Option, Stillhalterprämie, ESt-Pflicht: Wer einem Anderen eine Option einräumt und dafür eine Prämie zur Entschädigung für die Bindung und die Risiken erhält, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht, muss dieses Entgelt nach § 22 Nr. 3 EStG versteuern (Bestätigung des BFH-Urteils vom 29.6.2004 IX R 26/03, BFHE 206 S. 418, BStBl 2004 II S. 995 = SIS 04 32 23, für die Rechtslage nach der Änderung des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999, BGBl 1999 I S. 402). - Urt.; BFH 17.4.2007, IX R 40/06; SIS 07 19 57
I. Die Beteiligten streiten über die
steuerrechtliche Behandlung von Optionsgeschäften
(Stillhaltergeschäfte) nach dem Einkommensteuergesetz i.d.F.
des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/ 2002 vom 24.3.1999, BGBl
I, S. 402 (EStG).
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts, die eine Industrieimmobilie vermietet und
daraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
bezieht.
Daneben unternahm sie im Streitjahr (1999)
- neben weiteren, hier nicht problematischen - folgende
Optionsgeschäfte:
-
|
Sie räumte der Kreissparkasse N eine
Verkaufsoption auf japanische Yen (120 Mio. JPY) zu 875.912,41 EUR
ein und erhielt hierfür als Stillhalterin eine
Optionsprämie von 91.094,89 EUR (= 178.166,12 DM). Das
Geschäft wurde glattgestellt. Im Gegengeschäft erwarb die
Klägerin von N eine Verkaufsoption zu denselben Bedingungen
wie aus dem Optionsgeschäft und zahlte dafür eine
Optionsprämie von 85.839,42 EUR (= 167.887,31 DM). Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) erfasste die
erhaltenen Optionsprämien als Einnahmen und die im
Gegengeschäft gezahlten Prämien als Werbungskosten bei
den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG (Einkünfte in
Höhe von 10.278,81 DM).
|
|
|
-
|
Ein weiteres Optionsgeschäft auf den
Yen zu den gleichen Konditionen, für das die Klägerin
eine Prämie von 97.664,23 EUR (= 191.014,63 DM) kassierte,
wurde nicht glattgestellt. Vielmehr übte N die Option aus und
erwarb von der Klägerin die 120 Mio. JPY für 875.912,41
EUR. Vorab hatte die Klägerin 120 Mio. JPY für 991.162,14
EUR erworben. Das FA erfasste die erhaltene Optionsprämie als
Einnahme bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG und den
Verlust aus dem An- und Verkauf der japanischen Yen -
Basisgeschäft - in Höhe von 225.408,87 DM als privates
Veräußerungsgeschäft nach § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 EStG.
|
Mit ihrem Einspruch machte die
Klägerin vergeblich geltend, dass die Optionsprämien nach
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zu versteuern seien, so dass
nach entsprechender Verrechnung mit anderen - hier nicht streitigen
Devisentermingeschäften - ein Verlust in Höhe von
468.013,50 DM festzustellen sei.
Auch die Klage blieb erfolglos: Das
Finanzgericht (FG) beurteilte in seinem in EFG 2007, 126 = SIS 07 02 60, veröffentlichten Urteil die Optionsprämien als
nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbare Leistung. Hieran habe sich
durch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG nichts geändert.
Diese Vorschrift umfasse nur den Erwerb einer Option und die
anschließende Beendigung des Rechts durch Verfall,
Ausübung oder Glattstellung, nicht jedoch - wie hier - die
Vereinnahmung einer Stillhalterprämie wegen der
Einräumung der Option.
Hiergegen richtet sich die Revision. Die
Prämien, um die es hier gehe, würden durch § 23 Abs.
1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst. Die Klägerin habe mit der
Einräumung der Option in Gestalt der Prämie einen Vorteil
erwirkt, der ein Recht darstelle. Sie habe überdies das Recht
erworben, bei der Ausübung der Option durch den Optionsnehmer
eine entsprechende Leistung erbringen zu dürfen. Ferner lasse
sich erst dann, wenn die Frist zur Ausübung der Option
unwiderruflich abgelaufen oder die Option sonst wie beendet worden
sei, absehen, wie groß der Vorteil für den Optionsgeber
sei. Deshalb dürfe die Optionsprämie nicht als
selbständige Leistung losgelöst vom nachfolgenden
Effektengeschäft bewertet werden.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage in vollem Umfang
stattzugeben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Mit zutreffenden Erwägungen hat das FG
die Prämien, welche die Klägerin aus der Einräumung
von Optionen als Stillhalterin vereinnahmte, als Einkünfte aus
Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG erfasst.
1. Einkünfte aus Leistungen sind nach der
ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) Entgelte,
die der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und
die Risiken, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht,
unabhängig vom Zustandekommen des Basisgeschäfts (hier
das Währungsgeschäft auf den japanischen Yen) allein
für das Stillhalten erhält (vgl. BFH-Urteil vom 29.6.2004
IX R 26/03, BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995 = SIS 04 32 23,
m.w.N.).
Der BFH trennt zwischen Eröffnungs-,
Basis- und Gegengeschäft (so BFH-Urteile vom 24.6.2003 IX R
2/02, BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752 = SIS 03 37 82, und vom
18.12.2002 I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126 = SIS 03 19 25). Deshalb bilden entgegen der Revision das die Prämie
auslösende Begeben einer Option und das nachfolgende
Geschäft (z.B. Glattstellung oder Basisgeschäft) kein
einheitliches Termingeschäft. Der Optionsgeber erhält die
Prämie als Gegenleistung für eine wirtschaftlich und
rechtlich selbständige Leistung, nämlich für seine
vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko,
in Anspruch genommen zu werden. Er behält sie auch dann, wenn
er aus der Option nicht in Anspruch genommen wird und ein
Basisgeschäft nicht durchführen muss (siehe auch
BFH-Urteil vom 28.11.1990 X R 197/87, BFHE 163, 175, BStBl II 1991,
300 = SIS 91 06 02; zur Abgrenzung der im Stillhalten liegenden
steuerbaren Leistung von Einkünften aus Kapitalvermögen
sowie von Einkünften aus Gewerbebetrieb vgl. insbesondere
BFH-Urteil vom 7.9.2004 IX R 73/00, BFH/NV 2005, 51 = SIS 05 04 15).
2. An dieser Auffassung hält der BFH auch
für die Rechtslage nach Einführung des § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 EStG fest (so auch Bundesministerium der Finanzen -
BMF -, Schreiben vom 27.11.2001, BStBl I 2001, 986 ff. = SIS 02 02 10, Tz 24 und 27; überwiegende Meinung im Schrifttum, vgl.
z.B. Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 23 EStG Rz
200 und 210 (Stichwort: Optionspreis); Schmidt/Weber-Grellet, EStG,
25. Aufl., § 23 Rz 29 und § 22 Rz 150
(Stillhalterpämie), m.w.N.; Dreyer/Broer, Recht der
internationalen Wirtschaft - RIW - 2002, 216, 219; a.A. z.B.
Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 81, m.w.N.; S. Wagner, DStZ
2006, 177, 185 f.): Die Stillhalterprämie ist nicht zusammen
mit den anderen Devisengeschäften einheitlich § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 EStG zuzuordnen.
a) Zwar ist § 22 Nr. 3 EStG
gegenüber § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
EStG subsidiär; denn Einkünfte aus Leistungen sind nur
dann nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar, wenn sie nicht zu den
Einkünften i.S. von § 22 Nr. 2 EStG (und damit zu §
23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG) gehören (vgl. dazu auch M. Wendt,
FR 1999, 333, 352). Indes betrifft § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
EStG lediglich Optionen, die der Berechtigte erwirbt, nicht aber
solche, die er einräumt.
aa) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der
Vorschrift. Denn mit dem Termingeschäft erfasst sie einen
„Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer
veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag
oder Vorteil …, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und
Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder
Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt“. Das Gesetz
setzt damit den Erwerb (die Anschaffung) des dort umschriebenen
Rechts voraus.
bb) Dem entspricht auch die
Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzgeber orientiert sich,
indem er den Begriff des Differenzgeschäfts durch den Begriff
des Termingeschäfts ersetzt (vgl. BTDrucks 14/443, S. 28 zu
Nummer 31), an den Regelungen in § 2 des
Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) vom 26.7.1994 (BGBl I, S. 1749;
aktuell i.d.F. des Anlegerschutzverbesserungsgesetzes vom
28.10.2004, BGBl I, S. 2630). Zu den Termingeschäften in
diesem Sinne zählt auch das Optionsgeschäft; nach §
2 Abs. 2a WpHG sind Finanztermingeschäfte Derivate i.S. des
§ 2 Abs. 2 WpHG und Optionsscheine. Als Derivate bestimmt das
Gesetz auch als Optionsgeschäfte ausgestaltete
Termingeschäfte, deren Preis - wie im Streitfall - unmittelbar
oder mittelbar von bestimmten Basiswerten abhängt (hier von
der Währung Yen). Das WpHG unterscheidet Wertpapiere (z.B.
verbriefte Rechte, Zertifikate, die Aktien ersetzen, Genussscheine
und Optionsscheine, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG) von
Derivaten und behandelt in § 2 Abs. 2a WpHG alle Optionen
(also Optionsgeschäfte als Derivate und Optionsscheine als
Wertpapiere) als Finanztermingeschäfte und damit gleich. Diese
Intention liegt auch § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zugrunde:
Optionen, die keine Wertpapiere sind, fallen unter § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG und solche, die als Optionsscheine
Wertpapiere sind, unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG.
Die darüber hinaus gehende Bedeutung der Vorschrift liegt im
Verzicht auf die Tatbestandsmerkmale
„Wirtschaftsgut“ und
„Veräußerung“ (vgl. dazu
HHR/Harenberg, § 23 EStG Rz 188; Dreyer/Broer, RIW 2002, 216,
220). Nach wie vor erforderlich ist jedoch der Erwerb des
Rechts.
b) Wer einem Anderen eine Option
einräumt, erwirbt kein Recht auf einen Differenzausgleich,
Geldbetrag oder Vorteil i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
EStG. Zwar erhält er eine Optionsprämie. Dieses Entgelt
ist aber kein „Geldbetrag“ im Sinne der
Vorschrift, weil es sich nicht durch den Wert einer
veränderlichen Bezugsgröße bestimmt (siehe dazu
auch die Gesetzesbegründung in BTDrucks 14/443, S. 29). §
23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst nur Vorteile, die auf dem
Basisgeschäft beruhen (also hier z.B. der ausbedungene
Yen-Betrag). Die Prämie ist demgegenüber Gegenleistung
für das Stillhalten. Der Stillhalter erwirbt den Anspruch auf
die Prämie schon mit dem Abschluss der Optionsvereinbarung.
Die erlangte Prämie bleibt ihm erhalten. Sie wird
unabhängig davon erzielt, ob es je zu einem Basisgeschäft
kommt oder wie das Optionsgeschäft sonst beendet wird. §
23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft lediglich den Optionsinhaber;
nur dessen Recht auf Durchführung des Optionsgeschäfts
wird mit dem Ablauf, der Ausübung oder Glattstellung beendet
(vgl. auch Dreyer/Broer, RIW 2002, 216, 219).
3. Nach diesen Maßstäben hat die
Vorinstanz die von der Klägerin vereinnahmten
Optionsprämien als nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbare
sonstige Leistungen zutreffend mit den im Gegengeschäft
gezahlten Prämien (vgl. dazu das BFH-Urteil vom heutigen Tag
in der Sache IX R 23/06 = SIS 07 19 57, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt), nicht aber mit den nach § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG steuerbaren Verlusten aus den
Optionsgeschäften verrechnet (§ 23 Abs. 3 Satz 8 EStG).
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht (vgl.
BFH-Urteil vom 18.10.2006 IX R 28/05, BStBl II 2007, 259 = SIS 07 00 44).