Ausscheiden eines Mitunternehmers, Kürzung des Verlustvertrags, Verfassungswidrigkeit der Rückwirkung des § 10 a Satz 4 GewStG: 1. Scheidet ein Mitunternehmer aus einer Personengesellschaft aus, so ist der für den letzten Stichtag vor dem Ausscheiden des Mitunternehmers festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust der Gesellschaft um den anteilig auf ihn entfallenden Verlustanteil zu kürzen. Dieser Anteil ist für Erhebungszeiträume vor 2007 nicht nur anhand des Gewinnverteilungsschlüssels, sondern unter Einbeziehung der in den Jahren des Bestehens der Mitunternehmerschaft angefallenen Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben zu berechnen (Anschluss an BFH-Urteil vom 17.1.2006 VIII R 96/04, BFHE 213 S. 12 = SIS 06 14 72). - 2. Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob die zu § 10 a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl 2006 I, 2878) ergangene Anwendungsregelung des § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007 mit dem GG insoweit unvereinbar ist, als danach für den Erhebungszeitraum 2000 bei einer Mitunternehmerschaft der gewerbesteuerrechtliche Verlustabzug im Falle des Ausscheidens eines Mitunternehmers in größerem Umfang gekürzt wird, als es das im Zeitpunkt des Ausscheidens des Mitunternehmers geltende Gesetz vorsah. - Urt.; BFH 19.4.2007, IV R 4/06; SIS 07 24 61
A. Gegenstand der Vorlage
I. Sachverhalt
An der Klägerin und Revisionsbeklagten
(Klägerin), einer GmbH & Co. KG, waren in den für die
Erhebungszeiträume 1995 bis 2000 maßgebenden
(abweichenden) Wirtschaftsjahren die Kommanditisten A mit einem
Anteil von 29,334 v.H. und M-GmbH mit einem Anteil von 70,666 v.H.
sowie eine Komplementär-GmbH ohne Anteil am Vermögen
beteiligt. Der Kommanditist A erhielt in allen Jahren
Tätigkeitsvergütungen erheblichen Umfangs, während
die Komplementär-GmbH Sondervergütungen für die
Haftungsübernahme erhielt. Zwei weitere Gesellschafter der
Klägerin waren bereits im September 1995 ausgeschieden. Die
Gesellschaftsbilanzen aller Jahre wiesen Fehlbeträge aus.
Streitig sind die Folgen des Ausscheidens des Kommanditisten A zum
30.11.2000 auf die Feststellung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) stellte mit unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung ergangenem Bescheid vom 28.1.2002 den
vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2000 auf
12.255.417 DM fest (festgestellter Gewerbeverlust auf den
31.12.1999: 11.348.311 DM; Anteil des Gewerbeverlustes, der auf
ausgeschiedene Gesellschafter entfällt: 0 DM; Gewerbeverlust
2000: 907.106 DM). Das FA folgte damit einer Berechnung der
Klägerin, wonach der Gewerbeverlust nur auf die M-GmbH
entfalle, weil die Summen der (positiven/ negativen) Anteile der
Kommanditisten an den jeweiligen (positiven/negativen)
Gewerbeerträgen i.S. des § 7 des Gewerbesteuergesetzes
(GewStG) beim Kommanditisten A + 2.286.904,40 DM und bei der M-GmbH
– 14.572.977,14 DM betrügen.
Aufgrund einer Prüfungsmitteilung des
staatlichen Rechnungsprüfungsamtes erließ das FA den
nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderten
Bescheid vom 29.7.2003, in dem es den vortragsfähigen
Gewerbeverlust auf den 31.12.2000 auf 8.660.414 DM feststellte. Es
ging davon aus, dass der festgestellte Gewerbeverlust auf den
31.12.1999 und der Gewerbeverlust 2000 wegen Ausscheidens des A um
dessen Beteiligungsquote (29,334 v.H.), also um insgesamt 3.595.003
DM zu kürzen seien.
Das FA wies den hiergegen eingelegten
Einspruch unter Hinweis auf Abschn. 68 Abs. 3 der
Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1998 als unbegründet
zurück. Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin, dass der
zunächst festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust nur
um 1.490.176 DM gekürzt werde.
II. Entscheidung des Finanzgerichts
(FG)
Das FG gab der Klage statt. Das Urteil des
FG vom 14.9.2004 16 K 5972/03 F ist in EFG 2005, 62 = SIS 05 02 83
veröffentlicht. Das FG führte im Wesentlichen Folgendes
aus:
Gemäß § 10a Satz 1 GewStG
in der für den Erhebungszeitraum 2000 geltenden Fassung werde
der maßgebende Gewerbeertrag um die Fehlbeträge
gekürzt, die sich bei der Ermittlung des maßgebenden
Gewerbeertrags für die vorangegangenen Erhebungszeiträume
nach den Vorschriften der §§ 7 bis 10 GewStG ergeben
hätten, soweit die Fehlbeträge nicht bei der Ermittlung
des Gewerbeertrags für die vorangegangenen
Erhebungszeiträume berücksichtigt worden seien.
Schon der Reichsfinanzhof (RFH) habe den
Abzug von Gewerbeverlusten sowohl von der Unternehmens- als auch
von der Unternehmeridentität abhängig gemacht (RFH-Urteil
vom 26.8.1942 VI 236/42, RStBl 1942, 1024). Der Bundesfinanzhof
(BFH) folge - ungeachtet diverser Gesetzesänderungen - dieser
Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 4.2.1966 VI 272/63, BFHE 86,
123, BStBl III 1966, 374 = SIS 66 02 32; vom 12.1.1978 IV R 26/73,
BFHE 124, 348, BStBl II 1978, 348 = SIS 78 01 95, und vom
14.12.1989 IV R 117/88, BFHE 159, 528, BStBl II 1990, 436 = SIS 90 09 23, sowie BFH-Beschluss vom 24.6.1981 I S 3/81, BFHE 133, 564,
BStBl II 1981, 748 = SIS 81 23 21). Der Große Senat des BFH
habe in dem Beschluss vom 3.5.1993 GrS 3/92 (BFHE 171, 246, BStBl
II 1993, 616 = SIS 93 15 26) an diesen Grundsätzen
festgehalten. Das FG halte diese Gründe, die auch in dem
BFH-Urteil vom 16.2.1994 XI R 50/88 (BFHE 173, 374, BStBl II 1994,
364 = SIS 94 13 22) zutreffend erfasst worden seien, für
stichhaltig. Danach entfalle beim Ausscheiden von Gesellschaftern
einer Personengesellschaft der Verlustabzug gemäß §
10a GewStG, „soweit der Fehlbetrag anteilig auf den
ausgeschiedenen Gesellschafter entfällt“.
Soweit die Beteiligten diesbezüglich
über die Höhe des Fehlbetrags stritten, der auf den zum
Ende des Wirtschaftsjahres 1999/00 ausgeschiedenen Kommanditisten A
entfalle, sei der von der Klägerin unter Hinweis auf das
BFH-Urteil in BFHE 173, 374, BStBl II 1994, 364 = SIS 94 13 22
vertretenen Ansicht zu folgen:
Der BFH habe in jenem Urteil -
gestützt auf den Beschluss des Großen Senats -
entschieden, dass bei Personengesellschaften die Verlustverrechnung
eine auf den einzelnen Mitunternehmer (Gesellschafter) bezogene
Berechnung erfordere. Zu diesem Zweck seien sowohl die
Gewerbeerträge des Anrechnungsjahres als auch die
Fehlbeträge des Verlustentstehungsjahres entsprechend dem
Gewinnverteilungsschlüssel (vgl. BFH-Urteil in BFHE 124, 348,
BStBl II 1978, 348 = SIS 78 01 95) und unter Berücksichtigung
von Sonderbetriebseinnahmen und –ausgaben den einzelnen
Mitunternehmern zuzuordnen.
Die zu dem BFH-Urteil in BFHE 173, 374,
BStBl II 1994, 364 = SIS 94 13 22 ergangenen gleichlautenden
Nichtanwendungserlasse der obersten Finanzbehörden der
Länder vom 16.12.1996 (BStBl I 1996, 1392 = SIS 97 03 35)
beruhten auf der Vorstellung, dass Sonderbetriebsergebnisse nur in
die Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 GewStG) der
Personengesellschaft einzubeziehen seien, dass eine
gesellschafterbezogene Berechnung des Verlustabzugs (mit
Sonderbetriebsergebnissen) unterbleibe und sodann beim Ausscheiden
von Gesellschaftern der Verlustvortrag (ohne Einbeziehung der
Sonderbetriebsergebnisse) „anteilig mit der Quote“
entfalle, mit der der Ausgeschiedene „entsprechend dem
Gewinnverteilungsschlüssel an dem Fehlbetrag beteiligt“
gewesen sei. Die Finanzverwaltung verkenne dabei jedoch, dass die
Einbeziehung von Sonderbetriebsergebnissen in die Ermittlung des
Gewerbeertrags wegen des Erfordernisses der
Unternehmeridentität zwingend zur Folge habe, dass diese
Sonderbetriebsergebnisse auch bei der Ermittlung des jeweiligen
Anteils aller Gesellschafter an dem jeweiligen
(positiven/negativen) Gewerbeertrag der Gesellschaft zu
berücksichtigen seien. Gleiches gelte für Ergebnisse aus
Ergänzungsbilanzen einzelner Gesellschafter. Da die Ergebnisse
aus Sonder- und Ergänzungsbilanzen im Verhältnis zu den
Gewinn- bzw. Verlustanteilen der Gesellschafter nach den
Gesellschaftsbilanzen durchweg erheblich seien, führe ihre
Nichtberücksichtigung bei der Ermittlung des jeweiligen
Anteils der Gesellschafter an dem (positiven/negativen)
Gewerbeertrag der Gesellschaft zu erheblichen - auch durch den
Gesichtspunkt der Vereinfachung nicht zu rechtfertigenden -
„Verschiebungen“. Ein anschauliches Beispiel biete der
Streitfall, in dem bei Einbeziehung der Ergebnisse aus Sonder- und
Ergänzungsbilanzen eine Kürzung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes von nur etwa 1,5 Mio. DM vorzunehmen sei,
während sich ohne deren Einbeziehung die vom FA vorgenommene
Kürzung von etwa 3,6 Mio. DM ergäbe.
III. Vortrag der Beteiligten im
Revisionsverfahren
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Es trägt im Wesentlichen vor,
die Höhe des Verlustvortrags sei vor dem Erhebungszeitraum
1990 bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Anrechnungsjahres zu
prüfen gewesen. Es habe keine Bindung an die Ermittlung des
Gewerbeverlustes im Verlustentstehungsjahr bestanden. Im
Verlustanrechnungsjahr hätten daher Grund und Höhe des
vortragsfähigen Verlustes in vollem Umfang ermittelt werden
müssen. Hierfür sei bei der Veranlagung des
Anrechnungsjahres inzident die Überprüfung der Verluste
der vorangegangenen Jahre erforderlich gewesen. Der Arbeitsaufwand
sei vertretbar gewesen, weil für Erhebungszeiträume vor
1990 der Verlustvortrag auf einen Zeitraum von fünf Jahren
begrenzt gewesen und damit die Überprüfung der
Gewinnermittlungsunterlagen auf die zurückliegenden fünf
Jahre beschränkt gewesen sei.
Mit dem Steuerreformgesetz (StRG) 1990 vom
25.7.1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) sei die zeitliche
Beschränkung des Verlustvortrags rückwirkend für die
Jahre ab 1985 aufgehoben worden, so dass bei im Übrigen
unveränderter Gesetzeslage die inzidente Ermittlung der
Verluste der Vorjahre im Anrechnungsjahr unübersichtlich,
unpraktikabel und zu aufwändig geworden wäre. Bei lang
anhaltenden Verlustperioden hätten unter Umständen
mehrere Jahrzehnte überprüft werden müssen. Das
hätte zu einer erheblichen Beeinträchtigung der
Rechtssicherheit geführt.
Dieses Problem habe der Gesetzgeber erkannt
und zeitgleich mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 1990 das
Verfahren der gesonderten Feststellung der Höhe der
vortragsfähigen Verluste eingeführt. Damit hätten
die Vorjahre betreffende, aufwändige Ermittlungen zur
Höhe des Verlustvortrags verhindert werden sollen.
Diesem gesetzgeberischen Ziel werde das
Urteil des FG und das BFH-Urteil in BFHE 173, 374, BStBl II 1994,
364 = SIS 94 13 22 nicht gerecht. Denn hiernach müssten die
Veranlagungen der Vorjahre wieder aufgerollt werden, um für
jedes Jahr und für jeden Gesellschafter den auf ihn nach dem
damaligen Gewinnverteilungsschlüssel entfallenden
Gewinn/Verlust sowie die ihm zuzurechnenden Sonderbetriebseinnahmen
und –ausgaben zu ermitteln. Diese Auslegung des
Verfahrensrechts stehe in Widerspruch zu der durch die
Verjährungsvorschriften belegten Tendenz des Gesetzgebers,
nach Ablauf einer bestimmten Zeit der Rechtssicherheit Vorrang vor
der materiellen Gerechtigkeit zu geben. Den damit verbundenen,
vermeintlichen Ungerechtigkeiten könne durch entsprechende
Gewinnverteilungsabreden begegnet werden.
Der Gesetzgeber habe die von der
Finanzverwaltung vertretene Auffassung nunmehr in § 10a Satz 4
GewStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 auch gesetzlich
ausdrücklich verankert. Die in § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F.
des JStG 2007 vorgesehene Anwendung dieser Vorschrift für
Erhebungszeiträume vor 2007 sei verfassungsgemäß.
Es handele sich um eine Maßnahme, mit der lediglich die schon
bisher bestehende Rechtslage entsprechend Abschn. 68 Abs. 3 GewStR
1998 klargestellt worden sei. Da die Finanzverwaltung die in dem
BFH-Urteil in BFHE 173, 374, BStBl II 1994, 364 = SIS 94 13 22
vertretene Rechtsauffassung nicht akzeptiert habe, habe kein
Steuerbürger davon ausgehen können, dass die
Rechtsgrundsätze dieses Urteils in allen anderen Fällen
ebenfalls angewendet würden.
Selbst wenn die rückwirkende Anwendung
von § 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 aber
verfassungswidrig wäre, würde sich im Endergebnis
für die Klägerin nichts ändern. Zwar sei der Verlust
auf den 31.12.2000 dann unter Zugrundelegung der BFH-Rechtsprechung
zunächst abweichend von dem angefochtenen Bescheid
festzustellen. Ab Geltung des JStG 2007 müsste der
Verlustvortrag nach § 10a GewStG allerdings neu berechnet
werden. Hiervon sei auch der im Streitjahr (2000) entstandene
Verlust betroffen, so dass sich letztlich kein Unterschied
zugunsten der Klägerin ergebe. Zudem erziele die Klägerin
seit dem 1.1.2007 weder Umsätze noch beschäftige sie
seitdem Arbeitnehmer, so dass von einer Betriebseinstellung
auszugehen sei. Auch aus diesem Grunde sei das
Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin entfallen.
Das FA beantragt, unter Aufhebung des
erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Die Klägerin trägt im
Wesentlichen vor, entgegen der Auffassung des FA sei Grund für
die Einführung des Verfahrens zur gesonderten Feststellung des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes die Vermeidung von
Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich der Höhe des für die
Zukunft verbleibenden Verlustabzugs gewesen. Dass der Gesetzgeber
mit der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs
eine eventuell aufwändige Ermittlung zur Höhe des
gewerbesteuerrechtlichen Verlustvortrags gemäß §
10a GewStG habe verhindern wollen, ergebe sich weder aus dem Gesetz
noch aus der Gesetzesbegründung. Ferner sei zu beachten, dass
im Streitfall lediglich eine mitunternehmerbezogene Berechnung
für sechs Erhebungszeiträume durchzuführen
sei.
Die durch das JStG 2007 rückwirkend
auch für Erhebungszeiträume vor 2007 eingeführte
Einschränkung der Verlustverrechnung gemäß §
10a Sätze 4 und 5 i.V.m. § 36 Abs. 9 GewStG sei eine nach
ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfG) grundsätzlich unzulässige echte
Rückwirkung. Aufgrund der gefestigten Rechtsprechung des BFH
zum Abzug von Gewerbeverlusten, die ungeachtet verschiedener
Gesetzesänderungen bis zu Urteilen des RFH zurückreiche,
könne nicht die Ansicht vertreten werden, durch die
rückwirkende Änderung von § 10a GewStG sei eine
unklare oder verworrene Rechtslage beseitigt worden. Im Zeitpunkt
der im Streitfall maßgeblichen Disposition, d.h. im Zeitpunkt
des Ausscheidens des Kommanditisten A am 30.11.2000, habe die durch
das JStG 2007 vorgenommene Änderung des § 10a GewStG auch
nicht als bekannt gelten können.
B. Entscheidung des Senats
Der Senat legt die Vorlagefrage dem BVerfG
gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und
§ 80 Abs. 1 des Gesetzes über das
Bundesverfassungsgericht (BVerfGG) zur Entscheidung vor und setzt
bis dahin das Verfahren aus.
Nach der Überzeugung des Senats ist die
zu § 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 ergangene
Anwendungsregelung des § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007
insoweit verfassungswidrig, als danach für den
Erhebungszeitraum 2000 bei einer Mitunternehmerschaft der
gewerbesteuerrechtliche Verlustabzug im Falle des Ausscheidens
eines Mitunternehmers in größerem Umfang gekürzt
wird, als es das im Zeitpunkt des Ausscheidens des Mitunternehmers
geltende Gesetz vorsah. § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG
2007 begründet nach Ansicht des Senats eine echte
Rückwirkung, die gemäß Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m.
Art. 2 Abs. 1 GG unzulässig ist, soweit sie sich
steuererhöhend auswirkt. Rechtfertigungsgründe für
die durch § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007 angeordnete
rückwirkende Anwendung von § 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des
JStG 2007 liegen nach der Überzeugung des Senats nicht
vor.
I. Rechtsentwicklung der im Streitfall
maßgeblichen Vorschriften
1. Die Rechtsentwicklung der im Streitfall
maßgeblichen Vorschriften über den
gewerbesteuerrechtlichen Verlustabzug stellte sich bis zum
Erhebungszeitraum 2000 wie folgt dar:
a) Das GewStG 1936 vom 1.12.1936 (RGBl I 1936,
979) enthielt ebenso wie die vorherigen landessteuerrechtlichen
Vorschriften über die Erhebung einer Gewerbesteuer keine
Regelung über den Abzug von Verlusten früherer
Erhebungszeiträume. Ein solcher Verlustabzug wurde
zunächst auch als unvereinbar mit dem Objektsteuercharakter
der Gewerbesteuer angesehen. Aus dieser Wertung wurde vom RFH im
Urteil vom 10.7.1935 IV A 33/35 (RFHE 38, 120) zum Oldenburgischen
Gewerbesteuergesetz vom 3.7.1926 (Oldenburgisches Gesetzblatt 1926,
120) gefolgert, die einkommensteuerrechtliche Vorschrift über
den Verlustabzug in § 15 Abs. 1 Nr. 4 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. vom 29.6.1929 (RGBl I 1929,
123) finde auf die Ermittlung des gewerblichen Ertrags keine
Anwendung.
b) Das Fehlen jeglicher
Verlustabzugsmöglichkeit wurde jedoch als nicht sachgerecht
empfunden. Mit § 19 der Dritten Verordnung zur
Durchführung des Gewerbesteuergesetzes (3. GewStDV) vom
31.1.1940 (RGBl I 1940, 284, 286) wurde deshalb bestimmt, dass der
Gewerbeertrag bei Gewerbetreibenden, die Bücher nach den
Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) führen, um die
Fehlbeträge gekürzt werde, die sich bei der Ermittlung
des Gewerbeertrags für die beiden vorangegangenen
Wirtschaftsjahre ergeben haben, soweit die Fehlbeträge nicht
bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für das vorangegangene
Wirtschaftsjahr gekürzt worden sind. Zuvor hatte der
Reichsminister der Finanzen bereits durch Erlass vom 14.7.1939
(RStBl 1939, 849) einen entsprechenden Abzug zugelassen, und zwar
erstmals bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Wirtschaftsjahrs
1938.
c) Durch Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur
Änderung des Gewerbesteuerrechts vom 27.12.1951 (BGBl I 1951,
996, BStBl I 1952, 2, 3) wurde die Regelung bei gleichzeitiger
Verlängerung des Abzugszeitraums auf drei Jahre als § 10a
in das GewStG übernommen. Der Verlustabzug war, im Ergebnis
wie bisher, bei Gewerbetreibenden vorgesehen, die den Gewinn nach
§ 4 Abs. 1 oder § 5 EStG aufgrund
ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln.
d) Durch Art. 8 Nr. 4 des Gesetzes zur
Neuordnung von Steuern (StNOG) vom 16.12.1954 (BGBl I 1954, 373,
390, BStBl I 1954, 575, 592) wurde die Abzugsmöglichkeit bei
gleichzeitiger Verlängerung des Abzugszeitraums auf fünf
Jahre auf Gewerbetreibende mit Gewinnermittlung aufgrund
ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 EStG
beschränkt.
e) Mit dem Steueränderungsgesetz
(StÄndG) 1961 vom 13.7.1961 (BGBl I 1961, 981, 985, BStBl I
1961, 444, 448) wurde dem § 10a GewStG ein Satz 2
angefügt. Danach entfiel der Verlustabzug im Falle des -
gleichzeitig in das GewStG aufgenommenen - § 2 Abs. 5 GewStG
(Übergang des Gewerbebetriebs auf einen anderen
Unternehmer).
f) Durch das Einführungsgesetz zum
Einkommensteuerreformgesetz (EG-EStRG) vom 21.12.1974 (BGBl I 1974,
3656, BStBl I 1975, 2, 3) wurden in § 10a Satz 1 GewStG die
Worte „auf Grund ordnungsmäßiger
Buchführung“ gestrichen. Damit folgte die
gewerbesteuerrechtliche Regelung der Einkommensteuer, bei der die
Änderung des § 10d EStG durch das
Einkommensteuerreformgesetz (EStRG) vom 5.8.1974 (BGBl I 1974,
1769, BStBl I 1974, 530, 535) für den Verlustabzug die
Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht mehr
voraussetzte. Nach der sich so ergebenden Rechtslage kam es bei der
Gewerbesteuer zum Verlustabzug „bei Gewerbetreibenden, die
den Gewinn nach § 5 des Einkommensteuergesetzes
ermitteln“.
g) Mit dem Gesetz zur Änderung des
Einkommensteuergesetzes vom 20.4.1976 (BGBl I 1976, 1054, BStBl I
1976, 282) wurde der einkommensteuerrechtliche Verlustabzug bei
gleichzeitiger Einführung eines betragsmäßig
begrenzten Verlustrücktrags auf Verluste aus allen
Einkunftsarten ausgedehnt. Dies galt erstmals für nicht
ausgeglichene Verluste des Veranlagungszeitraums 1975 (§ 52
Abs. 16 EStG i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 20.4.1976).
Für die Gewerbesteuer verblieb es hingegen zunächst bei
der bisherigen Rechtslage.
h) Zu einer Anpassung des
gewerbesteuerrechtlichen Verlustabzugs an die
einkommensteuerrechtliche Regelung in Bezug auf die zu
berücksichtigenden gewerblichen Verluste kam es erst im
Steuerbereinigungsgesetz (StBereinG) 1986 vom 19.12.1985 (BGBl I
1985, 2436, BStBl I 1985, 735). Mit Art. 10 Nr. 7 dieses Gesetzes
wurden in § 10a Satz 1 GewStG die Worte „bei
Gewerbetreibenden, die den Gewinn nach § 5 des
Einkommensteuergesetzes ermitteln“ gestrichen. Zum zeitlichen
Geltungsbereich des geänderten § 10a GewStG sah § 36
Abs. 3 GewStG die erstmalige Anwendung für den
Erhebungszeitraum 1975 vor. Danach hatte § 10a Satz 1 GewStG
mit Wirkung ab dem Erhebungszeitraum 1975 folgenden Wortlaut:
„Der maßgebende Gewerbeertrag wird um die
Fehlbeträge gekürzt, die sich bei der Ermittlung des
maßgebenden Gewerbeertrags für die fünf
vorangegangenen Erhebungszeiträume nach den Vorschriften der
§§ 7 bis 10 ergeben haben, soweit die Fehlbeträge
nicht bei der Ermittlung des Gewerbeertrags für die vier
vorangegangenen Erhebungszeiträume berücksichtigt worden
sind.“
i) Die erneute Änderung des § 10a
GewStG durch Art. 3 Nr. 4 StRG 1990 hob in Anlehnung an die
entsprechende Änderung des § 10d EStG die bisherigen
zeitlichen Beschränkungen des gewerbesteuerrechtlichen
Verlustvortrags auf, beließ den Wortlaut des § 10a Satz
1 GewStG und des bisherigen § 10a Satz 2 GewStG (nunmehr
§ 10a Satz 7 GewStG) jedoch unverändert. Im Übrigen
wurde vorgeschrieben, dass die Höhe der vortragsfähigen
Fehlbeträge gesondert festzustellen ist (§ 10a Satz 2
GewStG, nunmehr § 10a Satz 6 GewStG), und dass § 8 Abs. 4
des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) auf die Fehlbeträge
entsprechend anzuwenden ist (§ 10a Satz 4 GewStG, nunmehr
§ 10a Satz 8 GewStG).
2. Die weitere Rechtsentwicklung nach dem
Streitjahr 2000 verlief wie folgt:
a) Durch das Gesetz zur Änderung des
Gewerbesteuergesetzes und anderer Gesetze (GewStGuaÄndG) vom
23.12.2003 (BGBl I 2003, 2922, BStBl I 2004, 20) wurde die
Abziehbarkeit des Verlustvortrags im Ausgleichsjahr auf einen
Betrag von 1 Mio. EUR begrenzt (§ 10a Satz 1 GewStG). Der 1
Mio. EUR übersteigende Gewerbeertrag ist bis zu 60 v.H. um
nach § 10a Satz 1 GewStG nicht berücksichtigte
Fehlbeträge der vorangegangenen Erhebungszeiträume zu
kürzen. Die Änderung des Verlustvortrags entspricht
derjenigen des § 10d Abs. 2 EStG durch das Gesetz zur
Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur
Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz
(BGBl I 2003, 2840, BStBl I 2004, 14). Außerdem wurde der
Abzug vororganschaftlicher Verluste bei der Organgesellschaft
ausgeschlossen. Die Änderungen des § 10a GewStG durch das
GewStGuaÄndG sind ab dem Erhebungszeitraum 2004 anzuwenden
(§ 36 Abs. 1 GewStG).
b) Durch das JStG 2007 wurden in § 10a
GewStG nach Satz 3 dieser Vorschrift folgende Sätze 4 und 5
neu eingefügt:
„Bei einer Mitunternehmerschaft ist der
sich für die Mitunternehmerschaft insgesamt ergebende
Fehlbetrag den Mitunternehmern entsprechend dem sich aus dem
Gesellschaftsvertrag ergebenden allgemeinen
Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen; Vorabgewinnanteile
sind nicht zu berücksichtigen. Für den Abzug der den
Mitunternehmern zugerechneten Fehlbeträge nach Maßgabe
der Sätze 1 und 2 ist der sich für die
Mitunternehmerschaft insgesamt ergebende maßgebende
Gewerbeertrag sowie der Höchstbetrag nach Satz 1 den
Mitunternehmern entsprechend dem sich aus dem Gesellschaftsvertrag
für das Abzugsjahr ergebenden allgemeinen
Gewinnverteilungsschlüssel zuzurechnen; Vorabgewinnanteile
sind nicht zu berücksichtigen.“
Nach § 36 Abs. 1 GewStG i.d.F. des JStG
2007 ist das GewStG i.d.F. des JStG 2007, soweit in den folgenden
Absätzen nichts anderes bestimmt ist, erstmals für den
Erhebungszeitraum 2007 anzuwenden. Gemäß § 36 Abs.
9 GewStG i.d.F. des JStG 2007 ist der neu gefasste § 10a
Sätze 4 und 5 GewStG jedoch auch für
Erhebungszeiträume vor 2007 anzuwenden.
c) Das Gesetzgebungsverfahren zum JStG 2007
stellte sich - soweit es für den Streitfall von Bedeutung ist
- wie folgt dar:
Ausgangspunkt des JStG 2007 war ein
Gesetzentwurf der Bundesregierung (BTDrucks 16/2712). Dieser
Gesetzentwurf sah noch keine Änderung von § 10a GewStG
vor. Die Einfügung der neuen Sätze 4 und 5 in § 10a
GewStG sowie von § 36 Abs. 9 GewStG ging auf den Beschluss des
Bundesrates vom 13.10.2006 (BRDrucks 622/06) zurück. Der
Bundesrat begründete die Änderung von § 10a GewStG
wie folgt:
„Der Verlustvortrag nach § 10a
GewStG setzt Unternehmensidentität und
Unternehmeridentität voraus. Unternehmensidentität setzt
voraus, dass der im Anrechnungsjahr bestehende Gewerbebetrieb
identisch ist mit dem Gewerbebetrieb, der im Jahr der Entstehung
des Verlustes bestanden hat. Unternehmeridentität setzt bei
Mitunternehmerschaften voraus, dass der Mitunternehmer, der den
Verlustabzug vornehmen will, den Verlust zuvor in eigener Person
erlitten hat. Dies deshalb, weil bei Mitunternehmerschaften
Träger des Rechts auf den Verlustabzug die einzelnen
Mitunternehmer sind (vgl. BFH-Beschluss vom 3.5.1993, BStBl II, 616
= SIS 93 15 26).
Die Finanzverwaltung hat bisher stets die
Auffassung vertreten, dass im Fall einer notwendigen Zurechnung des
Verlustes der Mitunternehmerschaft auf die Mitunternehmer der
allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel der Gesellschaft
Maßstab für die Zurechnung ist. Dies ist in den für
die einzelnen Erhebungszeiträume geltenden
Gewerbesteuer-Richtlinien verankert worden. Diese Vorgabe hat der
BFH erstmals in seinem Urteil vom 16.2.1994, BStBl II, 364 = SIS 94 13 22, in Zweifel gezogen. Er hält auch eine strikt
personenbezogene Ermittlung des auf den einzelnen Mitunternehmer
entfallenden Verlustanteils für geboten. Die obersten
Finanzbehörden der Länder haben in einem koordinierten
Ländererlass vom 16.12.1996 entschieden, die Grundsätze
des Urteils vom 16.2.1994 über den entschiedenen Einzelfall
hinaus nicht allgemein anzuwenden. Die Grundsätze dieses
Erlasses haben auch Eingang in die aktuellen
Gewerbesteuer-Richtlinien gefunden (vgl. Abschn. 68 Abs. 3 Satz 4
GewStR). Damit sind auch die betroffenen Mitunternehmen,
Mitunternehmer und deren Berater unterrichtet.
Nunmehr liegt mit der Entscheidung vom
17.1.2006, VIII R 96/04 = SIS 06 14 72, ein weiteres BFH-Urteil
vor, in dem das Gericht nicht den allgemeinen
Gewinnverteilungsschlüssel, sondern eine strikt
mitunternehmerbezogene Ermittlung als gebotene Methode zur
Ermittlung des anteiligen Verlustbetrags ansieht.
Diese Methode ist aber insbesondere bei
Mitunternehmerschaften mit einer Vielzahl von Gesellschaftern
und/oder häufigem Gesellschafterwechsel für die Praxis
nicht handhabbar. Eine Ermittlung des anteiligen Verlustbetrags
würde umfangreichste Nebenrechnungen, die sich
regelmäßig über mehrere Erhebungszeiträume
erstrecken würden, zur Folge haben. Die
Streitanfälligkeit derartiger Feststellungen liegt auf der
Hand.
Es ist daher geboten, die bisherige
Verwaltungsauffassung gesetzlich zu verankern. Mit der
Änderung des § 10a GewStG wird festgelegt, dass der
allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel Maßstab für
die Ermittlung des dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnenden
Verlustanteils ist (Anm. des Senats: Dies ist in § 10a Satz 4
GewStG i.d.F. des JStG 2007 geregelt.). Kommt es in Gewinnjahren zu
einer Minderung der Fehlbeträge bei der Mitunternehmerschaft,
so vermindern sich die den einzelnen Mitunternehmern zuzurechnenden
Anteile entsprechend ihrem nach dem allgemeinen
Gewinnverteilungsschlüssel im Abzugsjahr zu bemessenden Anteil
am Gewerbeertrag (Anm. des Senats: Die Regelung für die
Verrechnung der Verluste in Gewinnjahren ist in § 10a Satz 5
GewStG i.d.F. des JStG 2007 enthalten.). Dabei ist der
Höchstbetrag nach § 10a Satz 1 GewStG entsprechend dem
Gewinnverteilungsschlüssel im Abzugsjahr anteilig bei den
einzelnen Gesellschaftern zu berücksichtigen.“
Für die Anwendungsvorschrift in § 36
Abs. 9 GewStG (§ 36 Abs. 8a des Gesetzentwurfs) gab der
Bundesrat folgende Begründung:
„Mit der Anwendungsvorschrift wird
festgelegt, dass die Änderung des § 10a GewStG auch
für Erhebungszeiträume vor 2007 anzuwenden ist. Hierbei
handelt es sich unter Berücksichtigung der Grundsätze der
Entscheidung des BVerfG vom 23.1.1990, BVerfGE 81, 228, 239 = SIS 90 09 55, um eine zulässige rückwirkende Anwendung einer
Gesetzesänderung. Mit der Maßnahme wird lediglich eine
in der Vergangenheit herrschende Rechtspraxis kodifiziert (vgl.
Begründung zur Änderung des § 10a
GewStG).“
Die Bundesregierung stimmte in ihrer
Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates dem
Vorschlag des Bundesrates zur Änderung von § 10a GewStG
und zur Einführung der Anwendungsvorschrift zu (BTDrucks
16/3036, S. 22). Der Finanzausschuss des Bundestages empfahl
anschließend die Annahme des Gesetzentwurfs in der durch die
angenommenen Änderungsanträge geänderten Fassung. Zu
den angenommenen Änderungsanträgen gehörte auch die
Änderung des § 10a GewStG und die Einführung von
§ 36 Abs. 9 GewStG. Der Finanzausschuss des Bundestages folgte
dabei der Gesetzesbegründung des Bundesrates (BTDrucks
16/3368, S. 36, 53 bis 55).
Der Bundestag beschloss das JStG 2007 in der
Sitzung vom 9.11.2006 (Plenarprotokoll 16/63). Der Bundesrat
stimmte dem Gesetz am 24.11.2006 zu (Plenarprotokoll 828). Am
18.12.2006 wurde das JStG 2007 vom 13.12.2006 sodann verkündet
(BGBl I 2006, 2878).
II. Einfachgesetzliche Rechtslage
1. Bei der Entscheidung des Streitfalls auf
einfachgesetzlicher Grundlage ist die Revision des FA nicht
begründet, wenn die materielle Steuerrechtsnorm in § 10a
Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 unanwendbar wäre.
Der Verlustabzug nach § 10a Satz 1 GewStG
erfordert nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl.
Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 171, 246, BStBl
II 1993, 616 = SIS 93 15 26, unter C.II.1. der Gründe, m.w.N.)
Unternehmensidentität wie auch Unternehmeridentität.
Unternehmeridentität bedeutet, dass der Steuerpflichtige, der
den Verlustabzug in Anspruch nimmt, den Gewerbeverlust in eigener
Person erlitten haben muss. Der Steuerpflichtige muss sowohl zur
Zeit der Verlustentstehung als auch im Jahr der Entstehung des
positiven Gewerbeertrags Unternehmensinhaber gewesen sein.
a) Bei einer Personengesellschaft sind die
Mitunternehmer im einkommensteuerrechtlichen Sinne auch Unternehmer
aus gewerbesteuerrechtlicher Sicht (vgl. Beschluss des Großen
Senats des BFH in BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616 = SIS 93 15 26,
unter C.III.6.a und b der Gründe). Die Verlustverrechnung nach
§ 10a Satz 1 GewStG kommt indessen nur dann in Betracht, wenn
die Gesellschaft als solche im Verlustentstehungsjahr einen
Verlust, im Anrechnungsjahr einen Gewinn erzielt hat (BFH-Urteil in
BFHE 173, 374, BStBl II 1994, 364 = SIS 94 13 22, unter II.3. der
Gründe). Der Verlustanteil eines Gesellschafters steht also
nicht für einen Verlustvortrag zur Verfügung, soweit die
Gesellschaft - etwa infolge von Sonderbetriebseinnahmen anderer
Gesellschafter - insgesamt einen (positiven) Gewerbeertrag oder
auch einen gegenüber dem Verlustanteil des Gesellschafters
niedrigeren Verlust erzielt hat (BFH-Urteil in BFHE 159, 528, BStBl
II 1990, 436 = SIS 90 09 23, unter 8. der Gründe).
b) Daraus, dass die Mitunternehmer auch
Unternehmer in gewerbesteuerrechtlicher Sicht sind, folgt, dass
beim Ausscheiden von Gesellschaftern einer Personengesellschaft der
Verlustabzug nach § 10a GewStG nicht mehr möglich ist,
soweit der Fehlbetrag anteilig auf die ausgeschiedenen
Gesellschafter entfällt (BFH-Beschlüsse in BFHE 171, 246,
BStBl II 1993, 616 = SIS 93 15 26, unter C.IV. der Gründe, und
vom 12.6.1996 IV B 133/95, BFHE 180, 450, BStBl II 1997, 82 = SIS 96 20 97, unter 1.a der Gründe, m.w.N. zur ständigen
Rechtsprechung). Diese Auffassung wird auch von der
Finanzverwaltung vertreten. Sie bemisst den wegfallenden Anteil des
Verlustvortrags allerdings ausschließlich nach der Quote, mit
der der ausscheidende Gesellschafter am Gesellschaftsgewinn
beteiligt ist - also ohne Einbeziehung der auf den ausgeschiedenen
Gesellschafter entfallenden Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben
(vgl. Abschn. 68 Abs. 3 Satz 7 Nr. 1 GewStR 1998).
aa) Der Senat folgt dieser Auffassung der
Finanzverwaltung im Anschluss an die ständige Rechtsprechung
des BFH nicht. Nach den im BFH-Urteil in BFHE 173, 374, BStBl II
1994, 364 = SIS 94 13 22 aufgestellten Grundsätzen erfordert
die Verlustverrechnung gemäß § 10a Satz 1 GewStG
eine auf die einzelnen Mitunternehmer bezogene Berechnung, bei der
die Verlustverrechnung jeweils für den einzelnen
Mitunternehmer vorzunehmen ist (vgl. auch BFH-Beschluss vom
31.8.1999 VIII B 74/99, BFHE 189, 525, BStBl II 1999, 794 = SIS 99 21 53, und BFH-Urteil vom 6.9.2000 IV R 69/99, BFHE 193, 151, BStBl
II 2001, 731 = SIS 01 01 44). Hierfür sind sowohl die
Gewerbeerträge des Anrechnungsjahres als auch die
Fehlbeträge des Verlustentstehungsjahres entsprechend dem
Gewinnverteilungsschlüssel sowie unter Berücksichtigung
von Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben den einzelnen
Mitunternehmern zuzuordnen. Die Ergebnisse der einzelnen
Verrechnungen sind sodann wieder zum einheitlichen Gewerbeertrag
des Unternehmens zusammenzufassen (BFH-Urteil in BFHE 173, 374,
BStBl II 1994, 364 = SIS 94 13 22).
bb) Der Senat lässt offen, ob aus dieser
Rechtsprechung zu schließen ist, dass auch in Jahren, in
denen kein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet,
Verluste, die auf einen Gesellschafter entfallen, in einem
Folgejahr nur insoweit verrechnet werden können, als der
nämliche Gesellschafter auch einen Gewinn erzielt (so das
Rechenbeispiel in der Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD
- Köln vom 12.2.1997, DStR 1997, 1046 = SIS 97 09 22).
Jedenfalls ist der Verlustanteil des ausscheidenden
Gesellschafters, der künftig nicht mehr für eine
Verrechnung zur Verfügung steht, in der Weise zu ermitteln,
dass der für den letzten Stichtag vor dem Ausscheiden des
Gesellschafters festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust
der Gesellschaft um die Verlustanteile zu kürzen ist, die der
Gesellschafter zu diesem Zeitpunkt nach Maßgabe des
vorstehend (unter B.II.1.a und b aa) Ausgeführten mit seinen
Gewinnanteilen (wenn sie denn angefallen wären) hätte
verrechnen können. In diesem Sinne hat auch der BFH im Urteil
in BFHE 213, 12 = SIS 06 14 72 entschieden.
c) Allerdings wendet die Finanzverwaltung das
BFH-Urteil in BFHE 173, 374, BStBl II 1994, 364 = SIS 94 13 22
über den entschiedenen Fall hinaus nicht an (gleichlautende
Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder in BStBl I
1996, 1392 = SIS 97 03 35). Zur Begründung wird
angeführt, die Entscheidung des BFH sei nicht konsequent,
soweit es um die Verrechnung mit anteiligen Ergebnissen anderer
Gesellschafter gehe. Hier sehe der BFH keinen Bedarf für eine
strikt personenbezogene Ermittlung. Der BFH fordere vielmehr im
Verlustentstehungsjahr einen Gesamtverlust der Gesellschaft
für den Verlustvortrag des Gesellschafters, d.h. er lasse bei
einem Gesamtgewinn eine Verrechnung mit Verlusten einzelner
Mitunternehmer zu und gebe damit seine mitunternehmerbezogene
Betrachtung auf (zustimmend Güroff in Glanegger/Güroff,
GewStG, 6. Aufl., § 10a Rz 15).
d) Diese Einwendungen vermögen nicht zu
überzeugen. Wenn der vortragsfähige Verlust eines
Gesellschafters nicht höher sein darf als der Verlust der
Gesellschaft, so hängt das damit zusammen, dass der
Gewinnanteil eines anderen Gesellschafters, der zur Verminderung
des Verlustes (oder zur Entstehung eines Gewinns) geführt hat,
sich in Höhe des Verlustanteils des einen Gesellschafters
gewerbesteuerlich nicht ausgewirkt hat. Würde man diesem
Umstand nicht Rechnung tragen, käme es zu einer doppelten
steuerlichen Berücksichtigung (BFH-Urteil in BFHE 159, 528,
BStBl II 1990, 436 = SIS 90 09 23, unter 8. der Gründe). Das
entbindet aber nicht von der Notwendigkeit, beim Entfallen des
anteiligen Verlustvortrags wegen Ausscheidens eines Gesellschafters
zu berücksichtigen, dass dieser Gesellschafter
möglicherweise infolge einer geringen Beteiligungsquote auf
der einen und hoher Tätigkeitsvergütungen
(Sonderbetriebseinnahmen) auf der anderen Seite zu keiner Zeit
einen Verlust erlitten hat, so dass die Gesellschaftsverluste
vielmehr alle dem verbleibenden Gesellschafter zuzurechnen waren.
Es wäre mit dem Grundsatz, dass der Mitunternehmer auch
Unternehmer in gewerbesteuerrechtlicher Sicht ist, nicht zu
vereinbaren, wenn der verbleibende Gesellschafter Verluste, die er
allein getragen hat, wegen des Ausscheidens eines
Mitgesellschafters nicht mehr nach § 10a GewStG abziehen
dürfte. Das FG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der
Streitfall das in besonderem Maße verdeutlicht. Lediglich die
Verluste des Jahres 1996 waren so hoch, dass der hieran bestehende
Anteil des Gesellschafters A seine Tätigkeitsvergütung
überstieg. Dagegen entfielen auf die M-GmbH in allen sechs zu
berücksichtigenden Jahren (1995 bis 2000) gewerbesteuerlich
Verlustanteile, die sich - nach den erforderlichen Verrechnungen -
auf 10.765.239 DM summierten. Der Betrag, der infolge des
Ausscheidens des Gesellschafters A für einen Ausgleich mit
Gewerbeerträgen der Klägerin nicht mehr zur
Verfügung steht, ist nach der von der Finanzverwaltung
für richtig gehaltenen Berechnungsmethode um rd. 2,1 Mio. DM
höher als nach der vom BFH vertretenen mitunternehmerbezogenen
Betrachtung, die die Ergebnisse aus Sonder- und
Ergänzungsbilanzen mit einbezieht. Angesichts derart
erheblicher Unterschiede müssen Vereinfachungsgesichtspunkte
zurücktreten.
Etwas anderes lässt sich entgegen der
Auffassung des FA auch nicht daraus herleiten, dass seit dem
Erhebungszeitraum 1990 die Höhe der vortragsfähigen
Verluste nach § 10a Satz 4 (früher Satz 2, nunmehr Satz
6) GewStG gesondert festzustellen ist. Allerdings ist dem FA
zuzugeben, dass diese Vorschrift insofern der Vereinfachung dient,
als Streitfragen über lang zurückliegende Verluste, die
in Ermangelung eines Feststellungsverfahrens bei der Veranlagung
des Anrechnungsjahres zu klären wären, vermieden werden
sollen (vgl. hierzu z.B. Kuchenreuther, DStR 1988, 638; Güroff
in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 10a Rz 25;
Stäuber/Sarrazin in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz,
§ 10a Rz 118 - Stand Juli 2004 - ). Es ist auch richtig, dass
Ermittlungen, die vorangegangene Erhebungszeiträume betreffen,
vermieden werden können, wenn man den auf den ausscheidenden
Gesellschafter entfallenden Anteil am Verlustvortrag lediglich nach
der vertraglichen Gewinnverteilungsquote berechnet. Auf der anderen
Seite handelt es sich bei § 10a Satz 4 (nunmehr Satz 6) GewStG
um eine reine Verfahrensvorschrift. Wenn sie anordnet, dass die
vortragsfähigen Verluste gesondert festzustellen sind, sagt
das nichts darüber aus, nach welcher materiell-rechtlichen
Betrachtung diese Feststellung zu treffen ist.
e) Ein allgemeiner Rechtssatz, demzufolge der
auf den ausscheidenden Gesellschafter entfallende Anteil am
Verlustvortrag ausschließlich nach der Quote, mit der der
ausscheidende Gesellschafter am Gesellschaftsgewinn beteiligt ist,
bemessen werden darf, lässt sich - vor Einführung von
§ 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 - auch nicht aus dem
durch das Steuersenkungsgesetz (StSenkG 2001/2002) vom 23.10.2000
(BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) eingefügten § 35
Abs. 3 Satz 2 EStG herleiten. Die Vorschrift bestimmt, dass sich
der Anteil eines Mitunternehmers am Gewerbesteuermessbetrag, nach
dem sich seine (einkommensteuerliche) Steuerermäßigung
für gewerbliche Einkünfte bemisst, nach dem allgemeinen
Gewinnverteilungsschlüssel richtet. Diese Vorschrift ist schon
deshalb nicht über ihren Regelungsbereich hinaus anwendbar,
weil an ihrer Sachgerechtigkeit erhebliche Zweifel bestehen (vgl.
z.B. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, Bd. Steuerreform I,
§ 35 EStG Rz R 31; Gosch in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., §
35 Rz 57; Institut der Wirtschaftsprüfer - IDW -,
Stellungnahme zum StSenkG, Die Wirtschaftsprüfung - WPg -
2000, 570; Paus, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Fach 5, 1467, 1474
f. - Stand 2001 - ). Abgesehen davon gilt § 35 EStG i.d.F. des
StSenkG 2001/2002 erst ab dem Veranlagungszeitraum 2001 - also
nicht für das Streitjahr - (§ 52 Abs. 50a EStG i.d.F. des
StSenkG 2001/2002). Der Vorschrift kommt für die Vergangenheit
auch keine klarstellende Bedeutung zu. Das folgt bereits daraus,
dass noch der erste Gesetzentwurf davon ausging, dass sich der
Anteil des Mitunternehmers am Gewerbesteuermessbetrag nach
„dem Verhältnis der dem Mitunternehmer mittelbar
zuzurechnenden Vergütungen im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 Satz 1 (EStG) zur Summe aller Gewinnanteile und aller
Vergütungen der Mitunternehmerschaft“ richten sollte
(BTDrucks 14/2683). Erst nachdem an der Handhabbarkeit dieses
Aufteilungsschlüssels Kritik geübt worden war, schlug der
Finanzausschuss die jetzige Gesetzesfassung vor (BTDrucks 14/3366,
S. 19; HHR/Wendt, Bd. Steuerreform I, § 35 EStG Rz R 31).
f) Das FG hat seiner Entscheidung die
vorstehend wiedergegebene Rechtsauffassung des Senats zugrunde
gelegt. Hinsichtlich der zahlenmäßigen Ermittlung ist es
von der Berechnung ausgegangen, die die Klägerin im
Klageverfahren eingereicht und deren Übereinstimmung mit den
vom BFH entwickelten Grundsätzen das FA weder im
finanzgerichtlichen Verfahren noch im Revisionsverfahren in Zweifel
gezogen hat. Auch der Senat sieht nach Überprüfung keinen
Anlass, diese Berechnung zu beanstanden.
2. Wäre die materielle Steuerrechtsnorm
in § 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 im Streitfall
indessen gemäß § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F des JStG
2007 anwendbar, müsste der Senat auf die Revision des FA das
Urteil des FG aufheben und die Klage abweisen. Denn in diesem Fall
erwiese sich der angefochtene Bescheid über die gesonderte
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes im Ergebnis
als rechtmäßig.
a) Ausgangspunkt für die Ermittlung des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000 ist der
auf den 31.12.1999 bestandskräftig festgestellte Verlust der
Klägerin in Höhe von 11.348.311 DM (vgl. BFH-Urteil in
BFHE 213, 12 = SIS 06 14 72). Diesem Betrag ist der Gewerbeverlust
für das Streitjahr 2000 in Höhe von 907.106 DM
hinzuzurechnen, so dass sich ein Verlust in Höhe von insgesamt
12.255.417 DM ergibt.
An dem auf den 31.12.1999 festgestellten
vortragsfähigen Verlust war der Kommanditist A
gemäß § 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 nach
dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel mit 3.328.913 DM
(11.348.311 DM x 29,334 v.H.) beteiligt. Von dem Gewerbeverlust
2000 entfielen auf A - wiederum nur nach dem
Gewinnverteilungsschlüssel (§ 10a Satz 4 GewStG i.d.F.
des JStG 2007) - 266.090 DM (907.106 DM x 29,334 v.H.), so dass der
dem Kommanditisten A zuzurechnende Anteil am Verlust der
Klägerin insgesamt 3.595.003 DM betrug.
b) Aufgrund des Ausscheidens des
Kommanditisten A war der Gewerbeverlust der Klägerin auf den
31.12.2000 um den auf A entfallenden - und wie vor berechneten -
Anteil zu kürzen, so dass ein vortragsfähiger
Gewerbeverlust in Höhe von 8.660.414 DM (12.255.417 DM -
3.595.003 DM) verblieb. In dieser Höhe hat das FA den
vortragsfähigen Gewerbeverlust auf den 31.12.2000 in dem
angefochtenen Bescheid festgestellt.
III. Verfassungsrechtliche Beurteilung von
§ 36 Abs. 9 GewStG i.V.m. § 10a Satz 4 GewStG i.d.F des
JStG 2007
Soweit § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG
2007 § 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 für den
Erhebungszeitraum 2000 für anwendbar erklärt und danach
bei einer Mitunternehmerschaft der gewerbesteuerrechtliche
Verlustabzug im Falle des Ausscheidens eines Mitunternehmers in
größerem Umfang gekürzt wird, als es das im
Zeitpunkt des Ausscheidens des Mitunternehmers geltende Gesetz
vorsah, hält die Vorschrift verfassungsrechtlicher
Nachprüfung nicht stand.
1. Vor dem Rechtsstaatsprinzip des GG bedarf
es nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG besonderer
Rechtfertigung, wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der
Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich
belastend ändert. Der Bürger wird in seinem Vertrauen auf
die Verlässlichkeit der Rechtsordnung als einer Grundbedingung
freiheitlicher Verfassungen enttäuscht, wenn der Gesetzgeber
an bereits abgeschlossene Tatbestände im Nachhinein
ungünstigere Folgen knüpft als diejenigen, von denen der
Bürger bei seinen Dispositionen ausgehen durfte (vgl.
BVerfG-Urteil vom 19.12.1961 2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261, 271, und
BVerfG-Beschluss vom 5.2.2002 2 BvR 305, 348/93, BVerfGE 105, 17,
37 = SIS 02 09 34, m.w.N.). Der Einzelne wäre in seiner
Freiheit erheblich gefährdet, dürfte die öffentliche
Gewalt an sein Verhalten oder an ihn betreffende Umstände im
Nachhinein belastendere Rechtsfolgen knüpfen als sie zum
Zeitpunkt seines rechtserheblichen Verhaltens galten (vgl.
BVerfG-Beschlüsse vom 10.3.1971 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272,
285 = SIS 73 02 18; vom 14.5.1986 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 257
f. = SIS 86 25 18, und vom 3.12.1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67,
78 = SIS 98 10 50). Belastende Steuergesetze dürfen ihre
Wirksamkeit daher grundsätzlich nicht auf bereits
abgeschlossene Tatbestände erstrecken (vgl. BVerfG-Urteil in
BVerfGE 13, 261, 271) oder schutzwürdiges Vertrauen ohne
hinreichende Rechtfertigung anderweitig enttäuschen (vgl.
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 72, 200, 254 = SIS 86 25 18).
a) Eine Rechtsnorm entfaltet nach der
Rechtsprechung des BVerfG dann Rückwirkung, wenn der Beginn
ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt
festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm
rechtlich existent, d.h. gültig geworden ist (BVerfG-Urteil
vom 22.3.1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 353 = SIS 83 14 49;
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 72, 200, 241 = SIS 86 25 18). Rechtlich
existent werden nach deutschem Staatsrecht Normen des geschriebenen
Rechts mit ihrer ordnungsgemäßen Verkündung, das
heißt regelmäßig im Zeitpunkt der Ausgabe des
ersten Stücks des Verkündungsblattes. Der - davon zu
unterscheidende - Zeitpunkt des Beginns des zeitlichen
Anwendungsbereichs wird häufig im Gesetz selbst als der
„Tag des Inkrafttretens“ bestimmt. Der Beginn
des zeitlichen Anwendungsbereichs kann einheitlich oder
unterschiedlich für einzelne Bestimmungen festgelegt sein.
b) Grundsätzlich erlaubt die Verfassung
nur ein belastendes Gesetz, dessen Rechtsfolgen für einen
frühestens mit der Verkündung beginnenden Zeitraum
eintreten. Die Anordnung, eine Rechtsfolge solle schon für
einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden
Zeitraum eintreten (Rückbewirkung von Rechtsfolgen,
„echte“ Rückwirkung), ist
regelmäßig unzulässig. Der von einem Gesetz
Betroffene muss grundsätzlich darauf vertrauen können,
dass er nicht nachträglich einer bisher nicht geltenden
Belastung unterworfen wird (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 72,
200, 242 = SIS 86 25 18, 254). Dieser Schutz des Vertrauens in den
Bestand der ursprünglich geltenden Rechtsfolgenlage findet
seinen verfassungsrechtlichen Grund vorrangig in den allgemeinen
rechtsstaatlichen Grundsätzen insbesondere des
Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit (vgl.
BVerfG-Beschlüsse vom 9.6.1977 2 BvR 499/74, BVerfGE 45, 142,
167 f.; in BVerfGE 72, 200, 242 = SIS 86 25 18, und vom 13.11.1990
2 BvF 3/88, BVerfGE 83, 89, 109 f.).
c) Demgegenüber betrifft die
tatbestandliche Rückanknüpfung
(„unechte“ Rückwirkung) nicht den
zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich einer Norm.
Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung
der Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die
bereits vor Verkündung „ins Werk gesetzt“
worden sind (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 8.7.1971 1 BvR 766/66,
BVerfGE 31, 275, 292 ff., und in BVerfGE 72, 200, 242 = SIS 86 25 18). Diese Tatbestände, die den Eintritt ihrer Rechtsfolgen
von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung
abhängig machen, berühren vorrangig die Grundrechte und
unterliegen weniger strengen Beschränkungen als die
Rückbewirkung von Rechtsfolgen (vgl. BVerfG-Beschluss vom
15.5.1995 2 BvL 19/91, BVerfGE 92, 277, 344).
d) Der BFH ist der Rechtsprechung des BVerfG
zur Unterscheidung zwischen der Rückbewirkung von Rechtsfolgen
(„echte“ Rückwirkung) und der
tatbestandlichen Rückanknüpfung
(„unechte“ Rückwirkung) gefolgt (vgl. z.B.
BFH-Urteile vom 8.11.2006 I R 69, 70/05, BFH/NV 2007, 616 = SIS 07 04 31; vom 11.12.2001 VIII R 23/01, BFHE
197, 425, BStBl II 2004, 474 = SIS 02 06 25; vom 16.5.2001 I
R 102/00, BFHE 195, 344, BStBl II 2001, 710 = SIS 01 11 68; vom
26.3.1991 IX R 162/85, BFHE 164, 327, BStBl II 1991, 704 = SIS 91 16 86, und vom 26.8.1986 IX R 54/81, BFHE
148, 17, BStBl II 1987, 57 = SIS 87 06 05;
BFH-Beschlüsse vom 6.11.2002 XI R
42/01, BFHE 200, 560, BStBl II 2003, 257 = SIS 03 11 51, und
vom 6.5.1986 IX B 121/84, BFHE
146, 433, BStBl II 1986, 749 = SIS 86 17 11). Er hat an
dieser Unterscheidung auch in Ansehung der hiergegen in der
Literatur teilweise erhobenen Bedenken (vgl. z.B. Friauf, BB 1972,
669, 675; Lang, WPg 1998, 163 ff.; Schaumburg, DB 2000, 1884 ff.;
Jachmann, Thüringer Verwaltungsblätter - ThVBl - 1999,
269 ff., und in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 4 Rz
178; ausführlich Hey, Steuerplanungssicherheit als
Rechtsproblem, 2002, S. 245 ff., m.w.N.) festgehalten (vgl.
BFH-Beschlüsse vom 16.12.2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl
II 2004, 284, 291 = SIS 04 05 46; vom 2.8.2006 XI R 34/02, BStBl II
2006, 887 = SIS 06 40 87, und XI R 30/03, BStBl II 2006, 895 = SIS 06 40 85; BFH-Urteile vom 1.3.2005 VIII R 92/03, BFHE 209, 285,
BStBl II 2005, 398 = SIS 05 18 68, und in BFH/NV 2007, 616 = SIS 07 04 31). Das Schrifttum stimmt dieser traditionellen Unterscheidung
zum Teil ebenfalls grundsätzlich zu (z.B. Papier, Die
Steuerberatung - Stbg - 1999, 49, 56 f.; Mellinghoff, DStR 2003,
Beihefter 3 zu Heft 20 bis 21, S. 13 f.; K. Vogel, Festschrift
für Martin Heckel, S. 875, 876 ff.; Spindler, Deutsche
Steuerjuristische Gesellschaft - DStJG - 27 (2004), S. 69, 85;
Leisner, Kontinuität als Verfassungsprinzip, 2002, S. 493 ff.,
503 ff., 564 f.; Reimer, Deutsche Steuerzeitung - DStZ - 2001, 725,
728 ff.; Wernsmann, Juristische Schulung - JuS - 2000, 39, 42
f.).
Auch der beschließende Senat ist der
Auffassung, dass es angesichts der Differenzierung in den
verfassungsrechtlichen Maßstäben für die
Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung)
einerseits und die tatbestandliche Rückanknüpfung
(unechte Rückwirkung) andererseits nicht sinnvoll ist, beide
Bereiche unter einen einheitlichen Oberbegriff bringen zu wollen.
Die Unterscheidung bietet mehr Rechtsklarheit und
größere Rechtssicherheit. Das Verbot der
Rückbewirkung von Rechtsfolgen stellt eine strikte Grenze
rückwirkender Gesetze dar, die vom Gesetzgeber nur in eng
begrenzten Ausnahmefällen überschritten werden darf. Eine
solche Grenze ist notwendig, um einerseits dem Gesetzgeber eine
klare Orientierung zu ermöglichen und andererseits den
Bürger in seinen Dispositionen besser zu schützen. Die
Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung beugt
zudem der Gefahr vor, bei der Frage nach der Zulässigkeit
einer Rückwirkung vorschnell in einen allgemeinen
Abwägungsprozess überzugehen, der nicht immer zu
eindeutigen Ergebnissen führen muss und das Risiko birgt, die
Rückwirkungsproblematik der Einzelfallkasuistik anheim zu
stellen.
e) Für die Unterscheidung, ob eine echte
oder eine unechte Rückwirkung vorliegt, stellt das BVerfG bei
Veranlagungssteuern - zu denen auch die Gewerbesteuer gehört
(§§ 14 Satz 1, 18 GewStG) - aufgrund der
Jahresbezogenheit der Einkünfteermittlung (vgl. § 14 Satz
2 GewStG) grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Entstehung der
Steuerschuld ab (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 72, 200, 252 =
SIS 86 25 18 für die veranlagte Einkommensteuer, ebenso z.B.
BVerfG-Beschluss vom 15.1.1992 2 BvR 1824/89, HFR 1992, 729
für die Umsatzsteuer). Erst wenn eine nach Ablauf des
Veranlagungszeitraums (Erhebungszeitraums, § 14 Satz 2 und 3
GewStG) verkündete Norm mit Wirkung für diesen Zeitraum
eine ursprünglich geltende steuerliche Rechtsfolgenlage
nachträglich ändert, handelt es sich nach der
Rechtsprechung des BVerfG um die Rückbewirkung einer
Rechtsfolge (echte Rückwirkung). In allen anderen Fällen,
in denen die Änderung noch während des Laufs des
Veranlagungszeitraums (Erhebungszeitraums) verkündet wird,
soll lediglich die Neubestimmung einer bislang noch nicht
eingetretenen Rechtsfolge vorliegen (BVerfG-Beschluss in BVerfGE
72, 200, 253 = SIS 86 25 18).
aa) Die Rechtsprechung des BVerfG, die zur
Unterscheidung zwischen echter und unechter Rückwirkung bei
Veranlagungssteuern auf den Ablauf des Veranlagungszeitraums
abstellt, ist im Schrifttum vielfach auf Kritik gestoßen
(vgl. die Nachweise im BFH-Beschluss in BStBl II 2006, 887, 890 f.
= SIS 06 40 87). Auch nach der neueren Judikatur des IX. und XI.
Senats des BFH wird die sog. Veranlagungszeitraum-Rechtsprechung
dem berechtigten und durch Art. 20 Abs. 3 GG geschützten
Vertrauen des Bürgers auf die Verlässlichkeit der
Rechtsordnung nicht gerecht. Der BFH stellt vielmehr den vom BVerfG
insbesondere im Bereich der Lenkungsnormen (vgl.
BVerfG-Beschlüsse vom 7.7.1964 2 BvL 22, 23/63, BVerfGE 18,
135, 143 f.; in BVerfGE 97, 67, 80 = SIS 98 10 50, und in BVerfGE
105, 17, 37 = SIS 02 09 34) betonten Dispositionsschutz in den
Vordergrund (BFH-Beschlüsse vom 6.11.2002 XI R 42/01, BFHE
200, 560, BStBl II 2003, 257 = SIS 03 11 51; in BFHE 204, 228,
BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46; in BStBl II 2006, 887 = SIS 06 40 87, und in BStBl II 2006, 895 = SIS 06 40 85; ebenso bereits
BFH-Beschluss vom 3.11.1982 I R 3/79, BFHE 137, 275, BStBl II 1983,
259 = SIS 83 06 37).
bb) Der beschließende Senat ist mit der
neueren Rechtsprechung des IX. und XI. Senats der Ansicht, dass
maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die
Differenzierung zwischen echter und unechter Rückwirkung bei
Rechtsänderungen, die einen Dispositionsbezug aufweisen, der
Zeitpunkt ist, in dem der Steuerpflichtige durch eine unter
Inanspruchnahme des Grundrechts auf wirtschaftliche
Betätigungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG getroffene
Disposition sein Vertrauen auf die zu diesem Zeitpunkt bestehende
Rechtslage betätigt hat.
f) Die Frage bedarf im Streitfall jedoch
keiner Vertiefung, da auch unter Zugrundelegung der (bisherigen)
Rechtsprechung des BVerfG unzweifelhaft eine echte Rückwirkung
vorliegt.
aa) Der Kommanditist A und die erwerbende
Mitgesellschafterin (M-GmbH) nahmen mit dem Ausscheiden des A und
dem Übergang der KG-Anteile auf die M-GmbH zum 30.11.2000
wirtschaftliche Dispositionen vor. Dabei kann dahinstehen, ob die
M-GmbH die Anteile durch Übertragung oder durch Anwachsung
erworben hat, da in Anbetracht der Umstände davon auszugehen
ist, dass das Ausscheiden des A ihren Wünschen entsprach
(gänzliche Übernahme des bisherigen
Familienunternehmens). Bereits mit der Anteilsübernahme stand
fest, dass der Verlustabzug nach § 10a GewStG für die
Klägerin entfiel, soweit der Fehlbetrag anteilig dem
Kommanditisten A zuzurechnen war. Die Tatbestandsvoraussetzungen
für die Kürzung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes
nach § 10a GewStG waren vor Verkündung des JStG 2007 am
18.12.2006 vollständig erfüllt. Der Umstand, dass nach
§ 10a GewStG nicht der Verlustabzug der Kommanditisten A bzw.
M-GmbH, sondern derjenige der Klägerin auf den 31.12.2000
gekürzt wurde, steht einer steuerlich relevanten
Vertrauensbetätigung, die - neben der Vertrauensgrundlage und
dem Vertrauen - Voraussetzung für das Vorliegen eines
Vertrauenstatbestandes ist, nicht entgegen. Denn bei
Personengesellschaften sind die Mitunternehmer im
einkommensteuerrechtlichen Sinne - wie oben dargelegt wurde (vgl.
B.II.1.a) - auch Unternehmer aus gewerbesteuerrechtlicher Sicht.
Insbesondere ist der gewerbesteuerrechtliche Verlustabzug - um
dessen Kürzung es im Streitfall geht - unternehmerbezogen
ausgestaltet, was dazu führt, dass Gewerbeertrag und
abziehbarer Verlust nach den Merkmalen des einzelnen
Mitunternehmers zu ermitteln sind. Dies rechtfertigt es, auch eine
Disposition des Gesellschafters (Mitunternehmers), die für den
gewerbesteuerrechtlichen Verlustabzug der Gesellschaft
(Mitunternehmerschaft) tatbestandlich relevant ist, als steuerlich
maßgebliche Vertrauensbetätigung anzusehen.
bb) Stellt man mit der Rechtsprechung des
BVerfG für das Vorliegen einer echten Rückwirkung darauf
ab, ob die durch § 36 Abs. 9 GewStG i.V.m. § 10a Satz 4
GewStG i.d.F. des JStG 2007 angeordnete Rechtsfolge schon für
einen vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Norm liegenden
(Erhebungs-)Zeitraum eintreten soll, liegt ebenfalls eine echte
Rückwirkung vor. Denn der Erhebungszeitraum 2000, für den
§ 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007 die Anwendung von
§ 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 anordnet, war vor der
Verkündung des JStG 2007 am 18.12.2006 gemäß §
14 Satz 2 GewStG bereits abgelaufen. Die Gewerbesteuer war mit
Ablauf des Erhebungszeitraums am 31.12.2000 entstanden (§ 18
GewStG).
2. Verfassungsrechtlicher Maßstab
für die Zulässigkeit der - im Streitfall zu beurteilenden
- echten Rückwirkung ist vorrangig das Rechtsstaatsprinzip des
Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. den von der Rechtsfolgenanordnung
berührten Grundrechten. Im Bereich des Steuerrechts sind dies
insbesondere die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG),
das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG, vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom
18.1.2006 2 BvR 2194/99, BVerfGE 115, 97 = SIS 06 16 42) und der
allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot
darf allein aus zwingenden Gründen des gemeinen Wohls oder
wegen eines nicht - oder nicht mehr - vorhandenen
schutzwürdigen Vertrauens des Einzelnen durchbrochen werden
(vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 97, 67, 79 f. = SIS 98 10 50, und in BVerfGE 72, 200, 258 = SIS 86 25 18). In der
Rechtsprechung des BVerfG sind die einzelnen
Rechtfertigungsgründe falltypisch, aber nicht erschöpfend
entwickelt worden (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 97, 67,
80 = SIS 98 10 50, und in BVerfGE 72, 200, 258 = SIS 86 25 18). Im
Streitfall ist keiner der möglichen Rechtfertigungsgründe
für die hier vorliegende echte Rückwirkung gegeben.
a) Der Gesetzgeber hat ausweislich der
Gesetzesbegründung zu § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG
2007 die - im Streitfall auch vom FA geäußerte - Ansicht
vertreten, es handele sich bei der Anwendung von § 10a GewStG
i.d.F. des JStG 2007 für Erhebungszeiträume vor 2007 um
eine unter Berücksichtigung des BVerfG-Beschlusses vom
23.1.1990 1 BvL 4, 5, 6, 7/87 (BVerfGE 81, 228 = SIS 90 09 55)
zulässige Rückwirkung. Mit der Maßnahme werde
lediglich eine in der Vergangenheit herrschende Rechtspraxis
kodifiziert. Dies trifft indessen nicht zu.
aa) Mit dem Beschluss in BVerfGE 81, 228 = SIS 90 09 55 hat das BVerfG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG i.d.F.
des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des
Körperschaftsteuergesetzes vom 25.7.1984 (BGBl I 1984, 1006)
nach näherer Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung
für mit dem GG vereinbar angesehen.
Durch das Gesetz zur Änderung des
Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom
25.7.1984 wurde in § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG eine Nummer 8
eingefügt. Nach dieser Vorschrift durften von einem Gericht
oder einer Behörde im Geltungsbereich des EStG oder von
Organen der Europäischen Gemeinschaften festgesetzte
Geldbußen, Ordnungsgelder und Verwarnungsgelder den Gewinn
nicht mindern. Der Vorschrift wurde durch § 52 Abs. 3a EStG
i.d.F. des Gesetzes vom 25.7.1984 Rückwirkung verliehen.
Das Änderungsgesetz war insoweit die
Reaktion (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 10/1314,
S. 1) auf zwei Entscheidungen des Großen Senats des BFH vom
21.11.1983 GrS 2/82 (BFHE 140, 50, BStBl
II 1984, 160 = SIS 84 05 10) und GrS 3/82 (BFHE 140, 62, BStBl II
1984, 166 = SIS 84 25 04), durch die eine (damals noch so
bezeichnete) Geldstrafe nach § 890 der Zivilprozessordnung
(ZPO), eine Geldbuße nach § 38 Abs. 2 Satz 2 des
Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie eine
Geldbuße wegen Verstoßes gegen das
Außenwirtschaftsgesetz als abziehbare Betriebsausgaben
anerkannt worden waren. Damit hatte der BFH die durch den RFH
begründete, vom Obersten Finanzgerichtshof bestätigte und
vom BFH (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21.7.1955 IV 373/54 U, BFHE 61,
361, BStBl III 1955, 338 = SIS 55 02 02; vom 6.11.1968 I R 12/66,
BFHE 94, 56, BStBl II 1969, 74 = SIS 69 00 50, und vom 18.12.1975
IV R 12/72, BFHE 118, 307, BStBl II 1976, 370 = SIS 76 01 91)
zunächst fortgesetzte Rechtsprechung, nach der Geldstrafen,
Geldbußen und polizeilich auferlegte Gebühren nicht als
Betriebsausgaben abziehbar waren, hinsichtlich der Geldbußen
ausdrücklich aufgegeben.
Der BFH hatte (später) im Hinblick auf
die Neuregelung von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG durch das
Änderungsgesetz vom 25.7.1984 in mehreren Revisionsverfahren
dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob die geänderte Vorschrift
insoweit mit dem GG unvereinbar sei, als sie den auf die
Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils (§ 17 Abs. 4
des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG - ) entfallenden
Teil der Geldbuße vom Abzug als Betriebsausgabe
ausschließt. Bedenken gegen das rückwirkende
Inkrafttreten der Neuregelung hatte der BFH indessen nicht.
Das BVerfG teilte die schon vom BFH vertretene
Auffassung, dass die Rückwirkung von Verfassungs wegen
zulässig sei. Die Neuregelung habe nur die Rechtslage
wiederhergestellt, die bis zu den Entscheidungen des Großen
Senats des BFH in BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160 = SIS 84 05 10
und in BFHE 140, 62, BStBl II 1984, 166 = SIS 84 25 04 der
allgemeinen Rechtsauffassung entsprochen habe. In der Zeit bis zum
Erlass dieser Neuregelung habe wegen deren unverzüglicher
Ankündigung kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen
können (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 81, 228, 239 = SIS 90 09 55).
bb) Im Streitfall liegen die vom BVerfG in dem
Beschluss in BVerfGE 81, 228 = SIS 90 09 55 für die
Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung geforderten
Voraussetzungen indessen nicht vor. Denn durch § 36 Abs. 9
GewStG i.V.m. § 10a Sätze 4 und 5 GewStG i.d.F. des JStG
2007 wurde für Erhebungszeiträume vor 2007 keine
früher schon bestehende Rechtslage wiederhergestellt. Der
beschließende Senat kann deshalb auch offenlassen, ob er der
Auffassung folgen könnte, dass bereits die unverzügliche
Ankündigung eines Änderungsgesetzes die Entstehung
schutzwürdigen Vertrauens auf die bis zum Erlass der
Neuregelung bestehende Rechtslage hindere.
(1) Wie der Senat oben (vgl. B.II.1.b aa)
ausführlich dargelegt hat, erfordert die Verlustverrechnung
gemäß § 10a GewStG nach ständiger und
zutreffender Rechtsprechung des BFH eine auf die einzelnen
Mitunternehmer bezogene Berechnung, bei der die Verlustverrechnung
jeweils für den einzelnen Mitunternehmer vorzunehmen ist. Der
BFH hat bereits in seinem Urteil in BFHE 173, 374, BStBl II 1994,
364 = SIS 94 13 22 entschieden, dass hierfür sowohl die
Gewerbeerträge des Anrechnungsjahres als auch die
Fehlbeträge des Verlustentstehungsjahres entsprechend dem
Gewinnverteilungsschlüssel sowie unter Berücksichtigung
von Sonderbetriebseinnahmen und –ausgaben den einzelnen
Mitunternehmern zuzuordnen sind.
Mit dem BFH-Urteil in BFHE 173, 374, BStBl II
1994, 364 = SIS 94 13 22 war - entsprechend der Aufgabe eines
obersten Gerichtshofs des Bundes (Art. 95 Abs. 1 GG) - die
Rechtslage geklärt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 31.3.1965 2 BvL
17/63, BVerfGE 18, 429, 437). Der BFH hat an dieser Rechtsprechung
- wie dargelegt wurde - in der Folgezeit stets festgehalten. Zwar
entscheiden auch die obersten Bundesgerichte mit ihrem
Richterspruch nur einen Einzelfall (vgl. BFH-Urteil vom 9.4.1965 VI
23/65 S, BFHE 82, 535, BStBl III 1965, 441, 443 = SIS 65 02 54).
Ihre Erkenntnisse haben darüber hinaus aber allgemeine
Bedeutung, wenn sie Zweifelsfragen in der Anwendung des Rechts
endgültig klarstellen, Gesetzeslücken schließen und
so mit jedem entschiedenen Fall auch die Rechtsfortbildung
fördern (BFH-Urteil vom 14.8.1958 I 39/57 U, BFHE 67, 354,
BStBl III 1958, 409, 412 = SIS 58 02 43; Schmidt-Bleibtreu/Klein,
Kommentar zum Grundgesetz, 10. Aufl., Art. 95 Rz 3). Art. 95 Abs. 1
GG sichert dem Bund, dass seinen obersten Rechtsprechungsorganen
grundsätzlich die Kompetenz zu
letztverbindlich-höchstinstanzlicher Rechtserkenntnis
über Bundesrecht zukommt (W. Meyer in: v. Münch/Kunig,
GGK, 5. Aufl., 2000, Rz 6 zu Art. 95).
(2) § 36 Abs. 9 und § 10a Satz 4
GewStG i.d.F. des JStG 2007 bestimmen nunmehr, dass bei der
gewerbesteuerrechtlichen Verlustverrechnung auch für
Erhebungszeiträume vor 2007 nur noch der allgemeine
Gewinnverteilungsschlüssel Maßstab für die
Ermittlung des dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnenden
Verlustanteils sein soll. Damit hat sich die (objektive) Rechtslage
vor und nach Inkrafttreten von § 36 Abs. 9 und § 10a Satz
4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 geändert.
Mit dieser Gesetzesänderung wurde keine
in der Vergangenheit herrschende Rechtspraxis kodifiziert. Vielmehr
hat die seitens der Finanzverwaltung in Abweichung von der - vor
Erlass des JStG 2007 - bestehenden Rechtslage vertretene
Rechtsauffassung erstmals im Gesetz eine Rechtsgrundlage gefunden.
Der Versuch des Gesetzgebers, die ständige BFH-Rechtsprechung
zum gewerbesteuerrechtlichen Verlustabzug rückwirkend zu
korrigieren, sie gleichsam für die Vergangenheit ins Unrecht
zu setzen, gibt keinen Anlass zur Annahme einer
verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung (vgl.
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 18, 429, 439).
cc) Der Streitfall unterscheidet sich damit
auch wesentlich von der rückwirkenden Einschränkung der
Mehrmütterorganschaft durch § 36 Abs. 2 Satz 2 GewStG
i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 3 GewStG i.d.F. des Gesetzes zur
Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (UntStFG) vom
20.12.2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35). Der BFH hat diese
Bestimmungen als verfassungsgemäß beurteilt; ein
Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot liege nicht vor
(BFH-Urteil vom 14.3.2006 I R 1/04, BFHE 213, 38, BStBl II 2006,
549 = SIS 06 20 63; BFH-Beschluss vom 22.2.2006 I B 145/05, BFHE
213, 29, BStBl II 2006, 546 = SIS 06 19 81).
Auf der Grundlage der langjährigen
Rechtsprechung des BFH galt bis zum Ergehen der BFH-Urteile vom
9.6.1999 I R 43/97 (BFHE 189, 518, BStBl II 2000, 695 = SIS 00 01 50) und I R 37/98 (BFH/NV 2000, 347 = SIS 00 52 68), dass ein
Organverhältnis nur zu einem beherrschenden Unternehmen
bestehen konnte, nicht jedoch zu einer Mehrzahl von beherrschenden
Unternehmen. Schlossen sich mehrere Muttergesellschaften zum Zwecke
der Willenskoordinierung zu einer GbR zusammen, war nur die GbR als
Organträger und als Gewerbesteuersubjekt zu behandeln mit der
Folge, dass eine Zurechnung von Gewerbeerträgen und
–verlusten der Organgesellschaften an die an der GbR
beteiligten Unternehmen ausgeschlossen war (vgl. BFH-Urteile vom
25.6.1957 I 22/55 U, BFHE 66, 449, BStBl III 1958, 174 = SIS 58 01 00; vom 8.10.1986 I R 65/85, BFH/NV 1988, 190 = SIS 87 16 17, und
vom 14.4.1993 I R 128/90, BFHE 171, 223, BStBl II 1994, 124 = SIS 93 16 38). Dies entsprach auch der Meinung der Finanzverwaltung
(vgl. Abschn. 17 Abs. 6 GewStR 1984 und Abschn. 14 Abs. 6 GewStR
1998).
Diese Rechtspraxis hat der Gesetzgeber mit dem
UntStFG wieder aufgegriffen und festgeschrieben. Damit sind die
Rechtsfolgen, die sich rückwirkend aus § 2 Abs. 2 Satz 3
GewStG i.d.F des UntStFG ergeben, nicht ungünstiger als
diejenigen, von denen bei objektiver Betrachtung alle betroffenen
Unternehmen bis zum Bekanntwerden der Rechtsprechungsänderung
durch die BFH-Urteile in BFHE 189, 518, BStBl II 2000, 695 = SIS 00 01 50 und in BFH/NV 2000, 347 = SIS 00 52 68 bei ihren
Dispositionen ausgehen mussten.
Anders verhält es sich indessen im
Streitfall. Die Steuerpflichtigen konnten im Streitjahr auf der
Grundlage der Rechtsprechung des BFH darauf vertrauen, dass der
gewerbesteuerrechtliche Verlustabzug unter Berücksichtigung
der Sonderbetriebseinnahmen und –ausgaben der einzelnen
Mitunternehmer vorzunehmen war. Dem steht nicht entgegen, dass die
(objektive) Rechtslage von der Finanzverwaltung in ihren
veröffentlichten Stellungnahmen (vgl. die gleichlautenden
Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder in BStBl I
1996, 1392 = SIS 97 03 35, und Abschn. 68 Abs. 3 Satz 7 GewStR
1998) teilweise verkannt worden war. Denn nach der
verfassungsmäßigen Ordnung des GG (Art. 95 Abs. 1 GG)
kommt der höchstrichterlichen Rechtsprechung und nicht der
Verwaltung die Aufgabe letztverbindlicher Rechtserkenntnis
über Bundesrecht zu.
b) Von den weiteren - nach der Rechtsprechung
des BVerfG möglichen - Rechtfertigungsgründen für
die hier in Rede stehende echte Rückwirkung kommt auch der
sog. Bagatellvorbehalt nicht in Betracht. Nach Auffassung des
BVerfG bedarf das Vertrauen des Betroffenen auf die geltende
Rechtslage dann nicht des Schutzes gegenüber
rückwirkenden Gesetzesänderungen, wenn dadurch kein oder
nur ein ganz unerheblicher Schaden verursacht wird (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 23.3.1971 2 BvL 2/66, 2 BvR 168, 196, 197,
210, 472/66, BVerfGE 30, 367, 389). Im Streitfall verschlechtert
sich die Rechtslage durch die rückwirkende Regelung in §
36 Abs. 9 GewStG i.V.m. § 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG
2007 für die Klägerin indessen mehr als nur unerheblich.
Die rückwirkende Anwendung von § 10a Satz 4 GewStG i.d.F.
des JStG 2007 führt zu einer um 2.104.827 DM (10.765.241 DM -
8.660.414 DM) höheren Kürzung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes. Dabei handelt es sich keineswegs um einen
Bagatellbetrag.
c) Auf das geltende Recht kann sich der
Bürger nach der Rechtsprechung des BVerfG auch dann nicht
verlassen, wenn die Rechtslage so unklar und verworren oder
lückenhaft ist, dass eine Klärung erwartet werden musste
(vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 72, 200, 259 f. = SIS 86 25 18, und vom 25.5.1993 1 BvR 1509, 1648/91, BVerfGE 88, 384, 404).
Solches lässt sich im Streitfall indessen nicht behaupten.
Vor Verkündung des JStG 2007 war im hier
fraglichen Sachbereich durch das BFH-Urteil in BFHE 173, 374, BStBl
II 1994, 364 = SIS 94 13 22 und die nachfolgende BFH-Rechtsprechung
(z.B. BFH-Urteil in BFHE 213, 12 = SIS 06 14 72), die an den in dem
BFH-Urteil in BFHE 173, 374, BStBl II 1994, 364 = SIS 94 13 22
aufgestellten Grundsätzen festgehalten hat, geklärt, dass
bei der gewerbesteuerrechtlichen Verlustverrechnung sowohl die
Gewerbeerträge des Anrechnungsjahres als auch die
Fehlbeträge des Verlustentstehungsjahres entsprechend dem
Gewinnverteilungsschlüssel und unter Berücksichtigung von
Sonderbetriebseinnahmen und –ausgaben den einzelnen
Mitunternehmern zuzuordnen sind. Die Rechtslage war eindeutig und
auch nicht lückenhaft. Dies gilt ungeachtet des Umstandes,
dass die Finanzverwaltung nicht nach der Rechtsprechung des BFH
verfuhr. Eine „Rechtsunsicherheit“ im Sinne der
Rechtsprechung des BVerfG, die eine rückwirkende Änderung
des Gesetzes rechtfertigen könnte, liegt schon deshalb nicht
vor, weil über die rechtliche Frage, ob bei der
gewerbesteuerrechtlichen Verlustverrechnung Sonderbetriebseinnahmen
und –ausgaben mit zu berücksichtigen sind, in der
Rechtsprechung keine Zweifel bestanden. Die Gesetzeslage war im
Rahmen des - prinzipiell interpretationsbedürftigen -
Gesetzestatbestands klar und eindeutig. Es bestand lediglich ein
für die Anwendung des Steuerrechts typischer Streitfall
zwischen Finanzverwaltung und Steuerpflichtigen, zu dessen
Klärung die Rechtsprechung berufen ist. Der Gesetzgeber durfte
angesichts der klaren Rechtslage die zutreffende Rechtsprechung
nicht rückwirkend korrigieren (vgl. BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 30, 367, 389). Denn ansonsten würde das Verbot einer
echten Rückwirkung, das eine strikte Grenze für
rückwirkende Gesetze darstellt, die nur in seltenen
Ausnahmefällen überschritten werden darf, weitgehend
ausgehöhlt. Die Finanzverwaltung hätte es dann praktisch
in der Hand, durch einen Nichtanwendungserlass eine
„unklare Rechtslage“ selbst herbeizuführen,
die anschließend eine rückwirkende Korrektur der
Rechtsprechung ermöglichen würde.
d) Das Vertrauen des Bürgers ist nach der
Rechtsprechung des BVerfG auch dann nicht schutzwürdig, wenn
er im Zeitpunkt seiner wirtschaftlichen Disposition mit der
Änderung der Rechtslage rechnen musste (vgl.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 97, 67, 79 = SIS 98 10 50; in
BVerfGE 30, 367, 387, und in BVerfGE 13, 261, 272). Nach Auffassung
des BVerfG entfällt das schutzwürdige Vertrauen in den
Bestand der bisherigen Rechtsfolgenlage in der Regel schon im
Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die
Neuregelung (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 97, 67, 79 = SIS 98 10 50, m.w.N.). Demgegenüber wird in der neueren
Rechtsprechung des XI. Senats des BFH grundsätzlich die
Verkündung (Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG) des
Änderungsgesetzes als der Zeitpunkt angesehen, bis zu dem das
Vertrauen des Steuerpflichtigen in die alte Rechtslage
schutzwürdig ist (vgl. BFH-Beschlüsse in BStBl II 2006,
887, 892 = SIS 06 40 87, und in BStBl II 2006, 895, 901 = SIS 06 40 85). Der VIII. und der I. Senat des BFH stellen in
Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BVerfG insoweit
allerdings weiterhin auf den endgültigen Gesetzesbeschluss des
Bundestages ab (vgl. BFH-Urteile in BFHE 209, 285, BStBl II 2005,
398, 402 = SIS 05 18 68, und in BFH/NV 2007, 616, 622 = SIS 07 04 31).
Diese Streitfrage kann im vorliegenden Fall
aber auf sich beruhen. Denn im Zeitpunkt der hier
maßgeblichen wirtschaftlichen Disposition im Streitjahr 2000
waren die Vorschriften der § 36 Abs. 9 GewStG und § 10a
Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 weder verkündet noch lag
ein endgültiger Gesetzesbeschluss des Bundestages zur
rückwirkenden Anwendung von § 10a Satz 4 GewStG durch
§ 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007 vor. Die Klägerin
musste auch in Ansehung der von der Finanzverwaltung in BStBl I
1996, 1392 = SIS 97 03 35, und in Abschn. 68 Abs. 3 Satz 7 GewStR
1998 vertretenen Rechtsauffassung nicht damit rechnen, dass der
Gesetzgeber nachträglich die Berücksichtigung von
Sonderbetriebseinnahmen und –ausgaben bei der
gewerbesteuerrechtlichen Verlustverrechnung untersagen werde.
Jedenfalls bis zum endgültigen Beschluss des Bundestages
über das JStG 2007 durfte die Klägerin auf den
Fortbestand der ursprünglichen Rechtslage vertrauen.
e) Zwingende Gründe des gemeinen Wohls
rechtfertigen die Durchbrechung des rechtsstaatlichen
Rückwirkungsverbots im Streitfall ebenfalls nicht. Zwingende
Gründe des Gemeinwohls liegen nur vor, wenn anders als durch
eine rückwirkende Regelung die Neuregelung keine praktische
Wirkung entfalten und der Gesetzeszweck nicht mehr verwirklicht
werden könnte und auch im Übrigen die gesetzliche
Neuregelung aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls
erforderlich ist (Mellinghoff, DStJG 27 (2004), S. 25, 45).
Im vorliegenden Fall ist nicht zu erkennen,
inwiefern die Bestimmung in § 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des
JStG 2007 ihre Zielsetzung verfehlen würde, wenn sie nicht
gemäß § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007
rückwirkend für Erhebungszeiträume vor 2007
anzuwenden wäre. Die Zielsetzung von § 10a Satz 4 GewStG
besteht nach der Gesetzesbegründung darin, die Ermittlung des
anteiligen Verlustbetrags für die Praxis handhabbar zu machen
und „umfangreichste Nebenrechnungen ... über mehrere
Erhebungszeiträume“ zu vermeiden. Die Absicht des
Gesetzgebers, Finanzverwaltung, Finanzgerichtsbarkeit und
Steuerpflichtigen die Berechnung des gewerbesteuerrechtlichen
Verlustvortrags zu erleichtern, reicht indessen nicht aus, um eine
Ausnahme vom grundsätzlichen Verbot der echten
Rückwirkung zu rechtfertigen. Das an sich wünschenswerte
Bestreben nach Verwaltungsvereinfachung genügt nicht, um ein
schutzwürdiges Vertrauen des Steuerpflichtigen
zurücktreten zu lassen (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE
30, 367, 391, und in BVerfGE 105, 17, 44 = SIS 02 09 34).
IV. Entscheidungserheblichkeit der
Vorlagefrage
1. Im Rahmen des anhängigen
Revisionsverfahrens ist eine abschließende Sachentscheidung
über den vortragsfähigen Gewerbeverlust der Klägerin
auf den 31.12.2000 zu treffen. Entfaltet die vorgelegte materielle
Steuernorm eine verfassungsrechtlich unzulässige
Rückwirkung, ist die Revision des FA zurückzuweisen (s.o.
B.II.1.). Ist § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007 dagegen
verfassungsgemäß, ist die Revision des FA begründet
und die Klage abzuweisen (s.o. B.II.2.). Die Vorlagefrage ist damit
entscheidungserheblich.
a) Soweit das FA davon ausgeht, die
Klägerin könne Verluste des Streitjahres - auch wenn
§ 10a Sätze 4 und 5 GewStG i.d.F. des JStG 2007 erst ab
dem Erhebungszeitraum 2007 anzuwenden wäre - in
Erhebungszeiträumen nach 2006 nur noch in dem Umfang
verrechnen, in dem sie nach dem Gewinnverteilungsschlüssel
nicht auf ausgeschiedene Gesellschafter entfielen, und dies selbst
dann gelten solle, wenn die vortragsfähigen Verluste zuvor
(bestandskräftig) festgestellt worden sind, kann dem nicht
gefolgt werden.
aa) Unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom
11.2.1998 I R 81/97 (BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485 = SIS 98 16 36) zu § 8 Abs. 4 KStG meint das FA offenbar, der steuerlich
relevante Sachverhalt sei insoweit noch nicht abgeschlossen, als
zwar die Entstehung der Verluste in der Vergangenheit liege, die
Rechtsfolge, nämlich die Beschränkung der
Abzugsfähigkeit, aber erst in dem Zeitpunkt eintrete, in dem
die Verrechnung vorgenommen werde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 185,
393, BStBl II 1998, 485 = SIS 98 16 36, unter II.2.a der
Gründe, zweiter Absatz). Es sei deshalb überflüssige
Mehrarbeit, in Bescheiden über die Feststellung des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes für
Erhebungszeiträume vor 2007 nach der streng
mitunternehmerbezogenen Methode des BFH zu verfahren, weil bei
einer Verlustverrechnung in Erhebungszeiträumen nach 2006
wieder alles rückgängig gemacht werden könne. Nur in
Fällen, in denen es bereits zu einer Verlustverrechnung
gekommen sei, sei eine echte Rückwirkung gegeben, der ggf. mit
Billigkeitsmaßnahmen abgeholfen werden könne.
bb) Das FA beruft sich indessen zu Unrecht auf
das BFH-Urteil in BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485 = SIS 98 16 36.
Für die Jahre vor 1990 gab es noch keine gesonderte
Feststellung vortragsfähiger Verluste (vgl. nur
Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl., § 10d Rz 37; auch Abschn.
115 Abs. 9 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1990). Daher
wurde über die Höhe der verrechenbaren Verluste - anders
als seit dem Veranlagungszeitraum (Erhebungszeitraum) 1990 - nicht
im Entstehungsjahr, sondern im Abzugsjahr entschieden. Das galt
auch für die Körperschaftsteuer. Nur vor diesem
Hintergrund ist dem BFH-Urteil in BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485
= SIS 98 16 36 zuzustimmen, das die Berücksichtigung eines
noch nicht verbrauchten Verlustvortrags aus 1983 im Streitjahr 1990
betraf. Soweit das BFH-Urteil in BFHE 185, 393, BStBl II 1998, 485
= SIS 98 16 36 am Ende ausführt, der Umstand, dass die
entstandenen Verluste nach § 10d Abs. 3 Satz 1 EStG (Anm. des
beschließenden Senats: i.d.F. des StRG 1990 - a.F.) bereits
im Entstehungsjahr gesondert festzustellen seien, gebe für die
künftige Behandlung dieser Verluste nichts her, handelt es
sich um ein obiter dictum. Zudem betrifft diese beiläufig
geäußerte Auffassung des I. Senats des BFH lediglich die
Frage, ob die Feststellung eines abzugsfähigen Verlustes nach
§ 10d Abs. 3 Satz 1 EStG a.F. zur Folge hat, dass auch ein
Unternehmen, das mit dem, das den Verlust erlitten hat, nach
Maßgabe des § 8 Abs. 4 KStG wirtschaftlich nicht
identisch ist, den Verlust später abziehen darf. Im Streitfall
geht es demgegenüber um die Höhe des Verlustes, den die
Klägerin in späteren Jahren abziehen kann. Dieser Betrag
wird auch nach der im BFH-Urteil in BFHE 185, 393, BStBl II 1998,
485 = SIS 98 16 36 geäußerten Auffassung durch den
Verlustfeststellungsbescheid verbindlich festgelegt.
Daher stehen das gesonderte
Feststellungsverfahren (vgl. auch oben B.I.1.i) und die
Bestandskraft der jeweiligen Feststellungsbescheide der vom FA
für möglich gehaltenen Anwendung von § 10a
Sätze 4 und 5 GewStG i.d.F. des JStG 2007 auf die
(bestandskräftig festgestellten) Verluste für Jahre vor
2007 entgegen. Nur wenn in Erhebungszeiträumen nach 2006 ein
(weiterer) Gesellschafter ausscheidet, kann dessen Anteil am
Verlustvortrag nach der neuen Methode gemäß § 10a
Sätze 4 und 5 GewStG i.d.F. des JStG 2007 ermittelt werden.
Grundlage hierfür bleiben jedoch stets die Bescheide über
die gesonderte Verlustfeststellung auf die vorangegangenen
Feststellungszeitpunkte, seien diese auch - was das frühere
Ausscheiden von Gesellschaftern angeht - nach der vom BFH in
Einklang mit der Rechtslage vor 2007 für richtig erachteten
Methode berechnet worden.
Erweist sich § 36 Abs. 9 GewStG i.d.F.
des JStG 2007 - gemäß der Überzeugung des
beschließenden Senats - als eine verfassungsrechtlich
unzulässige Rückwirkung, so würde der Senat nach
einer entsprechenden Entscheidung des BVerfG rechtskräftig
über den vortragsfähigen Verlust auf den 31.12.2000
entscheiden. Das FA wäre an dieses Urteil gebunden. Die
Feststellung der vortragsfähigen Verluste für
künftige Erhebungszeiträume wäre dann auf dieser
Grundlage weiterzuentwickeln.
b) Entgegen der Auffassung des FA besteht das
Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin fort.
Jede Rechtsverfolgung vor Gericht setzt ein
Rechtsschutzbedürfnis voraus. Das allgemeine
Rechtsschutzbedürfnis für finanzgerichtlichen
Rechtsschutz ist gegeben, wenn der Kläger konkrete
Rechtsbeeinträchtigungen abwehren oder abgelehnte
Ansprüche durchsetzen will (BFH-Beschluss vom 18.8.1992 V B
209/91, BFH/NV 1993, 479). Ein Wegfall des Rechtsschutzinteresses
ist in jeder Lage des Verfahrens - also auch im Revisionsverfahren
- zu beachten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 15.3.1994 IX R 6/91,
BFHE 174, 4, BStBl II 1994, 599 = SIS 94 16 90; vom 17.1.1985
VII B 46/84, BFHE 142, 564, BStBl II
1985, 302 = SIS 85 10 45, und vom 24.11.1982 II R 172/80, BFHE 137,
6, BStBl II 1983, 237 = SIS 83 03 49). Die Rechtsverfolgung
kann auch durch ein außerprozessuales Ereignis gegenstandslos
werden, das durch die Erklärung eines Beteiligten (hier: des
FA) in das Verfahren eingeführt wird (Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 5.3.1979 GrS 3/78, BFHE 127, 155,
BStBl II 1979, 378 = SIS 79 01 84).
Im Streitfall lässt sich indessen nicht
feststellen, dass die Entscheidung über die Höhe des
vortragsfähigen Gewerbeverlustes unter keinen denkbaren
Gesichtspunkten steuerrechtliche Folgen gegenüber der
Klägerin auslösen könnte. Es ist - jedenfalls
solange die Klägerin fortbesteht - nicht auszuschließen,
dass sich die Erhöhung des vortragsfähigen
Gewerbeverlustes auf den 31.12.2000 auf die Verlustfeststellung in
künftigen Jahren und auf die (künftige)
Gewerbesteuerschuld der Klägerin auswirken kann (vgl.
BFH-Urteil vom 16.12.1981 I R 93/77, BFHE 135, 271, BStBl II 1982,
474 = SIS 82 12 14). Dies reicht für ein
berücksichtigungswürdiges Interesse der Klägerin an
der weiteren Rechtsverfolgung aus.
2. Ein verfassungskonformes Ergebnis kann auch
nicht durch verfassungskonforme Auslegung gewonnen werden (vgl.
dazu BVerfG-Beschluss vom 9.3.1994 2 BvL 43/92 u.a., BVerfGE 90,
145, 166).
a) Eine verfassungskonforme Auslegung von
§ 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007 kommt nicht in
Betracht. Die Anwendung von § 10a Satz 4 GewStG i.d.F. des
JStG 2007 für Erhebungszeiträume vor 2007 ist durch
§ 36 Abs. 9 GewStG i.d.F. des JStG 2007 als spezielle
Anwendungsregelung in eindeutiger Weise konkretisiert worden. Es
besteht kein Anlass für eine vom Wortlaut abweichende
Auslegung, da der mögliche Wortsinn von § 36 Abs. 9
GewStG i.d.F. des JStG 2007 - als Grenze der Auslegung (vgl.
BVerfG-Beschluss vom 11.6.1980 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277) -
unmissverständlich ist. Der mögliche Wortsinn der
Formulierung „ist auch für Erhebungszeiträume
vor 2007 anzuwenden“, lässt eine Auslegung dahin,
dass der Erhebungszeitraum 2000 nicht einzubeziehen sei, nicht zu.
Eine solche Auslegung widerspreche angesichts der
Gesetzgebungsgeschichte zudem dem erkennbaren Willen des
Gesetzgebers.
Im Hinblick auf die gesonderte Feststellung
des vortragsfähigen Gewerbeverlustes und die damit verbundene
Entscheidung über den Gewerbeverlust im Entstehungsjahr ist es
- wie oben dargelegt wurde (vgl. IV.1.a bb) - auch ausgeschlossen,
die gesetzgeberische Anordnung „ist auch für
Erhebungszeiträume vor 2007 anzuwenden“ als
Anweisung an den Normanwender dahin zu verstehen, nach welchem
Recht er künftig eintretende Rechtsfolgen einer
zurückliegenden Tatbestandsverwirklichung zu bestimmen hat
(vgl. dazu BFH-Urteil vom 12.12.2000 VIII R 10/99, BFHE 194, 135,
BStBl II 2001, 282 = SIS 01 05 16, unter II.B.4.b der Gründe
für den anders gelagerten Fall der Bilanzänderung nach
§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.V.m. § 52 Abs. 9 EStG in der
durch das StBereinG 1999 geänderten Fassung).
b) Ein verfassungswidriges Ergebnis lässt
sich auch nicht etwa durch verfassungskonforme Auslegung von §
10a Satz 4 GewStG i.d.F. des JStG 2007 vermeiden. Eine Auslegung
dieser Vorschrift dahin, dass bei Mitunternehmerschaften der
vortragsfähige Gewerbeverlust den Mitunternehmern unter
Berücksichtigung der Sonderbetriebseinnahmen und
–ausgaben zuzurechnen ist, ist nach Auffassung des Senats
nicht möglich. Im Übrigen wollte der Gesetzgeber nach der
Gesetzesbegründung die Berücksichtigung der
Sonderbetriebseinnahmen und –ausgaben bei der Zurechnung des
gewerbesteuerrechtlichen Verlustvortrags auf die Mitunternehmer -
abweichend von der ständigen Rechtsprechung des BFH - gerade
ausschließen. Aufgrund dieser bewussten gesetzgeberischen
Entscheidung verbleibt für den Senat kein Raum für eine
verfassungskonforme Auslegung.