Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Düsseldorf vom 05.09.2017 - 3 K 2745/16 E =
SIS 17 19 78 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die in der Bundesrepublik Deutschland
(Deutschland) wohnhaften Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. Sie erzielen Einkünfte aus nichtselbständiger
Arbeit. Der Kläger erzielte in den Jahren 2009 und 2012
(Streitjahre) zudem Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus
Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte.
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Am 26.07.1991 gründete der Kläger
auf der Grundlage des damaligen jugoslawischen Gesetzes über
Unternehmen vom 29.12.1988 die Gesellschaft A mit Sitz in
Jugoslawien. Die Gesellschaft wurde mit Beschluss des Gerichts der
Vereinten Arbeit vom 05.08.1991 in das Gerichtsregister
eingetragen. Mit Gesellschafterbeschluss vom 25.11.1995 wurde die
Gesellschaft an das Unternehmensgesetz der Föderation von
Bosnien und Herzegowina (BIH) vom 11.02.1995 angepasst. Es erfolgte
eine Umbenennung und am 25.12.1999 eine erneute
Satzungsänderung auf Grundlage des Gesetzes über
Wirtschaftsgesellschaften vom 12.06.1999.
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Am 20.05.1995 errichtete der Kläger
zudem auf der Grundlage des Unternehmensgesetzes der
Föderation von BIH vom 11.02.1995 die Gesellschaft B. Am
04.05.2000 passte er die Satzung dieser Gesellschaft an die neuen
gesetzlichen Regelungen in BIH an.
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Am 25.05.2009 veräußerte der
Kläger seine Anteile an der B an die A. Der
Veräußerungsgewinn betrug ... EUR. Eine Besteuerung des
Veräußerungsgewinns in BIH erfolgte nicht.
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Am 19.09.2012 beschloss die
Gesellschafterversammlung der A eine Ausschüttung des
„akkumulierten und nicht zugewiesenen Gewinns aus vergangenen
Jahren“ in Höhe von ... EUR. Davon entfielen 70 % (...
EUR) auf den Kläger. Eine Besteuerung nahm die zuständige
Finanzbehörde in BIH nicht vor.
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Die Kläger wurden mit unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheiden vom 15.08.2011
bzw. 07.02.2014 hinsichtlich der hier streitigen Punkte
zunächst erklärungsgemäß zur Einkommensteuer
2009 und 2012 veranlagt. Der Gewinn aus der
Anteilsveräußerung in 2009 wurde ebenso wie die
Ausschüttung in 2012 nicht der Besteuerung unterworfen,
sondern nur im Rahmen des Progressionsvorbehalts
berücksichtigt.
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Nachdem der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) davon Kenntnis erlangt
hatte, dass die genannten Einkünfte in BIH nicht besteuert
worden waren, erließ er am 08.12.2014 geänderte
Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre. Im Bescheid
für 2009 erfasste er einen gewerblichen
Veräußerungsgewinn in Höhe von ... EUR (60 % von
... EUR) und hob den Nachprüfungsvorbehalt auf. Im Bescheid
für 2012 wurde eine Gewinnausschüttung in Höhe von
... EUR als der Abgeltungsteuer unterliegender Kapitalertrag
erfasst. Der Nachprüfungsvorbehalt blieb bestehen. Zur
Begründung wies das FA darauf hin, dass Art. 8 i.V.m. Art. 14
Abs. 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien zur
Vermeidung von Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom
Einkommen und vom Vermögen vom 26.03.1987 - DBA-Jugoslawien -
(BGBl II 1988, 745, BStBl I 1988, 373), dessen unveränderte
Fortgeltung Deutschland und BIH am 13.11.1992 (BGBl II 1992, 1196)
vereinbart haben, nur auf Gewinne aus Investitionen in eine
jugoslawische Organisation der Vereinten Arbeit anwendbar sei.
Daher würden nur nicht privatisierte Formen der
vergesellschafteten Unternehmen erfasst, nicht hingegen alle
juristischen Personen.
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Der nach erfolglosem Einspruch erhobenen
Klage gab das Finanzgericht (FG) Düsseldorf mit in EFG 2017,
1652 veröffentlichtem Urteil vom 05.09.2017 - 3 K 2745/16 E =
SIS 17 19 78 statt.
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Dagegen wehrt sich das FA mit seiner
Revision, mit der es Verletzung von Bundesrecht geltend macht und
beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß, die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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11
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II. Die Entscheidung ergeht gemäß
§ 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält
einstimmig die Revision für unbegründet und eine
mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die
Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit
zur Stellungnahme.
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12
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Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass
Deutschland weder hinsichtlich des im Streitjahr 2009 angefallenen
Gewinns des Klägers aus der Veräußerung von
Anteilen an der B in Höhe von ... EUR noch hinsichtlich der
das Streitjahr 2012 betreffenden Gewinnausschüttung (A) in
Höhe von ... EUR ein Besteuerungsrecht zusteht, sondern die
Beträge lediglich bei der Berechnung des besonderen
Steuersatzes gemäß § 32b Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.
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13
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1. Zwischen den Beteiligten steht
zunächst nicht im Streit, dass der in Deutschland
ansässige und daher dort mit seinem Welteinkommen
unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Kläger mit der im
Jahr 2009 durchgeführten Veräußerung der Anteile an
der B an die A den Tatbestand des § 17 Abs. 1 EStG
verwirklicht hat. Gegenstand der Veräußerung waren
Anteile an einer Kapitalgesellschaft in BIH, die einer deutschen
GmbH vergleichbar war, welche die dort geregelte
Beteiligungsschwelle überschritten. Der
Veräußerungsgewinn von ... EUR wäre dabei
gemäß §§ 3 Nr. 40 Buchst. c, 3c Abs. 2 EStG zu
60 % (... EUR) anzusetzen. Ebenso ist es unstreitig, dass die auf
den Kläger im Jahr 2012 entfallende Gewinnausschüttung
der A in Höhe von ... EUR im Rahmen der Einkünfte i.S.
des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG anzusetzen wäre. Der Senat
sieht dazu von weiteren Ausführungen ab.
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2. Indessen fehlt es für beide
Beträge an einem deutschen Besteuerungsrecht und kann
Deutschland sie deshalb lediglich im Rahmen des
Progressionsvorbehalts (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG)
berücksichtigen (Art. 24 Abs. 1 Buchst. a
DBA-Jugoslawien).
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a) Gemäß Art. 14 Abs. 3
DBA-Jugoslawien, dessen unveränderte Fortgeltung Deutschland
und BIH am 13.11.1992 vereinbart haben (BGBl II 1992, 1196; dazu
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom
19.01.2016, BStBl I 2016, 76 = SIS 16 02 35), können Gewinne
aus der Veräußerung von Rechten aus einem Vertrag
über Investitionen in einer jugoslawischen Organisation der
Vereinten Arbeit in Jugoslawien (bzw. BIH als Nachfolgestaat)
besteuert werden. Gewinne aus der Veräußerung des in
Art. 14 Abs. 1 bis 4 DBA-Jugoslawien nicht genannten Vermögens
können hingegen nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in
dem der Veräußerer ansässig ist (Art. 14 Abs. 5
DBA-Jugoslawien). Bei einer in Deutschland ansässigen Person
(Art. 4 Abs. 1 DBA-Jugoslawien) werden, soweit nicht Art. 24 Abs. 1
Buchst. b DBA-Jugoslawien anzuwenden ist, von der
Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer die Einkünfte aus
Jugoslawien (BIH) ausgenommen, die nach dem DBA-Jugoslawien in
Jugoslawien (BIH) besteuert werden können. Deutschland
behält aber das Recht, die so ausgenommenen Einkünfte bei
der Festsetzung des Steuersatzes zu berücksichtigen (Art. 24
Abs. 1 Buchst. a DBA-Jugoslawien). Zwischen den Beteiligten ist
insoweit nur streitig, ob der in 2009 erzielte Gewinn des
Klägers aus der Veräußerung der Anteile an der B an
die A einen Gewinn aus der Veräußerung von Rechten aus
einem Vertrag über „Investitionen in einer
jugoslawischen Organisation der Vereinten Arbeit“ i.S.
des Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien darstellt. Dies ist mit dem FG
zu bejahen.
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aa) Zur Ermittlung des Regelungsgehalts eines
völkerrechtlichen Vertrags ist das Wiener Übereinkommen
über das Recht der Verträge vom 23.05.1969 - WÜRV -
(BGBl II 1985, 927) heranzuziehen, das seit Inkrafttreten des
Zustimmungsgesetzes vom 03.08.1985 (BGBl II 1985, 926) am
20.08.1987 (BGBl II 1987, 757) in innerstaatliches Recht
transformiert ist (Senatsurteile vom 11.07.2018 - I R 44/16, BFHE
262, 354 = SIS 18 19 17; vom 30.05.2018 - I R 62/16, BFHE 262, 54 =
SIS 18 17 17; Senatsbeschluss vom 30.09.2020 - I R 76/17, BFHE 270,
455, BStBl II 2021, 275 = SIS 21 01 15). Danach sind
Doppelbesteuerungsabkommen nach Treu und Glauben in
Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen
in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines
Zieles und Zweckes auszulegen (Art. 31 Abs. 1 WÜRV).
Maßgeblich sind insbesondere der Wortlaut des Vertrags (Art.
31 Abs. 2 WÜRV) und die gewöhnliche Bedeutung der
verwendeten Ausdrücke. Dementsprechend sind
abkommensrechtliche Begriffe nach der Rechtsprechung des Senats
(Urteile vom 25.02.2004 - I R 42/02, BFHE 206, 5, BStBl II 2005, 14
= SIS 04 27 16; vom 26.08.2010 - I R 53/09, BFHE 231, 63, BStBl II
2019, 147 = SIS 10 36 86; in BFHE 270, 455, BStBl II 2021, 275 =
SIS 21 01 15) zunächst nach dem Wortlaut und den Definitionen
des Abkommens und sodann nach dem Sinn und dem
Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens auszulegen. Auf
die Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts ist
grundsätzlich erst auf einer nachgelagerten Prüfungsebene
zurückzugreifen.
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bb) Der Begriff der Organisation der Vereinten
Arbeit wird im DBA-Jugoslawien selbst nicht definiert.
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aaa) Dies hat seinen historischen Hintergrund
darin, dass zur Zeit des Abschlusses des DBA-Jugoslawien im Jahr
1987 deutsche Steuerpflichtige aus Jugoslawien nicht Dividenden,
sondern nur Gewinne aus der genannten Organisation erhalten
konnten, die als sozialistische Unternehmensform durch das
Selbstbestimmungsrecht der in der Organisation arbeitenden Menschen
bestimmt war, aber die Investition privater Mittel mit dem Ziel der
Gewinnerzielung erlaubte. Aus diesem Grund wurden seinerzeit die
Regelungen in Art. 8 und Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien vereinbart
und der Dividendenartikel des Art. 11 DBA-Jugoslawien für
Dividenden aus Deutschland einseitig gefasst, um zu einer
sachgerechten Aufteilung der Besteuerungsrechte zu gelangen (vgl.
Denkschrift zum Abkommen zu Art. 8, BT-Drucks. 11/886, S. 23 f.;
Raber in Wassermeyer, Jugoslawien Art. 8 Rz 1).
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19
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bbb) Nach den insoweit den Senat nach §
118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG konnten
Organisationen der Vereinten Arbeit auf Grundlage des bis zum
31.12.1988 geltenden Gesetzes über die Vereinte Arbeit (GVA)
vom 25.11.1976 (Amtsblatt der Sozialistischen Föderativen
Republik Jugoslawien, Nr. 53/1976) gegründet werden. Nach Art.
29 Abs. 1 GVA wurden Wirtschafts- und andere Tätigkeiten
innerhalb der Vereinten Arbeit mit den Mitteln im
gesellschaftlichen Eigentum innerhalb der Organisationen der
Vereinten Arbeit und anderer Formen der Vereinten Arbeit und Mittel
ausgeübt. Diese Tätigkeiten konnten unter den Bedingungen
bestimmter Gesetze auch innerhalb von gesellschaftlich-politischen
und anderen durch das Gesetz bestimmten gesellschaftlichen
Organisationen und Bürgervereinigungen ausgeübt werden,
wenn das im Interesse für die Realisierung von
gesellschaftlichen Funktionen und Aufgaben dieser Organisationen
war. Gemäß Art. 29 Abs. 3 GVA konnten Wirtschafts- und
andere Tätigkeiten auch durch selbständige
persönliche Arbeit mit den Arbeitsmitteln im Eigentum der
Bürger unter den durch das Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen
ausgeübt werden, wenn die Ausübung von diesen
Tätigkeiten nicht gesetzlich verboten war. Organisationen der
Vereinten Arbeit umfassten damit verschiedene Gesellschaftsformen,
die sowohl mit gesellschaftlichen als auch mit privaten Mitteln
ausgestattet sein konnten.
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ccc) Durch das Gesetz über Unternehmen
vom 29.12.1988 (Amtsblatt der Sozialistischen Föderativen
Republik Jugoslawien Nr. 77/1988) wurde indessen die Anpassung der
Organisationen der Vereinten Arbeit an neue Unternehmensformen
(vergesellschaftete Unternehmen, Genossenschaftsunternehmen,
Privatunternehmen oder gemischte Unternehmen) bis zum 31.12.1991
angeordnet. Im Anschluss daran entwickelten die Nachfolgestaaten
der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien - und
darunter auch BIH - ihr eigenes Gesellschaftsrecht (Raber, a.a.O.,
Art. 8 Rz 2). Spätestens seit Ende 1991 existierten
Organisationen der Vereinten Arbeit nicht mehr (Raber, a.a.O., Art.
8 Rz 5).
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cc) Wird ein Begriff im Abkommen selbst nicht
definiert und lässt sich der Bedeutungsinhalt - wie im
Streitfall - auch nicht unmittelbar aus dem allgemeinen und im
Einklang mit dem Sinn und Vorschriftenzusammenhang des Abkommens
stehenden Sprachgebrauch gewinnen (dazu Senatsurteil in BFHE 231,
63, BStBl II 2019, 147 = SIS 10 36 86), kommt dem Begriff nach Art.
3 Abs. 2 DBA-Jugoslawien die Bedeutung zu, die ihm nach dem Recht
über die Steuern des Anwendestaates (hier: Deutschland)
zukommt. Indessen hatte und hat der Begriff der
„Organisation der Vereinten Arbeit“ im deutschen
Steuerrecht keine Bedeutung (Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 6). Vielmehr
handelt es sich um einen Rechtsbegriff des jugoslawischen Rechts,
an den die Abkommensparteien bewusst angeknüpft haben. Es
entspricht dann aber dem Zweck des Art. 3 Abs. 2 DBA-Jugoslawien,
Entscheidungsharmonie zwischen der Abkommensauslegung und dem
innerstaatlichen Steuerrecht des Anwendestaates dadurch
herzustellen, dass der genannte Rechtsbegriff im Einklang mit der
Begriffsbedeutung im anderen Vertragsstaat (hier: Jugoslawien)
auszulegen ist (Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 6). Ein anderes
Verständnis würde ohne hinreichenden Grund die Gefahr
fördern, dass das Abkommen in den einzelnen Vertragsstaaten
unterschiedlich ausgelegt wird, und damit der im Grundsatz
angestrebten Entscheidungsharmonie entgegenwirken (vgl.
Senatsurteil vom 28.04.2010 - I R 81/09, BFHE 229, 252, BStBl II
2014, 754 = SIS 10 17 74; Senatsbeschluss vom 11.12.2013 - I R
4/13, BFHE 244, 1, BStBl II 2014, 791 = SIS 14 04 27; s.a.
Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, DBA, 2. Aufl.,
Systematik Rz 109).
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dd) Für die Entscheidung des Streitfalles
kommt es nach dem Vorstehenden darauf an, ob angesichts der
gesellschaftsrechtlichen Entwicklung in Jugoslawien und seinen
Nachfolgestaaten auch die an die Stelle der Organisationen der
Vereinten Arbeit getretenen Nachfolgeunternehmen und alle
steuerpflichtigen juristischen Personen, die nach 1988 in
Übereinstimmung mit dem jugoslawischen Gesellschaftsrecht bzw.
dem Gesellschaftsrecht der Nachfolgestaaten errichtet worden sind,
Art. 14 Abs. 3 DBA-Jugoslawien unterfallen (so Raber, a.a.O., Art.
8 Rz 7 und 8), oder sich der Wortlaut der Bestimmung mit dem FA auf
die nach bosnisch-herzegowinischem Gesellschaftsrecht seit dem
31.12.1991 nicht mehr existierende jugoslawische Organisation der
Vereinten Arbeit beschränkt. Der Senat schließt sich
dazu der Rechtsauffassung des FG an. Er hält an seiner
Rechtsprechung zur sog. statischen Abkommensauslegung
(Senatsurteile vom 10.06.2015 - I R 79/13, BFHE 250, 110, BStBl II
2016, 326 = SIS 15 21 48, m.w.N.; vom 25.11.2015 - I R 50/14, BFHE
253, 52, BStBl II 2017, 247 = SIS 16 07 84) fest, stellt aber klar,
dass bei Vorliegen einer sog. Fortgeltungsvereinbarung für die
Abkommensauslegung auf den Zeitpunkt des Abschlusses dieser
Vereinbarung abzustellen sein kann.
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aaa) Für die vom FG gewählte
Auslegung spricht zunächst maßgeblich die Tatsache, dass
in dem Zeitpunkt, in dem Deutschland und BIH die Fortgeltung des
bisherigen DBA-Jugoslawien vereinbart haben (hier: 13.11.1992),
keine Organisationen der Vereinten Arbeit mehr existierten und dies
beiden Vertragsstaaten auch bewusst gewesen sein muss (dazu Graw,
EFG 2017, 1655, 1656). Im Zeitpunkt des Abschlusses der sog.
Fortgeltungsvereinbarung waren wesentliche
(gesellschaftsrechtliche) Entwicklungen in den Nachfolgestaaten
Jugoslawiens bereits vollzogen (Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 10) und
waren nach bosnisch-herzegowinischem Gesellschaftsrecht alle
vormaligen Organisationen der Vereinten Arbeit bereits hinsichtlich
ihrer Rechtsform angepasst. Dass die Vertragsstaaten Art. 14 Abs. 3
DBA-Jugoslawien angesichts dieser Tatsache mit dem FA hätten
ohne Anwendungsbereich belassen und leerlaufen lassen wollen, ist
nicht vorstellbar.
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bbb) Vielmehr spricht angesichts der bis dahin
gewollten und praktizierten Anknüpfung an das
Begriffsverständnis nach dem Recht von BIH alles dafür,
dass das bisherige Abkommen nach dem Willen der Parteien der sog.
Fortgeltungsvereinbarung auf diejenigen juristischen Personen
Anwendung finden sollte, die insgesamt an die Stelle der bisherigen
Organisationen der Vereinten Arbeit getreten waren. Das sind
zunächst die nach Maßgabe des jugoslawischen
Gesellschaftsrechts zwingend bis zum 31.12.1991 hinsichtlich ihrer
Rechtsform angepassten (ehemaligen) Organisationen der Vereinten
Arbeit (Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 7).
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ccc) Nichts anderes kann aber auch für
steuerpflichtige juristische Personen gelten, die nach 1988
errichtet worden sind. Insoweit ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1
Buchst. d Unterabs. i DBA-Jugoslawien, dass die Organisation der
Vereinten Arbeit nur eine Sonderform der juristischen Person im
Sinne des Abkommens ist, weil danach Gesellschaft im Sinne des
Abkommens die vorgenannte Organisation und
„andere“ juristische Personen sind. Die dort
erwähnten anderen „der Steuer unterliegenden
juristischen Personen“ werden zwar in Art. 14 Abs. 3
DBA-Jugoslawien nicht erwähnt, indessen war die Organisation
der Vereinten Arbeit bei Unterzeichnung des DBA-Jugoslawien die
einzige Unternehmensform, in die Privatinvestoren investieren
konnten. Nur insoweit hat überhaupt die Gefahr einer
Doppelbesteuerung von Gewinnen bestanden. Ein Anlass, in Art. 14
Abs. 3 DBA-Jugoslawien einen anderen Begriff als den der
Organisation der Vereinten Arbeit zu wählen bzw. auf den in
Art. 3 Abs. 1 Buchst. d DBA-Jugoslawien gewählten Begriff der
„Gesellschaft“ abzustellen, hat damit nicht
bestanden.
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ddd) Es wäre auch nicht
verständlich, dass nach 1988 gegründete juristische
Personen gegenüber den zuvor gegründeten Organisationen
der Vereinten Arbeit, die sodann in eben solche juristische
Personen umzuwandeln waren, benachteiligt werden sollten. Auch
insoweit ist zu berücksichtigen, dass den Vertragsparteien,
die später die Fortgeltung des Abkommens für das
Verhältnis Deutschlands zu BIH vereinbart haben, die seit 1988
stattgefundenen gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen bekannt
waren (Raber, a.a.O., Art. 8 Rz 8). Nach dem
Begriffsverständnis von BIH fallen unter
„Organisationen der Vereinten Arbeit“ aber auch
sonstige juristische Personen (wie die B). Dies geht nach den den
Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) u.a.
aus den Schreiben des Ministeriums für Finanzen und staatliche
Finanzgeschäfte von BIH vom 18.07.2014 und 05. und 20.01.2015
sowie 09.06.2016 hervor, wonach der Begriff der Organisation der
Vereinten Arbeit juristischen Personen im Sinne des jetzt geltenden
Gesellschaftsgesetzes von BIH gleichsteht bzw. alle juristischen
Personen im Sinne der geltenden Vorschriften umfasst.
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eee) Für diese Auslegung spricht auch,
dass mit den Nachfolgestaaten Slowenien und Kroatien, für die
das DBA-Jugoslawien ebenfalls fortgilt,
Verständigungsvereinbarungen i.S. des Art. 26 Abs. 3
DBA-Jugoslawien mit entsprechendem Inhalt getroffen worden sind
(vgl. BMF-Schreiben vom 21.07.1997, BStBl I 1997, 724 = SIS 97 20 92, und vom 16.06.2001, BStBl I 2001, 366 = SIS 01 10 57). Danach
werden alle juristischen Personen bzw. Kapitalgesellschaften, die
nach neuerem slowenischen bzw. kroatischen Gesellschaftsrecht
gegründet worden sind, einbezogen und ist die deutsche Seite
erkennbar nicht - wie aber das FA für das Verhältnis zu
BIH meint - davon ausgegangen, dass die Abkommensregelungen zur
Organisation der Vereinten Arbeit zum Zeitpunkt der Vereinbarung
der Fortgeltung des DBA-Jugoslawien ins Leere liefen.
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28
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fff) Diese Auslegung führt auch zu einem
dem ursprünglichen Abkommensziel der sachgerechten Verteilung
der Besteuerungsrechte für Gewinne aus jugoslawischen
Organisationen der Vereinten Arbeit einerseits bzw. Dividenden von
in Deutschland steuerpflichtigen juristischen Personen andererseits
entsprechenden Ergebnis. Da Art. 11 DBA-Jugoslawien einseitig nur
für Ausschüttungen deutscher Gesellschaften gilt, und
bereits zum 31.12.1991 keine Organisationen der Vereinten Arbeit in
ihrer ursprünglichen Rechtsform mehr existent gewesen sein
können, würde eine Auslegung im Sinne des vom FA
gewünschten Ergebnisses zu einer Verschiebung des
Besteuerungsrechts für Dividenden zugunsten Deutschlands
führen, weil die für Gewinnempfänger in Deutschland
nach Art. 24 Abs. 1 Buchst. a DBA-Jugoslawien eigentlich
vorgesehene Freistellung sich nach Art. 22 DBA-Jugoslawien faktisch
in eine volle Steuerpflicht verwandeln würde (Raber, a.a.O.,
Art. 8 Rz 10; Graw, EFG 2017, 1655, 1656). Dies widerspräche
dem Geist des Abkommens.
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29
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ggg) Dass die bezeichneten Einkünfte in
BIH nicht besteuert worden sind, steht der vorgenannten Auslegung
nicht entgegen. Dies folgt bereits daraus, dass eine
Nichtbesteuerung durch den Quellenstaat nicht ohne die Vereinbarung
einer ausdrücklichen Rückfallklausel zum
Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats führen
würde (Senatsurteile vom 15.03.2021 - I R 61/17 = SIS 21 14 06, zur Veröffentlichung bestimmt, und I R 1/18 = SIS 21 14 02). Eine solche Rückfallklausel enthält das
DBA-Jugoslawien nicht.
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ee) Die Freistellung der Einkünfte ist
auch nicht im Hinblick auf die Regelung in § 50d Abs. 9 Satz 1
EStG zu versagen. Danach ist die DBA-Freistellung von
Einkünften eines unbeschränkt Steuerpflichtigen
ungeachtet des Abkommens nicht zu gewähren, wenn der andere
Staat die Bestimmungen des Abkommens so anwendet, dass die
Einkünfte in diesem Staat von der Besteuerung auszunehmen sind
oder nur zu einem durch das Abkommen begrenzten Steuersatz
besteuert werden können, oder die Einkünfte in dem
anderen Staat nur deshalb nicht steuerpflichtig sind, weil sie von
einer Person bezogen werden, die in diesem Staat nicht auf Grund
ihres Wohnsitzes, ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer
Geschäftsleitung, des Sitzes oder eines ähnlichen
Merkmals unbeschränkt steuerpflichtig ist. Im Streitfall liegt
aber kein Qualifikationskonflikt i.S. des § 50d Abs. 9 Satz 1
Nr. 1 EStG vor, denn BIH legt das DBA-Jugoslawien nicht so aus,
dass die Einkünfte (Gewinn aus der Veräußerung von
Anteilen an Kapitalgesellschaften) dort von der Besteuerung
auszunehmen sind. Vielmehr verzichtet BIH nach dem nationalen Recht
auf die Besteuerung derartiger Veräußerungsgewinne. Die
Einkünfte sind auch nicht nur deshalb in BIH nicht
steuerpflichtig, weil der Kläger dort nicht unbeschränkt
steuerpflichtig ist (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG).
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b) Auch für die Gewinnausschüttung
des Streitjahres 2012 fehlt es an einem Besteuerungsrecht
Deutschlands. Gemäß Art. 8 Satz 1 DBA-Jugoslawien kann
der Gewinn aus Investitionen in einer jugoslawischen Organisation
der Vereinten Arbeit, den eine in Deutschland ansässige Person
bezieht, in Jugoslawien (BIH) besteuert werden. Dividenden, die
eine in Deutschland ansässige Gesellschaft an eine in
Jugoslawien ansässige Person zahlt, können hingegen in
Deutschland besteuert werden (Art. 11 Abs. 1 Satz 1
DBA-Jugoslawien). Gemäß Art. 22 Abs. 1 DBA-Jugoslawien
können Einkünfte einer in einem Vertragsstaat
ansässigen Person, die in den vorstehenden Artikeln nicht
behandelt wurden, ohne Rücksicht auf ihre Herkunft nur in
diesem Staat besteuert werden.
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32
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Nach den Ausführungen unter II.2.a
fällt die Gewinnausschüttung der A aus dem Jahr 2012
unter Art. 8 Satz 1 DBA-Jugoslawien. Es handelt sich um den Gewinn
aus Investitionen in einer jugoslawischen Organisation der
Vereinten Arbeit. Damit besteht ein Besteuerungsrecht von BIH.
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§ 50d Abs. 9 Satz 1 EStG gelangt nicht
zur Anwendung, weil weder ein Qualifikationskonflikt i.S. des
§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG vorliegt noch § 50d Abs. 9
Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt ist. Dividenden gelten nach dem vom
FG festgestellten Inhalt des nationalen Steuerrechts von BIH
unabhängig von der Ansässigkeit des Anteilseigners nicht
als Einkommen und werden in § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG ohnehin
grundsätzlich von der Normanwendung ausgenommen.
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34
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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