Grundstück, Verzicht auf Ankaufsrecht, GrESt: Der entgeltliche Verzicht auf das an einem Grundstück eingeräumte Ankaufsrecht ist nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. - Urt.; BFH 3.9.2008, XI R 54/07; SIS 08 43 29
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist Organträgerin der X
AG, die seit 1.9.1999 unter Y GmbH firmiert.
Die X AG veräußerte mit
notariellem Kaufvertrag vom 22.12.1981 das bebaute Grundstück
in H zum Kaufpreis von 17 Mio. DM. Erwerberin war die D KG, an der
die X AG zu 95 % beteiligt war.
Mit notariellem Vertrag vom 7.4.1982
räumte die D KG der X AG ein Ankaufsrecht an dem
Grundstück ein. Das Ankaufsrecht sollte der
Ankaufsberechtigten das Recht geben, von der Eigentümerin den
Abschluss eines Kaufvertrags und die Übereignung des
Grundstücks einschließlich der darauf errichteten
Gebäude miet- und pachtfrei zu verlangen. Die X AG konnte das
Ankaufsrecht zum 31.12.2001 zum Kaufpreis von 9.500.000 DM und zum
31.12.2011 zum Kaufpreis von 5.750.000 DM ausüben. Nach §
5 des notariellen Vertrags sollten die Bestimmungen der Urkunde
für und gegen die jeweiligen Rechtsnachfolger wirken. Zur
Sicherung der sich aus dem Ankaufsrecht ergebenden Ansprüche
wurde eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen.
Kurze Zeit später wurde das
Grundstück an die R KG veräußert.
Mit Vertrag vom 26.3.1999
veräußerte diese das Grundstück an die B KG, die
nunmehr als V KG firmiert. Der Kaufpreis betrug 12.466.687,14 DM.
Im Vertrag (Teil C Aufhebung Ankaufsrechtsvertrag) vereinbarten die
R KG, die B KG und die X AG weiter, dass die X AG auf ihr
Ankaufsrecht verzichtet und sie hierfür von der
Grundstückskäuferin, der B KG, ein Entgelt von
4.213.312,86 DM erhält. Unter Tz. II.3. des notariellen
Vertrags ist festgelegt, dass die Verzichtsvergütung als
Nettoleistung zu betrachten ist, wenn entgegen der gemeinsamen
Annahme von Käuferin und Ankaufsberechtigtem auf die
vorgenannte Verzichtsvergütung Umsatzsteuer anfallen
sollte.
In den für das Streitjahr 1999
erklärten Umsätzen war der entgeltliche Verzicht der X AG
auf das Ankaufsrecht nicht enthalten. Nach einer
Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte
(das Finanzamt - FA - ) davon aus, dass der entgeltliche Verzicht
auf das Ankaufsrecht ein steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz
sei. Die entsprechende Umsatzsteuer wurde gegenüber der
Klägerin im geänderten Bescheid für 1999 vom
15.12.2003 festgesetzt.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, dass der
entgeltliche Verzicht auf das Ankaufsrecht eine sonstige Leistung
i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
darstelle, die steuerpflichtig sei. Die Voraussetzungen für
eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG seien nicht
erfüllt, weil der Umsatz nicht unter das
Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) falle. Ein
grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 6
GrEStG liege nicht vor. Denn der Erwerb des Grundstücks durch
die B KG habe sich nicht über die Ausübung des
Ankaufsrechts vollzogen. Vielmehr sei das Ankaufsrecht durch den
Verzicht untergegangen. Ein lediglich wirtschaftlicher Zusammenhang
des Verzichts mit dem Kaufvertrag zwischen der R KG und der B KG
reiche nicht aus, um hinsichtlich des Verzichts die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG bejahen
zu können. Der Verzicht auf das Ankaufsrecht unterliege auch
nicht § 1 Abs. 2 GrEStG. Das Urteil des FG ist in EFG 2007,
1297 = SIS 07 25 95 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision
rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Das FG habe fehlerhaft die Voraussetzungen
des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verneint. Die Aufhebung des
Ankaufsrechts gegen Entschädigungszahlung sei ein steuerfreier
Umsatz, weil der Vorgang unter § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG falle.
Nach dieser Vorschrift unterliege der Grunderwerbsteuer ein
Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus
einem Kaufangebot begründe. Der Tatbestand setze voraus, dass
ein rechtswirksames Kaufangebot gemacht werde, die sich daraus
ergebenden Rechte vom Berechtigten an den Dritten abgetreten
würden und der Kauf zwischen diesem und dem
Grundstückseigentümer tatsächlich zustande komme. Im
Streitfall seien im Vertrag vom 26.3.1999 in einem Akt die
Abtretung des Ankaufsrechts an die B KG und der Abschluss des
Kaufvertrags zwischen der B KG und der R KG erfolgt. Die B KG habe
so im Ergebnis das nicht durch ein Ankaufsrecht belastete
Grundstück erworben. Dem stehe nicht entgegen, dass formal
betrachtet eine Aufhebung des Ankaufsrechts vereinbart worden sei.
Abzustellen sei vielmehr auf den materiellen Gehalt des Vertrags
vom 26.3.1999, der eine Übertragung des Ankaufsrechts auf die
B KG beinhalte. Es entspreche dem in § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG
niedergelegten Willen des Gesetzgebers, die Doppelbelastung einer
Grundstücksveräußerung mit Grunderwerbsteuer und
Umsatzsteuer zu vermeiden.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die
Umsatzsteuer 1999 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides
1999 vom 15.12.2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom
3.6.2004 um 369.219,20 EUR herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der
Verzicht auf das Ankaufsrecht an dem Grundstück gegen Zahlung
einer Vergütung ein steuerpflichtiger Umsatz ist. Die
Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit i.S. von § 4 Nr.
9 Buchst. a UStG sind nicht erfüllt.
1. Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG
fallenden Umsätzen sind gemäß § 4 Nr. 9
Buchst. a UStG steuerfrei die Umsätze, die unter das GrEStG
fallen. Zu den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden
Umsätzen gehören Lieferungen und sonstige Leistungen, die
ein Unternehmer im Inland im Rahmen seines Unternehmens
ausführt.
a) Besteuerungsgegenstand ist
umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich die ausgeführte
Leistung. Sie wird bestimmt durch die Art ihrer Ausführung,
den Gegenstand, auf den die Ausführung gerichtet ist, durch
die Beteiligten (Leistender, Leistungsempfänger) und durch
ihre Entgeltlichkeit (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
29.8.1991 V R 87/86, BFHE 166, 185, BStBl II 1992, 206 = SIS 92 06 23).
Im Streitfall ist der gegen Entgelt
erklärte Verzicht der X AG auf das ihr eingeräumte
Ankaufsrecht als sonstige Leistung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1
Satz 1 UStG steuerbar.
b) Die Leistung der X AG ist weder Bestandteil
der Grundstücksveräußerung durch die R KG noch kann
sie mit dieser im Sinne einer einheitlichen Leistung
zusammengefasst werden.
aa) Aus Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
(Richtlinie 77/388/EWG) ergibt sich, dass jede Dienstleistung in
der Regel als eigene, selbstständige Leistung zu betrachten
ist (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften -
EuGH - vom 25.2.1999 Rs. C-349/96 - Card
Protection Plan Ltd. -, Slg. 1999, I-973 = SIS 99 10 25,
Randnr. 29). Zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität der
Besteuerung sollen getrennte steuerbare Umsätze, die nicht zu
einem einheitlichen Umsatz zusammengefasst werden können,
einzeln der Mehrwertsteuer unterworfen werden können (vgl.
EuGH-Urteil vom 8.7.1986 Rs. C-73/85 - Kerrutt -, Slg. 1986, I-2219
= SIS 86 20 27, Randnr. 14, zu Lieferungen und Dienstleistungen im
Rahmen eines Bauherrenmodells).
bb) Dementsprechend hat der BFH entschieden,
dass die von Bauhandwerkern im eigenen Namen gegenüber einem
Bauherrn ausgeführten Werklieferungen grundsätzlich nicht
mit Umsätzen eines anderen Unternehmers (des
Grundstückslieferers oder des Initiators eines Bauvorhabens)
„gebündelt“ werden dürfen und damit
nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei sind (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 166, 185, BStBl II 1992, 206 = SIS 92 06 23).
Für die Umsatzsteuer ist auch nicht bindend, dass Bau- und
Architektenleistungen grunderwerbsteuerrechtlich mit anderen
Leistungen zusammengefasst werden und der dadurch vorhandene
Erwerbsvorgang beim Erwerber der Grunderwerbsteuer unterworfen wird
(vgl. BFH-Urteil vom 10.9.1992 V R 99/88, BFHE 169, 255, BStBl II
1993, 316 = SIS 92 24 17, m.w.N.).
cc) Im Streitfall ist der Verzicht auf das
Ankaufsrecht durch die X AG eine gegenüber der von der R KG
getätigten Grundstücksveräußerung
selbstständige Leistung. Die Zusammenfassung der
Vereinbarungen in einer notariellen Urkunde und der durch das
Interesse der B KG als Grundstückskäuferin
begründete wirtschaftliche Zusammenhang der Verträge
führen nicht zur Annahme einer einheitlichen Leistung.
Die Leistung der X AG teilt daher nicht das
umsatzsteuerrechtliche Schicksal der
Grundstücksveräußerung. Aus diesem Grund ist
unerheblich, ob die Veräußerung des bebauten
Grundstücks nach § 1 Abs. 1a UStG als
Geschäftsveräußerung nicht steuerbar (vgl.
BFH-Urteil vom 11.10.2007 V R 27/05, BFHE 219, 266, BStBl II 2008,
438 = SIS 08 14 81, unter II.2.b) oder als
Grundstückslieferung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG
steuerfrei wäre.
2. Der Verzicht auf das Ankaufsrecht ist nicht
gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Die X AG
hat mit dem Verzicht keinen Erwerbsvorgang i.S. des § 1 GrEStG
verwirklicht.
a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 GrEStG
unterliegen der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den
Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot
begründet, und nach Nr. 7 der genannten Vorschrift die
Abtretung selbst, wenn kein solches Rechtsgeschäft
vorausgegangen ist. Ziel dieser Vorschriften ist die Erfassung des
Grundstückshandels, der der Grunderwerbsteuer für die
Weiterveräußerung eines Grundstücks dadurch
ausweicht, dass er nicht mit Grundstücken als solchen, sondern
mit Angeboten zu deren Verkauf handelt (vgl. BFH-Urteil vom
5.7.2006 II R 7/05, BFHE 213, 403, BStBl II 2006, 765 = SIS 06 37 78, m.w.N.). Der in diesen Vorschriften verwendete Begriff
„Kaufangebot“ umfasst nach der Rechtsprechung
sowohl den einseitigen Vertragsantrag (Vertragsangebot) als auch
das in die Rechtsform des Vertrags gekleidete Angebot (z.B.
Ankaufs- bzw. Optionsvertrag), wenn diese den Veräußerer
binden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 213, 403, BStBl II 2006, 765 = SIS 06 37 78, m.w.N.). Dem Kaufangebot steht ein Angebot zum Abschluss
eines anderen Vertrags gleich, kraft dessen die Übereignung
verlangt werden kann (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 GrEStG).
Die Tatbestandsverwirklichung des § 1
Abs. 1 Nr. 6 oder 7 GrEStG setzt voraus, dass ein rechtswirksames
Kaufangebot eingeräumt wird, die daraus sich ergebenden Rechte
vom Berechtigten an den Dritten abgetreten werden und der Kauf
zwischen diesem und dem Grundstückseigentümer
tatsächlich zustande kommt (vgl. BFH-Urteil vom 22.1.1997 II R
97/94, BFHE 182, 222, BStBl II 1997, 411 = SIS 97 14 15,
m.w.N.).
b) Der Verzicht auf das Ankaufsrecht ist kein
grunderwerbsteuerbarer Vorgang im Sinne dieser Vorschriften. Er
begründet weder einen Anspruch der
Grundstückskäuferin, der B KG, auf die Abtretung der
Rechte aus einem Kaufangebot oder einem Angebot zum Abschluss eines
anderen Vertrags noch werden dadurch derartige Rechte an sie
abgetreten.
Mit dem Erlöschen des Ankaufsrechts
konnte die B KG das Grundstück zwar insoweit frei von Rechten
Dritter erwerben. Dieser Umstand rechtfertigt es aber nicht, den
Verzicht auf das Ankaufsrecht grunderwerbsteuerrechtlich einer
Abtretung von Rechten aus einem Kaufangebot gleichzustellen. Denn
die auf das Ankaufsrecht verzichtende X AG hat der B KG keine
Rechte verschafft, die es dieser ermöglicht hätten, das
Grundstück erwerben zu können. Der Grundstückserwerb
beruhte auf den mit der R KG abgeschlossenen Vereinbarungen
über den Kauf des Grundstücks und nicht auf einem von der
X AG abgetretenen Ankaufsrecht. Dies zeigt sich schon darin, dass
im Vertrag vom 7.4.1982 über die Einräumung des
Ankaufsrechts ein Recht der X AG zur Benennung eines Dritten als
Ankaufsberechtigten nicht vorgesehen war und das Ankaufsrecht
frühestens zum 31.12.2001 zu einem Kaufpreis von 9.500.000 DM
hätte ausgeübt werden können. Demgegenüber hat
die B KG das Grundstück bereits im Frühjahr 1999 zu einem
wesentlich höheren Kaufpreis erworben. Es ist nicht erkennbar,
aus welchen Gründen die B KG im Jahr 1999 neben dem Eigentum
an dem Grundstück auch das Ankaufsrecht hätte erwerben
sollen. Ihr Interesse war vielmehr darauf gerichtet, dass das
Ankaufsrecht erlischt, damit sie das Grundstück frei von
Rechten Dritter erwerben konnte. Die Vereinbarungen in Teil C des
Vertrags vom 26.3.1999 betreffend die Aufhebung des
Ankaufsrechtsvertrags können deshalb entgegen der Auffassung
der Klägerin nicht dahin verstanden werden, dass das
Ankaufsrecht auf die B KG übertragen werden sollte.
c) Der Verzicht auf das Ankaufsrecht
erfüllt auch nicht einen anderen in § 1 GrEStG genannten
Steuertatbestand. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des
§ 1 Abs. 2 GrEStG nicht vor.
aa) Danach unterliegen der Grunderwerbsteuer
auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines
Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder
wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches
Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dies setzt
voraus, dass es einem Dritten, der nicht Eigentümer des
Grundstücks ist, ohne Begründung eines Anspruchs auf
Eigentumsübertragung ermöglicht wird, über ein
bestimmtes Grundstück wie ein Eigentümer zu
verfügen, d.h. wenn er es besitzen, verwalten, nutzen,
belasten und schließlich veräußern kann, und sich
diese Maßnahmen wirtschaftlich zu Gunsten oder zu Lasten des
Dritten auswirken (vgl. BFH-Urteile vom 3.5.1973 II R 37/68, BFHE
109, 476, BStBl II 1973, 709 = SIS 73 03 83; vom 26.7.2000 II R
33/98, BFH/NV 2001, 206 = SIS 01 52 74; in BFHE 213, 403, BStBl II
2006, 765 = SIS 06 37 78).
bb) Im Streitfall sind diese Voraussetzungen
nicht erfüllt. Durch den Verzicht auf das Ankaufsrecht hat die
B KG nicht die Befugnis erlangt, über das Grundstück
seiner Substanz nach zu verfügen. Diese Befugnis erlangte sie
aus dem mit der R KG geschlossenen Vertrag. Der Verzicht
führte nur zum Erlöschen des der X AG eingeräumten
Ankaufsrechts.
d) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb
gerechtfertigt, weil das FA das Entgelt für den Verzicht
gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG als Teil der
Gegenleistung für den Grundstückskauf gewertet und in die
Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen hat.
§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG schließt eine Doppelbelastung
mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer nicht generell aus (vgl.
BFH-Urteil vom 27.10.1999 II R 17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000,
34 = SIS 99 23 16). So sind Baubetreuungsleistungen nicht nach
§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG deswegen steuerfrei, weil sie beim
Leistungsempfänger in die Bemessungsgrundlage für die
Grunderwerbsteuer einbezogen worden sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE
169, 255, BStBl II 1993, 316 = SIS 92 24 17).
e) Der Verzicht auf das Ankaufsrecht ist auch
nicht nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts steuerfrei.
Insbesondere fällt der Verzicht nicht unter den Begriff
„Lieferungen von Gebäuden oder Gebäudeteilen und
dem dazugehörigen Grund und Boden“ i.S. von Art. 13
Teil B Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG.
aa) Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG gilt als Lieferung eines Gegenstands die
Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer
über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Aus
dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass der Begriff
„Lieferung eines Gegenstands“ sich nicht auf die
Eigentumsübertragung in den durch das nationale Recht
vorgesehenen Formen bezieht, sondern dass sie jede Übertragung
eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei umfasst, die
die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand
faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein
Eigentümer (vgl. EuGH-Urteile vom 8.2.1990
Rs. C-320/88 - Shipping and Forwarding Enterprise Safe -, Slg.
1990, I-285, Randnr. 7; vom 6.2.2003 Rs. C-185/01 - Auto
Lease Holland -, Slg. 2003, I-1317, Randnr. 32, BStBl II 2004, 573
= SIS 03 16 95; vom 15.12.2005 Rs. C-63/04 - Centralan Property -,
Slg. 2005, I-11087 = SIS 06 06 85, Randnr. 62). Nach ständiger
Rechtsprechung des BFH setzt die Verschaffung einer derartigen
Verfügungsmacht die Übertragung von Substanz, Wert und
Ertrag voraus (vgl. BFH-Urteil vom 6.12.2007 V R 24/05, BFHE 219,
476 = SIS 08 11 74).
bb) Der Verzicht auf das erst zu einem
späteren Termin auszuübende Ankaufsrecht stellt keine
Lieferung in diesem Sinne dar. Denn mit dem Verzicht wird nicht die
Verfügungsmacht an dem Grundstück auf einen anderen
übertragen. Die Wirkung erschöpft sich darin, dass das
Ankaufsrecht erlischt und das Grundstück insoweit nicht mit
Rechten Dritter belastet ist.
f) Zweifel an der Steuerpflicht des Verzichts
auf das Ankaufsrecht ergeben sich nicht im Hinblick auf das
EuGH-Urteil vom 15.12.1993 Rs. C-63/92 - Lubbock Fine & Co. -
(Slg. 1993, I-6665 = SIS 94 09 23), das zu einer gegen Abfindung
der Mieterin vereinbarten vorzeitigen Auflösung eines
Mietvertrags ergangen ist.
Die Ankaufsberechtigte, die X AG, hat - anders
als die Mieterin in dem vom EuGH entschiedenen Fall - nicht ein
Entgelt dafür erhalten, dass sie im Rahmen der Beendigung
eines Dauerschuldverhältnisses auf die weitere Gewährung
einer steuerfreien Leistung des Grundstückseigentümers
verzichtet hat. Die Einräumung des Ankaufsrechts durch den
Grundstückseigentümer unterliegt nicht der
Grunderwerbsteuer und erfüllt daher nicht die Voraussetzungen
des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG (vgl. Klenk in
Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 9 Rz
48.5). Erst mit dem durch die Ausübung des Ankaufsrechts
herbeigeführten Kaufvertrag wird ein Vorgang gemäß
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht (vgl. BFH-Urteil vom
15.3.2006 II R 29/04, BFH/NV 2006, 1702 = SIS 06 34 64), mit der
Folge, dass eine nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie
Lieferung des Grundstücks vorliegen kann. Der Verzicht auf das
Ankaufsrecht betrifft damit - im Gegensatz zu dem Verzicht der
Mieterin auf ihre Rechte aus dem Mietvertrag - keine laufend
erbrachten steuerfreien Leistungen des
Grundstückseigentümers.
3. Eine Vorlage an den EuGH gemäß
Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaft hält der Senat nicht für erforderlich. Es
widerspricht nicht dem Gemeinschaftsrecht, dass der entgeltliche
Verzicht auf das Ankaufsrecht sowohl bei der Festsetzung der
Umsatzsteuer als auch bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer
berücksichtigt wurde.
a) Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
bestimmt:
|
„Unbeschadet anderer
Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere der geltenden
Gemeinschaftsbestimmungen über das allgemeine System, den
Besitz, die Beförderung und die Kontrolle von
verbrauchsteuerpflichtigen Waren, hindern die Bestimmungen dieser
Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf
Versicherungsverträge, Abgaben auf Spiele und Wetten,
Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle
Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von
Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern
diese Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den
Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang
verbunden sind.“
|
b) Diese Bestimmung gestattet die Beibehaltung
von Steuern auf Lieferungen von Gegenständen, Dienstleistungen
und Einfuhren durch den Mitgliedstaat nur, wenn sie nicht den
Charakter von Umsatzsteuern haben (vgl. EuGH-Urteil vom 3.10.2006
Rs. C-475/03 - Banca Popolare di Cremona -, Slg. 2006, I-9373 = SIS 06 44 33, Randnr. 24).
Die wesentlichen vier Merkmale der
Mehrwertsteuer sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH
(vgl. EuGH-Urteil vom 11.10.2007 Rs. C-283/06 und C-312/06 -
Kögáz rt u.a. -, Slg. 2007, I-8463 = SIS 08 00 34,
Randnr. 37, m.w.N.): allgemeine Geltung der Mehrwertsteuer für
alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden
Geschäfte; Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis,
den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die
Gegenstände und Dienstleistungen erhält; Erhebung dieser
Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe
einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl
der vorher bewirkten Umsätze; Abzug der auf den vorhergehenden
Produktions- und Vertriebsstufen bereits entrichteten Beträge
von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer, so dass
sich diese Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser
Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom
Verbraucher getragen wird.
Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steht
der Beibehaltung einer Steuer nicht entgegen, die eines der
wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer nicht aufweist (vgl.
EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-9373 = SIS 06 44 33, Randnrn. 36, 37,
m.w.N.).
Es ist jeweils Sache des nationalen Gerichts
zu prüfen, ob die streitige Abgabe geeignet ist, den Waren-
und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer
vergleichbaren Weise zu belasten, und dabei zu untersuchen, ob sie
deren wesentlichen Merkmale aufweist (EuGH-Urteil vom 26.6.1997 Rs.
C-370, 371, 372/95 - Careda SA u.a. -, Slg. 1997, I-3721 = SIS 97 17 60).
c) Für die nach französischem Recht
erhobenen Eintragungsgebühren auf ein Baugrundstück hat
der EuGH im Urteil vom 16.12.1992 Rs. C-208/91 - Raymond Beaulande
- (Slg. 1992, I-6709 = SIS 93 14 21) entschieden, dass derartige
Eintragungsgebühren keine allgemeinen Steuern sind, da sie nur
entgeltlich übereignete unbewegliche Sachen betreffen, deren
Übertragung mit einer Reihe von Formalitäten verbunden
ist. Derartige Gebühren zielten somit nicht darauf ab, die
Gesamtheit der wirtschaftlichen Vorgänge in dem beteiligten
Mitgliedstaat zu erfassen. Ferner fehle es an einem Produktions-
und Verteilungsprozess, da die Eintragungsgebühr nur erhoben
werde, wenn die unbewegliche Sache in das Vermögen des
Endverbrauchers übergehe. Überdies könne diese
Steuer nicht von gleichartigen, aus Anlass späterer
Veräußerungen entrichteten Steuern abgezogen werden.
Schließlich bleibe bei der Erhebung derartiger Steuern, die
auf der Grundlage des Gesamtwerts der Sache erhoben würden,
der Mehrwert unberücksichtigt.
d) Diese Erwägungen gelten in gleicher
Weise für die nach deutschem Recht erhobene Grunderwerbsteuer
und schließen es aus, dieser den Charakter einer Umsatzsteuer
beizulegen (vgl. BFH-Urteil vom 2.4.2008 II R 53/06, BFH/NV 2008,
1268 = SIS 08 21 73). Denn sie bezieht sich nur auf bestimmte, im
Einzelnen festgelegte Rechtsvorgänge im Zusammenhang mit dem
Erwerb von Grundstücken. Sie wird auch nur auf einer Stufe
erhoben. Ein Steuerpflichtiger kann die beim Erwerb angefallene
Grunderwerbsteuer nicht auf die anlässlich der
Veräußerung des Grundstücks fällige Steuer
anrechnen.
4. Aufgrund der Vorlage des
Niedersächsischen FG vom 2.4.2008 7 K 333/06 (EFG 2008, 975 =
SIS 08 23 37) an den EuGH ist eine Aussetzung des
Revisionsverfahrens nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO
nicht geboten.
a) Nach § 74
FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz
oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines
Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines
anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die
Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits
auszusetzen ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind auch
dann erfüllt, wenn der EuGH mit Fragen zur Auslegung des
Gemeinschaftsrechts befasst ist, von deren Beantwortung die
Entscheidung des Rechtsstreits abhängig ist (vgl.
BFH-Beschluss vom 22.3.2007 V B 136/05, BFH/NV 2007, 1719 = SIS 07 28 12).
b) Die
Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit hängt nicht von der
Beantwortung der Frage ab, die das Niedersächsische FG dem
EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Das Niedersächsische
FG hat Zweifel, ob die Erhebung der deutschen Grunderwerbsteuer auf
künftige Bauleistungen durch deren Einbeziehung in die
grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage beim Erwerb eines noch
unbebauten Grundstücks (sog. einheitlicher Leistungsgegenstand
bestehend aus Bauleistungen sowie Erwerb des Grund und Bodens)
gegen das europäische Umsatzsteuer-Mehrfachbelastungsverbot
des Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG verstößt,
wenn die grunderwerbsteuerlich belasteten Bauleistungen zugleich
als eigenständige Leistungen der deutschen Umsatzsteuer
unterliegen.
Die Vorlage betrifft damit einen völlig
anders gelagerten Sachverhalt. Zu beurteilen ist die Festsetzung
von Grunderwerbsteuer im Falle des Erwerbs eines unbebauten
Grundstücks, wenn künftige Bauleistungen in die
grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden.
Demgegenüber geht es im Streitfall um die Festsetzung von
Umsatzsteuer für den entgeltlichen Verzicht auf ein
Ankaufsrecht, wenn das Entgelt bei der Festsetzung der
Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Anspruchs auf
Übereignung des Grundstücks als Teil der Gegenleistung
berücksichtigt wurde.