Zugriff auf Ehegattenvermögen bei Fiskalerbschaft: 1. Wird der Fiskus gesetzlicher Erbe, so erledigt sich ein noch offener Einkommensteueranspruch - auch aus einer Zusammenveranlagung - vollen Umfangs durch die Vereinigung von Forderung und Schuld (Konfusion). Es kommt nicht darauf an, ob die Erbschaft bei dem Bundesland des letzten Wohnsitzes oder beim Bund eingetreten ist (§ 1922 i.V.m. § 1936 BGB). Der Fiskalerbe muss sich hinsichtlich des gesamten aus der Einkommensteuerveranlagung herrührenden Anspruchs als Gläubiger behandeln lassen. - 2. Die Konfusion steht der Inanspruchnahme des anderen zusammenveranlagten Ehegatten, der den Vollstreckungszugriff im Umfang des Wertes unentgeltlicher Zuwendungen des anderen Ehegatten nach § 278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 dulden muss, nicht entgegen. Soweit das Bestehen der Einkommensteuerschuld Voraussetzung für die Realisierung des gesetzlichen Zugriffsrechts nach § 278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ist, geht die Regelung inzident von deren Fortbestehen aus. - Urt.; BFH 7.3.2006, VII R 12/05; SIS 06 25 19
I. Für die
Jahre 1990, 1991 und 1992 wurde die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) mit ihrem im Oktober 2001
verstorbenen Ehemann bestandskräftig zusammen veranlagt.
Daraus ergaben sich zum 9.10.1995 fällige Steuerschulden
(Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen zur
Einkommensteuer) in Höhe von insgesamt ca. 1.085.000 DM. Mit
Aufteilungsbescheiden nach §§ 268 ff. der Abgabenordnung
(AO 1977) vom 13.10.1995 wurde die Vollstreckung gegen die
Klägerin gemäß § 278 Abs. 1 AO 1977
antragsgemäß auf 0 DM beschränkt mit dem Hinweis,
„unberührt davon bleibt die Inanspruchnahme nach §
278 Abs. 2 AO“.
1995 wurden bei
der Klägerin verschiedene auf § 278 Abs. 2 AO 1977
gestützte Vollstreckungsmaßnahmen durchgeführt. Die
dagegen erhobenen Beschwerden blieben erfolglos. Mit
Gerichtsbescheid vom 29.6.2001 8 K 971/96 stellte das Finanzgericht
(FG) fest, dass die Klägerin (mindestens) in Höhe dieser
Steuerschulden von ihrem Ehemann Zuwendungen i.S. des § 278
Abs. 2 AO 1977 erhalten habe (einmalige Zuwendungen in 1991, 1992
und 1994 sowie in den Jahren 1990 bis 1994 laufende
Zuwendungen).
Die von ihrem
Ehemann zur Alleinerbin bestimmte Klägerin, die Kinder und der
Halbbruder des Ehemannes schlugen die Erbschaft aus. Mangels
anderer als Erben in Betracht kommender Personen stellte das
für die Nachlasssache zuständige Amtsgericht F die
Erbenermittlung ein.
Auf Antrag der
Klägerin erließ der Beklagte und Revisionsgegner (das
Finanzamt - FA - ) am 30.4.2002 „zur Inanspruchnahme der
Klägerin nach § 278 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) wegen der
nach Aufteilung der Gesamtschuld auf den zusammenveranlagten
Ehegatten entfallenden Schuld“ einen
„Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2
AO“. Nach Anrechnung der durch Vollstreckung eingezogenen, im
Einzelnen den Steuerschulden 1990, 1991 und 1992 zugeordneten
Beträge „verblieben für die weitere Inanspruchnahme
nach § 278 Abs. 2 AO, maximal aber in Höhe der noch
offenen Steuerbeträge: ... insgesamt ca. 277.000
EUR“.
Der Einspruch
blieb erfolglos. Das FG gab der Klage teilweise statt. Die
Klägerin hatte im Wesentlichen geltend gemacht, der
Abrechnungsbescheid sei rechtswidrig, weil sie die offenen Steuern
wegen der Aufteilung jedenfalls nicht mehr als Steuerschuldnerin
schulde, weil nicht klar sei, welche offenen Steuerbeträge auf
Seite 2 des Bescheides gemeint und welche Zuteilungen aus
Zwangsversteigerungen angerechnet worden seien und weil diese
Steuern infolge der Fiskalerbschaft des Landes Bayern durch
Konfusion erloschen seien. Das FG bestätigte
grundsätzlich die Verpflichtung der Klägerin, die
Zwangsvollstreckung wegen des auf den Vermögensübergeber
entfallenden Steueranspruchs zu dulden. Die zum Zeitpunkt des Todes
des Ehemanns der Klägerin noch offene Einkommensteuerschuld
sei jedoch zur Hälfte erloschen, da sie insoweit dem Freistaat
Bayern als Steuergläubiger zugestanden habe, der im Streitfall
neben dem Bund Staatserbe geworden sei.
Das Urteil des FG
ist in EFG 2005, 1082 = SIS 02 85 35
veröffentlicht.
Das FA ist der
Auffassung, dass durch die Fiskalerbschaft keine Konfusionslage
eingetreten sei. Es liege nur eine scheinbare Identität
zwischen Steuerschuldner- und Steuergläubigerschaft vor. Der
Freistaat Bayern als Gesamtrechtsnachfolger nach dem Verstorbenen
stehe als Person des Privatrechts dem Freistaat in seiner Funktion
als Steuergläubiger als Person des öffentlichen Rechts
gegenüber. Im Übrigen könnten bei besonderen
Interessenlagen, in der Steuerschulden nicht mehr realisiert werden
könnten, weil der Steuerschuldner Vermögen auf Dritte
übertragen habe, - wie bei einer vergleichbaren
zivilrechtlichen Konstellation anerkannt - die allgemeinen
Grundsätze der Vereinigung von Forderung und Schuld keine
Anwendung finden.
II. Die Revision ist
unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
1. Die Revision ist
zulässig. Die Klägerin hat ein
Rechtsschutzbedürfnis, denn sie ist durch den an sie
gerichteten angefochtenen Bescheid in der durch das FG
geänderten Fassung beschwert (vgl. dazu Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., Vor § 115 Rz 21). Es kommt
nicht darauf an, ob dieser Bescheid entbehrlich war, weil die
Klägerin die (Einzel-) Zwangsvollstreckung auch dulden
müsste, wenn das FA den Bescheid nicht erlassen hätte
(dazu im Einzelnen noch unten). Entscheidend für die Beschwer
der Klägerin ist, dass das FG den als
„Abrechnungsbescheid gemäß § 218 Abs. 2
AO“ bezeichneten streitigen Bescheid vom 30.4.2002
unabhängig von dieser Bezeichnung als eigenständigen
Duldungsbescheid nach § 278 Abs. 2 Satz 1, § 118 AO 1977
mit einem Leistungsgebot i.S. des § 254 AO 1977 angesehen
hat.
2. Die Revision ist
jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil entspricht -
soweit es die Klage abgewiesen hat und durch die Revision der
Klägerin angegriffen ist - im Ergebnis dem Bundesrecht (§
118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Klägerin ist durch die
Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 auf die vom
FG ausgeurteilten Beträge nicht in ihren Rechten
verletzt.
Soweit das FG der
Klage stattgegeben hat, ist über die Rechtmäßigkeit
des Urteils im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden. Das
revisionsrechtliche Verböserungsverbot untersagt es dem
Revisionsgericht, die Rechtsstellung des Revisionsführers, wie
sie sich aufgrund des FG-Urteils ergibt, zu seinen Ungunsten zu
ändern, wenn kein anderer Beteiligter Revision eingelegt hat
(Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19.8.1999 IV R 67/98, BFHE 190, 150, BStBl II
2000, 179 = SIS 00 01 43).
a) Das FG hat den
angefochtenen Bescheid vom 30.4.2002 im Ergebnis zutreffend als
„Duldungs“bescheid nach § 278 Abs. 2 Satz
1, § 118 AO 1977 gewertet und für zulässig
erachtet.
aa) Nach seinem
Wortlaut ist der als „Abrechnungsbescheid gemäß
§ 218 Abs. 2 AO“ überschriebene Bescheid
„zur Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 Abgabenordnung
(AO) wegen der nach Aufteilung der Gesamtschuld auf den
zusammenveranlagten Ehegatten entfallenden Schuld“
ergangen. Sein Regelungsgehalt liegt darüber hinaus in der
Feststellung der - nach Abrechnung der durch
Vollstreckungsmaßnahmen beigetriebenen Beträge -
verbleibenden offenen Steuerbeträge.
Es kann offen
bleiben, ob diesem Bescheid - wie das FG offenbar in Anlehnung an
die Senatsentscheidung vom 18.12.2001 VII R 56/99 (BFHE 197, 19,
BStBl II 2002, 214 = SIS 02 05 68) angenommen hat - eine
Zahlungsaufforderung entnommen werden kann, die einem
Leistungsgebot i.S. des § 254 AO 1977 entspricht. Die Annahme
eines Leistungsgebots durch das FG ist jedenfalls unschädlich,
da sich daraus keine zusätzliche Beschwer für die
Klägerin ableitet. Denn das Leistungsgebot gegenüber der
Klägerin liegt bereits in dem Zusammenveranlagungsbescheid,
der unabhängig von der Aufteilung der Steuerschuld weiter
besteht; die Aufteilung der Gesamtschuld führt lediglich zu
einer Vollstreckungsbeschränkung (Senatsurteil vom 12.1.1988
VII R 66/87, BFHE 152, 206, BStBl II 1988, 406 = SIS 88 07 54). Das
die Klägerin als Gesamtschuldnerin treffende Leistungsgebot
aus der bestandskräftigen Zusammenveranlagung der Ehegatten
wird durch die Aufteilung nicht dem Grunde, sondern nur der
Höhe nach modifiziert. Zwar lief das Leistungsgebot wegen der
ursprünglichen Aufteilung (0 DM für die Klägerin)
zunächst leer. Da die vollständige Freistellung durch die
unentgeltlichen Zuwendungen an die Klägerin kraft Gesetzes
(§ 278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977) aufgehoben wurde, entfaltet das
Leistungsgebot insoweit wieder seine Wirkung.
bb) Das FA war
berechtigt, diesen Bescheid zu erlassen.
Wie der Senat
bereits entschieden hat, ist ein besonderer auf § 278 Abs. 2
Satz 1 AO 1977 gestützter Bescheid zur Inanspruchnahme des
Vollstreckungsschuldners grundsätzlich nicht erforderlich,
weil die Wirkungen der Aufteilung der Gesamtschuld auf das
Vollstreckungsverfahren kraft Gesetzes eintreten; d.h. auch die
Vollstreckungsbeschränkung des § 278 Abs. 1 AO 1977 wird
bei Vorliegen unentgeltlicher Vermögenszuwendungen insoweit
kraft Gesetzes (§ 278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977) aufgehoben, ohne
dass der Aufteilungsbescheid geändert wird. Ein auf § 278
Abs. 2 AO 1977 gestützter Bescheid, der Art und Umfang der
Inanspruchnahme festlegen kann, ist gleichwohl zulässig. Die -
zweckmäßige - Regelung eines solchen Bescheides kann
darin liegen, dass der Betrag bestimmt wird, bis zu dessen
Höhe der Zuwendungsempfänger wegen des auf den
Zuwendenden entfallenden Steueranspruchs die Vollstreckung zu
dulden hat, und zugleich darin, dass die Behörde mit dem
Bescheid zu erkennen gibt, dass sie die betreffenden
Vermögensübertragungen für Zwecke der Vollstreckung
„anfechten“ will (so Senatsurteil in BFHE 197,
19, BStBl II 2002, 214 = SIS 02 05 68).
Mit dem Hinweis auf
die durch Gerichtsbescheid des FG festgestellte
Rechtmäßigkeit der vorausgegangenen, auf § 278 Abs.
2 AO 1977 gestützten Vollstreckungsmaßnahmen beruft sich
das FA sinngemäß auf eine bereits
festgestellte Duldungspflicht der Klägerin, so dass zwar ein
„ergänzendes Leistungsgebot, welches die qualitative
Einschränkung durch den Aufteilungsbescheid wieder teilweise
oder zur Gänze beseitigt“ (vgl. auch Senatsurteil
vom 29.11.1983 VII R 22/83, BFHE 140, 138, BStBl II 1984, 287 = SIS 84 25 12; Müller-Eiselt in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, § 278 AO Rz. 19), im
Streitfall überflüssig war.
Mit der Feststellung der im Zeitpunkt der Bescheiderteilung noch
offenen Steuerforderungen bestimmte der Bescheid vom 30.4.2002 aber
außerdem den Betrag, bis zu dessen Höhe die
Klägerin wegen des auf ihren Ehemann entfallenden
Steueranspruchs die Vollstreckung weiterhin zu dulden hat. Diese
Regelung war nicht zuletzt im Hinblick auf den Antrag der
Klägerin zweckmäßig.
b) Die mit dem angefochtenen Bescheid getroffene
Feststellung, dass für die weitere Inanspruchnahme der
Klägerin nach § 278 Abs. 2 AO 1977 die im Einzelnen
errechneten, maximal aber die noch offenen Steuerbeträge
verbleiben, ist zutreffend.
Das FG hat im
Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Klägerin die
Vollstreckung (jedenfalls) in der vom FG - auf den dem Bund nach
Art. 106 Abs. 3 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) zustehenden Anteil an
der Einkommensteuer - begrenzten Höhe dulden muss.
aa) Entgegen der
Auffassung des FG ist allerdings der Klägerin darin zu folgen,
dass die nach Aufteilung auf den Ehemann der Klägerin
entfallende Einkommensteuerschuld mit der Gesamtrechtsnachfolge des
Fiskus als gesetzlicher Erbe des verstorbenen Ehemannes sich
vollständig - und nicht nur anteilig entsprechend dem auf den
Freistaat Bayern entfallenden Anteil - mit der Steuerforderung des
Fiskus vereinigt und damit erledigt hat (Konfusion).
(1) Abgesehen von
den gesetzlich geregelten Gründen für das Erlöschen
eines Steuerschuldverhältnisses durch Zahlung, Aufrechnung,
Erlass, Verjährung und Eintritt einer auflösenden
Bedingung in § 47 AO 1977, erlischt ein Schuldverhältnis
auch, wenn sich Forderung und Schuld in einer Person vereinen
(Konfusion; Urteile des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 1.6.1967 II
ZR 150/66, BGHZ 48, 214, 218; vom
11.12.1981 V ZR 222/80, NJW 1982, 2381, unter II. 1. b; vgl.
Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, 64.
Aufl., Überblick vor § 362 Rn. 4). Mit dem Ausschlagen
der Erbschaft durch alle (übrigen) gesetzlichen Erben des
verstorbenen Ehemannes der Klägerin ist der Freistaat Bayern
gemäß §§ 1922, 1936 Abs. 1 Satz 1 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1
AO 1977 als gesetzlicher Erbe Gesamtrechtsnachfolger des
verstorbenen Steuerpflichtigen geworden und damit materiell- und
verfahrensrechtlich in die abgabenrechtliche Stellung des
Rechtsvorgängers eingetreten (BFH-Urteil vom 18.11.2004 V R
66/03, BFH/NV 2005, 710 = SIS 05 18 41). Diese abgabenrechtliche
Stellung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin im
streitgegenständlichen Kontext ergibt sich aus den
Einkommensteuerbescheiden 1990 bis 1992 i.V.m. den nach
Maßgabe der §§ 268 ff. AO 1977 ergangenen
Aufteilungsbescheiden vom 13.10.1995.
(2) Hinsichtlich des
gesamten aus der Einkommensteuerveranlagung herrührenden
Anspruchs muss sich der Freistaat Bayern zugleich als
Gläubiger behandeln lassen.
Zwar ist der
Freistaat Bayern nicht allein Gläubiger der Einkommensteuer.
Vielmehr bestimmt Art. 106 Abs. 3 GG mit den Formulierungen,
„das Aufkommen der Einkommensteuer ... steht dem Bund und
den Ländern gemeinsam zu (Gemeinschaftssteuer)...“
und „am Aufkommen der Einkommensteuer ... sind der Bund
und die Länder je zur Hälfte beteiligt“, dass
Bund und Land jeweils mit ihrem Anteil Gläubiger dieser Steuer
sind (Senatsurteil vom 12.3.1963 VII 98/61 U, BFHE 76, 678, BStBl
III 1963, 247 = SIS 63 01 73; Rozek in HHSp, § 226 AO Rz.
31).
Jedoch gilt nach
§ 226 Abs. 4 AO 1977 (i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes
1986 vom 19.12.1985, BGBl I 1985, 2436) als Gläubiger
oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis
auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet. Damit
macht der Gesetzgeber deutlich, dass für die Feststellung der
Gegenseitigkeit gemäß §
226 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 387 BGB grundsätzlich
die Gläubigerstellung des jeweiligen Fiskus aus seiner
Ertragshoheit folgt, dass daneben aber -
weiterhin wie in der bis 1986 geltenden Fassung der Vorschrift -
„auch“ die Verwaltungshoheit maßgebend
sein soll (vgl. Senatsurteil vom 16.1.1990 VII R 107/87, BFH/NV
1990, 610). Es kann demnach auf der Grundlage der Verwaltungshoheit
aufgerechnet werden, selbst wenn die Gegenseitigkeit auf der Basis
der Ertragshoheit nicht besteht.
Die Fiktion einer
umfassenden Gläubigerstellung gilt auch im
Vollstreckungsverfahren. Nach § 252 AO 1977 gilt im
Vollstreckungsverfahren die Körperschaft als Gläubigerin
der zu vollstreckenden Ansprüche, der die
Vollstreckungsbehörde angehört.
Diese Regelung kommt
allerdings im Streitfall - auch wenn die Heranziehung der
Klägerin nach § 278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 dem
Vollstreckungsverfahren zuzurechnen ist - nicht unmittelbar zur
Anwendung. Vollstreckungsverfahren i.S. des § 252 AO 1977 ist
die Durchführung der Vollstreckung eines Verwaltungsakts im
Verwaltungsweg i.S. des § 249 Abs. 1 AO 1977 nach den
Vorschriften der AO 1977 mit in der AO 1977 vorgesehenen
Vollstreckungsmaßnahmen im Einzelfall (Beermann in HHSp,
§ 252 AO Rz. 12). Die Klärung, ob Konfusion hinsichtlich
der Steuerschuld des Ehemannes der Klägerin eingetreten ist,
ist der Vollstreckung gegen die Klägerin vorrangig.
Der sowohl der
Regelung in § 226 AO 1977 (Erhebungsverfahren) als auch der in
§ 252 AO 1977 (Vollstreckungsverfahren) zugrunde liegende
Rechtsgedanke, dass die steuerverwaltende bzw. vollstreckende
Körperschaft gegenüber dem Steuerpflichtigen hinsichtlich
der ihr übertragenen Aufgaben einheitlich als
„Fiskus“ auftritt, muss auch im Falle der
Fiskalerbschaft gelten. Es lässt sich nicht rechtfertigen,
dass eine Einkommensteuerschuld zu Lebzeiten des Steuerpflichtigen
durch Aufrechnung mit einem Einkommensteuererstattungsanspruch
vollen Umfangs erlischt, im Fiskalerbfall bei Gegenübertreten
der nämlichen Einkommensteuerforderung und –schuld aber
im Anteil des Bundes bestehen bleibt.
Im Ergebnis ist
daher festzuhalten, dass mit Ausschlagen der übrigen Erben die
Einkommensteuerschuld des verstorbenen Ehemannes der Klägerin
sich durch Konfusion insgesamt erledigt hat.
bb) Das FA war
gleichwohl dem Grunde und - jedenfalls in dem vom FG ausgeurteilten
Umfang - auch der Höhe nach berechtigt, die Klägerin
gemäß § 278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 in Anspruch zu
nehmen.
(1) Der
Aufteilungsbescheid, nach dem die Klägerin keinen Anteil an
der Einkommensteuer aufzubringen hat, steht der Heranziehung nicht
entgegen. Zwar führt die Aufteilung der Gesamtschuld nach
Maßgabe der §§ 268 ff. AO 1977 für das
Vollstreckungsverfahren grundsätzlich zur Beschränkung
der Vollstreckung auf die auf den einzelnen Schuldner entfallenden
Beträge (§§ 268, 278 Abs. 1 AO 1977) in der Weise,
dass jeder Aufteilungsbeteiligte nur auf den auf ihn entfallenden
anteiligen Betrag an Einkommensteuer aus der Zusammenveranlagung in
Anspruch genommen werden und nur in Höhe dieser anteiligen
Schuld gegen ihn vollstreckt werden darf. Mit dieser
Regelung wird dem verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung getragen,
dass die Verwirklichung der Gesamtschuld nicht gegen den Willen der
Ehegatten erzwungen werden kann. (vgl. Urteil des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 21.2.1961 1 BvL 29/57,
20/60, BVerfGE 12, 151, BStBl I
1961, 55, 61, 62 zur gesamtschuldnerischen Haftung bei der
Vermögensabgabe).
(2) Diese
Vollstreckungsbeschränkung erfährt aber eine
Durchbrechung durch die Regelung des § 278 Abs. 2 Satz 1 AO
1977. Nach dieser Vorschrift kann ein Steuerschuldner, dem
von einer mit ihm zusammen veranlagten Person in oder nach dem
Veranlagungszeitraum, für den noch Steuerrückstände
bestehen, unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet
wurden, über den sich nach Absatz 1 ergebenden Betrag hinaus
bis zur Höhe des gemeinen Wertes dieser Zuwendung für die
Steuer in Anspruch genommen werden.
Da der gegen ihren
Ehemann bestehende Anspruch aus der aufgeteilten Gesamtschuld
infolge der unstreitigen Vermögensübertragungen auf die
Klägerin nicht mehr realisierbar ist, ist das FA
grundsätzlich berechtigt, gegen sie als Empfängerin der
Vermögenszuwendung zu vollstrecken.
(3) Dem steht nicht
entgegen, dass sich die Steuerschuld des Ehemannes durch Konfusion
erledigt hat. Soweit das Bestehen der Einkommensteuerschuld
Voraussetzung für die Realisierung des gesetzlichen
Zugriffsrechts nach § 278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ist, fingiert
die Regelung inzident deren Fortbestehen.
Der Senat hat in der
Entscheidung in BFHE 197, 19, BStBl II 2002, 214 = SIS 02 05 68
ausgesprochen, dass es sich bei der Inanspruchnahme nach § 278
Abs. 2 Satz 1 AO 1977 nicht um die Vollstreckung wegen einer
eigenen Schuld des in Anspruch genommenen, sondern um die Duldung
der Vollstreckung wegen der nach Aufteilung der Gesamtschuld auf
den anderen Zusammenveranlagten entfallenden Schuld handele.
Derjenige, dem von einer mit ihm zusammen veranlagten Person
unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet worden
sind, könne bis zur Höhe des gemeinen Wertes dieser
Zuwendung für den auf den anderen Gesamtschuldner
entfallenden Steuerbetrag in Anspruch genommen werden; d.h. der
Zuwendungsempfänger sei insoweit nicht Schuldner, sondern
Duldungsverpflichteter.
Die Annahme des FG,
aus dieser Entscheidung sei wegen der Akzessorietät der
Duldungspflicht abzuleiten, die Konfusion der Steuerschuld des
Ehemannes aus Anlass der Fiskalerbschaft stehe einer
Inanspruchnahme der Klägerin entgegen, geht fehl.
Zwar setzt eine
Duldungspflicht im Regelfall das Bestehen einer Abgaben- bzw.
Steuerschuld voraus, m.a.W. diese Schuld muss entstanden und darf
nicht erloschen sein (vgl. schon Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts vom 13.2.1987 8 C 25.85, BVerwGE 77,
38-40, BStBl II 1987, 475 = SIS 87 20 58, m.w.N.).
Auch hat der BFH
hinsichtlich der Durchsetzung von - Duldungsansprüchen
insoweit vergleichbaren - Haftungsansprüchen entschieden, ein
Haftungsanspruch könne wegen der Akzessorietät der Haftung
grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden, wenn der
zugrunde liegende Steueranspruch verjährt sei. Da der
Haftungsschuldner für fremde Schuld einzustehen habe, setze
seine Inanspruchnahme voraus, dass der Primäranspruch bei
Erlass des Haftungsbescheides noch bestehe (BFH-Urteil vom
5.11.1992 I R 41/92, BFHE 170, 204, BStBl II 1993, 407 = SIS 93 14 82). Er hat weiter geurteilt, dass das FA bei seiner in der
Einspruchsentscheidung vorzunehmenden
Ermessensüberprüfung gegen das sog.
„Übermaßverbot“ verstoße, wenn
es mehr an Haftungsansprüchen aufrechterhalte, als es zur
Befriedigung der Steuerschulden erforderlich sei (BFH-Urteil vom
17.10.1980 VI R 136/77, BFHE 131, 449, BStBl II 1981, 138 = SIS 81 07 48).
Die
uneingeschränkte Akzessorietät der Verpflichtung des
zusammen veranlagten Zuwendungsempfängers im Falle der
Konfusion der Steuerschuld bei Fiskalerbschaft liefe aber dem Zweck
des § 278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 zuwider, dem
Steuergläubiger im Gegenzug zur Vollstreckungsbegrenzung durch
Aufteilungsbescheid nach § 278 Abs. 1 AO 1977 den Zugriff auf
die Vermögenswerte zu bewahren, die dem Vermögen des
Erblassers durch unentgeltliche Übertragung auf den zusammen
veranlagten anderen Ehegatten entzogen worden sind.
Für das
Zivilrecht hat der BGH erkannt, dass das Erlöschen der
Hauptforderung im Falle der Konfusion weder gesetzlich
vorgeschrieben noch logisch zwingend sei; vielmehr sei vom
Fortbestehen der Forderung auszugehen, wo dies nach der
Interessenlage etwa mit Rücksicht auf Rechte Dritter an der
Forderung geboten erscheine. Das BGB fingiere in einigen dieser
Fälle das Bestehen der Forderung (vgl. §§ 1976, 1991
Abs. 2, 2143, 2175, 2377 BGB). Diese Regelungstechnik rechtfertige
indessen nicht den Gegenschluss, ohne eine derartige Fiktion sei
die Forderung unter allen Umständen erloschen (BGH-Urteil vom
14.6.1995 IV ZR 212/94, NJW 1995, 2287, m.w.N.).
So hat er dem Sicherungszweck einer
Bürgschaft den Vorrang vor ihrer Abhängigkeit von der
Hauptschuld für den Fall eingeräumt, dass die Hauptschuld
infolge des auf Vermögensverfall beruhenden Wegfalls des
Hauptschuldners erlischt. Gerade auf den Vermögensverfall
könne sich der Bürge nicht berufen. Infolge der Aufhebung
der Akzessorietät verwandele sich die Forderung gegen den
Bürgen von einem abhängigen Nebenrecht in einen
selbständigen Anspruch (BGH-Urteil vom 25.11.1981 VIII ZR 299/80, BGHZ 82, 323 A 2 a). Die
Oberlandesgerichte (OLG) haben den Rechtsgedanken aufgegriffen,
dass das Erlöschen einer (Haupt-) Forderung durch Konfusion
für den Gläubiger nicht zum Verlust eines Rechts
führen darf, das gerade zur Sicherung bei Ausfall der
Hauptforderung dient (OLG Hamm, Urteil vom 16.6.1994 6 U 227/93,
Versicherungsrecht - VersR - 1995, 454; Schleswig-Holsteinisches
OLG, Urteil vom 28.7.1998 6 U 14/98, Neue Juristische
Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht - NJW-RR - 1999,
1528; OLG Düsseldorf, Urteil vom 9.2.1999 4 U 38/98, VersR
1999, 1009).
Zwar fehlt in §
278 Abs. 2 AO 1977 für den Duldungspflichtigen die
ausdrücklich normierte Durchbrechung der Akzessorietät,
wie sie in § 768 Abs. 1 Satz 2 BGB für den Bürgen
(der Bürge kann sich nicht auf die Beschränkung der
Erbenhaftung berufen) geregelt ist. Das Fehlen einer entsprechenden
Regelung spricht aber nicht gegen eine Durchbrechung der
Akzessorietät der Duldungsverpflichtung im Falle der
Fiskalerbschaft. Die Duldungsverpflichtung nach § 278 Abs. 2
Satz 1 AO 1977 kann - anders als die Bürgschaft - nur vom
Fiskus selbst zur Verwirklichung des (eigenen) Steueranspruchs
eingefordert werden. Für ihn als Erben der korrespondierenden
Steuerschuld kann sich eine Beschränkung der Erbenhaftung
nicht auswirken.
Auch eine Überleitungsanzeige
gemäß § 90 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in
Verbindung mit § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB, mit der der
Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf
Rückübertragung eines zu Lebzeiten übertragenen
Grundstücks gegen den Erben des Leistungsempfängers aus
§ 528 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen der offenen Pflegekosten
für den Erblasser geltend machte, ließ der BGH nicht
daran scheitern, dass der Anspruch aus § 528 Abs. 1 Satz 1 BGB
mit dem Erbfall durch Konfusion erloschen war. § 90 BSHG diene
der Durchsetzung des Grundsatzes des Nachrangs der Sozialhilfe
(§ 2 Abs. 1 BSHG). Die Überleitungsermächtigung
ziele ihrem Zweck nach auf die Herstellung derjenigen Haushaltslage
beim Sozialhilfeträger, die bestünde, wenn der Anspruch
des Hilfeempfängers schon vor seinem Tod erfüllt worden
wäre (BVerwG-Urteil vom 10.5.1990 5 C 63.88, NJW 1990, 3288).
Das verschenkte Vermögen sei damit unabhängig vom Willen
des Schenkers in den Grenzen der Haftung aus § 528 BGB dem
Träger der Sozialhilfe gegenüber materiell-rechtlich mit
der Pflicht belastet, die erbrachten Sozialhilfeleistungen zu
erstatten. Dies rechtfertige es, von der Fortdauer der
materiell-rechtlichen Erstattungspflicht des Beschenkten
gegenüber dem Träger der Sozialhilfe auszugehen, auch
wenn der Beschenkte Erbe des an sich anspruchsberechtigten
Schenkers geworden sei. Die Erbfolge des aus § 528 BGB
haftenden Beschenkten in die Rechtsstellung des Schenkers
könne dem Träger der Sozialhilfe im Ergebnis ebenso wenig
schaden wie die Konfusion etwa bei einem Pfandrecht an einer
Forderung (BGH-Urteil in NJW 1995, 2287).
Das FG hat die
Anwendung dieser Erwägungen des BGH auf den Streitfall mit dem
Hinweis verworfen, dass es hier anders als in den vom BGH
entschiedenen Fällen nicht um den Schutz von Rechten Dritter,
sondern um die des Gläubigers selbst gehe. Es verkennt dabei,
dass der BGH nicht den Schutz Dritter in den Vordergrund stellt,
sondern den Sicherungszweck des „Nebenrechts“,
der darauf gerichtet ist, für den Ausfall der Hauptforderung
Ersatz zu bieten. Dies kommt besonders in der Formulierung in BGHZ
82, 323 zum Ausdruck, dass - wie die gesetzlichen Regelungen in
§ 768 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 193 der Konkursordnung und
§ 82 der Vergleichsordnung aufzeigen - im Interesse des
Gläubigers der Sicherungszweck der Bürgschaft Vorrang vor
ihrer Abhängigkeit von der Hauptschuld gewinnt. Auch die
Ausführungen in NJW 1995, 2287 zum Zweck der
Überleitungsermächtigung - die Herstellung derjenigen
Haushaltslage beim Sozialhilfeträger, die bestünde, wenn
der Vermögensgegenstand im Vermögen des Erblassers
verblieben wäre - machen die der Regelung in § 278 Abs. 2
Satz 1 AO 1977 vergleichbare Interessenlage deutlich. In beiden
Fällen hat sich durch das Ableben und die dadurch eingetretene
Konfusion nichts an dem mit den zugrunde liegenden Regelungen
verfolgten Interesse des Staates geändert, auf die durch
unentgeltliche Zuwendung dem Vermögen entnommenen Werte
weiterhin - wie vor dem Erbfall - zugreifen zu können.
Gerade im Falle der Fiskalerbschaft
müssen die Überleitungsermächtigung wie die
Einschränkung der Vollstreckungsbeschränkung in §
278 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 ihre Wirkung entfalten. Denn ohne die
unentgeltliche Zuwendung an den anderen Ehegatten bzw. den Dritten
wären diese Vermögenswerte als Teil des Nachlasses dem
Fiskalerben zugeflossen.