Verfallene Option, Spekulationsgeschäft: Wer erworbene Optionen verfallen lässt, erfüllt nicht den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. - Urt.; BFH 19.12.2007, IX R 11/06; SIS 08 20 29
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) machte in seiner Erklärung zur Feststellung des
verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember des Streitjahres
(2000) u.a. einen Verlust aus privaten
Veräußerungsgeschäften geltend. Dieser beruhte in
Höhe von 26.046,12 DM auf dem Erwerb von Kaufoptionen, die der
Kläger bei Fälligkeit wegen Wertlosigkeit nicht
ausgeübt, sondern verfallen lassen hatte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) lehnte die Berücksichtigung des sich aus
den verfallenen Kaufoptionen ergebenden Verlustes ab. Das
Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobenen Klage statt. Ein Termingeschäft i.S. des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes in der ab dem
1.1.1999 geltenden Fassung des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 vom 24.3.1999, BGBl I 1999, 402 (EStG) liege auch
beim Verfall eines befristeten Optionsrechtes vor. Das Urteil ist
in EFG 2006, 669 = SIS 06 14 17 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG.
Es beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
Mit Bescheid vom 12.11.2007 hat das FA den
Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2000 - ohne
Auswirkung auf die hier streitigen negativen Einkünfte aus
Veräußerungsgeschäften - erneut
geändert.
II. Die Revision ist begründet; nach
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
1. Auf die Revision ist das Urteil des FG
schon aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil der
Verwaltungsakt (Änderungsbescheid vom 13.4.2005), über
dessen Rechtmäßigkeit das FG entschieden hat, nach
Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG mit Bescheid vom
12.11.2007 geändert wurde (§ 68 Satz 1 FGO). Das
vorinstanzliche Urteil ist somit gegenstandslos geworden; die vom
FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind hierdurch
jedoch nicht weggefallen (Bergkemper in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 127 FGO Rz 3, m.w.N.).
2. Der Senat entscheidet gemäß
§ 121 i.V.m. § 100 FGO in der Sache selbst und weist die
Klage - aus den nachfolgend zu II. 3. dieses Urteils dargelegten
Gründen - ab (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Sache
ist entscheidungsreif, da sich - wie dem Vortrag der Beteiligten im
Revisionsverfahren zweifelsfrei zu entnehmen ist - durch den Erlass
des §Änderungsbescheids vom 12.11.2007 der Streitstoff
nicht geändert hat und weitere tatsächliche
Feststellungen zur abschließenden Beurteilung des
Klagebegehrens nicht erforderlich sind (vgl. Bundesfinanzhof - BFH
-, Urteil vom 10.5.2007 IV R 69/04, BFHE 217, 147, BFH/NV 2007,
2023 = SIS 07 31 54; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6.
Aufl., § 123 Rz 3, § 127 Rz 1 und 2).
3. Das FG hat zu Unrecht im Zusammenhang mit
dem Verfall der Optionen einen Verlust aus privaten
Veräußerungsgeschäften i.S. von § 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 EStG berücksichtigt.
a) Nach dieser Vorschrift sind
Termingeschäfte (nur) solche, durch die der Steuerpflichtige
einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer
veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag
oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und
Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder
Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz
1 Nr. 4 Satz 1 EStG); als Termingeschäft gelten u.a. auch
Optionsgeschäfte (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 2
EStG).
b) Der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 EStG ist nur erfüllt, wenn der Optionsinhaber durch die
Beendigung des erworbenen Rechts auf Differenzausgleich
tatsächlich einen Differenzausgleich erlangt, d.h. das
Basisgeschäft durchführt; denn § 23 Abs. 1 Satz 1
Nr. 4 EStG erfasst nur Vorteile, die auf dem Basisgeschäft
beruhen (BFH-Urteil vom 17.4.2007 IX R 40/06, BFHE 217, 566, BStBl
II 2007, 608 = SIS 07 19 57, m.w.N.). Hieran fehlt es, wenn der
Optionsinhaber von seinem Recht auf Differenzausgleich keinen
Gebrauch macht und die Option verfallen lässt (gl.A.
Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 27.11.2001, BStBl I
2001, 986 = SIS 02 02 10, Tz 18 und 23; Crezelius, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 23 Rz B 109;
Schlüter, DStR 2000, 226, 228; a.A. - neben der Vorinstanz -
z.B. FG Rheinland- Pfalz, Urteil vom 19.5.2005 4 K 1678/02, EFG
2005, 1701 = SIS 05 35 61; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl.,
§ 23 Rz 29; Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/ Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 23 Rz 59;
Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz 74; Delp, Die Information
über Steuer und Wirtschaft 1999, 584, 586; Wendt, FR 1999,
333, 352; Geurts, DB 2002, 110, 113; Philipowski, DStR 2004, 978;
ders. DStR 2007, 1615).
c) Zwischen § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz
1 Halbsatz 1 und 2 EStG besteht kein Widerspruch (a.A. - neben der
Vorinstanz - z.B. Philipowski, DStR 2004, 978, 979 f.). Beide legen
die Bedingungen für die Steuerbarkeit fest. Das erworbene
Recht auf einen Differenzausgleich muss innerhalb eines Jahres
beendet sein (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG)
und der Optionsinhaber muss hieraus (tatsächlich) einen
Differenzausgleich erlangen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1
Halbsatz 1 EStG). Für eine andere Auslegung der Vorschrift
unter Hinweis auf das System des Einkommensteuerrechts oder den
Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit besteht
angesichts ihres eindeutigen Wortlautes kein Raum (a.A. - neben der
Vorinstanz - z.B. Philipowski, DStR 2004, 978, 979 f.).
d) Für die Entscheidung des Streitfalles
ist ohne Bedeutung, dass der VI. Senat des BFH im Urteil vom
3.5.2007 VI R 36/05 (BStBl II 2007, 647 = SIS 07 21 03)
Aufwendungen eines Arbeitnehmers für den Erwerb von
(später verfallenen) Aktienoptionen als vergebliche
Werbungskosten angesehen hat (a.A. Philipowski, DStR 2007, 1615);
denn diese Aufwendungen standen im Zusammenhang mit Einnahmen, die
als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von
§ 19 EStG einen Steuertatbestand erfüllten. Im Streitfall
ist diese Voraussetzung nicht gegeben.