Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil
des Finanzgerichts Baden-Württemberg, Außensenate
Freiburg, vom 12.5.2016 3 K 3974/14 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision des Klägers wird als
unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu
tragen.
1
|
A. Der im Inland wohnende Kläger,
Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im
Streitjahr (2012) - wie schon geraume Zeit zuvor - als Sänger
im Chor des privatwirtschaftlich von einer AG betriebenen
Opernhauses in A (Schweiz) beschäftigt. Der Opernchor in A
setzte sich zusammen aus ca. 100 festangestellten Sängern, aus
weiteren professionellen Sängern, die durch sog.
Chorzuzügerverträge für konkrete Opernprojekte
verpflichtet wurden und ferner aus semiprofessionellen Sängern
des Zusatzchors. Der Kläger gehörte zu der zweitgenannten
Kategorie der Chorzuzüger. Im Streitjahr wirkte er in dieser
Funktion an 16 verschiedenen Opern mit. Durch die
Chorzuzügerverträge verpflichtete sich der Kläger
u.a. auch zur Mitwirkung an den jeweiligen Proben (Generalproben,
Klavierhauptproben, Hauptproben mit Orchester, musikalische Proben,
Orchestersitzproben und Bühnenorchesterproben). Die Proben,
bei denen kein Publikum anwesend war, wurden im Opernhaus oder
anderen Spielstätten in A abgehalten. Das Opernhaus rechnete
die Entlohnung des Klägers entsprechend den in den
Chorzuzügerverträgen getroffenen Vereinbarungen zu
unterschiedlichen Stundensätzen getrennt nach Mitwirkung an
Vorstellungen (Aufführungen) und Teilnahmen an Proben
ab.
|
|
|
2
|
Im Zeitraum vom ... bis ... 2012 wirkte der
Kläger außerdem aufgrund eines Vertrags mit der
B-Akademie in der Schweiz als Mitglied des Chor B an einer
Opernproduktion mit.
|
|
|
3
|
Von den dem Kläger zustehenden
Vergütungen behielten das Opernhaus A und die B-Akademie
Schweizerische Quellensteuer ein und führten diese an die
Eidgenössische Steuerverwaltung ab. In der Schweiz unterhielt
der Kläger im Streitjahr keine Wohnung. Soweit er in der
Schweiz übernachtete, schlief er in seinem Wohnmobil und
gelegentlich bei Kollegen. Er kehrte im Streitjahr aufgrund seiner
Arbeitsausübung an insgesamt 85 Arbeitstagen nicht an seinen
inländischen Wohnsitz zurück. Dieser liegt ca. 118 bzw.
95 km von den Spielstätten in der Schweiz entfernt.
|
|
|
4
|
Da der Kläger bis dahin keine
Einkommensteuererklärung abgegeben hatte, erließ der
Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt
- FA - ) im November 2013 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
(§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - ) einen Bescheid, mit
dem er auf der Grundlage von geschätzten Einkünften aus
selbständiger Tätigkeit von ...EUR die Einkommensteuer
für das Streitjahr auf ... EUR festsetzte. Der dagegen
erhobene Einspruch des Klägers ging erst nach Ablauf der
Einspruchsfrist beim FA ein. Im Juni 2014 beantragte der
Kläger die Änderung des Einkommensteuerbescheids
gemäß § 164 Abs. 2 AO. Das FA lehnte den
Änderungsantrag mit Bescheid vom 28.7.2014 ab. In dem
anschließenden Einspruchsverfahren reichte der Kläger
eine Einkommensteuererklärung ein, in der er die
Einkünfte aus seiner Tätigkeit als Chorsänger beim
Opernhaus A und beim Chor B als Einkünfte aus
nichtselbständiger Arbeit qualifizierte und mit insgesamt ...
EUR bezifferte. Er vertrat dazu die Auffassung, dass nur die
Entlohnung der Mitwirkung bei den Chorauftritten (... EUR) der
inländischen Besteuerung - unter Anrechnung der Schweizer
Quellensteuer - unterliege. Der Arbeitslohn für die
Probentätigkeit sei im Inland unter Progressionsvorbehalt
steuerfrei.
|
|
|
5
|
Die Einspruchsentscheidung des FA vom
5.12.2014 führte zu einer „Verböserung“ der
Steuerfestsetzung auf ... EUR. Das FA berücksichtigte die
gesamten vom Kläger angegebenen Einnahmen aus seiner
Tätigkeit beim Opernhaus A und beim Chor B als
steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit;
die in der Schweiz gezahlten Quellensteuern rechnete das FA auf die
tarifliche Einkommensteuer an.
|
|
|
6
|
Im Verlauf des anschließenden
Klageverfahrens berichtigte der Kläger seine Angaben zu den im
Streitjahr zugeflossenen Einnahmen aus seiner Tätigkeit als
Chorsänger. Diese hätten insgesamt ... CHF betragen,
wovon auf die Einnahmen für Auftritte vor Publikum ... CHF und
auf die Probentätigkeit ... CHF entfallen seien. Die an die
Eidgenössische Steuerverwaltung abgeführte Quellensteuer
habe insgesamt ... CHF betragen. Auf der Grundlage dieser
berichtigten Angaben erließ das FA am 6.4.2016 einen auf
§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheid,
mit dem es die Einkommensteuer auf ... EUR festsetzte. Der
Kläger vertrat im Klageverfahren die Auffassung,
sämtliche Einkünfte aus der Tätigkeit als
Chorsänger seien von der inländischen Besteuerung
freigestellt.
|
|
|
7
|
Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg, Außensenate
Freiburg, hat den angefochtenen Bescheid mit Urteil vom 12.5.2016 3
K 3974/14 (abgedruckt in EFG 2017, 557 = SIS 17 09 81) dahin
geändert, dass die Einkommensteuer auf ... EUR herabgesetzt
wird. Nach Auffassung des FG sei nur derjenige Teil der
Vergütung in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer
einzubeziehen, der auf die Auftritte des Klägers vor Publikum
entfalle; der auf die Probentätigkeit entfallende Arbeitslohn
sei lediglich bei der Berechnung des Steuersatzes im Rahmen des
Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen; die in der Schweiz
gezahlte Quellensteuer sei auf die tarifliche Einkommensteuer
anzurechnen.
|
|
|
8
|
Gegen das FG-Urteil richten sich die
Revisionen beider Beteiligten. Das Bundesministerium der Finanzen
(BMF) ist dem Revisionsverfahren gemäß § 122 Abs. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigetreten.
|
|
|
9
|
Der Kläger beantragt
(sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und den
angefochtenen Bescheid dahin abzuändern, dass neben den
für die Probentätigkeit des Klägers gewährten
Vergütungen auch die Einkunftsbestandteile, die auf Auftritte
der Chöre vor Publikum entfallen, von der Bemessungsgrundlage
der Einkommensteuer ausgenommen werden.
|
|
|
10
|
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
|
|
|
11
|
Kläger und FA beantragen zudem, die
Revision des jeweils anderen zurückzuweisen.
|
|
|
12
|
Das BMF hat keinen Antrag gestellt,
unterstützt in der Sache jedoch den Standpunkt des FA.
|
|
|
13
|
B. Die Revision des FA ist begründet und
führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Die Revision des Klägers
ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.
2 FGO). Das FA hat die vom Kläger für die Mitwirkung
sowohl an den Proben als auch an den Aufführungen der
Opernchöre in der Schweiz vereinnahmten Vergütungen zu
Recht in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer
einbezogen.
|
|
|
14
|
I. Das FA durfte die mit
Einspruchsentscheidung vom 5.12.2014 vorgenommene Steuerfestsetzung
mit dem gemäß § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des
Klageverfahrens gewordenen Bescheid vom 6.4.2016 ändern.
Gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide
aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich
bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Das
FG hat diese Voraussetzung im Hinblick auf die vom Kläger
nachträglich berichtigten Angaben zur Höhe seiner
Einnahmen als gegeben angesehen. Die Beteiligten haben insoweit
keine Einwendungen erhoben. Auch aus Sicht des Senats ist hiergegen
nichts zu erinnern.
|
|
|
15
|
II. Die vom Kläger im Streitjahr vom
Opernhaus A und von der B-Akademie bezogenen Einnahmen unterfallen
als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. von
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im
Streitjahr geltenden Fassung (EStG) der Einkommensteuer.
|
|
|
16
|
1. Der Kläger hat im Streitjahr seinen
Wohnsitz im Inland gehabt und ist daher gemäß § 1
Abs. 1 Satz 1 EStG mit seinem Welteinkommen unbeschränkt
einkommensteuerpflichtig.
|
|
|
17
|
2. Die Vorinstanz hat die vom Kläger
für die Mitwirkung in den Opernchören erhaltenen
Vergütungen - in Übereinstimmung mit den Auffassungen der
Beteiligten - als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
i.S. von § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG qualifiziert. Zu diesem
Ergebnis ist das FG aufgrund einer Gesamtwürdigung der
festgestellten Umstände des vorliegenden Falles und in
Abgrenzung von den Merkmalen der selbständigen Arbeit nach
§ 18 EStG gekommen. Dabei hat es insbesondere als
maßgeblich angesehen, dass der Kläger in den
Geschäftsbetrieb der Opernchöre eingegliedert, dem
Direktionsrecht der Chordirektionen unterworfen, an festgelegte
Regelarbeitszeiten und Arbeitsorte gebunden war, er zudem feste
Bezüge erhalten, Anspruch auf Sozialleistungen gehabt und kein
Unternehmerrisiko getragen hat. Der Senat ist an diese
Würdigung, die keinen Rechtsfehler erkennen lässt und
gegen die die Beteiligten keine zulässigen und
begründeten Einwendungen erhoben haben, gemäß
§ 118 Abs. 2 FGO gebunden.
|
|
|
18
|
III. Der für die Mitwirkung in den
Opernchören zugeflossene Arbeitslohn ist weder hinsichtlich
des auf die Auftritte vor Publikum entfallenden Teils noch
hinsichtlich des auf die Absolvierung der Proben entfallenden Teils
aufgrund des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen vom 11.8.1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519)
i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 27.10.2010 (BGBl II 2011,
1092, BStBl I 2012, 513) - DBA-Schweiz 1971/2010 - von der
Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ausgenommen. Insbesondere
ergibt sich solches nicht aus Art. 15 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 24
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010.
|
|
|
19
|
1. Gemäß Art. 15 Abs. 1 DBA-Schweiz
1971/2010 können vorbehaltlich der Art. 15a bis 19 DBA-Schweiz
1971/2010 Gehälter, Löhne und ähnliche
Vergütungen, die eine in einem Vertragstaat ansässige
Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat
besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen
Vertragstaat ausgeübt wird (Satz 1). Wird die Arbeit dort
ausgeübt, so können die dafür bezogenen
Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden (Satz 2). In
dem letztgenannten Fall wird die Doppelbesteuerung bei in
Deutschland ansässigen Personen durch Freistellung der
Gehälter, Löhne und ähnlichen Vergütungen von
der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer vermieden (Art. 24 Abs.
1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1971/2010).
|
|
|
20
|
2. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010
kommt jedoch im Streitfall nicht zur Anwendung, weil die
Voraussetzungen der gegenüber dieser Bestimmung vorrangigen
Regelung des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010
erfüllt sind.
|
|
|
21
|
a) Gemäß Art. 17 Abs. 1 Satz 1
DBA-Schweiz 1971/2010 können ungeachtet der Art. 7, 14 und 15
des Abkommens Einkünfte, die berufsmäßige
Künstler, wie Bühnen-, Film-, Rundfunk- oder
Fernsehkünstler und Musiker, sowie Sportler und Artisten
für ihre in dieser Eigenschaft persönlich ausgeübte
Tätigkeit beziehen, in dem Vertragstaat besteuert werden, in
dem sie diese Tätigkeit ausüben. Auch Art. 17 Abs. 1 Satz
1 DBA-Schweiz 1971/2010 weist zwar somit dem Tätigkeitsstaat
(hier: Schweiz) ein Besteuerungsrecht zu. Im Unterschied zu Art. 15
Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d DBA-Schweiz
1971/2010 wird die Doppelbesteuerung in diesem Fall jedoch nicht
durch Ausnahme der Vergütung von der Bemessungsgrundlage der
Einkommensteuer vermieden, sondern durch Anrechnung der in der
Schweiz erhobenen Steuer auf die deutsche Steuer nach Maßgabe
von Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 i.V.m. § 34c
EStG.
|
|
|
22
|
b) Das FG hat den Kläger hinsichtlich
seiner Mitwirkung an den Opernchören zu Recht als
berufsmäßigen Künstler i.S. des Art. 17 Abs. 1 Satz
1 DBA-Schweiz 1971/2010 angesehen. Die dagegen vom Kläger
erhobenen Einwendungen sind unbegründet.
|
|
|
23
|
aa) Art. 17 DBA-Schweiz 1971/2010 gilt nicht
nur für selbständig tätige Künstler, Sportler
und Artisten, sondern auch für solche Steuerpflichtige, die
die betreffende Tätigkeit in Ausübung einer
nichtselbständigen Arbeit verrichten (ebenso Urteil des
Schweizerischen Bundesgerichts vom 6.5.2008 2C_276/2007, abgedruckt
in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb - L/M/vS/K -,
Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland 1971 und 1978, B
17.1 Nr. 60 zu einem angestellten Radsportler). Dies ergibt sich
unmittelbar aus dem Umstand, dass Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz
1971/2010 den Vorrang dieser Bestimmung ausdrücklich auch
gegenüber Art. 15 des Abkommens anordnet, welcher die
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit regelt. Soweit
der Kläger die Sinnhaftigkeit dieser Erstreckung auch auf
Einkünfte aus festen und langjährigen
Arbeitsverhältnissen mit Blick auf den ursprünglichen
Beweggrund für die abkommensrechtliche Sonderstellung der
Künstler- und Sportlereinkünfte - nämlich der mit
der Berufstätigkeit dieser Steuerpflichtigen typischerweise
verbundenen Mobilität durch eine weitgehende Zuweisung der
Einkünfte an den jeweiligen Tätigkeitsstaat zu begegnen
(vgl. dazu z.B. Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, MA Art. 17 Rz
1; Schlotter in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 17 Rz 2; Stockmann
in Vogel/Lehner, DBA, 6. Aufl., Art. 17 Rz 3) - in Zweifel zieht,
handelt es sich um ein rechtspolitisches Anliegen. Eine
einschränkende Auslegung (teleologische Reduktion) des Art. 17
DBA-Schweiz 1971/2010 kann damit nicht begründet werden, da
hierdurch der aus dem Abkommenswortlaut klar erkennbare Wille der
Vertragstaaten missachtet würde. Die allgemeine
Auslegungsregel des Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens
über das Recht der Verträge vom 23.5.1969 - WÜRV -
(BGBl II 1985, 927), in innerstaatliches Recht transformiert seit
Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3.8.1985 (BGBl II 1985,
926) am 20.8.1987 (BGBl II 1987, 757), ermöglicht die
Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags nach Treu und
Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen
Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im
Lichte seines Zieles und Zwecks. Die Berücksichtigung von Ziel
und Zweck des Vertrags ist sonach auf den Abkommenswortlaut bezogen
(Lehner in Vogel/Lehner, a.a.O., Grundlagen Rz 106a) und kann nicht
zu einer dem Wortlaut widersprechenden Auslegung führen (vgl.
Senatsurteil vom 14.12.1988 I R 148/87, BFHE 155, 374, BStBl II
1989, 319 = SIS 89 07 58).
|
|
|
24
|
bb) Der Kläger war als Chorsänger
Künstler i.S. von Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010.
Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Senats (Urteile vom
8.4.1997 I R 51/96, BFHE 183, 110, BStBl II 1997, 679 = SIS 97 21 90 - betreffend das Abkommen mit Großbritannien - und vom
18.7.2001 I R 26/01, BFHE 196, 135, BStBl II 2002, 410 = SIS 01 12 80 - betreffend die Abkommen mit Österreich und mit den
Niederlanden - ) ist der Künstlerbegriff der Art. 17 des
Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and
Development (OECD-Musterabkommen - OECD-MustAbk - ) nachgebildeten
Bestimmungen, zu denen auch Art. 17 DBA-Schweiz 1971/2010
gehört, eigenständig abkommensrechtlich auszulegen, wenn
das betreffende Abkommen dafür eine Grundlage bietet (ebenso
z.B. Wassermeyer in Wassermeyer, MA Art. 17 Rz 21; Schlotter in
Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 17 Rz 29; Maßbaum in
Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, DBA, Art. 17 OECD-MA Rz 24; Mody in
Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 17 OECD-MA Rz 13).
Nationalrechtliche Künstlerbegriffe des Anwenderstaats - wie
z.B. der Begriff der künstlerischen Tätigkeit in §
18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und in § 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG - sind
demgegenüber nicht maßgeblich (anders noch Senatsurteil
vom 11.4.1990 I R 75/88, BFHE 160, 513 = SIS 90 20 51).
|
|
|
25
|
cc) Nach diesen Maßgaben ist Art. 17
DBA-Schweiz 1971/2010 dahin auszulegen, dass das Mitglied eines im
Rahmen einer Opernaufführung auftretenden Opernchors unter den
Künstlerbegriff (Bühnenkünstler bzw. Musiker)
fällt. Das gilt auch auf der Grundlage des Vorbringens des
Klägers, er habe als Chormitglied keinerlei individuelle
Gestaltungsmöglichkeit gehabt und sei daher lediglich ein
„(weitgehend willenloses) Werkzeug des Chordirektors“
gewesen. Aus einer Gesamtschau der in Art. 17 Abs. 1 Satz 1
DBA-Schweiz 1971/2010 beispielhaft aufgeführten Bühnen-,
Film-, Rundfunk- oder Fernsehkünstlern und Musikern sowie der
Gleichsetzung mit Sportlern und Artisten ist abzuleiten, dass es
für die Tatbestandsmäßigkeit nicht auf ein
besonderes künstlerisches Niveau oder eine bestimmte
eigenschöpferische Gestaltungshöhe ankommt (Brandis in
Wassermeyer, Schweiz Art. 17 Rz 19; Kempermann in
Flick/Wassermeyer/ Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen
Deutschland-Schweiz, Art. 17 Rz 11; Wassermeyer in Wassermeyer, MA
Art. 17 Rz 22; Mody in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., Art. 17
OECD-MA Rz 15; Schlotter in Schönfeld/Ditz, a.a.O., Art. 17 Rz
30; Maßbaum in Gosch/Kroppen/Grotherr/Kraft, a.a.O., Art. 17
OECD-MA Rz 40 f.; BMF-Schreiben vom 25.11.2010, BStBl I 2010, 1350
= SIS 10 40 07, Rz 17). Maßgeblich ist danach vielmehr, dass
es sich um eine persönlich ausgeübte vortragende
Tätigkeit handelt, die vornehmlich dem Kunstgenuss oder auch
nur der Unterhaltung des Publikums dient, was bei dem Auftritt
eines Opernchors im Rahmen einer Opernaufführung fraglos der
Fall ist. Handelt es sich - wie im Falle von Orchestern oder
Chören - um den gemeinsamen Auftritt einer Personengruppe,
sind sämtliche Mitglieder der Gruppe und nicht nur deren
Leiter oder Dirigenten als Künstler i.S. des Art. 17
DBA-Schweiz 1971/2010 anzusehen (vgl. Wassermeyer/Schwenke in
Wassermeyer, MA Art. 17 Rz 24). Inwiefern dem einzelnen
Ensemblemitglied hinsichtlich der Art und Weise seines Vortrags
individuelle Gestaltungsmöglichkeiten verbleiben oder nicht,
ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung.
|
|
|
26
|
c) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz
erfasst der Tatbestand des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz
1971/2010 nicht nur die auf die Mitwirkung an den Auftritten vor
Publikum entfallenden Vergütungsbestandteile, sondern auch
jene Bestandteile, die dem Kläger nach den Regelungen der
Chorzuzügerverträge für die Mitwirkung an den Proben
gezahlt worden sind.
|
|
|
27
|
aa) Nach dem oben wiedergegebenen
abkommensrechtlichen Verständnis gelten die Art. 17
OECD-MustAbk nachgebildeten Künstlerartikel nicht für
jegliche Form persönlich ausgeübter
Künstlertätigkeit. Vielmehr ist aus den in Art. 17 Abs. 1
Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 aufgeführten Beispielen zu
schließen, dass nur Vergütungen für
Tätigkeiten solcher Künstler, Sportler und Artisten
erfasst werden, die unmittelbar oder mittelbar (über Medien)
in der Öffentlichkeit auftreten und dabei Darbietungen
erbringen, die künstlerischen oder unterhaltenden Charakter
haben (vgl. Senatsurteile vom 2.12.1992 I R 77/91, BFHE 170, 126 =
SIS 93 13 50; in BFHE 183, 110, BStBl II 1997, 679 = SIS 97 21 90;
in BFHE 196, 135, BStBl II 2002, 410 = SIS 01 12 80; ebenso Urteil
des Schweizerischen Bundesgerichts in L/M/vS/K, B 17.1 Nr. 60;
BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 1350 = SIS 10 40 07, Rz 80). Die
vergüteten Tätigkeiten müssen danach durch den
Auftritt vor Publikum veranlasst sein.
|
|
|
28
|
bb) Entgegen der Auffassung der Vorinstanz und
des Klägers ist ein solcher direkter Auftrittsbezug nach den
Gegebenheiten des Streitfalls auch hinsichtlich der
Probentätigkeiten gegeben, die der Kläger in
Erfüllung der Chorzuzügerverträge in der Schweiz
ausgeübt hat. Denn auf der Grundlage der Feststellungen des FG
und nach dem Inhalt der Chorzuzügerverträge hat es sich
dabei um solche Proben gehandelt, die der Vorbereitung der
jeweiligen Auftritte der Opernchöre und der für diese
Auftritte erforderlichen Koordination der Chöre mit den
sonstigen Ensemblemitgliedern (Orchestermusikern und Sängern)
gedient haben. Ein über die Vorbereitung der jeweiligen
Opernaufführungen hinausgehender Zweck der Proben - z.B. eine
Stärkung der allgemeinen künstlerischen Fähigkeiten
der Mitwirkenden - ist demgegenüber nicht erkennbar. Ein
solcher Zweck folgt auch nicht daraus, dass nach den Regelungen in
den Chorzuzügerverträgen gesonderte
Vergütungsregelungen für die Mitwirkung an den
Aufführungen einerseits und an den verschiedenen Proben
andererseits getroffen worden sind. Ursache hierfür war
offenkundig, dass die Vertragspartner unterschiedliche
Stundensätze für die Mitwirkungen an den
Aufführungen, Generalproben und sonstigen Proben vereinbaren
wollten. Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass die
Proben aus Sicht der Vertragspartner einen eigenständigen,
über die Vorbereitung der jeweiligen Opernaufführungen
hinausgehenden Zweck gehabt haben. Solches ergibt sich auch nicht
aus dem vom Kläger hervorgehobenen Umstand, dass er auch dann
einen Anspruch auf die Vergütung der Probentätigkeit
gehabt hätte, wenn er an der Mitwirkung an der späteren
Aufführung gehindert gewesen wäre.
|
|
|
29
|
Der geschilderte enge Bezug der Proben zu den
jeweiligen Opernaufführungen reicht aus, um den für Art.
17 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 erforderlichen
Auftrittsbezug zu bejahen (vgl. Kempermann in
Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 17 Rz 16 und Rz 22
Stichwort „Proben/Training“). Dafür sprechen auch
Sinn und Zweck der Zuweisung des Besteuerungsrechts für die
Künstler- und Sportlerentgelte an den Tätigkeitsstaat.
Diese Zuweisung wurde geschaffen, um das Besteuerungsrecht für
bestimmte Berufsgruppen, die aufgrund der mit der
Berufstätigkeit typischerweise verbundenen Mobilität und
vielfachen Einnahmemöglichkeiten im Wohnsitzstaat hinsichtlich
der Einkünfte aus der Auslandstätigkeit oftmals nur
schwer steuerlich erfasst werden können, dem
Tätigkeitsstaat zuzuweisen, für den die praktischen
Schwierigkeiten der steuerlichen Erfassung dieser Einkünfte in
der Regel geringer sind (vgl. Senatsurteil in BFHE 196, 135, BStBl
II 2002, 410 = SIS 01 12 80). Es wäre vor diesem Hintergrund
nicht zweckgerecht, dass die Vergütungsteile, die der
Künstler für die am Aufführungsort absolvierten
Proben erhält, abkommensrechtlich anders behandelt werden als
die auf die eigentlichen Auftritte entfallenden
Vergütungsteile.
|
|
|
30
|
cc) Der Senat setzt sich mit diesem
Abkommensverständnis nicht in Widerspruch zu dem Urteil des
Schweizerischen Bundesgerichts in L/M/vS/K, B 17.1 Nr. 60, auf
welches sich das FG für seine Sichtweise gestützt hat.
Dieses Urteil betrifft einen in der Schweiz ansässigen
Radsportler, der bei einem niederländischen Sport-Team
angestellt war und von diesem u.a. ein leistungsunabhängiges
Jahres-Grundgehalt erhielt. Nach Auffassung des Schweizerischen
Bundesgerichts ist dieses Grundgehalt nicht nach Art. 17 Abs. 1
OECD-MustAbk anteilig auch jenen Drittstaaten (u.a. Deutschland)
zuzuweisen, in denen der Radsportler unabhängig von konkreten
Rennveranstaltungen Trainingseinheiten ohne Publikum absolviert
hatte. Der wesentliche Unterschied dieses Sachverhalts zu dem hier
zu beurteilenden Fall liegt darin, dass die Trainingseinheiten des
Radsportlers gerade keinen Bezug zu bestimmten Rennveranstaltungen
gehabt haben, während vorliegend aus den dargelegten
Gründen ein direkter Zusammenhang der Proben mit den ebenfalls
im Tätigkeitsstaat stattfindenden Opernaufführungen
gegeben war.
|
|
|
31
|
dd) Die zwischen dem Kläger und dem BMF
streitige Frage, inwiefern für die Auslegung des Art. 17
DBA-Schweiz 1971/2010 in Bezug auf das Streitjahr auch auf das erst
im Rahmen der Revision 2014 in den OECD-Musterkommentar zu Art. 17
OECD-MustAbk unter Nr. 9.1 aufgenommene Beispiel
zurückgegriffen werden kann, in welchem u.a. die Entgelte
für im Tätigkeitsstaat durchgeführte Proben von
Künstlern - ausdrücklich genannt werden Opernsänger,
die vertraglich zur Teilnahme an Proben verpflichtet sind -
unabhängig davon zum Anwendungsbereich des Art. 17
OECD-MustAbk gerechnet werden, ob es sich um Proben für
spezifische Auftritte handelt oder nicht, bedarf keiner
Erörterung durch den Senat. Im Streitfall handelt es sich -
wie erläutert - um auftrittsbezogene Proben.
|
|
|
32
|
3. Die Rechtswirkungen des Art. 17 Abs. 1 Satz
1 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 werden im
Streitfall nicht durch die Grenzgängerregelung des Art. 15a
Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1971/2010 verdrängt. Zwar
gebührt Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 bei Steuerpflichtigen
mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Vorrang
gegenüber Art. 17 DBA-Schweiz 1971/2010 (vgl. Brandis in
Wassermeyer, Schweiz Art. 15a Rz 25; Kempermann in
Flick/Wassermeyer/Kempermann, a.a.O., Art. 15a Rz 14). Doch liegen
die Voraussetzungen der Bestimmung im Streitfall nicht vor.
|
|
|
33
|
a) Gemäß Art. 15a Abs. 1 Satz 1
DBA-Schweiz 1971/2010 können ungeachtet des Art. 15 des
Abkommens Gehälter, Löhne und ähnliche
Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger
Arbeit bezieht, in dem Vertragstaat besteuert werden, in dem dieser
ansässig ist. Grenzgänger in diesem Sinne ist
gemäß Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz 1971/2010 jede in
einem Vertragstaat ansässige Person, die in dem anderen
Vertragstaat ihren Arbeitsort hat und von dort
regelmäßig an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Satz 1).
Kehrt diese Person nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnsitz
zurück, entfällt die Grenzgängereigenschaft nur
dann, wenn die Person bei einer Beschäftigung während des
gesamten Kalenderjahres an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund ihrer
Arbeitsausübung nicht an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Satz
2).
|
|
|
34
|
Nach den für den Senat gemäß
§ 118 Abs. 2 FGO verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz,
gegen die die Beteiligten keine Einwendungen erhoben haben, war der
Kläger im Streitjahr durchgehend kein Grenzgänger im
vorstehend beschriebenen Sinne, weil er an mehr als 60 -
nämlich an 85 - Arbeitstagen aufgrund seiner
Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt
ist.
|
|
|
35
|
b) Zutreffend ist auch die Rechtsauffassung
des FG, der zufolge es für die Berechnung der
Nichtrückkehrtage gemäß Art. 15a Abs. 2 Satz 2
DBA-Schweiz 1971/2010 keine Rolle spielt, ob der Arbeitnehmer in
dem betreffenden Kalenderjahr für einen oder für mehrere
Arbeitgeber tätig gewesen ist (ebenso Urteil des FG
Baden-Württemberg vom 15.10.2015 3 K 2913/13, EFG 2016, 1061 =
SIS 16 08 99 - Revision unter I R 22/16 - ; Brandis in Wassermeyer,
Schweiz Art. 15a Rz 49; Kempermann in Flick/Wassermeyer/Kempermann,
a.a.O., Art. 15a Rz 49; für die Zeit ab 1.1.2015 auch
BMF-Schreiben vom 18.12.2014, BStBl I 2015, 22 = SIS 15 00 37 -
beruhend auf einer Verständigungsvereinbarung zwischen den
deutschen Finanzbehörden und der Eidgenössischen
Steuerverwaltung vom 28.11.2014 - ).
|
|
|
36
|
Soweit es demgegenüber in Rz 15 des
Einführungsschreibens des BMF zur Neuregelung der
Grenzgängerbesteuerung des DBA-Schweiz 1971 vom 19.9.1994
(BStBl I 1994, 683 = SIS 94 20 90) heißt, im Falle eines
Arbeitgeberwechsels im Tätigkeitsstaat innerhalb eines
Kalenderjahrs sei die 60-Tages-Grenze bezogen auf das jeweilige
Arbeitsverhältnis zu teilen, ist dem nicht zu folgen, da der
Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 für
eine gesonderte Berechnung der Nichtrückkehrtage eines
Kalenderjahrs nach einzelnen Arbeitgebern keinerlei Anhalt
bietet.
|
|
|
37
|
Dass das BMF-Schreiben in BStBl I 1994, 683 =
SIS 94 20 90 auf einer Vereinbarung zwischen den zuständigen
deutschen Behörden mit der Eidgenössischen
Steuerverwaltung „zur einheitlichen Anwendung und
Auslegung“ des Art. 15a DBA-Schweiz 1971 (i.d.F. des
Änderungsprotokolls vom 21.12.1992, BGBl II 1993, 1888, BStBl
I 1993, 928) beruht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Der
Senat misst einer zwischenstaatlichen Konsultationsvereinbarung -
in Einklang mit den Grundsätzen zur Auslegung von
Verträgen nach Art. 31 WÜRV - zwar Bedeutung für die
Auslegung der Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
bei. Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann jedoch die
„Grenzmarke“ für das richtige
Abkommensverständnis immer nur der Abkommenswortlaut sein;
wird das in der Konsultationsvereinbarung gefundene
Abkommensverständnis durch den Wortlaut nicht gedeckt, dann
kann die Vereinbarung die Abkommensauslegung durch die Gerichte
nicht beeinflussen oder die Gerichte gar binden (Senatsurteile vom
2.9.2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387 = SIS 09 33 01; vom 10.6.2015 I R 79/13, BFHE 250, 110, BStBl II 2016, 326 =
SIS 15 21 48). So liegt der Fall hier in Bezug auf die Rz 15 des
BMF-Schreibens in BStBl I 1994, 683 = SIS 94 20 90, die mit dem
Wortlaut des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1971/2010 nicht in
Einklang zu bringen ist.
|
|
|
38
|
An diesem Befund ändert es nichts, dass
die oben zitierte Passage aus Rz 15 des BMF-Schreibens in BStBl I
1994, 683 = SIS 94 20 90 in die Bestimmung des § 9 Abs. 1 der
Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen
Eidgenossenschaft (Deutsch-Schweizerische
Konsultationsvereinbarungsverordnung - KonsVerCHEV - ) vom
20.12.2010 (BGBl I 2010, 2187, BStBl I 2010, 146) aufgenommen
worden ist. Der Senat hat mit Urteil in BFHE 250, 110, BStBl II
2016, 326 = SIS 15 21 48 entschieden, dass § 24 Abs. 1 Satz 2
KonsVerCHEV, der die Besteuerung von Arbeitnehmer-Abfindungen
betrifft, keine Rechtswirkungen entfaltet, weil die
Ermächtigungsgrundlage des § 2 Abs. 2 AO i.d.F. des
Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010) vom 8.12.2010 (BGBl I 2010,
1768, BStBl I 2010, 1394 = SIS 10 40 34) insoweit nicht den
Bestimmtheitsanforderungen genügt, die nach Art. 80 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) an eine Verordnungsermächtigung zu stellen
sind. Entsprechendes muss auch für § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV
gelten. Denn auch im Hinblick auf die Grenzgängervorschrift
des Art. 15a DBA-Schweiz 1971/2010 enthält § 2 Abs. 2 AO
i.d.F. des JStG 2010 keine näheren Vorgaben zu Inhalt, Zweck
und Ausmaß der erteilten Verordnungsermächtigung.
|
|
|
39
|
IV. Das FG ist von einer anderen
Rechtsauffassung ausgegangen. Sein Urteil ist daher aufzuheben. Der
Rechtsstreit ist entscheidungsreif; die Klage ist abzuweisen.
Anderweitige Mängel der Steuerfestsetzung hat der Kläger
nicht geltend gemacht und sind auch für den Senat nicht
ersichtlich.
|
|
|
40
|
V. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 1 FGO.
|