Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 4.5.2016 - 3 K
148/15 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der
Kläger zu tragen.
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I. Der Vater des Klägers und
Revisionsbeklagten (Kläger) und dessen Ehefrau (Stiefmutter
des Klägers) errichteten im Jahr 1986 ein notariell
beurkundetes gemeinschaftliches Testament, worin sie sich
gegenseitig zu Alleinerben und den Kläger zum Erben des
Überlebenden einsetzten (sog. Berliner Testament, § 2269
des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - ). Der Vater des
Klägers verstarb im Oktober 2003, die Stiefmutter des
Klägers im Januar 2014.
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In der Erbschaftsteuererklärung
betreffend den Erbanfall beim Ableben der Stiefmutter machte der
Kläger einen eigenen Pflichtteilsanspruch als
Nachlassverbindlichkeit geltend. Er habe den Pflichtteilsanspruch
gegenüber seiner Stiefmutter mündlich geltend gemacht. Im
Begleitschreiben vom 19.11.2014 zur Erbschaftsteuererklärung
sei gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger
(Finanzamt - FA - ) die Geltendmachung in schriftlicher Form
nachgewiesen worden. Hierzu verwies er auf das Urteil des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19.02.2013 - II R 47/11 (BFHE 240, 186,
BStBl II 2013, 332 = SIS 13 07 89), wonach der
Pflichtteilsberechtigte den Anspruch auch noch nach dem Tod der
Pflichtteilsverpflichteten geltend machen könne.
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Mit Bescheid vom 28.05.2015 setzte das FA
Erbschaftsteuer gegenüber dem Kläger fest, ohne den
geltend gemachten Pflichtteilsanspruch bei der Ermittlung des
steuerpflichtigen Erwerbs steuermindernd zu
berücksichtigen.
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Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren
erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die
Auffassung, dass der Alleinerbe nach dem Tod des
Pflichtteilsverpflichteten seinen nunmehr gegen sich selbst
gerichteten Pflichtteilsanspruch auch dann noch geltend machen und
als Nachlassverbindlichkeit vom Erwerb abziehen könne, wenn
dieser Pflichtteilsanspruch bereits verjährt sei. Die
Verjährung des Anspruchs habe auf die zu Lebzeiten des
Erblassers fehlende wirtschaftliche Belastung keine Auswirkung.
Auch wenn der Erblasser wegen der zwischenzeitlich eingetretenen
Verjährung nicht damit habe rechnen müssen, den
Pflichtteilsanspruch erfüllen zu müssen, führe die
wirksame nachträgliche Geltendmachung des Anspruchs durch den
Erben zur rückwirkenden und nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) ausreichenden
Entstehung der wirtschaftlichen Belastung. Das Urteil ist in EFG
2016, 1102 = SIS 16 13 09 veröffentlicht.
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Dagegen richtet sich die Revision des FA.
Es rügt die Verletzung des § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG. Zum
einen könne die Geltendmachung eines nicht nur zivilrechtlich
durch Konfusion erloschenen, sondern zudem verjährten
Pflichtteilsanspruch gegen sich selbst mangels Ernsthaftigkeit
nicht steuerrechtlich berücksichtig werden. Zum anderen fehle
es bei derartigen Verbindlichkeiten an einer wirtschaftlichen
Belastung des Nachlasses im Besteuerungszeitpunkt. Der Erbe
könne als Rechtsnachfolger des Erblassers wie dieser die
Verjährungseinrede nach § 214 BGB geltend machen und
damit selbst darüber entscheiden, ob eine wirtschaftliche
Belastung eintrete. Damit rühre die wirtschaftliche Belastung
nicht mehr vom Erblasser her.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -
FGO - ). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der Kläger
Alleinerbe nach dem Tod der pflichtteilsverpflichteten Stiefmutter
seinen nunmehr gegen sich selbst gerichteten Pflichtteilsanspruch
auch dann noch geltend machen und als Nachlassverbindlichkeit vom
Erwerb abziehen könne, wenn dieser Pflichtteilsanspruch im
Zeitpunkt der Geltendmachung bereits verjährt ist.
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1. Zu den nach § 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG
i.V.m. § 10 Abs. 3 bis Abs. 9 ErbStG abzugsfähigen
Nachlassverbindlichkeiten gehören gemäß § 10
Abs. 5 Nr. 2 ErbStG u.a. Verbindlichkeiten aus geltend gemachten
Pflichtteilen (§§ 2303 ff. BGB). Damit
übereinstimmend gilt der originär beim
Pflichtteilsberechtigten entstandene Pflichtteilsanspruch
gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 3 ErbStG erst
dann als Erwerb von Todes wegen, wenn er geltend gemacht wird.
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a) Dem bloßen Entstehen des Anspruchs
auf einen Pflichtteil mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB)
kommt erbschaftsteuerrechtlich noch keine Bedeutung zu, und zwar
weder bei dem Berechtigten noch bei dem Verpflichteten. Dieses
zeitliche Hinausschieben der erbschaftsteuerrechtlichen Folgen
eines Pflichtteilsanspruchs ist im Interesse des Berechtigten
geschehen und soll ausschließen, dass bei ihm auch dann
Erbschaftsteuer anfällt, wenn er seinen Anspruch zunächst
oder dauerhaft nicht erhebt (BFH-Urteil in BFHE 240, 186, BStBl II
2013, 332 = SIS 13 07 89, Rz 11, m.w.N.).
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b) Die Geltendmachung des
Pflichtteilsanspruchs besteht in dem ernstlichen Verlangen auf
Erfüllung des Anspruchs gegenüber dem Erben. Der
Berechtigte muss seinen Entschluss, die Erfüllung des
Anspruchs zu verlangen, in geeigneter Weise bekunden (BFH-Urteile
vom 19.07.2006 - II R 1/05, BFHE 213, 122, BStBl II 2006, 718 = SIS 06 35 32, und in BFHE 240, 186, BStBl II 2013, 332 = SIS 13 07 89,
Rz 12). Ist dies geschehen, entsteht die Erbschaftsteuer für
den Erwerb des Pflichtteilsanspruchs (§ 3 Abs. 1 Nr. 1
Alternative 3 ErbStG) nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b ErbStG
mit dem Zeitpunkt der Geltendmachung. Hinsichtlich des Abzugs des
Pflichtteils als Nachlassverbindlichkeit wirkt dessen
Geltendmachung hingegen auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer
gegenüber dem Erben, also auf den Zeitpunkt des Todes des
Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) zurück, stellt also
ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 der Abgabenordnung dar (BFH-Urteil in BFHE 240, 186, BStBl II
2013, 332 = SIS 13 07 89, Rz 12).
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2. Verstirbt der Pflichtteilsverpflichtete
seinerseits, bevor der Pflichtteilsanspruch durch Erfüllung
(§ 362 Abs. 1 BGB) oder aus anderen Gründen, etwa
aufgrund eines Erlassvertrags (§ 397 Abs. 1 BGB), erloschen
ist, geht die Verbindlichkeit gemäß §§ 1922,
1967 Abs. 1 BGB zivilrechtlich auf dessen Erben über, ohne
dass es auf die vorherige Geltendmachung des Anspruchs ankommt.
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a) Die Verpflichtung zur Zahlung des
Pflichtteils stellt dabei abweichend vom Zivilrecht
erbschaftsteuerrechtlich nur dann eine vom
Pflichtteilsverpflichteten als Erblasser herrührende Schuld
und somit eine gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs.
5 Nr. 1 ErbStG abziehbare Nachlassverbindlichkeit dar, wenn der
Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten des
Verpflichteten geltend gemacht hatte oder ihn nach dessen Tod
nunmehr geltend macht.
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b) Geschieht dies vor der Verjährung des
Anspruchs (§§ 195, 202 Abs. 2 BGB, früher §
2332 Abs. 1 BGB, vgl. dazu Art. 229 § 23 des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, BGBl I
1994, 2494), gilt der Pflichtteilsanspruch gemäß §
3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 3 ErbStG als Erwerb des
Pflichtteilsberechtigten von Todes wegen vom ursprünglichen
Erblasser, dessen persönliches Verhältnis zu dem von der
Erbfolge ausgeschlossenen Pflichtteilsberechtigten den
Pflichtteilsanspruch begründet hat. Der Erbe des verstorbenen
Pflichtteilsverpflichteten kann dann die Verbindlichkeit aus dem
geltend gemachten Pflichtteilsanspruch gemäß § 10
Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als
Nachlassverbindlichkeit abziehen.
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c) Dies gilt auch dann, wenn der
ursprüngliche Verpflichtete nicht damit rechnen musste, den
Pflichtteilsanspruch zu Lebzeiten erfüllen zu müssen, und
deshalb durch diesen (zunächst) nicht wirtschaftlich belastet
war; denn die Geltendmachung des Pflichtteils wirkt, wie bereits
dargelegt, auf den Eintritt des ursprünglichen Erbfalls
zurück (vgl. BFH-Urteil in BFHE 240, 186, BStBl II 2013, 332 =
SIS 13 07 89, Rz 13 bis 15).
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3. Dieselben Grundsätze sind anzuwenden,
wenn ein Pflichtteilsberechtigter zugleich der Erbe des
verstorbenen Pflichtteilsverpflichteten ist. Der geltend gemachte
Pflichtteilsanspruch ist in diesem Fall jedoch nicht als
Nachlassverbindlichkeit abziehbar, wenn er im Zeitpunkt der
Geltendmachung zivilrechtlich verjährt war.
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a) Ist der Pflichtteilsberechtigte der
Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten, erlöschen durch den
Tod des Pflichtteilsverpflichteten - zivilrechtlich betrachtet -
sowohl dessen Verbindlichkeit als auch der Pflichtteilsanspruch
durch die Vereinigung von Forderung und Schuld in einer Person
(Konfusion, vgl. dazu z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs vom
23.04.2009 - IX ZR 19/08, Neue Juristische
Wochenschrift-Rechtsprechungsreport Zivilrecht 2009, 1059, unter
2.b bb; BFH-Urteile vom 07.03.2006 - VII R 12/05, BFHE 212, 388,
BStBl II 2006, 584 = SIS 06 25 19, und in BFHE 240, 186, BStBl II
2013, 332 = SIS 13 07 89, Rz 17; Palandt/Weidlich,
Bürgerliches Gesetzbuch, 79. Aufl., § 1922 Rz 6).
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b) Im Erbschaftsteuerrecht hingegen gelten die
infolge des Erbanfalls durch Vereinigung von Recht und
Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung zivilrechtlich
erloschenen Rechtsverhältnisse gemäß § 10 Abs.
3 ErbStG als nicht erloschen. Diese Fiktion umfasst auch das Recht
des Pflichtteilsberechtigten, die Geltendmachung des
Pflichtteilsanspruchs als Alleinerbe des Pflichtteilsverpflichteten
nachzuholen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 240, 186, BStBl II 2013, 332 =
SIS 13 07 89, Rz 18). Gibt der Pflichtteilsberechtigte dem
zuständigen Finanzamt gegenüber eine entsprechende
Erklärung ab, hat es diese zu berücksichtigen und sowohl
hinsichtlich der Besteuerung des Erwerbs des Pflichtteils
gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 3 ErbStG als
auch hinsichtlich des Abzugs der Pflichtteilsschuld als
Nachlassverbindlichkeit die sich hieraus unter
Berücksichtigung der jeweils maßgebenden
Freibeträge ergebenden steuerrechtlichen Folgerungen zu ziehen
(BFH-Urteil in BFHE 240, 186, BStBl II 2013, 332 = SIS 13 07 89, Rz
18, m.w.N.).
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c) Die Fiktion des § 10 Abs. 3 ErbStG
reicht jedoch nicht so weit, dass der aufgrund Konfusion
zivilrechtlich erloschene Pflichtteilsanspruch
erbschaftsteuerrechtlich auch dann noch geltend gemacht werden
kann, wenn er im Zeitpunkt der Geltendmachung zivilrechtlich
verjährt war.
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Dem bloßen Entstehen des
Pflichtteilsanspruchs kommt - wie bereits ausgeführt -
erbschaftsteuerrechtlich weder für den Abzug als
Nachlassverbindlichkeit noch für die Besteuerung Bedeutung zu.
Dies ändert sich erst mit dessen Geltendmachung. Ist zu diesem
Zeitpunkt der durch Konfusion zivilrechtlich erloschene
Pflichtteilsanspruch bereits verjährt, können aus der
Geltendmachung nachträglich nicht die erbschaftsteuerlichen
Folgen gezogen werden. Zwar hindert zivilrechtlich die
Verjährung einer Forderung grundsätzlich nicht deren
Geltendmachung, denn die Forderung ist nur dauerhaft mit der
Einrede der Verjährung behaftet; der Schuldner ist berechtigt,
die Leistung zu verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB). Dies gilt
jedoch nicht für den durch Konfusion erloschenen
Pflichtteilsanspruch. § 10 Abs. 3 ErbStG lässt den
Pflichtteilsanspruch für Zwecke der Erbschaftsteuer
zunächst (fiktiv) fortbestehen, begründet jedoch kein
Recht des Pflichtteilsberechtigten, den Anspruch auch noch nach
Eintritt der Verjährung fiktiv gegen sich selbst geltend zu
machen. Anderenfalls würde allein aufgrund der Fiktion des
§ 10 Abs. 3 ErbStG die Funktion der Verjährung,
Rechtsfrieden herbeizuführen, insoweit aufgehoben. Der Erbe
könnte zeitlich unbefristet jederzeit seinen zivilrechtlich
erloschenen Pflichtteilsanspruch als Nachlassverbindlichkeit mit
Rückwirkung gegen sich selbst geltend machen. Das ist vom
Regelungsgehalt des § 10 Abs. 3 ErbStG nicht umfasst.
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4. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen. Die Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Das FA hat den geltend gemachten Pflichtteilsanspruch
zu Recht nicht als Nachlassverbindlichkeit abgezogen.
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Der Kläger konnte den zivilrechtlich
bereits erloschenen Pflichtteilsanspruch nach dem Tode seiner
Stiefmutter nicht mehr gegen sich selbst als deren Alleinerbe
geltend machen. Es steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit,
dass der Pflichtteilsanspruch des Klägers, der sich wegen des
Todes seines Vaters gegen seine Stiefmutter richtete, im Zeitpunkt
der Geltendmachung zivilrechtlich bereits verjährt war. Das FG
hat hierzu festgestellt, dass der Kläger seine Behauptung, er
habe den Pflichtteilsanspruch noch zu Lebzeiten seiner Stiefmutter
dieser gegenüber mündlich geltend gemacht, weder
substantiiert noch glaubhaft gemacht hat. Er habe diesen Ansatz im
Klageverfahren auch nicht mehr weiter verfolgt. Dies ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Fiktion des § 10
Abs. 3 ErbStG umfasst nicht die Geltendmachung verjährter und
zivilrechtlich durch Konfusion erloschener
Pflichtteilsansprüche.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO. Die Entscheidung durch Urteil ohne mündliche
Verhandlung folgt aus § 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2
FGO.
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