kaufvertrages der einzige Vermögensgegenstand der
Verkäuferin war, ließ sich die Klägerin von der
D-AG (Muttergesellschaft der Verkäuferin) durch
Garantieerklärung vom 14.9.1994 von allen Risiken freistellen,
die sich aus dem Abschluss des Grundstückskaufvertrages nach
§ 419 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) für sie
ergeben.
Das zunächst für die Veranlagung
der Klägerin zuständige Finanzamt III (FA III) stimmte
der Umsatzsteuererklärung der Klägerin für 1994, in
der diese entsprechend dem Umfang der steuerpflichtigen Verwendung
des Grundstücks 98,5 % der angefallenen Vorsteuerbeträge
geltend gemacht hatte, mit Bescheid vom 2.11.1995 zu.
Die Verkäuferin, W, erklärte in
der Voranmeldung für November 1994 zwar die Umsatzsteuer aus
der Grundstücksveräußerung, zahlte diese aber
nicht.
Die Geschäftsanteile der W wurden am
31.12.1994 an die L mit Sitz in A veräußert und der
Firmenname am 6.3.1995 in „L“ geändert.
Nachdem das FA III zu der Auffassung
gelangt war, dass es sich bei der Veräußerung des
Grundstücks um eine nicht steuerbare
Geschäftsveräußerung handele, kündigte es der
Klägerin am 12.8.1996 die Inanspruchnahme als
Haftungsschuldnerin nach § 75 der Abgabenordnung (AO) an.
Außerdem wies das FA III mit Schreiben vom 12.8.1996 die
Steuerberater der Verkäuferin auf die Nichtsteuerbarkeit der
Geschäftsveräußerung sowie darauf hin, dass die
Umsatzsteuer-Voranmeldung für November 1994 deshalb unrichtig
gewesen sei und sie den ausgewiesenen Steuerbetrag nach § 14
Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993) schulde.
Gleichzeitig wies das FA III auf die Möglichkeit der
Rechnungsberichtigung nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1993 hin
und bat um Mitteilung, ob die Gesellschaft eine geänderte
Rechnung erstellen werde.
„L“ teilte dem FA III im
Schreiben vom 5.9.1996 mit, sie habe gegenüber der
Klägerin die Rechnung berichtigt und verwies auf eine
beigefügte Abschrift dieses Schreibens. Gleichzeitig bat
„L“ um Berichtigung der entsprechenden
Steuerfestsetzung. Mit Schreiben an die Klägerin vom 5.9.1996
berichtigte „L“ - unter Bezugnahme auf das an sie,
„L“, gerichtete Schreiben des FA III vom 12.8.1996 -
die „Rechnung in § 2 des Kaufvertrages dahingehend, dass
der Kaufpreis DM … beträgt und keine Umsatzsteuer
geschuldet wird“.
Die Klägerin wies gegenüber
„L“ mit Schreiben vom 14.11.1996 die
Rechnungsberichtigung zurück; sie werde diese nur dann
anerkennen, wenn „L“ ihr die gezahlte Umsatzsteuer von
… DM zurückerstatte. Entsprechende Aufforderungen
blieben erfolglos.
Das FA III berücksichtigte in dem
gegenüber der Klägerin erlassenen (erstmaligen)
Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 1996 (Streitjahr) vom
26.1.1998 die Rechnungsberichtigung und erhöhte die
Umsatzsteuer für 1996 entsprechend.
Der Einspruch der Klägerin hatte nur
insoweit Erfolg, als das FA III die Vorsteuerberichtigung von
zunächst 100 % des geltend gemachten Vorsteuerabzugs auf 98,5
% verminderte.
Gegenstand des anschließenden
Klageverfahrens war der Umsatzsteuerbescheid für 1996 vom
12.12.2001, in dem das FA III dem Klagebegehren in Höhe von
2.965 DM wegen eines Fehlers bei der Berechnung der abziehbaren
Vorsteuer abgeholfen hat.
Während des Klageverfahrens wurde
aufgrund § 4 Abs. 6 der Zuständigkeitsverordnung vom
11.12.2003 zunächst das FA V und schließlich durch
§ 4 Abs. 7 der Zuständigkeitsverordnung vom 14.4.2004 der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) für die Veranlagung
der Klägerin zuständig.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte in dem
in EFG 2005, 988 = SIS 05 29 37 veröffentlichten Urteil im
Wesentlichen aus: Die Voraussetzungen für eine
Vorsteuerberichtigung hätten vorgelegen. Treu und Glauben
ständen der Berücksichtigung der Rechnungsberichtigung
nicht entgegen. Denn mit dem Hinweis des FA III im Schreiben an
„L“ auf die Nichtsteuerbarkeit der
Geschäftsveräußerung und die Möglichkeit der
Rechnungsberichtigung habe es, das FA III, seiner Fürsorge-
und Betreuungspflichten nach § 89 AO entsprochen; in deren
Rahmen habe es nach § 88 Abs. 2 AO auch auf die für die
Beteiligten günstigen Umstände, - hier die
Möglichkeit der Rechnungsberichtigung für „L“
- hinweisen müssen. Der neutrale Hinweis auf die rechtlichen
Möglichkeiten enthalte - entgegen der Auffassung der
Klägerin - auch keine Aufforderung zum Vertragsbruch.
Die Voraussetzungen der
Vorsteuerberichtigung nach einer Rechnungsberichtigung lägen
vor. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1993
sei auch anwendbar, wenn Umsatzsteuer
für eine nicht steuerbare oder eine steuerfreie Leistung in
Rechnung gestellt werde. Zwar hätte der Klägerin der
Vorsteuerabzug bereits im Jahr 1994 nicht gewährt werden
dürfen, weil die Geschäftsveräußerung nicht
steuerbar und nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) nur der für einen Umsatz von Gesetzes wegen geschuldete
Steuerbetrag als Vorsteuer abziehbar sei (Hinweis auf BFH-Urteil
vom 2.4.1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31). Der im Übrigen zulässigen Änderung des
Umsatzsteuerbescheides für 1994 habe jedoch allein § 176
Abs. 1 Nr. 3 AO entgegengestanden, denn die nach Erlass des
ursprünglichen Steuerbescheides erfolgte Änderung der
Rechtsprechung dürfe nicht zuungunsten der Klägerin
berücksichtigt werden.
Das FA habe jedoch aufgrund der
Berichtigung der Rechnung durch „L“ die Vorsteuer nach
§ 14 Abs. 2 i.V.m. § 17 UStG 1993 im Umsatzsteuerbescheid
für 1996 berichtigen dürfen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin
liege eine wirksame Rechnungsberichtigung vor; notarielle Form sei
nicht erforderlich. Es reiche, wenn - wie hier durch Verweis auf
§ 2 des Kaufvertrages - ausdrücklich auf die
Originalurkunde Bezug genommen und der dort bezeichnete Kaufpreis
nunmehr ohne Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt werde. Die
Unterschrift sei kein Rechnungserfordernis und deshalb auch
für die Berichtigung nicht erforderlich; unerheblich sei
deshalb deren Lesbarkeit.
Zweifel am Aussteller der
Rechnungsberichtigung beständen nicht. Denn aus dem Schreiben,
das die veräußerte Liegenschaft und den Immobilienfonds
genau bezeichne und mit der Bezifferung des Kaufpreises und der
Bezugnahme auf § 2 des notariellen Kaufvertrages weitere
Details genannt habe, gehe - auch für die Klägerin
erkennbar - hervor, dass die „L“, die
„Rechtsnachfolgerin“ der W, über den
Grundstücksverkauf nur noch ohne gesonderten
Umsatzsteuerausweis abrechne. Abgesehen davon, dass nur die
Verkäuferin ein Interesse an der Berichtigung haben
könne, sei auszuschließen, dass jemand ohne Kenntnis und
Billigung der „L“ die Rechnungsberichtigung gefertigt
und der Klägerin zugesandt habe. Dass das
Berichtigungsschreiben von einer Person unterzeichnet worden sei,
die die Klägerin nicht habe identifizieren können, sei
unerheblich, weil das UStG keine unterschriebene Rechnung verlange.
Soweit die Klägerin die Vertretungsmacht des Unterzeichners in
Zweifel ziehe, setze sie sich im Übrigen mit ihrem eigenen
Verhalten in Widerspruch. Denn in ihren Schriftsätzen an
„L“ vom 14.11.1996, vom 16.12.1996 und vom 24.12.1998
gehe sie selbst davon aus, dass die Berichtigungserklärung von
einem vertretungsberechtigten Organ der Verkäuferin stamme. In
ihrem Schreiben vom 23.12.1999 an das FA habe sie vorgetragen, dass
der ihr gegenüber aufgetretene Vertreter der „L“
erklärt habe, die Rechnungsberichtigung sei nur deshalb
erfolgt, weil „L“ die Umsatzsteuerschuld mangels
Liquidität nicht habe erfüllen können.
Mit der vom FG zugelassenen Revision
rügt die Klägerin Verletzung von § 14 Abs. 2 Satz 2,
§ 17 Abs. 1 UStG 1993.
Sie trägt im Wesentlichen vor, sie
habe, da das Berichtigungsschreiben weder eine
Handelsregisternummer, noch Angaben über Sitz und Telefon oder
Bankverbindung enthalten habe, erst durch eigene Ermittlungen
herausgefunden, dass es sich um die Rechtsnachfolgerin der Firma W
handele. Erst ihre Ermittlungen hätten ergeben, dass es sich
bei dem Nachfolgeunternehmen nur noch um eine Briefkastenfirma
handele.
Ohne notariell beurkundete Änderung
des Kaufvertrages vom 14.9.1994 sei die Rechnungsberichtigung vom
5.9.1996 nicht wirksam, weil der Kaufpreis wesentlicher Bestandteil
des Kaufvertrages und deshalb dessen Änderung
beurkundungspflichtig sei. Der Umsatzsteuerausweis sei nicht
lediglich eine Erfüllungshandlung des Verkäufers. Die
Verkäuferin könne ihre zivilrechtliche Verpflichtung zur
Zahlung des Kaufpreises, der die Umsatzsteuer einschließe,
nicht durch einseitige Gestaltungserklärung aufheben.
Die Vorschriften der Rechnungsberichtigung
(§ 14 Abs. 2 Satz 2 und § 17 UStG 1993) seien auf
Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung
(§ 1 Abs. 1 a UStG 1993) nicht anwendbar. Sie dürften nur
noch auf steuerpflichtige Umsätze angewendet werden. Denn die
geänderte Rechtsprechung gelte nicht erst für
Sachverhalte nach der Veröffentlichung der Entscheidung des
BFH in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31.
Die Berichtigung setze die vorherige
Rückzahlung des entsprechenden Betrages an sie, die
Klägerin, voraus. Denn auch eine Minderung der
Bemessungsgrundlage i.S. des § 17 Abs. 1 UStG 1993 trete erst
dann ein, wenn tatsächlich feststehe, welche Gegenleistung der
Verkäufer erhalten habe. Gleiches müsse für die
Berichtigung der Umsatzsteuer - und damit auch des
Vorsteuerbetrages - gelten. Denn auch die sinngemäße
Anwendung der Vorschrift verlange eine Minderung des Entgelts, die
nur eintrete, wenn der entsprechende Entgeltsanteil (die
Umsatzsteuer) an den Rechnungsempfänger zurückgezahlt
worden sei. Zwar genüge nach der Rechtsprechung des BFH
für den Tatbestand „Änderung der
Bemessungsgrundlage“ eine entsprechende Vereinbarung und es
komme nicht auf den Zeitpunkt der tatsächlichen
Rückgewähr der Entgeltsminderung an. Im Streitfall fehle
es jedoch überhaupt und im Übrigen auch mangels
Beurkundung an einer wirksamen neuen Vereinbarung.
Die Rückzahlungsverpflichtung der
Verkäuferin in Höhe der zu Unrecht gezahlten Umsatzsteuer
ergebe sich aus der gesetzlich angeordneten Vertragsanpassung nach
§ 313 Satz 1 und 2 BGB n.F. (bisher § 242 BGB) bzw. einer
ergänzenden Vertragsauslegung. Denn die Klägerin habe in
rein tatsächlicher Hinsicht zu viel gezahlt, ohne dass dieser
Überzahlung eine entsprechende Vereinbarung zugrunde liege.
Solche zusätzlichen Aufwendungen des Leistungsempfängers
erhöhten bereits dann das Entgelt für eine Leistung und
damit die Bemessungsgrundlage i.S. des § 10 Abs. 1 UStG 1993,
wenn sie aus keinem anderen Rechtsgrund gezahlt worden seien.
Deshalb sei insoweit dem Prinzip der Istbesteuerung zu
folgen.
Der Systematik der Umsatzsteuer entspreche
es, dass grundsätzlich der Fiskus als Steuergläubiger das
Risiko des Steuerausfalles trage: er müsse dem
Rechnungsempfänger die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer
erstatten, ohne dass die Erstattung von der Zahlung der
Umsatzsteuer durch den Aussteller der Rechnung abhängig
gemacht werden dürfe. Außerdem habe der BFH im Urteil
vom 19.9.1996 V R 41/94 (BFHE 181, 236, BStBl II 1999, 249 = SIS 97 05 22) ausgeführt, dass die Berichtigung weder von der
Rückgabe der Originalrechnung noch von der Durchsetzbarkeit
gegenüber dem Leistungsempfänger abhänge und in
diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die Finanzverwaltung
das Risiko eines Steuerausfalles trage. Das Insolvenzrisiko
dürfe nicht einseitig dem Rechnungsempfänger
aufgebürdet werden. Es sei ein Grundprinzip des
Mehrwertsteuersystems, dass der Unternehmer in einer Leistungskette
durch den Vorsteuerabzug vollständig von der geschuldeten oder
entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werde.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und „den Umsatzsteuerbescheid
1996 vom 26.1.1998 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom
22.3.2001 dahingehend abzuändern, dass die Umsatzsteuer um
abzugsfähige Vorsteuern in Höhe von … DM
herabgesetzt wird“.
Das FA beantragt die Zurückweisung der
Revision.
II. Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das FG entschieden, dass das FA
die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs
im Streitjahr 1996 nach § 14 Abs. 2 Satz 2 und § 17 UStG
1993 ohne Rechtsverstoß angewandt hat und nach Maßgabe
des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO zur Änderung des
Umsatzsteuerbescheides für 1996 berechtigt war.
1. Die Entscheidung des FG, dass eine
Rechnungsberichtigung durch den Rechnungsaussteller - nach
Veräußerung der Geschäftsanteile der
Verkäuferin nunmehr „L“ - vorlag, die das
FA zur Vorsteuerkorrektur im Streitjahr 1996 berechtigte, ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin
genügt für die Berichtigung die einfache Schriftform auch
dann, wenn in einem notariell beurkundeten Kaufvertrag mit
Umsatzsteuerausweis abgerechnet worden ist.
aa) Die Berichtigung des Steuerbetrags muss
gegenüber dem Leistungsempfänger erfolgen (§ 14 Abs.
2 Satz 2 UStG 1993). Voraussetzung dafür ist lediglich, dass
dem Leistungsempfänger eine hinreichend bestimmte,
schriftliche Berichtigung der Rechnung zugeht. Die Rückgabe
der ursprünglichen Rechnung durch den Leistungsempfänger
ist nicht erforderlich (Senatsurteil vom 25.2.1993 V R 112/91, BFHE
171, 373, BStBl II 1993, 643 = SIS 93 15 32). Notwendig ist ferner
eine „Berichtigung“ der Rechnung, und zwar durch
den Leistenden. Aus ihr muss - notfalls durch Auslegung -
hervorgehen, dass der leistende Unternehmer über seine
Leistung - statt, wie bisher, unter Ansatz des ursprünglich
ausgewiesenen Steuerbetrags - nunmehr nur noch ohne Umsatzsteuer
abrechnen will. Bei der Auslegung der Berichtigungserklärung
des § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG 1993 sind die Bedürfnisse des
Geschäftsverkehrs zu beachten (Senatsurteile in BFHE 171, 373,
BStBl II 1993, 643 = SIS 93 15 32; vom 10.12.1992 V R 73/90, BFHE
170, 475, BStBl II 1993, 383 = SIS 93 10 27).
bb) Eine bestimmte Form ist nicht
erforderlich.
(1) Die Berichtigung ändert eine Rechnung
im Sinne des UStG. Allein nach umsatzsteuerrechtlichen Kriterien
ist deshalb zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein
Dokument als Rechnung im Sinne des UStG 1993 zu beurteilen ist.
Für die Berichtigung der Rechnung dürfen keine
höheren Anforderungen gestellt werden.
(2) Nach § 14 Abs. 4 UStG 1993 ist
„Rechnung ... jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder
in seinem Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder
sonstige Leistung gegenüber dem Leistungsempfänger
abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im
Geschäftsverkehr bezeichnet wird“.
Umsatzsteuerrechtlich ist deshalb ohne Bedeutung, ob die Urkunde,
in der mit offen ausgewiesener Umsatzsteuer abgerechnet worden ist,
notariell beurkundet worden ist - wie im Streitfall im notariell
beurkundeten Vertrag - (Zeuner in Bunjes/Geist, UStG, 8. Aufl.,
§ 14c Rz 10; Birkenfeld, Das große Umsatzsteuer-Handbuch
§ 160, Rz 68; Valentin, EFG 2005, 991; offen gelassen im
BFH-Urteil vom 6.10.2005 V R 8/04, BFH/NV 2006, 835 = SIS 06 16 09;
zweifelnd Widmann in Plückebaum/Malitzky, UStG, 10. Aufl.,
§ 14c Rz 26/2).
(3) Bestätigt wird die Auffassung des
Senats durch Art. 22 Abs. 3 Buchst. a Unterabs. 5 der Sechsten
Richtlinie des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) i.d.F. der Richtlinie
2001/115/EG des Rates vom 20.12.2001 zur Änderung der
Richtlinie 77/388/EWG (Rechnungsrichtlinie; Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 15 vom 17.1.2002 S. 24
und jetzt Art. 219 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -
MwStSystRL - ), wonach nunmehr ausdrücklich klargestellt ist,
dass „jedes Dokument oder jede Mitteilung, die zu einer
Veränderung der ursprünglichen Rechnung führt und
spezifisch und eindeutig auf diese bezogen ist, einer Rechnung
gleichgestellt“ ist.
(4) Die zivilrechtliche Befugnis zur
Rechnungsberichtigung ist umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich
nicht zu prüfen (BFH-Urteile in BFHE 181, 236, BStBl II 1999,
249 = SIS 97 05 22; in BFHE 171, 373, BStBl II 1993, 643 = SIS 93 15 32; in BFHE 170, 475, BStBl II 1993, 383 = SIS 93 10 27).
Deshalb ist auch ohne Bedeutung, ob zivilrechtlich zu den nach
§ 313 BGB in der im Streitjahr geltenden Fassung (jetzt §
311 BGB) formbedürftigen Nebenabreden auch „die
Vereinbarung über die Mehrwertsteuerausweisung“
(gemeint ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung der
Grundstücksveräußerung) gehört
(Oberlandesgericht - OLG - Stuttgart, Urteil vom 16.6.1993 4 U
23/93, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report
Zivilrecht NJW-RR 1993, 1365) und deshalb die zivilrechtliche
Wirksamkeit einer Änderung die Einhaltung der Form
voraussetzt.
b) Die Würdigung des FG, dass der
Rechnungsaussteller die Rechnung berichtigt hat, ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Zu Recht hat das FG dem Einwand der
Klägerin, dass das Berichtigungsschreiben keine -
entzifferbare - Unterschrift aufweist und daher die
Vertretungsmacht der unterzeichnenden Person fraglich sei, keine
Bedeutung beigemessen, soweit dies die Frage der
Rechnungsberichtigung betrifft. Die Unterschrift unter dem
Abrechnungspapier ist nicht das maßgebliche Kriterium zur
Bestimmung des Ausstellers einer Abrechnung (BFH-Urteil vom
4.3.1982 V R 107/79, BFHE 135, 118, BStBl II 1982, 309 = SIS 82 10 22; BFH-Beschluss vom 26.9.1994 V B 33/94, BFH/NV 1995, 553).
Gleiches gilt für eine Berichtigung der Rechnung.
Dies stellt im Übrigen nunmehr
ausdrücklich Art. 22 Abs. 3 Buchst. b Unterabs. 3 der
Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Rechnungsrichtlinie (jetzt Art.
229 MwStSystRL) klar, wonach die Mitgliedstaaten keine Unterschrift
der Rechnungen fordern dürfen.
bb) Nach den für den Senat bindenden
(§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - )
Feststellungen bestehen keine Zweifel daran, dass die Berichtigung
von der Rechtsnachfolgerin der Rechnungsausstellerin erklärt
wurde.
Das FG geht dabei zu Recht davon aus, dass
sich der Abrechnende auch anderer Personen bei der Abrechnung
bedienen kann, die in seinem Namen handeln (vgl. z.B. BFH-Urteil
vom 28.4.1983 V R 139/79, BFHE 138, 267, BStBl II 1983, 525 = SIS 83 11 27).
Zur Zurechenbarkeit der Rechnungsberichtigung
hat das FG ausgeführt, aus dem Schreiben gehe - für die
Klägerin erkennbar - hervor, dass „L“,
über den Grundstücksverkauf nur noch ohne gesonderten
Umsatzsteuerausweis abrechne. Angesichts dessen, dass weiter im
Betreff des Schreibens die veräußerte Liegenschaft und
der Immobilienfonds genau bezeichnet und mit der Bezifferung des
Kaufpreises und der Bezugnahme auf § 2 des notariellen
Kaufvertrages weitere Details genannt worden seien, sei es
auszuschließen, dass ein von der Verkäuferin nicht
bevollmächtigter Dritter, dessen Erklärungen ihr nicht
zurechenbar seien, das Berichtigungsschreiben verfasst habe. Diese
auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung des FG ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (§ 118 Abs. 2
FGO).
2. Der Klägerin stand der Vorsteuerabzug
im Zeitpunkt der Rechnungserteilung - im Jahr 1994 - nicht zu.
a) Der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1
Nr. 1 Satz 1 UStG 1993 setzt bei richtlinienkonformer Auslegung
voraus, dass eine Steuer für den berechneten Umsatz geschuldet
wird (ständige Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 2.4.1998 V R
34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31; vgl.
BFH-Urteile vom 1.2.2001 V R 23/00, BFHE 194, 493, BStBl II 2003,
673 = SIS 01 07 75; vom 12.12.2002 V R 85/01, BFH/NV 2003, 829 =
SIS 03 24 79; BFH-Beschlüsse vom 1.4.2004 V B 112/03, BFHE
205, 511, BStBl II 2004, 802 = SIS 04 22 36; vom 10.5.1999 V B
1/99, BFH/NV 1999, 1526 = SIS 99 53 13).
b) Im Umsatzsteuerbescheid für 1994
hätte die im Kaufvertrag vom 14.9.1994 ausgewiesene
Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer berücksichtigt werden
dürfen, denn die Veräußerung
verpachteter/vermieteter (Gewerbe-)Immobilien unter
Fortführung des Pacht-/Mietvertrages durch den Erwerber - wie
im Streitfall - ist seit dem 1.1.1994 als
Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1 a
UStG 1993 i.d.F. des Missbrauchbekämpfungs- und
Steuerbereinigungsgesetz vom 21.12.1993 (BGBl I 1993, 2310) nicht
steuerbar (z.B. BFH-Beschluss in BFHE 205, 511, BStBl II 2004, 802
= SIS 04 22 36, m.w.N.).
Der gegenüber der Klägerin erlassene
Umsatzsteuerbescheid für 1994 war insoweit materiell-rechtlich
fehlerhaft. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein
Streit.
3. Einer Änderung des
Umsatzsteuerbescheides für 1994 stand jedoch - allein - §
176 Abs. 1 Nr. 3 AO entgegen.
a) Mit Zustimmung des FA vom 2.11.1995 galt
die Umsatzsteuererklärung der Klägerin für 1994 als
Umsatzsteuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung
(§ 168 Satz 2 i.V.m. § 164 Abs. 1 AO). Bis zur Aufhebung
des Vorbehalts der Nachprüfung, am 17.2.1999, war die
Änderung des Umsatzsteuerbescheides für 1994 nach §
164 Abs. 2 AO grundsätzlich ohne Einschränkung
zulässig.
b) Einer Änderung des
Umsatzsteuerbescheides für 1994 mit der Begründung, die
im Kaufvertrag vom 14.9.1994 zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer
sei nicht abziehbar, stand jedoch entgegen, dass sich die
Rechtsprechung zur Nichtabziehbarkeit der nach § 14 Abs. 2
UStG 1993 geschuldeten Steuer erst nach Erlass des
Umsatzsteuerbescheides für 1994 geändert hat.
Nach § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO darf bei
Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht zu
Ungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass
sich die Rechtsprechung eines obersten Gerichtshofes des Bundes
geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung von der
Finanzbehörde angewandt worden ist. Die Vorschrift
schützt das Vertrauen in die Bestandskraft der
Steuerfestsetzung (z.B. BFH-Urteil vom 11.4.2002 V R 26/01, BFHE
198, 238, BStBl II 2004, 317 = SIS 02 08 69, m.w.N.). Sie greift
(nur) ein, wenn sich - wie hier - die Rechtsprechung in der Zeit
zwischen dem Erlass des ursprünglichen Bescheides und dem
Erlass eines Änderungsbescheides geändert hat.
c) Die Voraussetzungen des § 176 Abs. 1
Nr. 3 AO lagen vor.
aa) Nach der bis zum Ergehen des BFH-Urteils
in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31 geltenden
Rechtslage durfte der Unternehmer die nach § 14 Abs. 2 UStG
1993 zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen
(BFH-Urteile vom 19.5.1993 V R 110/88, BFHE 172, 163, BStBl II
1993, 779 = SIS 93 20 49; vom 29.10.1987 V R 154/83, BFHE 152, 161,
BStBl II 1988, 508 = SIS 88 07 32; vom 23.1.1992 V R 66/85, BFHE
167, 221 = SIS 92 11 37). § 14 Abs. 2 (und nicht Abs. 3) UStG
1993 erfasste nach ständiger Rechtsprechung auch die
Fälle, in denen ein Unternehmer in einer Rechnung Umsatzsteuer
für nicht steuerbare Umsätze gesondert ausgewiesen hat
(Senatsurteil vom 13.11.2003 V R 79/01, BFHE 204, 332, BStBl II
2004, 375 = SIS 04 13 69, m.w.N.) - wie im Streitfall die
Verkäuferin im Kaufvertrag vom 14.9.1994 - .
bb) Erst nachdem das FA III am 26.1.1998 den
Umsatzsteuerbescheid für 1996 erlassen hatte, gab der
erkennende Senat mit Urteil in BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695 =
SIS 98 17 31 die bisherige Rechtsprechung auf.
4. Die Anwendung des § 176 Abs. 1 Nr. 3
AO hat zur Folge, dass zugunsten des Steuerpflichtigen die
bisherige Rechtslage vor Änderung der Rechtsprechung
weiterhin maßgeblich ist. D.h. der Steuerpflichtige ist so zu
stellen, wie er gestanden hätte, wenn sich die Rechtsprechung
nicht geändert hätte. Die Klägerin ist deshalb
hinsichtlich der Berechtigung zum Vorsteuerabzug so zu behandeln,
wie sich dies bei Weitergeltung der bisherigen Rechtsprechung
ergeben hätte.
Nach der bis zum BFH-Urteil in BFHE 185, 536,
BStBl II 1998, 695 = SIS 98 17 31 geltenden Rechtslage war die zu
Unrecht nach § 14 Abs. 2 UStG 1993 ausgewiesene Umsatzsteuer
zwar abziehbar; bei Berichtigung der Rechnung war nach § 14
Abs. 2 Satz 2 UStG 1993 § 17 Abs. 1 UStG 1993 entsprechend
anzuwenden. Der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat,
hatte den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen.
Gleichzeitig hatte der Leistungsempfänger den dafür in
Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Die
Berichtigung des Vorsteuerabzuges war nach § 17 Abs. 1 Satz 3
UStG 1993 für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in den die
Rechnungsberichtigung fällt - im Streitfall das Jahr 1996, das
Streitjahr - . § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1993 schließt
eine Rückwirkung der Berichtigung des Umsatzsteuerausweises
auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung und damit die sonst ggf.
gebotene Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aus (vgl.
z.B. BFH-Urteil vom 4.2.2005 VII R 20/04, BFHE 209, 13 = SIS 05 21 68; z.B. Scharpenberg in Hartmann/Metzenmacher, UStG, § 14c Rz
37; vgl. Wagner, Steuer und Wirtschaft - StuW -, 1993, 260,
266).
5. Entgegen der Auffassung der Klägerin
ist für die Berichtigung der Vorsteuer beim
Leistungsempfänger nach Rechnungsberichtigung nicht
erforderlich, dass der Rechnungsaussteller die vom
Leistungsempfänger an ihn bezahlte Umsatzsteuer bereits an den
Letzteren zurückgezahlt hat. Für diese Einschränkung
ergibt sich kein Anhaltspunkt im Gesetz (vgl. BFH-Urteil in BFHE
181, 236, BStBl II 1999, 249 = SIS 97 05 22; in BFHE 171, 373,
BStBl II 1993, 643 = SIS 93 15 32; Widmann in
Plückebaum/Malitzky, UStG, 10. Aufl. § 14c Rz 26/1; Reiss
in UR 1999, 170, 172; Ruppe, UStG, 3. Aufl., zu § 11 des
österreichischen UStG Rz 137; Valentin in EFG 2005, 988; a.A.
Stadie in Rau/ Dürrwächter, UStG, 8. Aufl., § 14c Rz
152 ff.; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.11.2000 14 K
185/99, EFG 2001, 597 = SIS 01 82 66 für den hier allerdings
nicht vorliegenden Fall, dass ein Grund für die Berichtigung
nicht ersichtlich war).
Die Rechnungskorrektur in den Fällen des
§ 14 Abs. 2 UStG 1993 begründet über § 14 Abs.
2 Satz 2 und § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG 1993 eine
eigenständige Berichtigungsregelung (BFH-Urteile vom
30.11.1995 V R 57/94, BFHE 179, 453, BStBl II 1996, 206 = SIS 96 09 49; vom 12.10.1994 XI R 78/93, BFHE 176, 152, BStBl II 1995, 33 =
SIS 95 03 43; vom 13.11.1996 XI R 69/95, BFHE 181, 537, BStBl II
1997, 579 = SIS 97 06 34). Die Frage, ob im Fall einer
vereinbarungsgemäßen Minderung der Bemessungsgrundlage
i.S. des § 17 Abs. 1 UStG 1993 bereits der Zeitpunkt der
Vereinbarung maßgeblich ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 179,
453, BStBl II 1996, 206 = SIS 96 09 49) oder erst der Zeitpunkt der
Realisierung der Minderung (vgl. Urteil des Gerichtshofes der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 29.5.2001 C-86/99,
Freemans plc, UR 2001, 349, HFR 2001, 815, BFH/NV 2001, Beilage 3,
185 = SIS 01 08 78; vgl. z.B. Tehler in Reiß/
Kraeusel/Langer, UStG, § 17 Rz 64 ff., 67 und die dort
zitierten FG-Urteile), ist im Streitfall nicht
entscheidungserheblich. Denn das im Kaufvertrag für den
Grundstücksverkauf vereinbarte Entgelt (Nettobetrag) hat sich
durch die Berichtigung nicht verändert.
6. Einen Verzicht auf die Berichtigung
gebietet auch nicht der Grundsatz der Neutralität der
Umsatzsteuer.
a) Das Umsatzsteuersystem ist zwar darauf
angelegt, dass nur der Endverbraucher wirtschaftlich mit der
Umsatzsteuer belastet wird (EuGH-Urteile vom 15.10.2002 Rs.
C-427/98, Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Slg. 2002,
I-8315, BStBl II 2004, 328 = SIS 02 98 74 Randnr. 53, und vom
24.10.1996 Rs. C-317/94, Elida Gibbs, Slg. 1996, I-5339 = SIS 97 04 27, BStBl II 2004, 324, UR 1997, 265 = SIS 97 04 27, Randnrn. 19,
22, 23). Der Neutralitätsgrundsatz gebietet jedoch nicht, dem
Empfänger einer Rechnung den Vorsteuerabzug - unabhängig
vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs
- allein deshalb zu gewähren, weil die Umsatzsteuer in der
Rechnung gesondert ausgewiesen ist. Der EuGH hat unter Bezugnahme
auf das Urteil vom 13.12.1989 Rs. C-342/87, Genius Holding (Slg.
1989, 4227, UR 1991, 83) vielmehr im Urteil vom 19.9.2000 Rs.
C-454/98, Schmeink & Cofreth und Manfred Strobel (Slg. 2000,
I-6973, BFH/NV Beilage 2001, 33, UR 2000, 470 = SIS 00 12 77)
ausdrücklich bestätigt, dass sich das in der Richtlinie
77/388/EWG vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug nicht auf eine
Steuer erstreckt, die ausschließlich deshalb geschuldet wird,
weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist. Die Entscheidung des
EuGH, der Grundsatz der Mehrwertsteuer gebiete, dass zu Unrecht in
Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann, wenn der
Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens
rechtzeitig und vollständig beseitigt, betrifft nur die
Berichtigungsmöglichkeit für den Rechnungsaussteller,
nicht aber das Recht des Rechnungsempfängers auf
Vorsteuerabzug.
b) Auch die Entscheidung des EuGH vom
15.3.2007 Rs. C-35/05, Reemtsma Cigarettenfabriken GmbH (HFR 2007,
515, UR 2007, 343 = SIS 07 10 88) rechtfertigt keine andere
Betrachtung (a.A. Stadie, UR 2007, 431; Burgmaier, UR 2007, 348).
Der EuGH bestätigt die Auffassung, dass die zu Unrecht in
Rechnung gestellte Mehrwertsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen
werden darf (Randnrn. 27, 28) und nur der Schuldner der
Mehrwertsteuer gegenüber den Steuerbehörden einen
Anspruch auf Erstattung der an den Fiskus bezahlten Mehrwertsteuer
hat (Randnr. 34).
Dem Grundsatz der Neutralität und
Effektivität der Mehrwertsteuer ist genügt, wenn der
Leistende die Erstattung der irrtümlich an die
Steuerbehörden bezahlten Mehrwertsteuer verlangen kann und der
Leistungsempfänger eine zivilrechtliche Klage gegen den
Leistenden auf Rückzahlung der rechtsgrundlos bezahlten
Beträge hat (Randnr. 39). Nur wenn „die Erstattung
der Mehrwertsteuer unmöglich oder übermäßig
erschwert wird, müssen die Mitgliedstaaten jedoch, damit der
Grundsatz der Effektivität gewahrt wird, die erforderlichen
Mittel vorsehen, die es dem Dienstleistungsempfänger
ermöglichen, die zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer
erstattet zu bekommen“ (Randnr. 42). Dies setzt aber eine
Zahlung des Leistenden an die Steuerbehörden voraus. Diese
Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn ein Erstattungsanspruch
der „L“ gegenüber den Steuerbehörden
besteht deswegen nicht, weil die irrtümlich ausgewiesene
Mehrwertsteuer nicht an die Steuerbehörden entrichtet worden
ist.