Auswärtstätigkeit, Sachbezugsverordnung: 1. Aufwendungen für Mahlzeiten, die zur Beköstigung der Arbeitnehmer anlässlich einer Auswärtstätigkeit (Fortbildungsveranstaltung) abgegeben werden, sind mit den tatsächlichen Werten und nicht mit den Werten der Sachbezugsverordnung anzusetzen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 6.2.1987 VI R 24/84, BFHE 149 S. 172, BStBl 1987 II S. 355 = SIS 87 10 39; gegen R 31 Abs. 6a Nr. 2 bzw. Abs. 8 Nr. 2 LStR). - 2. Steuerfreie Bezüge sind in die Prüfung der Freigrenze gemäß § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG nicht einzubeziehen. - 3. § 3 Nr. 16 EStG kommt auch dann zur Anwendung, wenn der Arbeitgeber nicht einen Geldbetrag, sondern die damit zu erlangende Leistung unmittelbar zuwendet (Bestätigung des BFH-Urteils vom 19.2.1993 VI R 42/92, BFHE 170 S. 560, BStBl 1993 II S. 519 = SIS 93 13 36). (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 13.7.2009, IV C 5 - S 2334/08/10013, BStBl 2009 I S. 771 = SIS 09 21 92) - Urt.; BFH 19.11.2008, VI R 80/06; SIS 08 44 56
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte
(Klägerin) betreibt sog. Back-Shops. Sie ließ in den
Streitjahren 1998 bis 2002 ihre Bezirksleiter und das
Verkaufspersonal regelmäßig in mehrtägigen
Seminaren schulen. Die Schulungen, die von externen Dozenten
durchgeführt wurden, fanden regelmäßig in einem im
jeweiligen Vertriebsgebiet gelegenen Hotel statt. Die
Veranstaltungen dauerten entweder vom Montagvormittag bis
Mittwochmittag oder von Mittwochmittag bis Freitagnachmittag. Im
Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen wurden den Arbeitnehmern
Mahlzeiten gereicht, deren Kosten ausschließlich die
Klägerin übernahm. Im Anschluss an eine
Lohnsteuer-Außenprüfung bei der Klägerin vertrat
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) die
Auffassung, dass die Kostenübernahme für die Mahlzeiten
als geldwerter Vorteil anzusehen und gemäß § 8 Abs.
2 Satz 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu bewerten sei. Gegen
den Nachforderungsbescheid legte die Klägerin erfolglos
Einspruch ein. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das
Urteil ist in EFG 2007, 657 = SIS 07 08 34
veröffentlicht.
Gegen den die Revision zurückweisenden
Gerichtsbescheid vom 8.5.2008 beantragte das FA zunächst
mündliche Verhandlung, stellte anschließend die
Klägerin durch Änderung des angefochtenen Bescheids
klaglos und erklärte die Hauptsache für erledigt. Die
Klägerin schloss sich der Erledigungserklärung
an.
II. 1. Der Rechtsstreit ist infolge der
übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der
Hauptsache erledigt. Die Erledigung der Hauptsache kann auch dann
erklärt werden, wenn nach Ergehen eines Gerichtsbescheids
Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist
(Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7.11.2007 III R 7/07,
BFH/NV 2008, 403 = SIS 08 11 55, m.w.N.).
Da die Erklärungen der Beteiligten erst
im Revisionsverfahren abgegeben wurden, ist das angefochtene Urteil
gegenstandslos geworden, so dass der Senat nur noch über die
Kosten des gesamten Verfahrens gemäß §§ 143
Abs. 1 i.V.m. 138 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu entscheiden
hat (vgl. nur BFH-Beschluss vom 25.1.2006 IV R 14/04, BFHE 212,
231, BStBl II 2006, 418 = SIS 06 12 92, m.w.N. unter 1.b). Dabei
kann dahinstehen, ob § 138 Abs. 2 Satz 1, 2. Fall FGO vor
§ 138 Abs. 1 FGO anzuwenden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom
12.5.1992 VII R 42/91, BFH/NV 1992, 854, und vom 22.2.2001 VIII R
78/98, BFH/NV 2001, 936 = SIS 01 66 54, unter II. 2. der
Gründe, m.w.N.). Denn selbst bei Annahme eines Vorranges des
§ 138 Abs. 1 FGO sind unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen
gemäß dieser Vorschrift die Kosten des gesamten
Verfahrens dem FA aufzuerlegen. Dabei ist im Rahmen des § 138
Abs. 1 FGO zu prüfen, wie der Rechtsstreit mutmaßlich
ausgegangen wäre (vgl. BFH-Beschluss vom 15.12.1986 IV R
251/83, BFH/NV 1988, 182; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung,
6. Aufl., § 138 Rz 27).
2. Die Revision des FA wäre
unbegründet und deshalb zurückzuweisen gewesen (§
126 Abs. 2 FGO).
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die den
Arbeitnehmern anlässlich der Fortbildungsveranstaltungen
gewährten Mahlzeiten nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu
bewerten sind, und fehlerfrei festgestellt, dass es sich dabei um
geringfügige Vorteile i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG
handelt.
a) Die Übernahme der Kosten für die
im Rahmen der Fortbildungsveranstaltungen zur Verfügung
gestellten Mahlzeiten durch die Klägerin stellt einen
geldwerten Vorteil i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG dar.
Die Aufwendungen wurden nicht im ganz überwiegend
eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin getätigt.
b) Die Bewertung der Einnahmen richtet sich
nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG.
Einnahmen, die nicht in Geld bestehen
(Wohnung, Kost, Waren und sonstige Sachbezüge), sind nach
dieser Vorschrift mit den um übliche Preisnachlässe
geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Bei
Arbeitnehmern, für deren Sachbezüge durch
Rechtsverordnung nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 des Vierten Buches
Sozialgesetzbuch Werte bestimmt worden sind, sind dagegen diese
Werte maßgebend (§ 8 Abs. 2 Satz 6 EStG; vgl. dazu
BFH-Urteil vom 23.8.2007 VI R 74/04, BFHE 218, 548, BStBl II 2007,
948 = SIS 07 34 58). Von dieser Ermächtigung hat die
Bundesregierung auch für die Streitjahre mit der
Sachbezugsverordnung Gebrauch gemacht (vgl. dazu Birk/Kister in
Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 8 EStG Rz 123, m.w.N.) und
u.a. für die unentgeltliche oder verbilligte Gewährung
von Verpflegung pauschale Werte festgesetzt.
Die Bewertung des geldwerten Vorteils nach
§ 8 Abs. 2 Satz 6 EStG kommt im Streitfall nicht in Betracht.
Die Sachbezugsverordnung ist auf Fälle der vorliegenden Art
nicht anwendbar. Nach der Rechtsprechung des Senats werden von ihr
nämlich nur Fälle erfasst, in denen auf eine gewisse
Dauer gerichtet im üblichen Rahmen eines
Arbeitsverhältnisses die Verpflegung als Teil des Arbeitslohns
zur Verfügung gestellt wird. Die Sachbezugsverordnung findet
keine Anwendung auf die Gewährung von Verpflegung aus
einmaligem Anlass (vgl. im Einzelnen BFH-Urteile vom 6.2.1987 VI R
24/84, BFHE 149, 172, BStBl II 1987, 355 = SIS 87 10 39; vom
19.8.2004 VI R 33/97, BFHE 207, 230, BStBl II 2004, 1076 = SIS 04 38 35). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest (vgl.
auch HHR/Birk/Kister, § 8 EStG Rz 127; Schmidt/ Drenseck,
EStG, 27. Aufl., § 8 Rz 55; Küttner/Thomas, Personalbuch
2007, Stichwort Sachbezug, Rz 23; Pust in Littmann/ Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 8 Rz 477 f.;
Blümich/Glenk, § 8 EStG Rz 135 und 138; Gröpl, in:
Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 8 Rz C 36). Daraus
folgt, dass die Sachbezugsverordnung hier nicht einschlägig
ist. Denn von einer „auf eine gewisse Dauer“ zur
Verfügung gestellten Kost kann bei vom Arbeitgeber
veranlassten unentgeltlichen Mahlzeiten anlässlich einer
zweitägigen Auswärtstätigkeit keine Rede sein (v.
Bornhaupt, BB 1996, 1909).
c) Bei der erforderlichen Bewertung der
Verpflegung gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ist die
Freigrenze des Satzes 9 der Vorschrift zu beachten (Pust, a.a.O.,
Rz 477). Danach bleiben Sachbezüge außer Ansatz, wenn
die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten
Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 50 DM bzw. im Streitjahr
2002 50 EUR im Kalendermonat nicht übersteigen.
aa) Daraus folgt ohne Weiteres, dass im
Streitjahr 2002 die Sachbezüge außer Ansatz bleiben.
Denn diese beliefen sich je Arbeitnehmer auf monatlich 34,24 EUR
bzw. 30,66 EUR und unterschritten damit die genannte Freigrenze von
50 EUR.
bb) Auch in den Streitjahren 1998 bis 2001
sind die Sachbezüge nicht anzusetzen. Zwar belief sich hier
der nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG ermittelte Wert auf monatlich
67 DM bzw. 60 DM, während die Freigrenze nur 50 DM betrug. In
die Prüfung der Freigrenze sind jedoch steuerfreie
Sachbezüge nicht einzubeziehen (Steiner in Lademann, EStG,
§ 8 EStG Rz 167, m.w.N; Schmidt/Drenseck, a.a.O., Rz 23). Im
Streitfall ergibt sich die teilweise Steuerfreiheit der
Sachbezüge aus § 3 Nr. 16 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1
Nr. 5 EStG.
Nach § 3 Nr. 16 EStG sind die
Vergütungen, die Arbeitnehmer außerhalb des
öffentlichen Dienstes von ihrem Arbeitgeber u.a. zur
Erstattung von Reisekosten erhalten, steuerfrei, soweit sie bei
Verpflegungsmehraufwendungen die Pauschbeträge nach § 4
Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nicht überschreiten. Nach der
Rechtsprechung des Senats greift die Steuerfreiheit auch dann, wenn
der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern nicht einen Geldbetrag,
sondern die damit zu erlangende Leistung unmittelbar zuwendet
(BFH-Urteil vom 19.2.1993 VI R 42/92, BFHE 170, 560, BStBl II 1993,
519 = SIS 93 13 36; vgl. auch von Beckerath, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 3 Rz B 16/30;
Handzik in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 3 Rz 628). Im
Streitfall hat die Klägerin ihren Arbeitnehmern im Rahmen der
Auswärtstätigkeiten eine solche steuerfreie Sachleistung,
nämlich Kost bzw. Verpflegung verschafft.
Die Steuerfreiheit der Vergütungen
für Verpflegungsmehraufwand ist auf die Pauschbeträge
nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG beschränkt. Die
Pauschbeträge beliefen sich gemäß Buchst. c der
Vorschrift auf 10 DM je Veranstaltungstag, also auf insgesamt 20 DM
je Arbeitnehmer und Monat. In dieser Höhe konnte die
Klägerin Verpflegungsmehraufwendungen steuerfrei vergüten
bzw. Verpflegung gewähren. Da die Sachbezüge - soweit
steuerfrei - nicht in die Freigrenze einzubeziehen sind, reduzieren
sich die steuerpflichtigen Bezüge auf 47 DM bzw. 40 DM und
bleiben steuerlich insgesamt unberücksichtigt, weil sie die
Freigrenze von 50 DM nicht überschreiten.