Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 08.05.2019 - 9 K 1452/18 E, F,
AO = SIS 19 16 10 wird, soweit es
die Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2006 bis 2012 betrifft,
als unzulässig verworfen.
Auf die Revision der Kläger wird das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 08.05.2019 - 9 K 1452/18
E, F, AO, soweit es die Einkommensteuer 2005 bis 2012 und die
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer
auf den 31.12.2005 bis 31.12.2011 betrifft, aufgehoben.
Die Sache wird insoweit an das Finanzgericht
Münster zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des
Revisionsverfahrens wird dem Finanzgericht Münster
übertragen.
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I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurden für die Streitjahre 2005 bis 2007 einzeln
und für die Streitjahre 2008 bis 2012 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger betrieb ein Restaurant
in Form eines Einzelunternehmens.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) stellte zum 31.12.2004 einen verbleibenden
Verlustvortrag zur Einkommensteuer in Höhe von 1.463.000 EUR
fest. Anfang Januar 2005 beantragte der Kläger die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein
Vermögen. Nach den - von den Klägern im
Revisionsverfahren allerdings angegriffenen - Feststellungen des
Finanzgerichts (FG) betrieb der Kläger das Restaurant bis zum
27.02.2005; anschließend wurde es von der bisherigen
Restaurantleiterin fortgeführt. Der Kläger ging
während des Insolvenzverfahrens einer nichtselbständigen
Arbeit nach. Daneben erzielte er Einkünfte aus einer
gewerblichen Beteiligung und aus Vermietung und
Verpachtung.
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Am ...03.2005 wurde das Insolvenzverfahren
eröffnet. Die Insolvenzverwalterin veräußerte das
Betriebsgrundstück mit notarieller Urkunde vom 16.06.2005
für 1.200.000 EUR.
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Das FA änderte am 03.09.2009 den
Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2005 und stellte
einen Verlust von nunmehr 1.392.172 EUR fest. Am 14.09.2009 folgte
ein „geänderter“
Einkommensteuerbescheid 2005, der wie die Einkommensteuerbescheide
vom 24.09.2007 und vom 17.01.2008 unverändert auf 0 EUR
lautete. Die Bescheide wurden der Insolvenzverwalterin mit dem
Zusatz „als Insolvenzverwalterin für X
‘vor
Insolvenz’“
bekanntgegeben.
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In der Folgezeit erließ das FA
geänderte Einkommensteuerbescheide für die weiteren
Streitjahre 2006 bis 2008 und erstmalige Einkommensteuerbescheide
für 2009 und 2010, die jeweils auf 0 EUR lauteten. Ebenso
ergingen Bescheide über die gesonderte Feststellung des
verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12. der
Jahre 2006 bis 2010. Zum 31.12.2010 betrug der verbleibende
Verlustvortrag 1.133.924 EUR.
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Nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode
erteilte das Amtsgericht als Insolvenzgericht dem Kläger zum
01.03.2011 die Restschuldbefreiung und informierte das FA als
Gläubiger von der Restschuldbefreiung. Die anerkannten
Verbindlichkeiten betrugen zu diesem Zeitpunkt 5.527.254,87
EUR.
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Obwohl die Kläger mit Schreiben vom
29.01.2013 anlässlich der Übersendung von Belegen zur
Einkommensteuererklärung 2011 erklärten, dass der
festgestellte verbleibende Verlustvortrag als Folge der
Restschuldbefreiung nicht weiter vorgetragen werde, erließ
das FA auch für die Folgejahre 2011 und 2012
Verlustfeststellungsbescheide, die an den für das jeweilige
Vorjahr festgestellten Verlustvortrag anknüpften, sowie
entsprechende Einkommensteuerbescheide über 0 EUR.
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Erst bei der Bearbeitung der
Einkommensteuererklärung für das Jahr 2013 bemerkte das
FA, dass trotz der Restschuldbefreiung weiterhin ein verbleibender
Verlustvortrag festgestellt worden war. Unter Berufung auf §
129 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) berichtigte es deshalb am
19.03.2015 den Einkommensteuerbescheid 2011, was sich indes nur auf
die Besteuerungsgrundlagen auswirkte, während die Festsetzung
unverändert bei 0 EUR blieb. Ferner hob das FA
gemäß § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 des
Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Jahressteuergesetzes
(JStG) 2010 (EStG n.F.) die Verlustfeststellung zum 31.12.2011
auf.
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Die Klage gegen die das Streitjahr 2011
betreffenden Änderungen hatte Erfolg (EFG 2016, 1871 =
SIS 16 24 48). Das FG führte
aus, die Restschuldbefreiung sei als rückwirkendes Ereignis
anzusehen und habe daher bereits im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe
im Jahr 2005 eine Erhöhung des Aufgabegewinns bewirkt. Dabei
ging das FG davon aus, dass der Betrieb im Januar 2005 - und damit
vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens - eingestellt worden
sei. In der mündlichen Verhandlung hatte das FG für den
Fall der Klagestattgabe auf die Änderungsmöglichkeit des
FA nach § 174 Abs. 4 AO hingewiesen. Die vom FA eingelegte und
beim Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen IX R 30/16
geführte Revision wurde nach einem Hinweis des BFH auf das
zwischenzeitlich veröffentlichte Senatsurteil vom 13.12.2016 -
X R 4/15 (BFHE 256, 392, BStBl II 2017, 786 = SIS 16 28 60) vom FA
zurückgenommen. Das FA setzte daraufhin die Einkommensteuer
2011 ohne Berücksichtigung des Buchgewinns aus der
Restschuldbefreiung fest, wobei die Steuer weiterhin 0 EUR betrug.
Der verbleibende Verlustvortrag zum 31.12.2011 wurde auf 1.067.187
EUR festgestellt.
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Allerdings erließ das FA am
23.11.2017 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für
das Streitjahr 2005, in dem es die steuerlichen Auswirkungen der
Restschuldbefreiung berücksichtigte. Dabei begrenzte es den
sich aufgrund der Restschuldbefreiung ergebenden Buchgewinn
gemäß § 163 AO auf den zum 31.12.2004
festgestellten Verlustvortrag von 1.463.000 EUR. Der Gesamtbetrag
der Einkünfte betrug demzufolge 1.533.828 EUR, die
festgesetzte Einkommensteuer 20.789 EUR. Die Änderung
stützte das FA auf § 174 Abs. 4 i.V.m. § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO. Der Bescheid erging an den Kläger „vor
Insolvenz“.
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Den Bescheid über die gesonderte
Verlustfeststellung zum 31.12.2005 hob das FA auf. Diese
Änderung stützte es auf § 10d Abs. 4 Satz 4 des
Einkommensteuergesetzes in der Fassung vor dem Inkrafttreten der
Änderungen durch das JStG 2010 (EStG a.F.) i.V.m. § 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Auch dieser Bescheid erging gegenüber
dem Kläger „vor Insolvenz“. Mit
einem gesonderten Bescheid setzte das FA Nachzahlungszinsen fest,
die es durch Bescheid vom 06.12.2017 auf 5.655 EUR reduzierte.
Außerdem erließ es einen Bescheid über die
Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 2005 in
Höhe von 88 EUR.
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Am 05.12.2017 änderte das FA die
Einkommensteuerfestsetzungen 2006 bis 2012 und berücksichtigte
für diese Veranlagungszeiträume keine Verlustabzüge
mehr. Die gesonderten Feststellungen über die verbleibenden
Verlustvorträge auf den 31.12.2006 bis 31.12.2011 hob das FA
auf. Es stützte die Änderungen auf § 174 Abs. 4
i.V.m. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Während es die
Einkommensteuerfestsetzungs- und Verlustfeststellungsbescheide
für die Streitjahre 2006 und 2007 an den Kläger
„vor Insolvenz“ adressierte, ergingen
die Bescheide für die Streitjahre 2008 bis 2012 an die
Kläger gemeinsam, wobei die Aufhebung der
Verlustfeststellungsbescheide zum 31.12.2008 bis 31.12.2011 allein
den Kläger betraf. Mit den Einkommensteuerfestsetzungen setzte
das FA Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2006 bis 2012
fest.
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Die Kläger erhoben nach erfolglosem
Einspruch Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 2005 bis 2012
vom 23.11.2017 bzw. 05.12.2017, wobei sie ausdrücklich die
Einsprüche als solche gegen die Bescheide über
Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer
bezeichneten sowie gegen die Bescheide über die gesonderte
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31.12.2005
bis 31.12.2011 vom 23.11.2017 bzw. 05.12.2017. Darüber hinaus
erhoben sie Klage gegen den Bescheid vom 29.11.2017 über die
Festsetzung von Aussetzungszinsen sowie gegen die Festsetzungen von
Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2005 und zur Einkommensteuer
2006 bis 2012.
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Nachdem das FG die Klagen bezüglich
der Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2005 sowie wegen
Einkommensteuer 2005 bis 2007 abgetrennt hatte, verwarf es die
Klage gegen die Bescheide über Nachzahlungszinsen 2006 bis
2012 als unzulässig, gab der Klage gegen den Bescheid
über die Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer
2005 statt und wies die Klage im Übrigen ab (EFG 2019, 1781 =
SIS 19 16 10).
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In Bezug auf den Buchgewinn aus der
Restschuldbefreiung ging das FG davon aus, dass das FA diesen zu
Recht im Streitjahr 2005 angesetzt habe. Dies sei Folge der
erfolgreichen Klage gegen die geänderten Bescheide für
2011. Die Änderung sei gemäß § 174 Abs. 4 AO
möglich, wobei die bereits eingetretene
Festsetzungsverjährung für das Streitjahr 2005 wegen
§ 174 Abs. 4 Satz 3 AO unbeachtlich sei.
Vertrauensschutzerwägungen stünden der Änderung
nicht entgegen. Aufgrund der Änderung der
Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres 2005 sei die
Verlustfeststellung zum 31.12.2005 gemäß § 10d Abs.
4 Satz 4 EStG a.F. zu ändern. Ein verbleibender Verlustvortrag
entfalle, so dass auch die Verlustfeststellungen zum 31.12.2006 bis
31.12.2011 zu ändern seien. Die Änderungen der
Einkommensteuerbescheide 2006 bis 2012 seien folglich ebenfalls
zutreffend nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG a.F./n.F. i.V.m.
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geändert worden.
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Die Kläger machen mit ihrer Revision
insbesondere die Verletzung materiellen Rechts geltend.
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Das FG-Urteil stehe im Widerspruch zum
Senatsurteil in BFHE 256, 392, BStBl II 2017, 786 = SIS 16 28 60,
da es die Restschuldbefreiung auch dann als rückwirkendes
Ereignis ansehe, wenn die Betriebsaufgabe nach der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens erfolgt sei. Dabei verkenne das FG die
Funktion einer Betriebsaufgabebilanz. Sie sei auf den Zeitpunkt der
Betriebsaufgabe zu erstellen. Liege dieser nach dem Zeitpunkt der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sei fraglich, ob eine
Pflicht zur Aufstellung der Aufgabebilanz bestehe. Folglich
könne die Restschuldbefreiung nur im Streitjahr 2011
berücksichtigt werden.
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Darüber hinaus wende das FG die
Korrekturvorschrift des § 174 Abs. 4 AO unzutreffend an. Denn
das FA sei zum Zeitpunkt des Erlasses des
Einkommensteueränderungsbescheides für das Streitjahr
2011 am 19.03.2015 keinem Irrtum unterlegen. Vielmehr habe es die
im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom
22.12.2009 - IV C 6 - S 2140/07/10001 (BStBl I 2010, 18 = SIS 10 00 07) vertretene Verwaltungsauffassung umgesetzt. Auch sei zu diesem
Zeitpunkt die Festsetzungsfrist hinsichtlich des Streitjahres 2005
bereits abgelaufen gewesen. Somit sei im November 2017 der Erlass
des Änderungsbescheides für das Streitjahr 2005 aufgrund
des rückwirkenden Ereignisses der Restschuldbefreiung, die
2011 eingetreten und Ende 2015 vom FG durch Aufhebung der
ursprünglichen Änderungsbescheide gewürdigt worden
sei, nicht mehr möglich gewesen. In Bezug auf die
Ablaufhemmung nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO sei auf die
Veröffentlichung des Senatsurteils zur Rückwirkung einer
Restschuldbefreiung (BFHE 256, 392, BStBl II 2017, 786 = SIS 16 28 60) abzustellen, die erst nach 2015 erfolgt sei.
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Außerdem sei aufgrund der
Änderung der BFH-Rechtsprechung Vertrauensschutz nach §
176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO zu gewähren. Bei Änderung der
Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2011 durch
Bescheid vom 19.03.2015 sei das Senatsurteil in BFHE 256, 392,
BStBl II 2017, 786 = SIS 16 28 60 noch nicht veröffentlicht
gewesen. Eine Änderung gemäß § 175 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 AO komme mangels Annahme eines rückwirkenden
Ereignisses im Fall der Änderung der Rechtsprechung nicht in
Frage. Denn der Steuerpflichtige müsse darauf vertrauen
können, dass die Rechtslage gelte, die im Zeitpunkt der
Sachverhaltsverwirklichung existiere. Dem trage § 176 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 AO Rechnung und spreche eine Änderungssperre aus,
die sich auch auf verfahrensrechtliche Fragen beziehe. Daneben
hindere die Existenz des BMF-Schreibens in BStBl I 2010, 18 = SIS 10 00 07 unabhängig von der objektiven Rechtslage aufgrund der
bestehenden Weisungslage eine Umgehung der Vertrauensschutzregelung
des § 176 AO.
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Auch stehe einer Änderung der
Einkommensteuerfestsetzung 2005 die Vertrauensschutzregelung des
§ 176 Abs. 2 AO entgegen. Anders als vom FG angenommen, liege
kein Fall des „venire contra factum
proprium“ vor. Die Kläger hätten die
Einkommensteuerfestsetzung 2011 angegriffen, weil die
Voraussetzungen für eine Berichtigung, die das FA auf §
129 AO gestützt habe, nicht erfüllt gewesen seien. Die
vom FG im Jahr 2016 vertretene Rechtsauffassung, die
Restschuldbefreiung stelle ein rückwirkendes Ereignis i.S. des
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar, hätten sich die
Kläger nie zu eigen gemacht.
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Schließlich widerspreche es
rechtsstaatlichen Grundsätzen, eine Änderung nach §
174 Abs. 4 Satz 1 AO zu veranlassen. Es bestehe sonst für das
FA die Möglichkeit, sich durch eine fehlerhafte
(Erst-)Änderung eine Korrekturmöglichkeit nach § 174
Abs. 4 Satz 1 AO zu schaffen, nur weil sich der Steuerpflichtige
gegen diese fehlerhafte Änderung erfolgreich gewehrt habe.
Vielmehr setze die Anwendung des § 174 Abs. 4 AO voraus, dass
die einzige Ursache der Fehlerhaftigkeit die materiell-rechtlich
unzutreffende Würdigung eines bestimmten Sachverhalts
sei.
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Das FA habe sich beim erstmaligen Erlass
des Einkommensteuer- und des Verlustfeststellungsbescheides
für das Streitjahr 2005 nicht darüber geirrt, dass der
sich aus der Restschuldbefreiung ergebende Gewinn nicht im
Streitjahr 2005, sondern im Streitjahr 2011 zu erfassen sei. Da die
Restschuldbefreiung im Jahr 2005 noch nicht erteilt worden sei,
scheide eine fehlerhafte Würdigung bzw. falsche zeitliche
Zuordnung im Rahmen dieser Einkommensteuerfestsetzung aus.
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Die Kläger bzw. der Kläger
beantragen sinngemäß,
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das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung
vom 20.04.2018 sowie die geänderten Einkommensteuerbescheide
für 2005 vom 23.11.2017 und für 2006 bis 2012 vom
05.12.2017, die Bescheide über die Aufhebung der gesonderten
Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer
zum 31.12.2005 vom 23.11.2017 und zum 31.12. der Jahre 2006 bis
2011 vom 05.12.2017 und die Bescheide über die Festsetzung von
Nachzahlungszinsen zur Einkommensteuer 2006 bis 2012 vom 05.12.2017
aufzuheben.
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Das FA beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Die Restschuldbefreiung sei auch im
vorliegenden Fall ein rückwirkendes Ereignis gewesen. Dabei
könne dahinstehen, ob dieses Ereignis auf das Jahr, für
das die Aufgabebilanz aufzustellen war, oder auf den Zeitpunkt der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurückwirke. In beiden
Fällen sei eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung
des Streitjahres 2005 vorzunehmen. Da jedoch die fehlende
gesetzliche Abstimmung zwischen dem Steuer- und Insolvenzrecht
tatbestandlich nicht durch eine steuerliche Rückwirkung auf
den Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu
bereinigen sei, sei die Betriebsaufgabe entscheidend.
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Das FA habe sich über die
materiell-rechtliche Behandlung der gewährten
Restschuldbefreiung geirrt, damit sei der Anwendungsbereich des
§ 174 Abs. 4 AO eröffnet. Eine
Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten. Mangels
vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung scheide
Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO aus. Der
Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO scheitere daran, dass
die Verwaltungsanweisung, hier das BMF-Schreiben in BStBl I 2010,
18 = SIS 10 00 07, bei Erlass der ursprünglichen
Steuerfestsetzung noch nicht existent gewesen sei. Auch sei zu
beachten, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht festgestanden habe,
ob es zur Restschuldbefreiung komme. Zwar stellten die Kläger
darauf ab, dass sie sich nicht treuwidrig verhalten hätten,
als sie die Aufhebung des Einkommensteueränderungsbescheides
für das Streitjahr 2011 in dem Klageverfahren 9 K 3457/15 E,F
gefordert hätten. Schon ihr Prozessbevollmächtigter habe
aber bereits in der Klageschrift darauf hingewiesen, nicht nur die
Ermittlung des Gewinns aus der Restschuldbefreiung, sondern auch
die Frage, in welchem Veranlagungszeitraum dieser anzusetzen sei,
seien rechtlich umstritten und höchstrichterlich
ungeklärt. Das FG habe darüber hinaus mehrfach die
Kläger auf die materiell-rechtlichen Folgen einer
Restschuldbefreiung im Jahr 2011 hingewiesen.
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II. In Bezug auf die Streitjahre 2005 bis 2007
ist die Revision allein vom Kläger eingelegt worden, in Bezug
auf die Streitjahre 2008 bis 2012 hingegen von beiden Klägern
gemeinsam.
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Aus dem Rubrum der Revisionsbegründung
ergibt sich, dass die Kläger nur insoweit Revision eingelegt
haben, als das FG in seinem Urteil zu ihrem Nachteil entschieden
hat. Da ihre Klage in Bezug auf den Bescheid über die
Festsetzung von Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer 2005 Erfolg
hatte, ist deshalb im Wege der Auslegung davon auszugehen, dass sie
insoweit keine Revision eingelegt haben.
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Eine Revision in Bezug auf einen
Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 2005 oder die
Anrechnungsverfügung zur Einkommensteuer 2005, soweit diese
Teil des Einkommensteueränderungsbescheides sind, liegt
ebenfalls nicht vor. Zwar formuliert der Kläger nicht nur in
der Revisionseinlegungsschrift, sondern auch in der
Revisionsbegründungsschrift vom 20.12.2019 ausdrücklich
den Antrag, auch den „Abrechnungsbescheid zur
Einkommensteuer 2005“ aufzuheben.
Rechtliche Ausführungen macht er jedoch nicht. Vielmehr ist,
wie bereits vom FG in der mündlichen Verhandlung dargelegt,
davon auszugehen, dass er insoweit lediglich irrtümlich seinen
ursprünglich im Klageverfahren schriftsätzlich
angekündigten Antrag wiederholt hat. Dafür spricht im
Übrigen, dass das angegriffene FG-Urteil eine Entscheidung
hierzu nicht enthält und der Kläger ausweislich des
FG-Urteils auch eine solche Entscheidung nicht beantragt hat.
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III. Die Revision ist, soweit sie die
Bescheide über Nachzahlungszinsen für 2006 bis 2012
betrifft, gemäß § 126 Abs. 1 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) als unzulässig zu verwerfen. Es
fehlt an der erforderlichen Angabe von Revisionsgründen
(weiterführend vgl. nur BFH-Urteil vom 17.03.2010 - IV R
25/08, BFHE 228, 509, BStBl II 2010, 622 = SIS 10 14 78, Rz 26 f.,
m.w.N.).
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31
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Im Übrigen hat das FG, worauf der Senat
zur Klarstellung hinweist, die Klage insoweit zu Recht als
unzulässig verworfen, da das gemäß § 44 FGO
erforderliche Einspruchsverfahren nicht durchgeführt wurde.
Das FG kommt im Rahmen seiner Auslegung zu dem vertretbaren
Ergebnis, dass in den ursprünglichen Einsprüchen gegen
die Einkommensteuerfestsetzungen keine Einwendungen gegen die
Festsetzungen von Nachzahlungszinsen erhoben worden sind und diese
deshalb bestandskräftig geworden sind (vgl. hierzu auch
BFH-Urteil vom 29.10.2019 - IX R 4/19, BFHE 266, 126, BStBl II
2020, 368 = SIS 19 19 27, Rz 16, m.w.N.).
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32
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IV. Die Revision ist im Übrigen
begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils, soweit es die geänderten Einkommensteuerbescheide
für 2005 vom 23.11.2017 und für 2006 bis 2012 vom
05.12.2017 sowie die Bescheide über die Aufhebung der
gesonderten Feststellungen der verbleibenden Verlustvorträge
zur Einkommensteuer zum 31.12.2005 vom 23.11.2017 und zum 31.12.
der Jahre 2006 bis 2011 vom 05.12.2017 betrifft. Die Sache wird
insoweit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an die
Vorinstanz zurückverwiesen. Es fehlt an den notwendigen
Feststellungen des FG, wann der Betrieb aufgegeben worden ist und
ob das Insolvenzverfahren bei Erlass der angefochtenen Bescheide
bereits beendet war.
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Zwar hat das FG materiell-rechtlich zutreffend
entschieden, dass der sich aus der Restschuldbefreiung ergebende
Gewinn im Streitjahr 2005 anzusetzen ist (unten 1.). Auch geht das
FG zu Recht davon aus, dass eine Änderung der
Einkommensteuerfestsetzung 2005 nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO
möglich war (unten 2.). Dieser Änderung stehen auch die
Vertrauensschutzregelungen des § 176 AO nicht entgegen (unten
3.). Folglich konnten auch die gesonderten Feststellungen der
verbleibenden Verlustvorträge zur Einkommensteuer sowohl zum
31.12.2005 als auch zum 31.12.2006 bis 31.12.2011 sowie die
Einkommensteuerfestsetzungen 2006 bis 2012 geändert werden
(unten 4.). Da das FG
allerdings zum einen rechtsfehlerhaft offengelassen hat, ob der
Betrieb vor oder nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
aufgegeben wurde, und zum anderen nicht festgestellt hat, ob und
wann das Insolvenzverfahren beendet wurde, vermag der Senat nicht
zu beurteilen, ob der Einkommensteuerbescheid 2005 bei einer
möglichen Betriebsaufgabe nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens wirksam bekanntgegeben worden ist (unten
5.). Die Sache ist folglich nicht spruchreif, so dass sie zur
Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das FG
zurückverwiesen werden muss (unten 6.).
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34
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1. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der
aus der Restschuldbefreiung resultierende Gewinn im Streitjahr 2005
anzusetzen ist.
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35
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a) Die Restschuldbefreiung betrifft nach
§ 286 der Insolvenzordnung (InsO) die bei Eröffnung des
Insolvenzverfahrens noch nicht erfüllten Insolvenzforderungen
der Insolvenzgläubiger i.S. des § 38 InsO (vgl. nur Kexel
in Graf-Schlicker, Kommentar zur Insolvenzordnung, 6. Aufl., §
286 Rz 6, m.w.N.; Braun/Pehl, Insolvenzordnung, 8. Aufl., §
286, Rz 80). Grundsätzlich werden diese Forderungen ab dem
Zeitpunkt der Rechtskraft des Beschlusses des Insolvenzgerichts
gemäß § 300 Abs. 1 Satz 1 InsO, mit dem die
Restschuldbefreiung erteilt wird, in unvollkommene
Verbindlichkeiten (sog. Naturalobligationen) umgewandelt, deren
Erfüllung von da ab - d.h. ex nunc - freiwillig möglich
ist, jedoch nicht erzwungen werden kann (so bereits Senatsurteil
vom 03.02.2016 - X R 25/12, BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391 = SIS 16 05 30, Rz 46). Betriebliche Verbindlichkeiten sind daher bis zum
Eintritt der Restschuldbefreiung zum Nennwert zu passivieren. Der
Beschluss, mit dem die Restschuldbefreiung erteilt wird, wirkt nach
§ 301 Abs. 1 Satz 1 InsO gegen alle Insolvenzgläubiger,
selbst wenn sie ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 301
Abs. 1 Satz 2 InsO).
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36
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b) Zwar wirkt die Erteilung der
Restschuldbefreiung steuerrechtlich grundsätzlich nicht
zurück (Senatsurteil in BFHE 252, 486, BStBl II 2016, 391 =
SIS 16 05 30, Rz 46). Das gilt jedoch nicht in Bezug auf
betriebliche Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit einer
Betriebsaufgabe. Die Befreiung von solchen Verbindlichkeiten ist
auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe zurückzubeziehen,
unabhängig davon, ob diese vor oder nach der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens lag.
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aa) Soweit der Betrieb vor der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens i.S. des § 16 Abs. 3 EStG aufgegeben
worden ist, hat der Senat dies bereits im Urteil in BFHE 256, 392,
BStBl II 2017, 786 = SIS 16 28 60 klargestellt. Entscheidend ist
hierbei, dass die Restschuldbefreiung ausgehend von den zu §
16 EStG entwickelten Grundsätzen zum Wegfall der in der
Aufgabebilanz ausgewiesenen betrieblichen Verbindlichkeiten
führt.
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38
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bb) Nichts anderes kann gelten, wenn die
Betriebsaufgabe, wovon die Kläger für den Streitfall
ausgehen, erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
erfolgt ist.
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39
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Entscheidend ist auch in diesem Fall, dass die
mit der Restschuldbefreiung verbundene rechtserhebliche
Sachverhaltsänderung an den einmaligen Vorgang der
Betriebsaufgabe anknüpft, die nicht in einer Folgebilanz oder
nach den Grundsätzen des Zuflussprinzips in einem
späteren Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden kann.
Mit der Betriebsaufgabe endet die Existenz des Gewerbebetriebs, so
dass die einkommensteuerlichen Rechtsfolgen der Ausbuchung der von
der Restschuldbefreiung betroffenen betrieblichen Verbindlichkeiten
zu diesem Zeitpunkt gezogen werden müssen (so auch der Bericht
des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines
Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit
Rechteüberlassungen, BT-Drucks. 18/12128, S. 33). Zur
näheren Begründung verweist der Senat insoweit auf die
Ausführungen in seinem Urteil in BFHE 256, 392, BStBl II 2017,
786 = SIS 16 28 60, Rz 49. Dieses Ergebnis ist unabhängig
davon, ob ursprünglich eine Betriebsaufgabebilanz erstellt
worden ist oder nicht.
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40
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cc) Da vorliegend die Betriebsaufgabe
unstreitig im Jahr 2005 liegt, ist es, wie schon das FG zutreffend
erkannt hat, in Bezug auf die Einordnung der Restschuldbefreiung
als rückwirkendes Ereignis gemäß § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO ohne Belang, wann genau in diesem Jahr der
Gewerbebetrieb des Klägers aufgegeben worden ist. Anders als
von den Klägern angenommen, ergibt sich aus dem zweiten
Leitsatz zum Senatsurteil in BFHE 256, 392, BStBl II 2017, 786 =
SIS 16 28 60 nichts anderes. Vielmehr hat der Senat diesen
erkennbar ausgehend von dem damals konkret zu beurteilenden
Sachverhalt formuliert, der allein eine Betriebsaufgabe vor der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens betraf. Eine Eingrenzung in
Bezug auf den Zeitpunkt der steuerlichen Berücksichtigung
eines Buchgewinns aus der Restschuldbefreiung ist hierin nicht zu
sehen.
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41
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2. Zu Recht geht das FG auch davon aus, dass
das FA den Einkommensteuerbescheid 2005 gemäß § 174
Abs. 4 AO ändern durfte (unter a). Diese Änderung
scheitert weder an einer Festsetzungsverjährung (unter b) noch
stand ihr der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen (unter
c).
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42
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a) Die Einkommensteuerfestsetzung 2005 konnte
aufgrund der in diesem Jahr erfolgten Betriebsaufgabe nach §
174 Abs. 4 Satz 1 AO geändert werden.
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43
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aa) Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO
können, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten
Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines
Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die
Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert
wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder
Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen
Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der
Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird
(Satz 2).
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bb) § 174 Abs. 4 AO erfasst dabei auch
Sachverhalte, in denen die Finanzbehörde darüber irrt, in
welchem Jahr die steuerlichen Folgerungen aus einem bestimmten
Sachverhalt zu ziehen sind (Senatsurteil vom 25.10.2016 - X R
31/14, BFHE 255, 399, BStBl II 2017, 287 = SIS 16 27 60, Rz 13,
m.w.N.). Vorliegend hatte das FA zu entscheiden, in welchem Jahr
die Erteilung einer Restschuldbefreiung zu einem Erlöschen der
betrieblichen Verbindlichkeiten des (damaligen) Insolvenzschuldners
führt. Über diesen Zeitpunkt hat das FA geirrt und
deshalb zunächst eine Korrektur der Einkommensteuerfestsetzung
für das Streitjahr 2011 sowie eine Aufhebung der
Verlustfeststellung zum 31.12.2011 vorgenommen. Es hätte
jedoch, wie unter IV.1. dargelegt, aufgrund der
einkommensteuerrechtlichen Rückwirkung der Restschuldbefreiung
auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe die
Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres 2005 gemäß
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ändern müssen. Dabei
ist es für die Beurteilung des Sachverhalts unerheblich, ob
der für die rechtsirrige Beurteilung ursächliche Fehler
im Tatsächlichen (Betriebsaufgabe im Jahr der Eröffnung
des Insolvenzverfahrens) oder im Rechtlichen (Rückwirkung der
Restschuldbefreiung als Ausnahme bei betrieblichen
Verbindlichkeiten eines aufgegebenen Betriebs) liegt (vgl. dazu
grundsätzlich auch Senatsurteil in BFHE 255, 399, BStBl II
2017, 287 = SIS 16 27 60, Rz 15, m.w.N.).
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45
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cc) Ein Irrtum des FA über die zeitliche
Berücksichtigung des Befreiungsgewinns ist nicht deshalb zu
verneinen, weil die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben in BStBl I
2010, 18 = SIS 10 00 07 angewiesen worden war, die
Restschuldbefreiung (nunmehr) erst im Jahr ihrer Erteilung zu
berücksichtigen. Zu Recht weist das FG darauf hin, es sei
allein entscheidend, dass das FA den Sachverhalt bei Erlass des
Einkommensteueränderungsbescheides 2011 kannte, ihn aber
fälschlicherweise nicht im Streitjahr 2005
berücksichtigte. Auch ist unerheblich, ob das FA die
Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2011 aufgrund des
BMF-Schreibens in BStBl I 2010, 18 = SIS 10 00 07 vornahm, weil es
die dort dargelegte Rechtsansicht für richtig hielt oder
nicht. Entscheidend bleibt, dass das FA die richtige
Berücksichtigung des Sachverhalts verkannte und deshalb ein
Steuerbescheid erging, der aufgrund der Klage der Kläger durch
das FG aufgehoben wurde. Denn dieser Erfolg des Steuerpflichtigen
führt gemäß § 174 Abs. 4 Satz 1 AO auch dann
zur Anpassung durch Erlass des die richtigen steuerlichen
Folgerungen umsetzenden (anderen) Steuerbescheides, wenn das FA bei
Erlass des fehlerhaften Bescheides dessen Rechtswidrigkeit kannte
oder hätte kennen müssen (Senatsurteil in BFHE 255, 399,
BStBl II 2017, 287 = SIS 16 27 60, Rz 18 f.). Dabei ist nicht nach
dem Grund der Fehlerhaftigkeit des rechtswidrig erlassenen und
später aufgehobenen Steuerbescheides zu unterscheiden.
Folglich kann dahinstehen, ob das FG die Aufhebung des
Einkommensteueränderungsbescheides 2011 mit der fehlerhaften
Anwendung einer Korrekturvorschrift, hier des § 129 Satz 1 AO,
oder mit der falschen Beurteilung der materiell-rechtlichen Folgen
der Restschuldbefreiung nach einer Betriebsaufgabe begründet
hat.
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46
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b) Die Änderung des
Einkommensteuerbescheides 2005 ist nicht wegen Eintritts der
Festsetzungsverjährung ausgeschlossen.
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aa) Das FG hat den fehlerhaft geänderten
Einkommensteuerbescheid 2011 mit Urteil vom 21.07.2016 aufgehoben.
Dieses Urteil ist durch Rücknahme der Revision IX R 30/16 am
04.09.2017 rechtskräftig geworden. Der angefochtene
Einkommensteueränderungsbescheid 2005 erging am 23.11.2017,
also innerhalb der Jahresfrist des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO.
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bb) Dem steht § 174 Abs. 4 Satz 4 AO
nicht entgegen.
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Nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO ist der
Fristablauf für den Fall, dass die Festsetzungsfrist bereits
abgelaufen war, als der später aufgehobene oder geänderte
Steuerbescheid erlassen wurde, nur unter den zusätzlichen
Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO unbeachtlich. Der
in § 174 Abs. 4 Satz 4 AO genannte „später
aufgehobene oder geänderte
Steuerbescheid“ ist der auf Rechtsbehelf
oder Antrag des Steuerpflichtigen aufgehobene oder geänderte
Steuerbescheid, hier also der geänderte
Einkommensteuerbescheid 2011 vom 19.03.2015 und der aufgehobene
Verlustfeststellungsbescheid zum 31.12.2011 vom gleichen Tag.
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50
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Zu diesem Zeitpunkt war in Bezug auf die
Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2005 aufgrund der
zwischenzeitlich beschlossenen Restschuldbefreiung noch keine
Festsetzungsverjährung eingetreten. Denn die
Einkommensteuerfestsetzung 2005 hätte zu diesem Zeitpunkt noch
gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert
werden können. Aufgrund der im Jahr 2011 beschlossenen
Restschuldbefreiung mit steuerlicher Rückwirkung begann die
Festsetzungsfrist insoweit gemäß § 175 Abs. 1 Satz
2 AO erst mit Ablauf des Kalenderjahres 2011 und endete
gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO mit Ablauf des
31.12.2015. Damit kommt es auf das Vorliegen der Voraussetzungen
des § 174 Abs. 3 Satz 1 AO im Streitfall nicht an.
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51
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c) Die Änderung der Steuerfestsetzung
2005 verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und
Glauben.
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52
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aa) Die Änderungsmöglichkeit des
§ 174 Abs. 4 AO beruht auf dem Grundsatz von Treu und Glauben
und verlangt deshalb vom FA als demjenigen, welcher hieraus einen
Vorteil zieht, sich nicht selbst treuwidrig zu verhalten. Eine
solche Konstellation für eine treuwidrige Änderung
gemäß § 174 Abs. 4 AO kann vorliegen, wenn sich die
Finanzverwaltung absichtlich eine ansonsten nicht gegebene
Voraussetzung einer Änderungsmöglichkeit aus § 174
Abs. 4 AO schafft, wobei allerdings die abstrakte Besorgnis einer
Missbrauchsmöglichkeit nicht ausreicht (vgl. Senatsurteil in
BFHE 255, 399, BStBl II 2017, 287 = SIS 16 27 60, Rz 36, m.w.N.).
Konkrete Indizien, die auf ein treuwidriges Verhalten des FA
hindeuten könnten, sind hier schon aufgrund des
Verfahrensablaufs nicht gegeben.
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53
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bb) Eine Treuwidrigkeit in Folge einer
rechtswidrigen Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2011
ist im Streitfall bereits deshalb ausgeschlossen, weil das FA zum
Zeitpunkt dieser Änderung die Einkommensteuerfestsetzung des
Streitjahres 2005 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO hätte
ändern können (vgl. IV.1.b bb).
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54
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cc) Die Zweifel daran, dass eine Berichtigung
der Einkommensteuerfestsetzung 2011 gemäß § 129
Satz 1 AO rechtlich möglich gewesen sein sollte, sind zwar
nach Ansicht des Senats berechtigt; sie allein reichen aber bei dem
gegebenen Sachverhalt nicht aus, um ein treuwidriges Verhalten des
FA anzunehmen. Dabei ist der konkrete Verfahrensablauf dieser im
Ergebnis erfolglosen Änderung durch das FA in den Blick zu
nehmen. Überzeugt von der Richtigkeit einer
Änderungsmöglichkeit, hat das FA sich nicht nur im
Klageverfahren verteidigt, sondern auch gegen das FG-Urteil in EFG
2016, 1871 = SIS 16 24 48 Revision
eingelegt. Dies zeigt deutlich, dass sich das FA nicht etwa (nur)
treuwidrig eine Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs.
4 AO hat schaffen wollen, sondern im konkreten Fall diese
Änderung im Streitjahr 2011 für zutreffend hielt und
bewusst eine Änderung in diesem Streitjahr anstrebte. Auch die
auf das BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 18 = SIS 10 00 07
gestützte fehlerhafte Rechtsansicht des FA macht deutlich,
dass jedenfalls hier ein treuwidriges Verhalten des FA in Bezug auf
den Anwendungsbereich des § 174 Abs. 4 AO nicht vorliegen
kann.
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55
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3. Einer Änderung der
Einkommensteuerfestsetzung 2005 gemäß § 174 Abs. 4
AO stehen auch nicht die Regelungen des besonderen
Vertrauensschutzes aus § 176 AO entgegen.
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56
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a) Soweit die Kläger meinen, eine
Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2005 scheitere
gemäß § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO bereits daran,
dass sich die Rechtsprechung des BFH, die bei der bisherigen
Steuerfestsetzung von der Finanzbehörde angewandt worden sei,
geändert habe, verkennen sie, dass es im Zeitpunkt der
ursprünglichen Steuerfestsetzung bzw. Verlustfeststellung an
einer höchstrichterlichen Rechtsprechung in Bezug auf die
entscheidungserhebliche Rechtsfrage gänzlich fehlte. Erstmals
im Senatsurteil in BFHE 256, 392, BStBl II 2017, 786 = SIS 16 28 60
hat der BFH zur Frage der zeitlichen Wirkung einer
Restschuldbefreiung im Fall betrieblicher Verbindlichkeiten bei
einer Betriebsaufgabe entschieden.
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b) Auch eine Anwendung des § 176 Abs. 2
AO scheidet aus.
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aa) Nach dieser Vorschrift darf bei der
Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides nicht
zuungunsten des Steuerpflichtigen berücksichtigt werden, dass
eine allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder
einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten
Gerichtshof des Bundes als nicht mit dem geltenden Recht in
Einklang stehend bezeichnet worden ist. Es ist dabei nicht
erforderlich, dass der oberste Gerichtshof die
Verwaltungsvorschrift ausdrücklich für gesetzwidrig
erklärt hat. Es genügt vielmehr, wenn sich die
sachlich-rechtlichen Aussagen der Verwaltungsvorschrift einerseits
und des Urteils des Gerichtshofs andererseits widersprechen (vgl.
nur BFH-Urteil vom 27.08.2014 - II R 43/12, BFHE 246, 506, BStBl II
2015, 241 = SIS 14 29 69, Rz 27, m.w.N.). Entscheidend ist, dass
ein bestimmtes Rechtsproblem nach der (zeitlich vorausgegangenen)
allgemeinen Verwaltungsvorschrift auf andere (für den
Steuerpflichtigen günstigere) Weise zu lösen ist als nach
der (späteren) Gerichtsentscheidung (Senatsurteil vom
28.10.1992 - X R 117/89, BFHE 170, 11, BStBl II 1993, 261 = SIS 93 10 50, unter 2.b, m.w.N.).
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bb) An einem derartigen inhaltlichen
Widerspruch fehlt es hier. Denn das BMF-Schreiben vom 22.12.2009 in
BStBl I 2010, 18 = SIS 10 00 07 erging erst nach Erlass des
relevanten Einkommensteuerbescheides 2005 vom 14.09.2009. Auch der
entscheidende Verlustfeststellungsbescheid auf den 31.12.2005 ist
bereits unter dem 03.09.2009 und somit vor dem BMF-Schreiben
erlassen worden. Folglich kann die Einkommensteuerfestsetzung 2005
nicht auf dem BMF-Schreiben vom 22.12.2009, welches erst im Jahr
2010 in BStBl I 2010, 18 = SIS 10 00 07 veröffentlicht worden
ist, beruhen. Schon aus diesem Grunde ist der Anwendungsbereich des
§ 176 Abs. 2 AO nicht eröffnet.
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60
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cc) Anders als die Kläger meinen, ist
§ 176 Abs. 2 AO auch nicht deshalb anwendbar, weil die
Restschuldbefreiung bei der relevanten Steuerfestsetzung für
2005 im Jahr 2009 wie auch der erstmaligen Verlustfeststellung im
Jahr 2008 noch nicht erteilt war. Zum einen ist es gerade den
rückwirkenden Ereignissen i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 AO immanent, dass diese zum Zeitpunkt der bisherigen
Festsetzung noch nicht vorliegen. Zum anderen fordern - im
Unterschied zu § 225 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung und
§ 4 Abs. 3 Nr. 2 des Steueranpassungsgesetzes - weder der
Wortlaut noch der Bedeutungszusammenhang des § 175 Abs. 1 Satz
1 Nr. 2 AO, dass das spätere Ereignis „im
Kern“ bereits im ursprünglichen
Vorgang angelegt sein muss, da eine solch einschränkende
Auslegung nicht in Einklang mit der Zielsetzung des Gesetzgebers
stünde (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom
19.07.1993 - GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33, unter C.II.1.b). Vorliegend ist zudem zu beachten, dass zum
Zeitpunkt der erstmaligen Steuerfestsetzung der Antrag auf
Restschuldbefreiung bereits gestellt worden war, diese somit
„im Kern“ bereits zu diesem
Zeitpunkt angelegt war.
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dd) Trotz der dargestellten
Einschränkungen verbleibt entgegen der Ansicht der Kläger
ein Anwendungsbereich für § 176 Abs. 2 AO. Hätte
nämlich bei der Erstveranlagung, anders als im Streitfall,
eine Verwaltungsanweisung des BMF existiert, in der eine
Berücksichtigung der Buchgewinne aus der Restschuldbefreiung
zu einem anderen Zeitpunkt vorgeschrieben worden wäre,
hätte der Steuerpflichtige hierauf aufgrund des § 176
Abs. 2 AO vertrauen können.
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62
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ee) Nicht entscheidend ist, dass die
Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen (Kurzinfo ESt Nr. 46/2014
vom 21.11.2014 = SIS 14 32 38) vor
Erlass des BMF-Schreibens vom 22.12.2009 (BStBl I 2010, 18 = SIS 10 00 07) von einer Rückwirkung der Restschuldbefreiung ausging.
Da diese keine oberste Landesbehörde ist, scheidet bereits aus
diesem Grund die Anwendung des § 176 Abs. 2 AO aus (vgl.
insoweit nur Senatsurteil in BFHE 170, 11, BStBl II 1993, 261 = SIS 93 10 50, unter 2.b).
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4. Die materiell-rechtlich zutreffende und
verfahrensrechtlich zu Recht geänderte
Einkommensteuerfestsetzung 2005 kann in der Folge auch zu den
übrigen von den Klägern angegriffenen Änderungen
führen. Die Änderung der gesonderten Verlustfeststellung
zum 31.12.2005 ergibt sich aufgrund der Änderung der
Einkommensteuerfestsetzung 2005 aus § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG
a.F., die Änderungen der Einkommensteuerbescheide 2006 bis
2012 beruhen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO und diejenigen
der gesonderten Feststellungen des verbleibenden Verlustvortrags
zur Einkommensteuer auf den 31.12.2006 bis zum 31.12.2011 auf
§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG a.F./n.F. i.V.m. § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AO. Dabei geht der Senat wie das FG und die
Beteiligten davon aus, dass die betrieblichen Verbindlichkeiten,
die der Restschuldbefreiung unterworfen sind, mindestens 1.463.000
EUR betragen. Einwendungen gegen die Höhe dieses Betrags sind
nicht vorgetragen worden und hätten, da das FA die Höhe
des Buchgewinns aus der Restschuldbefreiung nach § 163 AO
begrenzt hat, zudem im Verfahren gegen diese
Billigkeitsentscheidung vorgebracht werden müssen (vgl. in
Bezug auf § 163 AO nur Senatsurteil vom 21.07.2016 - X R
11/14, BFHE 254, 497, BStBl II 2017, 22 = SIS 16 23 96, Rz 16).
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5. Aufgrund der fehlenden Feststellungen des
FG zu den Zeitpunkten der Betriebsaufgabe einerseits sowie der
Beendigung des Insolvenzverfahrens andererseits kann der Senat
allerdings nicht beurteilen, ob der allein an den Kläger
gerichtete Einkommensteuerbescheid 2005 vom 23.11.2017
überhaupt wirksam bekanntgegeben wurde. Wäre dies nicht
der Fall, wären auch die Folgeänderungen fehlerhaft und
daher aufzuheben.
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65
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a) Bei einer möglichen Betriebsaufgabe
vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen keine
Zweifel daran, dass der Kläger der richtige Inhalts- und
Bekanntgabeadressat des Einkommensteueränderungsbescheides
2005 war. Unabhängig von der insolvenzrechtlichen
Qualifizierung der aus einer Restschuldbefreiung resultierenden
Steuern, handelt es sich bei diesen aufgrund der Betriebsaufgabe
vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stets um solche, die
allein der Schuldner zu begleichen hat (vgl. Senatsbeschluss in
BFHE 256, 392, BStBl II 2017, 786 = SIS 16 28 60, Rz 52).
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66
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b) Sollte demgegenüber der Betrieb des
Klägers erst nach Insolvenzeröffnung aufgegeben worden
sein, lägen insolvenzrechtlich Masseverbindlichkeiten vor
(unter aa). Während der Dauer des Insolvenzverfahrens
wäre die Steuer dann durch einen Steuerbescheid festzusetzen
gewesen, der (zumindest auch) dem Insolvenzverwalter als solchem
hätte bekanntgegeben werden müssen (unter bb).
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aa) Obwohl die Restschuldbefreiung allein
Insolvenzforderungen betreffen kann (vgl. oben unter IV.1.a), sind
die sich hieraus ergebenden Steuern, wenn der Betrieb nach der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben wird,
Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, die
aus der Insolvenzmasse zu erfüllen sind.
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(1) In Bezug auf die Abgrenzung der
Masseverbindlichkeiten i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO von den
Insolvenzforderungen i.S. des § 38 InsO hat der BFH bereits
klargestellt, dass ein insolvenzrechtliches
„Begründetsein“ entscheidend
ist (Urteil vom 16.05.2013 - IV R 23/11, BFHE 241, 233, BStBl II
2013, 759 = SIS 13 20 28, Rz 18). Insoweit hat er darauf
abgestellt, „durch wen“ der
steuerauslösende (unselbständige) Besteuerungstatbestand
i.S. des § 2 Abs. 1 EStG (vollständig) verwirklicht
worden ist (Rz 23). Ist ein Verhalten, etwa auch einer dritten
Person wie einem Absonderungsberechtigten, nicht dem Bereich des
Schuldners oder des Insolvenzverwalters zuzuordnen, bleibt als
Anknüpfungspunkt der Umstand bestehen, dass der
Vermögensgegenstand Teil der Insolvenzmasse gewesen ist (vgl.
weiterführend Senatsurteil vom 07.07.2020 - X R 13/19, BFHE
270, 24, BStBl II 2021, 174 = SIS 20 17 24, Rz 32, m.w.N.).
Dementsprechend hat der Senat in dieser Entscheidung (Rz 33 ff.)
die Massezugehörigkeit des Vermögensgegenstandes sowie
dessen fehlende Freigabe durch den Insolvenzverwalter als
entscheidende Wertungsmomente angesehen.
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Vergleichbares muss für die Abgrenzung
zwischen Masseverbindlichkeiten und Forderungen gegen das
insolvenzfreie Vermögen gelten, wenn für die Entstehung
der Einkommensteuer auf den durch die Restschuldbefreiung
erhöhten Betriebsaufgabegewinn sowohl das Verhalten des
Schuldners als auch des Insolvenzverwalters ursächlich gewesen
sind.
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(2) Handelt im Fall der Restschuldbefreiung
der Schuldner, indem er den relevanten Antrag im Rahmen seines
Insolvenzverfahrens stellt, dem später zugestimmt wird,
verursacht er dadurch zwar den sich später ergebenden
Buchgewinn aus der Restschuldbefreiung. Ohne die nach der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommene Betriebsaufgabe
kommt es allerdings nicht zu einer Entstehung des Aufgabegewinns im
Jahr der Betriebsaufgabe. Der Betrieb wird durch den
Insolvenzverwalter im Rahmen seiner Verwaltung der Masse
gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO aufgegeben. Hierdurch
und nicht durch das Handeln des Insolvenzschuldners wird der
Tatbestand des § 16 Abs. 3 EStG verwirklicht. Die steuerliche
Rückwirkung gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
führt zum Wegfall der in der Aufgabebilanz ausgewiesenen
betrieblichen Verbindlichkeiten, so dass die gewinnerhöhende
Wirkung einer Restschuldbefreiung in den Fällen, in denen der
Betrieb erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
aufgegeben worden ist, zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem die
Verwaltung der Masse dem Insolvenzverwalter obliegt. Die
steuerlichen Auswirkungen der Restschuldbefreiung beruhen damit auf
der Verwaltung bzw. Verwertung einer Insolvenzmasse, die der
Insolvenzverwalter nicht freigegeben hat.
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Selbst wenn man nicht auf die Betriebsaufgabe
als Teil der Verwaltung des Insolvenzverwalters abstellen
würde, ist zu berücksichtigen, dass das Verhalten des
Schuldners allein ebenfalls nicht entscheidend war.
Anknüpfungspunkt für die Folgen aus der
Restschuldbefreiung bleibt damit die Zugehörigkeit des
Betriebs zur Insolvenzmasse zum Zeitpunkt seiner Aufgabe. Es liegen
folglich in Bezug auf die Steuern, die nach der Eröffnung des
Insolvenzverfahrens entstehen, Masseverbindlichkeiten
gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor.
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bb) Verfahrensrechtlich hat das FA Steuern,
die insolvenzrechtlich Masseverbindlichkeiten sind, durch
Steuerbescheid festzusetzen. Solange das Insolvenzverfahren noch
nicht beendet ist, sind die Bescheide an den Insolvenzverwalter
bekanntzugeben. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung
ist der Insolvenzverwalter als Vermögensverwalter
Steuerpflichtiger und damit richtiger Bekanntgabe- und
Inhaltsadressat von Steuerbescheiden, mit denen eine
Finanzbehörde bestehende Masseverbindlichkeiten geltend macht
(vgl. nur Senatsurteil vom 11.04.2018 - X R 39/16, BFH/NV 2018,
1075 = SIS 18 12 35, Rz 23, m.w.N.). Werden diese Steuerbescheide
im noch nicht beendeten Insolvenzverfahren nicht ihm, sondern dem
Schuldner bekanntgegeben, so liegt ein Bekanntgabefehler vor, der
gemäß § 124 Abs. 1 Satz 1 AO dem Eintritt der
Wirksamkeit der Bescheide entgegensteht und auch nicht durch
Richtigstellung im weiteren Verfahren geheilt werden kann
(Senatsurteil in BFH/NV 2018, 1075 = SIS 18 12 35, Rz 25). Die
Klage hätte in diesem Fall Erfolg.
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c) Wurde hingegen der Betrieb nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgegeben und ist dieses im
Zeitpunkt des Erlasses der Steuerbescheide bereits aufgehoben, kann
das FA diese Steuerbescheide nicht mehr dem Insolvenzverwalter
bekannt geben. Denn dessen Amt endet mit der Aufhebung des
Insolvenzverfahrens, und die Verfügungsbefugnis über die
(verbleibende) Masse fällt gemäß § 259 Abs. 1
InsO an den Schuldner zurück. Wegen aller noch offenen
Masseverbindlichkeiten kann ab diesem Zeitpunkt nur noch der
Schuldner in Anspruch genommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 02.04.2019 - IX R 21/17, BFHE 264, 109,
BStBl II 2019, 481 = SIS 19 08 58, Rz
18 f.). Somit wären die angegriffenen Bescheide im Streitfall
zu Recht gegenüber den Klägern bekanntgegeben worden und
ihre Klage wäre unbegründet.
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6. Die Sache ist aufgrund der fehlenden
Feststellungen zu den Zeitpunkten der Betriebsaufgabe und der
Beendigung des Insolvenzverfahrens nicht spruchreif. Das
angefochtene Urteil muss gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 FGO aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung
und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
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7. Die Kostenentscheidung beruht auf §
143 Abs. 2 FGO.
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