Jahreswagen, geldwerter Vorteil, Berechnung: Erhält ein Arbeitnehmer verbilligt Waren (z.B. Jahreswagen), die sein Arbeitgeber herstellt oder vertreibt, kann die Höhe des geldwerten Vorteils nach der Regelung des § 8 Abs. 2 EStG ohne Bewertungsabschlag und Rabattfreibetrag, oder mit diesen nach der des § 8 Abs. 3 EStG ermittelt werden. - Urt.; BFH 5.9.2006, VI R 41/02; SIS 06 40 96
(Anmerkung der Redaktion:
vgl. auch BMF-Schreiben vom 28.3.2007, IV C 5 - S 2334/07/0011,
BStBl 2007 I S. 464 = SIS 07 12 89)
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) wurden zum Streitjahr 1996 als Ehegatten zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger, der bei einem
Hersteller von Kraftfahrzeugen mit Sitz in A beschäftigt war,
erwarb von seinem Arbeitgeber einen fabrikneuen PKW, dessen
Listenpreis einschließlich Sonderausstattung und
Mehrwertsteuer 45.853 DM betrug, zum Preis von 34.707 DM. Der
Arbeitgeber ging von einem durchschnittlichen Händlerrabatt
von 9,54 v.H. auf den Listenpreis aus und nahm an, Endpreis i.S.
von § 8 Abs. 3 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei
der um die Hälfte eines durchschnittlichen
Händlerrabatts, also um 4,77 v.H. geminderte Listenpreis.
Letzteren kürzte er um einen Bewertungsabschlag von 4 v.H. und
gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG um einen noch
verbliebenen anteiligen Rabattfreibetrag. Einen nach dieser
Berechnung ermittelten geldwerten Vorteil in Höhe von 5.049 DM
unterwarf der Arbeitgeber dem Lohnsteuerabzug. In gleicher
Höhe nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt
- FA - ) auch bei der Einkommensteuerveranlagung Arbeitslohn an.
Den hiergegen erhobenen Einspruch mit dem Ziel, als Endpreis den um
einen durchschnittlichen Händlerrabatt von 9,54 v.H.
gekürzten Listenpreis anzusetzen und hierauf den
Bewertungsabschlag von 4 v.H. und den verbliebenen Rabattfreibetrag
zu gewähren, wies das FA zurück.
Mit der Klage war ursprünglich geltend
gemacht worden, es liege dem Grunde nach kein Arbeitslohn vor.
Zuletzt wurde nur beantragt, als Endpreis i.S. von § 8 Abs. 3
EStG einen um 10 v.H., hilfsweise um 9,54 v.H. gekürzten
Listenpreis zugrunde zu legen. Für einen geldwerten Vorteil
dürfe nämlich lediglich von dem Preis ausgegangen werden,
den auch ein fremder Dritter entrichten müsste. Die
Kläger legten die Bescheinigung eines am
Beschäftigungsort des Klägers B ansässigen
Kfz-Händlers vor, der erklärte, er würde das
fragliche Kfz dem Kläger mit einem Rabatt von 10 v.H., also
für 41.267 DM verkauft haben. Dies hat auch der als Zeuge
vernommene Geschäftsführer des Handelshauses
bestätigt.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage in
Höhe des „Hilfsantrages“ mit den in EFG 2001, 746
= SIS 01 78 26 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe den Begriff des
Angebotspreises in § 8 Abs. 3 EStG unzutreffend
gewürdigt. Maßgebend sei der für fremde
Letztverbraucher tatsächlich geltende Angebotspreis, der nicht
von Preisnachlässen aufgrund gezielter Preisverhandlungen oder
persönlicher Beziehungen berührt werde. Dies sei - wenn
erfahrungsgemäß vielfältige Preisnachlässe
gewährt würden - weder der Listenpreis als unverbindliche
Preisempfehlung, noch der Endpreis, zu dem der Kauf
tatsächlich abgeschlossen werde, sondern der Preis, der als
„echte“ Ausgangsbasis für die
Verkaufsverhandlungen gelte. Diese Auslegung begünstige den
Arbeitnehmer insofern, als er regelmäßig deutlich unter
dem Listenpreis liege und stelle den Arbeitnehmer mit fremden
Käufern gleich, soweit diese sich auch nicht um
Preisnachlässe im Verhandlungswege bemühen müssten.
Demgegenüber unterscheide das FG nicht zwischen den
unterschiedlichen Preisen, sondern gehe davon aus, dass der
Angebotspreis dem tatsächlich erzielten Preis entspreche. Dies
widerspreche nicht nur der Lebenserfahrung, sondern setze sich auch
über die Zeugenaussage hinweg, dass der Angebotspreis nicht
„das letzte Wort“ sei. Im Übrigen sei die
Zeugenaussage insofern irrelevant, als sie sich auf den Arbeitsort
des Klägers in B bezogen habe, während maßgebend
die Verhältnisse am Sitz des Arbeitgebers in A gewesen seien.
Vom Arbeitgeber könne ein Kaufinteressent einen PKW nur
über einen Vertragshändler beziehen. Da der Arbeitgeber
seine Waren in B fremden Letztverbrauchern im allgemeinen
Geschäftsverkehr nicht anbiete, komme es darauf an, wie das
Angebot des dem Abgabeort A nächstansässigen Abnehmers
ausfalle (R 32 Abs. 2 Satz 4 der Lohnsteuer-Richtlinien - LStR - ).
Im Übrigen regt das FA an, das Bundesministerium der Finanzen
(BMF) zum Verfahrensbeitritt aufzufordern.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
zurückzuweisen.
Sie tragen vor, angesichts der Vielfalt der
Ausstattungsmerkmale sei ein Angebotspreis erst bestimmbar, wenn
alle Ausstattungsdetails festgelegt worden seien. Wie allgemein
bekannt sei, sei der Endpreis immer Verhandlungssache. Allgemeine
Angebotspreise gebe es - von wenigen Ausnahmen und
unveränderbaren Sonderangeboten abgesehen - nicht. Es sei
lebensfremd anzunehmen, dass es neben dem Listenpreis und dem
tatsächlich erzielbaren Endpreis noch einen Angebotspreis
gebe. Die Zeugenaussage, dass die Verhandlung um den Preis beginne
und kein Kunde bereit sei, den vom Werk empfohlenen Preis zu
zahlen, bedeute nur, dass Ausgangsbasis für den Endpreis der
Listenpreis für Fahrzeug und Ausstattungsmerkmale sei. Da der
Händler an der Erzielung eines möglichst hohen
Kaufpreises interessiert sei, werde er üblicherweise den
Listenpreis zugrunde legen. Da der Kunde bestens informiert sei und
um jede Mark feilsche, werde er einen Abschlag fordern. Diesen
könne der Händler nur insoweit gewähren, als ihm
eine bestimmte Mindestmarge verbleibe. Der Händler benenne
nicht neben dem Listenpreis einen eigenen Angebotspreis, von dem er
sich anschließend herunterhandeln lasse. Soweit der
Händler vorab einen gewissen Abschlag vom Listenpreis in
Aussicht stelle, sei das allenfalls eine teilweise Vorwegnahme der
von den Käufern ohnehin geforderten pauschalen Abschläge.
Es verwundere, dass das FA für den Angebotspreis die
Verhältnisse des nächstansässigen Abnehmers in A
für maßgebend ansehe, da der Arbeitgeber viele
Betriebsstätten im Inland betreibe, die Steuergesetzgebung den
Begriff der Betriebsstätte kenne und die Lohnsteuer vermutlich
an das Betriebsstätten-FA B und nicht an ein FA in A
abgeführt werde.
II. Die Revision führt zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Ungeachtet der Tatsache, dass das FG den
Begriff des Abgabeorts und des Angebotspreises verkannt hat (dazu
unter 3.), ist das angefochtene Urteil bereits deswegen aufzuheben,
weil das FG Rechtsfolgen ausgesprochen hat, die bei Anwendung der
von ihm als maßgebend angesehenen Rechtssätze auf den
festgestellten Sachverhalt sich so nicht ableiten lassen. Das FG
war in tatsächlicher Hinsicht nach Würdigung der
Zeugenaussage davon überzeugt, „dass der
Angebotspreis in der Regel 10 v.H. unter dem Listenpreis liegt und
nicht von Preisnachlässen beeinflusst ist, die auf besonderen
persönlichen Beziehungen oder außergewöhnlichem
Verhandlungsgeschick des Käufers im Einzelfall
beruhen“ und war sich sicher, „dass geringere
Preisnachlässe die Ausnahme bilden“ bzw.
„kaum ins Gewicht“ fallen. Angesichts der
Tatsache, dass das FG einen 10 v.H. unter dem Listenpreis liegenden
Kalkulationspreis als Angebotspreis i.S. von § 8 Abs. 3 Satz 1
EStG angesehen hat, bleibt offen, warum das FG als Ausgangsbetrag
für die besondere Rabattbewertung des § 8 Abs. 3 EStG
nicht - wie in erster Linie beantragt - den um 10 v.H.
gekürzten Listenpreis zugrunde gelegt und dementsprechend der
Klage in vollem Umfang stattgegeben hat. Jedenfalls lässt sich
der für die Kläger ungünstigere Preisabschlag von
9,54 v.H. nicht damit rechtfertigen, dass dieser Wert wegen eines
diesbezüglichen „Hilfsantrags“ anzusetzen
gewesen wäre, abgesehen davon, dass nicht festgestellt wurde,
worauf die Annahme eines durchschnittlichen Preisnachlasses von
9,54 v.H. beruht, obwohl das FA die Richtigkeit dieses Betrages
bestritten hatte. Im Übrigen ist der
„Hauptantrag“ nicht beschieden und die Klage in
Höhe der Differenz zum „Hauptantrag“ nicht
abgewiesen worden.
2. Wie zwischen den Beteiligten zu Recht nicht
mehr streitig ist, stellt ein vom Arbeitgeber gewährter
Preisnachlass in Fällen wie dem Vorliegenden dem Grunde nach
Arbeitslohn dar.
3. Dieser ist abweichend von Abs. 2 des §
8 EStG nach dessen Abs. 3 zu bewerten, wenn der Arbeitnehmer einen
Preisnachlass auf Waren erhält, die vom Arbeitgeber nicht
überwiegend für den Bedarf der Arbeitnehmer hergestellt
und vertrieben werden und wenn deren Bezug nicht nach § 40
EStG pauschal versteuert wird. Ausgangsbetrag der Rabattbesteuerung
nach § 8 Abs. 3 EStG sind die um 4 v.H. geminderten Endpreise,
zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort
nächstansässige Abnehmer die Waren fremden
Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr
anbietet.
a) Mit der Formulierung „der
Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige
Abnehmer“ trug der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung, dass
die betreffenden Produkte des Arbeitgebers entweder vom Arbeitgeber
selbst oder über Dritte an verschiedenen Orten im allgemeinen
Geschäftsverkehr angeboten werden. In diesen Fällen
sollte zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens ein für
alle Arbeitnehmer gleicher Ausgangsbetrag bestimmt und dabei der
Verwaltungsaufwand des Arbeitgebers in einem vertretbaren Rahmen
gehalten werden. Hiermit wäre nicht vereinbar, den Abgabeort
mit dem Ort des Lohnzuflusses gleichzusetzen, also dem Ort, an dem
dem Arbeitnehmer die Verfügungsmacht an dem verbilligt
überlassenen Kfz verschafft wird (Urteil des Bundesfinanzhofs
- BFH - vom 4.6.1993 VI R 95/92, BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687 =
SIS 93 16 59). Denn Letzteres würde zur Folge haben, dass
für alle Verschaffungsorte ermittelt werden müsste, zu
welchem Endpreis vergleichbare Waren dort fremden Letztverbrauchern
im allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden. Damit
würden nicht nur dem Arbeitgeber beim Lohnsteuerabzug in
großem Umfang Wertermittlungen auferlegt, sondern es
würden auch beim nämlichen Produkt von Fall zu Fall
unterschiedliche Bewertungsergebnisse erzielt, die mit der
typisierenden Regelung des § 8 Abs. 3 EStG erkennbar vermieden
werden sollten.
Übereinstimmende Bewertungsergebnisse
sind nur durch einen für alle Arbeitnehmer maßgebenden
einheitlichen Abgabeort zu erreichen. Als solcher kommt
beispielsweise der Sitz des Unternehmens in Betracht, wenn dort
zentral darüber entschieden wird, welche Rabatte für
welche Produkte gewährt werden. Da das FG abweichend hiervon
ohne weitere Begründung davon ausgegangen ist, dass einer von
mehreren Produktionsstandorten - an dem sich nicht der Sitz des
Unternehmens befindet - maßgebend sei, war die Sache auch aus
diesem Grund zurückzuverweisen.
b) Ausgangspunkt der besonderen
Rabattbewertung des § 8 Abs. 3 EStG ist der Endpreis, zu dem
die betreffende Ware fremden Letztverbrauchern im allgemeinen
Geschäftsverkehr angeboten wird. Was die Grundsätze
betrifft, nach denen dieser Preis zu bestimmen ist, wird auf das
BFH-Urteil in BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687 = SIS 93 16 59
verwiesen. Zum Verhältnis der Bewertung nach Abs. 2
gegenüber der nach Abs. 3 des § 8 EStG gilt Folgendes:
Grundnorm ist § 8 Abs. 2 EStG, der in Übereinstimmung mit
dem Lohnbegriff Rabatte des Arbeitgebers erst dann bzw. in der
Höhe als geldwerten Vorteil erfasst, als der Preis
unterschritten wird, der für das gleiche Produkt am Markt von
fremden Dritten zu entrichten ist. Vergleichspreis ist dabei
grundsätzlich der günstigste Preis am Markt (BFH-Urteile
vom 17.8.2005 IX R 10/05, BFHE 211, 151, BStBl II 2006, 71 = SIS 05 49 06, und vom 4.5.2006 VI R 28/05 = SIS 06 35 38, zur
Veröffentlichung bestimmt). Abweichend hiervon geht § 8
Abs. 3 EStG als Spezialnorm grundsätzlich von einem
unabhängig von Rabattgewährungen anzugebenden bzw.
auszuzeichnenden Vergleichspreis aus, wobei die Vorschrift deswegen
tendenziell begünstigenden Charakter hat, weil noch ein
Bewertungsabschlag von 4 v.H. und ein Rabattfreibetrag abgezogen
werden kann. Die beabsichtigte Vorteilhaftigkeit der Norm kann aber
verfehlt werden, wenn der auszuzeichnende Preis und der
günstigste Preis am Markt so stark voneinander abweichen, dass
trotz des Bewertungsabschlags und des Rabattfreibetrags ein
geldwerter Vorteil erfasst wird, der nach dem Maßstab der
Grundnorm tatsächlich nicht vorliegt. In diesem Fall hat der
Arbeitnehmer jedenfalls im Rahmen seiner Veranlagung die Wahl, die
Höhe des geldwerten Vorteils entweder nach der Regelung des
§ 8 Abs. 2 EStG ohne Bewertungsabschlag und Rabattfreibetrag,
oder mit diesen nach der des § 8 Abs. 3 EStG bewerten zu
lassen.
4. Da das FG von abweichenden
Rechtssätzen ausgegangen ist, war die Sache
zurückzuverweisen. Das FG wird nunmehr Feststellungen zu
treffen haben, ob der geldwerte Vorteil nach § 8 Abs. 2 EStG
als Differenz zwischen tatsächlichem Kaufpreis und
günstigstem Preis am Markt oder nach § 8 Abs. 3 EStG als
Differenz zwischen tatsächlichem Kaufpreis und dem für
alle betroffenen einheitlichen Angebotspreis abzüglich
Bewertungsabschlag und Rabattfreibetrag zu bewerten ist.