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I. Streitig ist, ob die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft
(AG), für Lohnsteuer auf Rabatte haftet, die ihren
Mitarbeitern von Dritten beim Abschluss von
Versicherungsverträgen eingeräumt wurden.
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Die Klägerin war im Streitjahr 2004 zu
rund 9 % an der X AG und zu über 90 % an der Y AG (Y)
beteiligt. Die Y war zu 25,5344 % an der Z AG (Z)
beteiligt.
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Die Arbeitnehmer der Klägerin
erhielten Produkte von Versicherungsunternehmen der X sowie der Z
zu verbilligten Tarifen. Auf dieses Angebot wurden sie unter Punkt
9 „Soziale Leistungen“ im Personalhandbuch der
Klägerin hingewiesen, auf das in den verwendeten
Arbeitsverträgen unter Tz. 7 „Betriebliche
Zusatzleistungen“ Bezug genommen war. Die Klägerin
unterwarf die gewährten Rabatte nicht dem Lohnsteuerabzug. Sie
hat ihre Arbeitnehmer auch nicht darauf hingewiesen, dass von einem
Dritten gewährte Bezüge dem Arbeitgeber anzugeben
sind.
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Bezüglich der
streitgegenständlichen Rabatte bestanden keine Vereinbarungen
oder Absprachen zwischen der Klägerin und den
Versicherungsunternehmen. Die von der Z gewährten Rabatte
standen sämtlichen Innen- und Außendienstmitarbeitern
aller deutschen Versicherungsunternehmen offen; außer an die
Zugehörigkeit zur Versicherungsbranche waren sie an keine
weiteren Bedingungen geknüpft. Die von der X gewährten
Rabatte wurden nicht nur aktiven Mitarbeitern und Pensionären
der inländischen X-Gesellschaften, sondern auch
Beschäftigten anderer Unternehmen gewährt. Einzige
Voraussetzung war insoweit die Betriebszugehörigkeit zu einem
dieser Unternehmen.
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Zur Absatzförderung stellte die
Klägerin eigene Räumlichkeiten zur Verfügung, in
denen entsprechende Verträge abgeschlossen werden
konnten.
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Im Zeitraum von Juli bis November 2005 fand
bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung
für den Zeitraum Januar 2001 bis Dezember 2004 statt. Der
Prüfer vertrat die Auffassung, es handele sich bei den
gewährten Rabatten um Lohnzahlungen durch Dritte. Da die
konkreten Beträge nicht mehr zu ermitteln waren, schätzte
er die Bemessungsgrundlage für den Lohnsteuerabzug und
errechnete die Lohnsteuer anhand eines in Anlehnung an § 40
des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelten pauschalen
Bruttosteuersatzes.
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Für das Streitjahr 2004 ergaben sich
folgende Beträge:
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X
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Y
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Zu versteuernder Betrag
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388.412,00 EUR
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1.460,00 EUR
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Bruttosteuersatz
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40,90 %
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40,50 %
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Lohnsteuer
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158.860,50 EUR
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591,30 EUR
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Kirchensteuer evangelisch
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2.058,83 EUR
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7,66
EUR
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Kirchensteuer
römisch-katholisch
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4.803,93 EUR
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17,87 EUR
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Solidaritätszuschlag
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8.737,32 EUR
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32,52 EUR
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Gesamt
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174.460,58 EUR
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649,35 EUR
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA - ) folgte der Auffassung des Prüfers und nahm
die Klägerin mit Bescheid vom 23.11.2005 für Lohnsteuer,
Solidaritätszuschlag und für Kirchensteuer für die
Jahre 2001 bis 2004 in Haftung. Dem Einspruch der Klägerin gab
das FA für die Jahre 2001 bis 2003 statt. Mit
Einspruchsentscheidung vom 19.8.2008 wies es den Einspruch für
das Streitjahr 2004 als unbegründet zurück. Die hiergegen
gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in EFG 2012,
456 = SIS 12 02 79 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und
Verfahrensmängel.
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Die Klägerin beantragt, das Urteil des
FG München vom 26.10.2011 8 K 3176/08 aufzuheben und den
Haftungsbescheid vom 23.11.2005 dahingehend abzuändern, dass
die Lohnsteuer auf 362 EUR, der Solidaritätszuschlag zur
Lohnsteuer auf 19,91 EUR, die evangelische Kirchensteuer auf 28,96
EUR und die römisch-katholische Kirchensteuer auf 0 EUR
herabgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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II. Die Revision der Klägerin ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung
und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die den Arbeitnehmern der
Klägerin von Dritten eingeräumten Rabatte stellen keinen
Arbeitslohn dar.
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1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet
der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs.
1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG vom Arbeitslohn
einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
abzuführen hat.
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a) Zu den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß §
19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG - neben Gehältern und Löhnen
- auch andere Bezüge und Vorteile, die
„für“ eine Beschäftigung im
öffentlichen und privaten Dienst gewährt werden,
unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob
es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§
19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge gelten dann als für
eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das
individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen
eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung
des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das
individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn
die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das
Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der
nichtselbständigen Arbeit darstellen, sich die Leistung des
Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das
Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des
Arbeitnehmers erweist (ständige Senatsrechtsprechung, vgl.
Urteile des Bundesfinanzhof - BFH - vom 28.2.2013 VI R 58/11, BFHE
240, 345, BStBl II 2013, 642 = SIS 13 16 47; vom 7.5.2014 VI R
73/12 = SIS 14 18 26, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt).
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b) Arbeitslohn kann nach der mittlerweile
ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile
in BFHE 240, 345, BStBl II 2013, 642 = SIS 13 16 47; vom 18.10.2012
VI R 64/11, BFHE 239, 270, BFH/NV 2013, 131 = SIS 12 31 04; vom
20.5.2010 VI R 41/09, BFHE 229, 346, BStBl II 2010, 1022 = SIS 10 20 98; vom 7.5.2014 VI R 73/12 = SIS 14 18 26, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt) ausnahmsweise auch bei der
Zuwendung eines Dritten anzunehmen sein, wenn sie ein Entgelt
„für“ eine Leistung darstellt, die der
Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen
Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll.
Voraussetzung ist, dass sich die Leistung des Dritten für den
Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber
darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht.
Dagegen liegt dann kein Arbeitslohn vor, wenn die Zuwendung wegen
anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem
Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer
und Arbeitgeber gewährt wird. Entsprechendes gilt, wenn die
Zuwendung auf anderen Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitnehmer und
Drittem gründet.
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aa) Rabatte, die der Arbeitgeber nicht nur
seinen Arbeitnehmern, sondern auch fremden Dritten
üblicherweise einräumt, begründen bei den
Arbeitnehmern keinen Arbeitslohn. Soweit und in der Höhe, als
Preisnachlässe auch im normalen Geschäftsverkehr unter
fremden Dritten erzielt werden können, spricht nichts
dafür, dass diese Rabatte, wenn sie auch Arbeitnehmern
eingeräumt werden, als Vorteil für deren
Beschäftigung gewährt werden. Denn es fehlt an einem aus
dem Arbeitsverhältnis stammenden Vorteil als
Grundvoraussetzung für Einkünfte i.S. des § 19 Abs.
1 Satz 1 EStG (vgl. Senatsurteile vom 2.2.1990 VI R 15/86, BFHE
159, 513, BStBl II 1990, 472 = SIS 90 10 40; vom 4.5.2006 VI R
28/05, BFHE 213, 484, BStBl II 2006, 781 = SIS 06 35 38; vom
26.7.2012 VI R 27/11, BFHE 238, 376, BStBl II 2013, 402 = SIS 12 29 28).
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bb) Dies gilt erst recht, wenn es um von
Dritten gewährte Preisvorteile geht (vgl. auch Senatsurteil in
BFHE 229, 346, BStBl II 2010, 1022 = SIS 10 20 98, zum Verzicht auf
Abschlussgebühren durch Dritte). Denn bei Leistungen Dritter
liegt Arbeitslohn nur vor, wenn sich aus den Umständen ergibt,
dass die von Dritten eingeräumten Vorteile nicht auf deren
eigenwirtschaftlichen Interessen gründen, sondern die für
den Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung entgelten sollen.
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c) Ob eine Zuwendung durch das
Dienstverhältnis veranlasst und damit als Arbeitslohn zu
beurteilen ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen
Würdigung durch das FG; dies gilt auch für die Zuwendung
durch einen Dritten. Denn es ist aufgrund einer grundsätzlich
der Tatsacheninstanz vorbehaltenen Würdigung aller
wesentlichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob der
entsprechende Leistungsaustausch den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit, einer anderen Einkunftsart oder dem
nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist. Entscheidend
ist insoweit nicht die persönliche Einschätzung der an
der Zuwendung Beteiligten, sondern die von der Tatsacheninstanz zu
würdigenden objektiven Umstände des Einzelfalls (vgl.
z.B. Senatsurteile in BFHE 240, 345, BStBl II 2013, 642 = SIS 13 16 47; vom 7.5.2014 VI R 73/12 = SIS 14 18 26, zur amtlichen
Veröffentlichung bestimmt). In die tatrichterliche
Würdigung sind - entsprechend ihrer Bedeutung - alle
wesentlichen Umstände des zu beurteilenden Sachverhalts
einzubeziehen.
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2. Die Entscheidung des FG entspricht nicht
diesen Rechtsgrundsätzen. Sie war deshalb aufzuheben. Der
Senat kann durcherkennen. Auf der Grundlage der Feststellungen des
FG handelt es sich im Streitfall um Rabatte, die nicht nur den
Arbeitnehmern der Klägerin, sondern auch einem weiteren
Personenkreis zugänglich waren, ohne dass dies an das
Erbringen von Arbeitsleistungen geknüpft gewesen wäre.
Arbeitslohn liegt danach nicht vor.
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a) Das FG hat den Entlohnungscharakter der
Rabatte letztlich einzig daran festgemacht, dass die Tarifvorteile
über die Verweisung auf das Personalhandbuch Gegenstand des
Arbeitsvertrags gewesen seien.
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Diese Feststellung lässt jedoch nicht den
Schluss auf das Vorliegen von Arbeitslohn zu, weil allein aus dem
Hinweis darauf, dass Dritte möglicherweise auf ihre Leistungen
Rabatte einräumen, nicht auf eine zusätzliche
Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der
individuellen Arbeitskraft durch Dritte geschlossen werden kann.
Denn nach den Feststellungen der Vorinstanz war eine
Rabattgewährung durch die X bzw. Z nicht dergestalt in die
Arbeitsverträge einbezogen, dass den Arbeitnehmern der
Klägerin hierauf ein Anspruch eingeräumt worden
wäre. Vielmehr ist lediglich von einem Hinweis auf das
Personalhandbuch die Rede, in dem wiederum Informationen über
Ansprechpartner enthalten waren, über die Verträge
abgeschlossen werden konnten.
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b) Auch die vermeintliche Mitwirkung der
Klägerin an der Verschaffung der Vorteile erlaubt es nicht,
eingeräumte Rabatte als Arbeitslohn anzusehen.
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Der Hinweis auf das Personalhandbuch ist
ebenso wie das Zurverfügungstellen von Räumlichkeiten
für Treffen der Arbeitnehmer mit den Ansprechpartnern der
Versicherungen schon nicht als aktives Mitwirken anzusehen.
Darüber hinaus gehören Rabatte, die ein Dritter
einräumt, nicht allein deshalb zum Arbeitslohn, weil der
Arbeitgeber an deren Verschaffung mitgewirkt hat. Zwar kann eine
Mitwirkung des Arbeitgebers an Preisvorteilen, die Arbeitnehmern
von dritter Seite eingeräumt werden, dafür sprechen, dass
die Drittzuwendung wirtschaftlich betrachtet Arbeitslohn ist.
Entscheidend ist aber, ob die Zuwendung des Dritten Prämie
oder Belohnung für eine Leistung ist, die der Arbeitnehmer im
Rahmen seines Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber
erbringt (BFH-Urteil vom 24.2.1981 VIII R 109/76, BFHE 133, 375,
BStBl II 1981, 707 = SIS 81 22 30; Senatsurteil in BFHE 239,
270, BFH/NV 2013, 131 = SIS 12 31 04).
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Im Streitfall sicherten sich die Dritten - die
Versicherungsunternehmen - durch die Rabatte aus
eigenwirtschaftlichen Gründen einen leicht zugänglichen
und aufgrund der niedrigen Marketing- und Vertriebskosten sowie des
geringen Betreuungsbedarfs attraktiven Kundenkreis. Nach den
Feststellungen des FG wurden die Vorteile auch Arbeitnehmern nicht
verbundener Unternehmen gewährt, ferner bestanden keine
Vereinbarungen zwischen der Klägerin und
Versicherungsunternehmen, aus denen ein Zusammenhang mit den
individuellen Dienstverhältnissen abgeleitet werden
könnte.
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3. Da die Revision bereits aus anderen
Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, muss der
Senat nicht entscheiden, ob dem FG die von der Klägerin
geltend gemachten Verfahrensfehler unterlaufen sind.
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