Versteckte Zigaretten, unwissender LKW-Fahrer als Steuerschuldner: Der Fahrer eines Lastzugs "verbringt" im Sinne des TabStG Waren in das Steuergebiet und wird folglich Steuerschuldner auch dann, wenn die Waren ohne sein Wissen in dem Fahrzeug versteckt worden sind. - Urt.; BFH 10.10.2007, VII R 49/06; SIS 08 10 27
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) hat im Mai 2005 für seinen Arbeitgeber, eine
Spedition, einen LKW-Transport mit Möbeln durchgeführt.
Die Waren sind in Polen verladen und dem Kläger mit
Frachtpapieren, die als Ladung Möbel nannten, übergeben
worden, damit er sie zunächst zu einer Firma nach Hannover
bringe. In den Möbeln waren, was der Kläger nach den
Feststellungen des Finanzgerichts (FG) nicht wusste, rund 8.000
Stangen Zigaretten aus dem freien Verkehr Polens versteckt. Diese
wurden bei einer Kontrolle des Lastzugs durch eine mobile
Kontrolltruppe des Beklagten und Revisionsklägers
(Hauptzollamt - HZA - ) entdeckt.
Der Kläger ist wegen dieses Vorgangs
inzwischen vom Amtsgericht (AG) rechtskräftig wegen
Steuerhehlerei verurteilt worden. Er ist vom HZA zunächst auf
Tabak- und Einfuhrumsatzsteuer für die Zigaretten in Anspruch
genommen worden. Nachdem der Bescheid wegen der Einfuhrumsatzsteuer
aufgehoben worden ist, streiten die Beteiligten nur noch um die
Tabaksteuer.
Das vom Kläger nach erfolglosem
Einspruchsverfahren deswegen angerufene FG hat dem Kläger
wegen der versäumten Klagefrist Wiedereinsetzung gewährt,
weil die Klageschrift dem FG erst „unerwartet“
spät zugegangen sei, und den Steuerbescheid des HZA durch das
in ZfZ 2006, 380 = SIS 07 02 11 veröffentlichte Urteil
aufgehoben. Es führt aus, es könne den tatsächlichen
Feststellungen in dem Urteil des AG nicht folgen, weil es, soweit
das AG geständige Einlassungen des Klägers angenommen
habe, an Angaben darüber fehle, welcher Art diese Einlassungen
gewesen sein sollen, und weil sich das AG nicht mit den Kläger
entlastenden Umständen auseinandergesetzt habe.
Es sei danach davon auszugehen, dass der
Kläger bis zu seinem Aufgriff nicht gewusst habe, dass sich in
der Ladung versteckt Zigaretten befanden. Er sei daher nicht nach
§ 19 des Tabaksteuergesetzes (TabStG) Steuerschuldner
geworden, weil er nicht als Verbringer im Sinne dieser Vorschrift
anzusehen sei. Verbringer sei nur derjenige, der wisse, dass er
steuerpflichtige Ware in das Steuergebiet verbringt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG
zugelassene Revision des HZA. Sie wird im Wesentlichen
folgendermaßen begründet:
Die Steuer sei vorliegend nicht
entsprechend Art. 7 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom
25.2.1992 über das allgemeine System, den Besitz, die
Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren
(System-Richtlinie, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
- ABlEG - Nr. L 76/1, mit Änderungen), sondern nach deren Art.
9 Abs. 1 entstanden, wonach eine Verbrauchsteuer entsteht, wenn die
in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr
überführten Waren zu gewerblichen Zwecken in einem
anderen Mitgliedstaat in Besitz gehalten werden. Art. 6 Abs. 2
System-Richtlinie überlasse es den Mitgliedstaaten, die
Bestimmungen festzulegen, nach denen die Steuer erhoben und
eingezogen wird; es habe dem deutschen Gesetzgeber freigestanden,
insofern an den Vorgang des Verbringens anzuknüpfen. Dieser
sei im TabStG nicht definiert und daher in Bezug auf
Warenbewegungen mit Drittländern und mit Mitgliedstaaten nicht
unterschiedlich auszulegen.
Allerdings sei der deutsche Gesetzgeber
aufgrund von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 System-Richtlinie in seiner
Gestaltungsfreiheit eingeschränkt, weil danach die Steuer nur
von einer Person geschuldet werde, in deren Besitz sich die Ware zu
gewerblichen Zwecken befindet. Die dafür erforderliche
Sachherrschaft habe jedoch auch derjenige, der Sachen in einem
Fahrzeug transportiert und eine von generellem Besitzwillen
getragene tatsächliche Sachherrschaft ausübt.
Das HZA beantragt sinngemäß, das
Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat sich zu der Revision
nicht geäußert.
II. Die Revision des HZA ist begründet
und führt zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das Urteil des FG
verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO).
1. Der erkennende Senat geht bei der
rechtlichen Würdigung davon aus, dass der Kläger bis zu
seinem Aufgriff nicht wusste, dass sich in dem von ihm
geführten LKW versteckt Zigaretten befanden. Denn der Senat
ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO an die
diesbezügliche tatsächliche Feststellung des FG
gebunden.
Eine solche Bindung besteht zwar nicht
ausnahmslos; sie greift vielmehr nur ein, wenn die Feststellungen
des FG, wenn auch nicht zwingend, so doch wenigstens möglich
sind und auf einer verstandesmäßig einsichtigen und
logisch nachvollziehbaren Beweiswürdigung beruhen (vgl. statt
aller Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2.12.2004 III R
50/03, BFH/NV 2005, 1009 = SIS 05 25 55). Der erkennende Senat kann
offenlassen, ob das Urteil des FG diesen Anforderungen genügt,
insbesondere insoweit das FG meint, einen hinreichenden Anlass
dafür zu haben, sich über das eigene vor dem Strafrichter
abgegebene Geständnis des Klägers hinwegsetzen zu
können. Denn selbst wenn die Feststellung des FG, dass der
Kläger von den Zigaretten nichts gewusst hat, den erkennenden
Senat bindet, verletzt seine Entscheidung Bundesrecht und erweist
sich auch nicht als im Ergebnis richtig (§ 126 Abs. 4
FGO).
2. Der Rechtsansicht des FG, der Kläger
sei nicht Schuldner der Tabaksteuer geworden, weil er von der
Existenz der in seinem Fahrzeug versteckten Zigaretten, die er in
das Steuergebiet gebracht hat, ohne bei dem Grenzübertritt
eine Steuererklärung abzugeben, nichts gewusst habe, kann
nämlich nicht gefolgt werden.
Werden Tabakwaren unzulässigerweise
entgegen § 12 Abs. 1 TabStG aus dem freien Verkehr anderer
Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet
verbracht, entsteht die Steuer mit dem Verbringen in das
Steuergebiet. Steuerschuldner ist, wer verbringt (§ 19
Sätze 1 und 2 TabStG).
Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind
in der Person des Klägers erfüllt.
a) Nach § 12 Abs. 1 TabStG ist für
Tabakwaren die Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen zu
entrichten; die Steuerzeichen müssen entwertet und an den
Kleinverkaufspackungen angebracht sein, wenn die Steuer entsteht
(§ 12 Abs. 1 TabStG). Dem ist im Streitfall offenkundig nicht
entsprochen worden; die Zigaretten sind - ungeachtet der vom FG
bezweifelten Steuerschuldnerschaft des Klägers - in das
Steuergebiet verbracht worden, was keiner näheren
Ausführung bedarf, und Steuerzeichen waren für sie nicht
verwendet worden. Dies geschah ungeachtet der Vorstellungen des
Klägers auch im Sinne der Vorschrift zu gewerblichen Zwecken,
worauf noch zurückzukommen ist.
b) Der Kläger ist hinsichtlich dieses
Vorgangs nach § 19 Satz 2 TabStG Steuerschuldner, weil er es
ist, der die Zigaretten in das Steuergebiet verbracht hat.
Der Fahrer eines Lastzugs verbringt im Sinne
des Zollkodex (ZK) Waren auch dann in das Zollgebiet der
Gemeinschaft, wenn die Waren ohne sein Wissen in dem Fahrzeug
versteckt worden sind (Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 4.3.2004 Rs. C-238/02
und 246/02, EuGHE 2004, I-2141). In gleicher Weise verbringt der
Fahrer eines Lastzugs verbrauchsteuerpflichtige Waren in das
Steuergebiet auch dann, wenn die Waren ohne sein Wissen in dem
Fahrzeug versteckt worden sind. Denn es fehlt an jedem ernsthaften
Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber des § 19 TabStG
den Begriff des Verbringens in einem anderen Sinne als dem
gebraucht haben sollte, den dieser Begriff nach der vorgenannten
Entscheidung des EuGH im ZK der Gemeinschaft hat. Unbeschadet der
Einwände, die gegen diese Begriffsauslegung erhoben worden
sind, entspricht dieses Begriffsverständnis bzw. diese
Bestimmung der Person dessen, der verbringt, dem herkömmlichen
Verständnis, das bis zum Ergehen des
Vorabentscheidungsersuchens des erkennenden Senats vom 7.5.2002 VII
R 38/01 (BFH/NV 2002, 1191 = SIS 02 87 37), durch das das
vorgenannte Verfahren des EuGH eingeleitet worden ist, weitgehend
unstrittig gewesen ist. Das Verbringen wurde als reine
„Tathandlung“ verstanden, d.h. als ein Tun, das
bewirkt, dass Waren in das Gebiet eines anderen Staates
(Zollgebiet, Zollgebiet der Gemeinschaft, Steuergebiet) gelangen;
auf Vorstellungen oder Verschulden des Handelnden wurde nicht
abgestellt, dass die betreffenden Waren durch Dritte
möglicherweise ohne Wissen des Fahrzeugführers in dem
Fahrzeug untergebracht worden sind, wurde als
entscheidungsunerheblich angesehen (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom
30.8.1994 VII B 71/94, BFH/NV 1996, 375; Urteil des FG
Düsseldorf vom 14.4.2000 4 K 7790/98 VTa,Z,EU, ZfZ 2000, 315;
Witte, Zollkodex, 3. Aufl. 2002, Art. 202 Rz 18 sowie Witte/Kampf,
ebenda, Art. 38 Rz 4). Das Urteil des FG enthält keine Angaben
dazu, weshalb das FG meint annehmen zu können, dass der
Gesetzgeber des TabStG dem im Zollrecht seit jeher geläufigen
Begriff des Verbringens eine andere, hiervon und damit vom
Zollrecht abweichende Bedeutung beigelegt haben sollte. Dafür
ist auch sonst nichts erkennbar.
c) Das Gemeinschaftsrecht, insbesondere die
vorgenannte System-Richtlinie, zwingen zu einer solchen vom
Zollrecht und vom herkömmlichen Verständnis abweichenden
Auslegung des Begriffes nicht. Ungeachtet der Frage, ob bei
Fallkonstellationen wie der vorliegenden Art. 7 Abs. 3
System-Richtlinie einschlägig ist - wie das FG meint - oder
Art. 9 Abs. 1 System-Richtlinie - wie die Revision geltend macht -,
schließen das Gemeinschaftsrecht und eine ihm entsprechende
Auslegung des § 19 TabStG die Annahme einer
Steuerschuldnerschaft des Klägers nicht aus. Das
Gemeinschaftsrecht knüpft die Steuerschuldnerschaft allerdings
in beiden vorgenannten Vorschriften an den
„Besitz“, nämlich in Art. 7 Abs. 3
System-Richtlinie an den Besitz einer zur Lieferung bestimmten Ware
und in Art. 9 Abs. 1 System-Richtlinie in sonstigen
(Nicht-Lieferungs-)Fällen. Der Kläger hatte indes im
Sinne dieser Vorschriften „Besitz“ an den in
seinem Fahrzeug versteckten Zigaretten.
aa) Der Begriff des Besitzes ist allerdings im
Gemeinschaftsrecht nicht definiert; auch die Rechtsprechung des
EuGH hat es, soweit ersichtlich, bisher nicht unternommen, die
Elemente dieses Begriffes herauszuarbeiten. Gleichwohl steht
außer Zweifel, dass zumindest ein entscheidendes Element des
Besitzes im Sinne der System-Richtlinie die Möglichkeit ist,
über eine Sache oder eine Sachgesamtheit die tatsächliche
Herrschaft („Sachherrschaft“) ausüben zu
können.
Bei der Bestimmung des
(verbrauchsteuerrechtlichen) Abgabenschuldners geht es dem
Gemeinschaftsrecht darum, denjenigen in Anspruch nehmen zu
können, in dessen unmittelbarer Obhut eine Ware sich befindet
und der deshalb anhand objektiver Umstände relativ leicht
ausgemacht und zur steuerrechtlichen Verantwortung gezogen werden
kann. Dem entspricht, dass der EuGH in seinem Urteil in EuGHE 2004,
I-2141 für die Begründung der Zollschuldnerschaft
entscheidend auf die (zollrechtliche) Verantwortlichkeit derjenigen
abgestellt hat, die die „Herrschaft“ über
das Fahrzeug haben, in dem sich Waren befinden, nämlich der
Fahrer und Beifahrer sowie andere sich im Fahrzeug befindende
Personen, die hinsichtlich der Verbringung der Waren Verantwortung
tragen; der EuGH hat dabei sogar ersichtlich für bedeutungslos
gehalten, ob die Betreffenden diese Herrschaft und die daraus
folgende Verantwortlichkeit im Interesse eines anderen und im
Rahmen eines diesbezüglichen
Abhängigkeitsverhältnisses ausüben (zu den
hinsichtlich einer Abgabenschuldnerschaft des Besitzherrn
erforderlichen gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen vgl.
EuGH-Urteil vom 23.9.2004 Rs. C-414/02, EuGHE 2004, I-8633 = SIS 04 39 81).
Der erkennende Senat vermag deshalb auch
keinen für die Entscheidung ausschlaggebenden Gesichtspunkt
daraus zu gewinnen, dass, wie das FG meint, das
Verbrauchsteuerrecht anders als das Zollrecht nicht auf eine
umfassende Überwachung des grenzüberschreitenden
Warenverkehrs angelegt sei. Die Erwägung des EuGH, dass der ZK
Personen, die ein Transportmittel in das Zollgebiet der
Gemeinschaft verbringen, das geeignet ist, Waren zu enthalten, eine
ganz bestimmte Verantwortlichkeit auferlege, nämlich dahin,
der Zollbehörde Mitteilung über alle in das Zollgebiet
verbrachten Waren und somit auch über versteckte Waren zu
machen, gilt nämlich unbeschadet des Fehlens entsprechender
Grenzkontrollen im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten und den
Besonderheiten der Tabaksteuerentrichtung durch Verwendung von
Steuerzeichen ganz genau so für das Verbrauchsteuerrecht;
sowohl die System-Richtlinie als auch das TabStG lassen
grundsätzlich nicht zu, dass verbrauchsteuerpflichtige Waren
aus einem anderen Mitgliedstaat, mögen sie dort auch bereits
einer entsprechenden Verbrauchsteuer unterworfen worden sein, (zu
gewerblichen Zwecken) in einen Mitgliedstaat ohne Entrichtung der
dortigen Verbrauchsteuern gelangen, und sie wollen u.a. denjenigen
als Steuerschuldner in Anspruch nehmen, der dafür aufgrund
seines Besitzes an der Ware als verantwortlich angesehen werden
kann bzw. dies bewirkt („verbringt“), ohne dass
die dadurch entstehende Steuerschuld entsprechend § 12 TabStG
beglichen worden ist.
Dass dem Führer eines Fahrzeugs die
Möglichkeit der Sachherrschaft über sein Fahrzeug und
alle in ihm befindlichen Gegenstände nicht fehlt, bedarf
keiner Ausführung, sondern zur Klarstellung allenfalls der
Einschränkung, dass sich diese Sachherrschaft nicht auf von
mitfahrenden Personen als persönliches Gepäck gleichsam
in einer Besitzenklave aufbewahrte Sachen erstreckt (vgl.
Senatsurteil vom 6.10.1998 VII R 20/98, ZfZ 1999, 126 = SIS 98 56 73; zu Gepäckstücken, zu denen sich ein Besitzer nicht
bekennt vgl. Senatsbeschluss vom 14.9.2005 VII S 7/05 (PKH), ZfZ
2006, 93 = SIS 06 03 50).
bb) Im deutschen Zivilrecht erschöpft
sich der Besitzbegriff freilich nicht in der Sachherrschaft,
sondern enthält ein zusätzliches subjektives Element,
nämlich den Willen, über eine Sache oder Sachgesamtheit
die Sachherrschaft auszuüben
(„Besitzwille“). Es bedarf indes in diesem
Verfahren keiner grundsätzlichen und abschließenden
Klärung, ob und gegebenenfalls in welchem Sinne die
System-Richtlinie mit dem Besitzbegriff ebenfalls auf einen solchen
Besitzwillen abstellt. Es trifft nämlich jedenfalls nicht zu,
dass ein Fahrzeugführer nur insoweit Besitzwillen hat, wie
seine Kenntnis von der Zusammensetzung seiner Ladung reicht, dass
also sein Besitzwille anders als seine Sachherrschaft sich nur auf
solche Gegenstände bezöge, von deren Vorhandensein oder
gar von deren Beschaffenheit er weiß. Im Gegenteil pflegt
sich jedenfalls der Fahrer eines LKW mitunter gar keinen Begriff
davon zu machen, welche Waren etwa auf Veranlassung seines
Arbeitgebers in seinem Fahrzeug verladen worden sein mögen,
ohne dass dies rechtfertigen könnte, ihm den Besitzwillen an
Fahrzeug und Ladung in ihrer Gesamtheit abzusprechen. Denn der
Besitz im Sinne einer von Besitzwillen getragenen Sachherrschaft
bezieht sich auf diese Gesamtheit, was immer zu ihr gehören
mag; wer Sachen in seiner tatsächlichen Gewalt hat, wird
nämlich im Allgemeinen eine eigenmächtige Einwirkung
Dritter auf dieselben nicht dulden wollen, wobei sich ein solcher
Besitzwille im täglichen Leben vielfach nicht auf bestimmte
Gegenstände richtet, deren Art und Existenz der Besitzer
gewiss ist, sondern sich als genereller Besitzwille auf die in
einem Raum oder in einem Behältnis wie einem LKW befindlichen
Sachen bezieht (vgl. zum Begriff im Sinne des deutschen Zivilrechts
Urteile des Bundesgerichtshofs vom 11.11.1970 VIII ZR 41/69, MDR
1971, 211, und vom 24.6.1987 VIII ZR 379/86, BGHZ 101, 186 zu in
einem Geschäftslokal verlorenen Sachen).
cc) Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür,
dass das Gemeinschaftsrecht bei einer insofern offenbar vom FG
für geboten erachteten „weniger
rechtstechnischen“ Auslegung des Besitzbegriffes eine
engere Beschränkung des Besitzwillens auf solche
Gegenstände geböte, von denen der Besitzer weiß.
Erst recht ist es nicht gerechtfertigt anzunehmen, im Sinne der
System-Richtlinie fehle es am Besitz einer Person bei
Gegenständen, die sich als Ladung in einem in deren Besitz
befindlichen Lastfahrzeug befinden, wenn und insoweit die
betreffende Person nicht weiß, um welche Gegenstände es
sich handelt. Im Gegenteil: Das Ziel der schuldrechtlichen
Bestimmungen der System-Richtlinie, nämlich die
Möglichkeit einer Abgabenerhebung für ohne Steuererhebung
in einen anderen Mitgliedstaat gelangte verbrauchsteuerpflichtige
Waren in jedem Falle zu gewährleisten, wäre sonst ebenso
gefährdet oder sogar kaum erreichbar, wie dies bei der Einfuhr
verbrauchsteuerpflichtiger Waren hinsichtlich des Zolls, aber auch
der bei einer Einfuhr jeweils einschlägigen Verbrauchsteuern
der Fall ist, in welchem Zusammenhang die Kenntnis des
Fahrzeugführers von der Zusammensetzung seiner Ladung, wie
erwähnt, keine Rolle spielt.
Ein Besitzverhältnis im Sinne der
einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften hat
dementsprechend auch die bisherige Rechtsprechung des erkennenden
Senats dann angenommen, wenn eine tatsächliche Herrschaft der
Person über die Sache besteht und diese von dem Besitzwillen
der betreffenden Person getragen ist (Senatsurteil vom 20.1.1998
VII R 57/97, BFH/NV 1998, 893). Der Senat hat insbesondere ein
solches Besitzverhältnis auch bei dem Führer eines LKW
bejaht, der lediglich für andere „im Rahmen eines
Abhängigkeitsverhältnisses“ einen Transport
durchführt (Beschluss vom 2.8.1999 VII B 211/98, BFH/NV 2000,
102 = SIS 00 50 94), der also möglicherweise im Sinne des
deutschen Zivilrechts nicht einmal als Besitzer anzusehen ist; denn
§ 855 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) spricht
demjenigen die Stellung eines Besitzers ab und erklärt ihn zum
bloßen „Besitzdiener“, der die
tatsächliche Gewalt über eine Sache für einen
anderen „in dessen Haushalt oder Erwerbsgeschäft oder
in einem ähnlichen Verhältnis ausübt, vermöge
dessen er den sich auf die Sache beziehenden Weisungen des anderen
Folge zu leisten hat“. Das Gemeinschaftsrecht kennt indes
jedenfalls in dem hier interessierenden Zusammenhang des Verkehrs
mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren den Begriff des Besitzdieners,
soweit ersichtlich, nicht. Abgesehen davon ist es gerechtfertigt
Abhängigkeitsverhältnisse verbrauchsteuerschuldrechtlich
unberücksichtigt zu lassen, weil die von § 855 BGB und
der Rechtsfigur der Besitzdienerschaft bezweckte Beschränkung
der (Besitz-)Rechte für die Bestimmung des
Verbrauchsteuerschuldners keine Bedeutung haben kann, nachdem die
System-Richtlinie, wie ausgeführt, denjenigen zur
Verbrauchsteuer heranziehen will, der die Sachherrschaft über
die betreffenden Gegenstände ausübt und für die
zuständige Behörde dadurch in der Regel am leichtesten
und sichersten zur Verantwortung gezogen werden kann.
d) Die Steuerschuldnerschaft des Klägers
nach § 19 TabStG ist schließlich auch nicht deshalb
ausgeschlossen, weil es daran fehlte, dass die Waren im Sinne
dieser Vorschrift zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet
verbracht worden sind. Das Fehlen gewerblicher Zwecke lässt
sich nämlich nicht, wie das FG meint, mit der Erwägung
begründen, der Kläger habe, weil er von der Existenz der
Zigaretten nichts gewusst habe, mit dem Verbringen gewerbliche
Zwecke im Hinblick auf die Zigaretten gar nicht verfolgen
können. Diese Argumentation verkennt, dass § 19 TabStG
nicht voraussetzt, dass derjenige, der die Waren in das
Steuergebiet verbringt, selbst im Hinblick auf die Waren
gewerbliche Zwecke verfolgt; er stellt vielmehr darauf ab oder
lässt jedenfalls genügen, dass die Waren nach ihrem
Verbringen im Steuergebiet zu gewerblichen Zwecken verwendet werden
sollen, mag derjenige, der sie in das Steuergebiet verbringt, sich
darüber auch keine Vorstellungen machen oder darüber
sogar im Irrtum sein. Dem entspricht es, wenn der EuGH in dem
Urteil vom 23.11.2006 Rs. C-5/05 (ZfZ 2007, 19 = SIS 07 03 04)
davon spricht, dass Waren, deren Besitz nicht persönlichen
Zwecken diene, notwendigerweise als Waren anzusehen seien, die sich
zu kommerziellen Zwecken in dem anderen Mitgliedstaat befinden
(Rdnr. 29 und 51), und dass der EuGH aus den objektiven
Umständen, nämlich dass Waren von einem
Beförderungsunternehmen in einen anderen Mitgliedstaat
verbracht werden - und nicht etwa aufgrund der subjektiven
Absichten oder Vorstellungen des Verbringers -, auf ihren
gewerblichen Verwendungszweck schließt.
3. Es bedarf in diesem Verfahren keiner
Entscheidung, ob der Auftraggeber des Klägers als Hintermann
des Zigarettenschmuggels, für welchen der Kläger demnach
die steuerschuldrechtliche Verantwortung trägt, ebenfalls
Schuldner der Tabaksteuer geworden ist und gegebenenfalls neben dem
Kläger hätte in Anspruch genommen werden können und
ob er unter Umständen sogar - schon aufgrund seiner
mutmaßlich größeren Zahlungsfähigkeit -
vorrangig hätte in Anspruch genommen werden sollen.
Da sich das HZA dabei der durch die Verordnung
(EG) Nr. 2073/2004 des Rates vom 16.11.2004 über die
Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der
Verbrauchsteuern (ABlEG Nr. L 359/1) geschaffenen Instrumente der
Amtshilfe hätte bedienen können, dürfte zwar die
Erhebung der Steuer in dieser Weise nicht von vornherein
aussichtslos gewesen sein. Rechte des Klägers sind indes nicht
dadurch verletzt worden, dass das HZA es anscheinend unterlassen
hat, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen und zu verfolgen.
Die Entscheidung, welcher von mehreren Steuerschuldnern in Anspruch
genommen werden soll, steht im Ermessen des HZA. Allerdings hat der
Steuerschuldner nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Urteil vom
20.7.2004 VII R 20/02, BFHE 207, 565 = SIS 05 03 74) ein
subjektives Recht darauf, dass das HZA bei dieser
Ermessensentscheidung in Erwägung zieht, welche weiteren
Steuerschuldner vorhanden sind, ob die Forderung gegen diese
durchgesetzt werden könnte und ob eine am
Gerechtigkeitsgedanken orientierte Abwägung dafür
spricht, vornehmlich oder zumindest kumulativ diese in Anspruch zu
nehmen. Die Ermessensentscheidung ist jedoch in der Regel im Sinne
einer abgabenrechtlichen Inanspruchnahme des Steuerstraftäters
vorgeprägt; mehrere Gesamtschuldner, die sich einer
vorsätzlichen Steuerstraftat schuldig gemacht haben, stehen
bei der Ausübung des behördlichen Auswahlermessens
grundsätzlich gleichrangig nebeneinander, weshalb es in
solchen Fällen einer besonderen Begründung des
Auswahlermessens nicht bedarf (Senatsurteil vom 2.12.2003 VII R
17/03, BFHE 204, 380 = SIS 04 06 12).
Auch im Streitfall war die
Ermessensentscheidung in diesem Sinne dahin vorgeprägt, dass
der Kläger in Anspruch genommen werden durfte, ohne dass die
Inanspruchnahme des offenbar in Polen ansässigen Hintermannes
des Schmuggels hätte in Betracht gezogen werden müssen.
Der Kläger ist zwar - nach den Feststellungen des FG - kein
Steuerstraftäter. Er hat sich jedoch durch sein vor dem
Strafrichter abgelegtes Geständnis einer Steuerstraftat selbst
bezichtigt. Diesem - bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens
nicht widerrufenen - Geständnis musste das HZA nicht etwa
misstrauen und gleichwohl vor einer Inanspruchnahme des
Klägers für die hinterzogene Tabaksteuer
Ermessenserwägungen dazu anstellen, ob die Steuerforderung
nicht vorrangig gegen den oder die Organisatoren des Schmuggels mit
Amtshilfe der Behörden eines fremden Staates durchzusetzen
wäre.
4. Da der angefochtene Bescheid
rechtmäßig ist (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO), ist die
Klage abzuweisen und das dem entgegenstehende Urteil des FG
aufzuheben.