Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Finanzgerichts Köln vom 30.03.2017 - 15 K 2258/14 = SIS 17 17 78 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der
Beklagte zu tragen.
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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) werden für das Streitjahr 2010
zusammenveranlagt.
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Der Kläger erzielte im Streitjahr u.a.
Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung als
Mitunternehmer an einer KG. In der gesonderten und einheitlichen
Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr
wurden ihm (zunächst) Einkünfte als Mitunternehmer der KG
in Höhe von 305.814,15 EUR zugerechnet.
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In der Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr beantragten die Kläger in ihren
Anlagen KAP jeweils eine Überprüfung des Steuereinbehalts
für sämtliche Kapitaleinkünfte gemäß
§ 32d Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für das
Streitjahr anzuwendenden Fassung (EStG). Die Kapitalerträge
hatten durchweg dem inländischen Steuerabzug unterlegen. Bei
beiden Klägern war im Rahmen des Kapitalertragsteuereinbehalts
kein Sparerpauschbetrag berücksichtigt worden.
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Die Kläger stellten in der
Einkommensteuererklärung keinen Antrag auf
Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG.
Hierzu bestand aufgrund der Höhe der Einkünfte des
Klägers kein Anlass, da eine Hinzurechnung der
Kapitalerträge der Kläger zu den übrigen
Einkünften nicht zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung
geführt hätte.
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In dem für das Streitjahr 2010
ergangenen Einkommensteuerbescheid vom 03.01.2012 und einem
geänderten Bescheid vom 01.02.2012 wurden die
Kapitalerträge der Kläger als Einkünfte aus
Kapitalvermögen veranlagt, die dem gesonderten Tarif
gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterlagen. Nach Abzug der
Sparerpauschbeträge entfielen auf den Kläger
Kapitaleinkünfte in Höhe von 31.629 EUR und auf die
Klägerin in Höhe von 0 EUR. Der dem ersten Bescheid
für das Streitjahr beigefügte Vorbehalt der
Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - )
wurde im geänderten Einkommensteuerbescheid für das
Streitjahr vom 01.02.2012 aufgehoben. Dieser
Einkommensteuerbescheid wurde nicht angefochten und daher
bestandskräftig.
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In einer späteren gesonderten und
einheitlichen Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für das
Streitjahr wurden für den Kläger Einkünfte aus der
KG in Höhe von Null EUR festgestellt.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) erließ daraufhin unter dem 04.04.2014
gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO einen
geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr.
Der Ansatz der Kapitalerträge der Kläger blieb
unverändert. Die festgesetzte Einkommensteuer minderte sich
aufgrund der geänderten Einkünfte des Klägers aus
Gewerbebetrieb von zuvor 118.311 EUR auf 7.733 EUR. Auf Grundlage
der im geänderten Einkommensteuerbescheid vom 04.04.2014
berücksichtigten Besteuerungsgrundlagen konnte ein Antrag der
Kläger auf Günstigerprüfung gemäß §
32d Abs. 6 EStG erstmals zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung
führen.
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Die Kläger erhoben Einspruch gegen den
geänderten Einkommensteuerbescheid vom 04.04.2014. Sie
beantragten, die Günstigerprüfung gemäß §
32d Abs. 6 EStG durchzuführen, die Kapitaleinkünfte den
übrigen tariflich besteuerten Einkünften hinzuzurechnen
und die festzusetzende Steuer herabzusetzen.
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Das FA folgte dem nicht. Es verwarf den
Einspruch der Kläger als unzulässig. Der
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 01.02.2012 sei
bestandskräftig gewesen und gemäß § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 AO zugunsten der Kläger geändert worden.
Damit unterliege der Einspruch gegen den Änderungsbescheid vom
04.04.2014 der Anfechtungsbeschränkung gemäß §
351 Abs. 1 Halbsatz 1 AO. Entgegen der Auffassung der Kläger
sei der Einspruch auch nicht gemäß § 351 Abs. 1
Halbsatz 2 AO zulässig, da die nunmehr begehrte weitere
Herabsetzung der Steuer sich nicht auf eine die Bestandskraft der
Steuerfestsetzung durchbrechende Korrekturvorschrift stützen
lasse.
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Das Finanzgericht (FG) gab der
anschließend erhobenen Klage statt. Es änderte den
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 04.04.2014
gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zugunsten der
Kläger. Die Begründung des FG ist in EFG 2017, 1592
mitgeteilt.
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Das FA rügt mit der Revision die
Verletzung materiellen Bundesrechts. Das FG habe § 175 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 AO fehlerhaft angewendet. Der geänderte Ansatz
der gewerblichen Einkünfte des Klägers im
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 04.04.2014 sei
kein Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, das auf
den Steueranspruch zurückwirke. Auch wenn die Besteuerung der
Kapitalerträge der Kläger auf Grundlage der
Günstigerprüfung nach den im Einkommensteuerbescheid
für das Streitjahr vom 04.04.2014 erfassten
Besteuerungsgrundlagen steuerlich vorteilhafter sei, bestehe
für die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nicht
das erforderliche materiell-rechtliche Bedürfnis. Denn die
Einkommensteuerfestsetzung sei sowohl rechtmäßig, wenn
die Kapitaleinkünfte den tariflich besteuerten Einkünften
hinzugerechnet würden, als auch in dem Fall, dass die
Hinzurechnung unterbleibe.
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Das FA beantragt, das Urteil des FG
Köln vom 30.03.2017 - 15 K 2258/14 = SIS 17 17 78 aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision
des FA als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG hat zu Recht über eine
zulässige Anfechtungsklage der Kläger entschieden (s.
unter II.1.) und die Voraussetzungen für eine Änderung
des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr vom 04.04.2014
zugunsten der Kläger gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2, § 351 Abs. 1 Halbsatz 2 AO in Verbindung mit dem im
Einspruchsverfahren erstmals gestellten Antrag auf
Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG als
erfüllt angesehen (s. unter II.2.). Die Hinzurechnung der
Kapitaleinkünfte zu den tariflich besteuerten Einkünften
führt zu einer Herabsetzung der Steuer in der begehrten
Höhe. Das FG hat die Höhe der den übrigen
Einkünften hinzuzurechnenden Kapitalerträge zutreffend
ermittelt (s. unter II.3.).
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1. Die Klage ist vom FG zutreffend als
Anfechtungsklage in der Variante der Abänderungsklage (§
40 Abs. 1 Alternative 2 i.V.m. § 100 Abs. 2 Satz 1 FGO)
behandelt worden. Das Begehren der Kläger, aufgrund des
Antrags auf Günstigerprüfung gemäß § 32d
Abs. 6 EStG die Einkommensteuer herabzusetzen, war Gegenstand des
Einspruchs, den die Kläger gegen den geänderten
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom 04.04.2014
eingelegt haben. Der Einspruch war entgegen der Auffassung des FA
gemäß § 351 Abs. 1 Halbsatz 2 AO zulässig, da
die Kläger sich für die begehrte Herabsetzung der Steuer
auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (s. dazu unter II.2.) als die
Bestandskraft der Steuerfestsetzung durchbrechende
Korrekturvorschrift stützen können. Die Kläger haben
somit zu Recht den geänderten Einkommensteuerbescheid für
das Streitjahr vom 04.04.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 31.07.2014 (vgl. § 44 Abs. 2 FGO) beim FG angefochten und
dessen Änderung beantragt. Die Sachentscheidungsvoraussetzung
eines erfolglos gebliebenen Einspruchsverfahrens ist ebenfalls
erfüllt. Das Einspruchsverfahren, welches eine Entscheidung
über das Änderungsbegehren der Kläger umfasste,
wurde durch die Einspruchsentscheidung vom 31.07.2014 erfolglos
abgeschlossen.
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2. Das FG hat zutreffend bejaht, dass die
Kläger im Einspruchsverfahren einen Antrag auf
Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG
erstmals erfolgreich stellen konnten und die Voraussetzungen
für eine Änderung des geänderten
Einkommensteuerbescheids vom 04.04.2014 zugunsten der Kläger
gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 351
Abs. 1 Halbsatz 2 AO erfüllt waren.
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Beim Antrag auf Günstigerprüfung
gemäß § 32d Abs. 6 EStG handelt es sich zwar um ein
unbefristetes Wahlrecht, die von den Klägern begehrte
Herabsetzung der festzusetzenden Steuer setzt neben der
Antragstellung aber gemäß § 351 Abs. 1 Halbsatz 2
AO zusätzlich voraus, dass sich die Kläger auf eine
verfahrensrechtliche Korrekturvorschrift stützen können,
die die Bestandskraft der Steuerfestsetzung zu ihren Gunsten
durchbricht (s. unter II.2.a). Die Voraussetzungen für eine
Änderung des Bescheids zugunsten der Kläger
gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO liegen vor (s.
unter II.2.b).
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a) Der Antrag auf Günstigerprüfung
gemäß § 32d Abs. 6 EStG kann zeitlich unbefristet
gestellt werden. Die Möglichkeit, aufgrund der Antragstellung
eine Herabsetzung der festzusetzenden Einkommensteuer zu erreichen,
wird aber durch das allgemeine verfahrensrechtliche Institut der
Bestandskraft und die Regelung des § 351 Abs. 1 AO begrenzt
(vgl. Senatsurteil vom 12.05.2015 - VIII R 14/13, BFHE 250, 64,
BStBl II 2015, 806 = SIS 15 19 51, Rz 10, 11; FG Münster,
Urteil vom 22.03.2013 - 4 K 3386/12 E, EFG 2013, 940 = SIS 13 15 07, Rz 31, sowie Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -
BMF - vom 18.01.2016 - IV C 1-S 2252/08/10004:017, BStBl I 2016, 85
= SIS 16 02 36, Rz 149; s. zu § 32d Abs. 4 EStG Senatsurteil
vom 09.08.2016 - VIII R 27/14, BFHE 255, 51, BStBl II 2017, 821 =
SIS 16 24 86, und Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
21.08.2019 - X R 16/17, BFHE 266, 163, BStBl II 2020, 99 = SIS 19 19 17). Wird - wie im Streitfall - ein Antrag auf
Günstigerprüfung gemäß § 32d Abs. 6 EStG
vom Steuerpflichtigen erstmals nach Ergehen eines
Änderungsbescheids gestellt und lässt sich hierdurch eine
Steuerminderung erzielen, kann diese gemäß § 351
Abs. 1 Halbsatz 2 AO nur berücksichtigt werden, soweit die
Bestandskraft der Steuerfestsetzung aufgrund einer
verfahrensrechtlichen Änderungsvorschrift (etwa §§
172 ff. AO) zugunsten des Antragstellers durchbrochen werden kann
(vgl. Senatsurteil in BFHE 250, 64, BStBl II 2015, 806 = SIS 15 19 51, Rz 11; s.a. BFH-Urteile vom 09.12.2015 - X R 56/13, BFHE 252,
241, BStBl II 2016, 967 = SIS 16 04 56, Rz 26; vom 26.04.2018 - III
R 12/17, BFH/NV 2018, 948 = SIS 18 10 42, Rz 27; zu § 32d Abs.
4 EStG BFH-Urteil in BFHE 266, 163, BStBl II 2020, 99 = SIS 19 19 17, Rz 39; ebenso BMF-Schreiben in BStBl I 2016, 85 = SIS 16 02 36,
Rz 149). § 32d Abs. 6 EStG enthält selbst keine
Rechtsgrundlage für die Änderung einer
bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung zugunsten des
Steuerpflichtigen (Senatsurteil in BFHE 250, 64, BStBl II 2015, 806
= SIS 15 19 51, Rz 12).
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Das FG hat § 32d Abs. 6 EStG danach
zutreffend als zeitlich unbefristetes Wahlrecht eingeordnet. Die
Änderung des formell bestandskräftigen
Einkommensteuerbescheids der Kläger für das Streitjahr
vom 01.02.2012 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO
eröffnete gemäß § 351 Abs. 1 Halbsatz 1 AO -
wie vom FG angenommen - keinen Änderungsrahmen für eine
noch weiter gehende Herabsetzung der bestandskräftig
festgesetzten Steuer zugunsten der Kläger. Hierzu bedurfte es
gemäß § 351 Abs. 1 Halbsatz 2 AO - neben der
Antragstellung gemäß § 32d Abs. 6 EStG - einer
weiteren verfahrensrechtlichen Korrekturvorschrift, die das FG im
Streitfall zu Recht in § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO (s. unter
II.2.b) gesehen hat.
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b) Das FG hat zutreffend entschieden, dass der
Erlass des geänderten Einkommensteuerbescheids für das
Streitjahr vom 04.04.2014 ein rückwirkendes Ereignis i.S. des
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist, das einen
korrekturbedürftigen Zustand im Hinblick auf die
bestandskräftig festgesetzte Steuer ausgelöst hat.
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aa) Ein rückwirkendes Ereignis i.S. des
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO erfordert, dass sich eine
Änderung des nach dem Steuertatbestand rechtserheblichen
Sachverhalts in die Vergangenheit auswirkt, und zwar in der Weise,
dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten
Sachverhalts der Besteuerung zugrunde zu legen ist (Beschluss des
Großen Senats des BFH vom 19.07.1993 - GrS 2/92, BFHE 172,
66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33, unter C.II.1.a bis c,
m.w.N.). Es muss aufgrund des Ereignisses ein
korrekturbedürftiger Zustand geschaffen werden und das
Bedürfnis bestehen, die schon bestandskräftig getroffene
Regelung an die nachträgliche Sachverhaltsänderung
anzupassen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 12.07.1989 - X R 8/84, BFHE
157, 484, BStBl II 1989, 957 = SIS 89 21 04, unter 1.a und b; vom
20.08.2014 - X R 33/12, BFHE 247, 105, BStBl II 2015, 138 = SIS 14 32 08, Rz 13, 17).
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bb) Die Festsetzung der Steuer in einem
Änderungsbescheid, die aufgrund darin berücksichtigter
veränderter Besteuerungsgrundlagen dem Steuerpflichtigen nach
Eintritt der Bestandskraft erstmals eine erfolgreiche
Antragstellung gemäß § 32d Abs. 6 EStG
ermöglicht, ist ein rückwirkendes Ereignis i.S. des
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
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aaa) Wie der Senat bereits entschieden hat,
ist die Antragstellung selbst kein rückwirkendes Ereignis
(Senatsurteil in BFHE 250, 64, BStBl II 2015, 806 = SIS 15 19 51,
Rz 24, mit Bezugnahme auf das BFH-Urteil in BFHE 247, 105, BStBl II
2015, 138 = SIS 14 32 08, Rz 20; ebenso zum Antrag gemäß
§ 32d Abs. 4 EStG BFH-Urteil in BFHE 266, 163, BStBl II 2020,
99 = SIS 19 19 17, Rz 45). Gemeint ist hiermit der Fall, dass die
tatbestandlichen Voraussetzungen für die Antragstellung
gemäß § 32d Abs. 6 EStG bereits vor Eintritt der
Bestandskraft der Steuerfestsetzung vorliegen, also die
Hinzurechnung der Kapitalerträge zu den übrigen
Einkünften aufgrund der der bestandskräftigen
Steuerfestsetzung zugrundeliegenden Besteuerungsgrundlagen zu einer
niedrigeren Steuerfestsetzung führt, und es allein an der
notwendigen Antragstellung fehlt. Wird der Antrag in diesem Fall
nach Eintritt der Bestandskraft erstmals gestellt, ist die
Antragstellung gemäß § 32d Abs. 6 EStG kein
Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung i.S. des § 175 Abs.
1 Satz 1 Nr. 2 AO.
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bbb) Hiervon abzugrenzen ist jedoch die im
Streitfall vorliegende Konstellation. Tatbestandliche Voraussetzung
eines Antrags auf Günstigerprüfung gemäß
§ 32d Abs. 6 EStG ist - wie dargelegt -, dass eine
Hinzurechnung der Kapitaleinkünfte zu den übrigen
Einkünften zu einer niedrigeren Festsetzung der
Einkommensteuer samt der Zuschlagsteuern führt (s.
Senatsurteil vom 30.11.2016 - VIII R 11/14, BFHE 256, 455, BStBl II
2017, 443 = SIS 17 06 32). Ob die Steuer aufgrund einer
Hinzurechnung der Kapitaleinkünfte niedriger festzusetzen ist,
richtet sich nach den Besteuerungsgrundlagen, die in demjenigen
Bescheid enthalten sind, für den die
Günstigerprüfung durchgeführt werden soll. Werden
nach Eintritt der Bestandskraft der Steuerfestsetzung in einem
Änderungsbescheid geänderte Besteuerungsgrundlagen in
einer Weise berücksichtigt, dass ein Antrag gemäß
§ 32d Abs. 6 EStG - erstmals erfolgreich - gestellt werden
kann, handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis i.S. des
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Denn durch den Erlass des
Änderungsbescheids verändert sich nach Eintritt der
Bestandskraft der maßgebliche Sachverhalt für die
Beurteilung der Frage, ob die Hinzurechnung der
Kapitaleinkünfte zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung
führt.
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cc) Durch die nach Eintritt der Bestandskraft
aufgrund des Änderungsbescheids entstehende Möglichkeit,
einen Antrag auf Günstigerprüfung gemäß §
32d Abs. 6 EStG erstmals erfolgreich stellen zu können,
entsteht entgegen der Auffassung des FA ein Zustand, der das
Bedürfnis auslöst, die bestandskräftige
Steuerfestsetzung an die geänderte Situation anzupassen.
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Zwar ist dem FA zuzugeben, dass der
Steuerpflichtige es nach Ergehen des Änderungsbescheids auch
unterlassen kann, einen Antrag auf Günstigerprüfung zu
stellen und er die höhere Belastung seiner
Kapitaleinkünfte hinnehmen kann, ohne dass die
Steuerfestsetzung für das Streitjahr hierdurch rechtswidrig
würde. Dieser Umstand spricht aber nicht gegen die
Korrekturbedürftigkeit der bestandskräftigen
Steuerfestsetzung in der im Streitfall vorliegenden Konstellation.
Verneinte man eine Korrekturmöglichkeit gemäß
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, wäre für einen
Steuerpflichtigen, der nach Eintritt der Bestandskraft aufgrund
eines Änderungsbescheids erstmals einen erfolgreichen Antrag
auf Günstigerprüfung stellen kann, die effektive
Ausübung des Wahlrechts gänzlich ausgeschlossen. Eine
Antragstellung (z.B. im Rahmen der Einkommensteuererklärung
„ins Blaue hinein“) wäre vor dem Ergehen
des Änderungsbescheids objektiv sinnlos. Nach Ergehen des
Änderungsbescheids könnte sie gemäß § 351
AO aber mangels einer zugunsten des Steuerpflichtigen eingreifenden
Korrekturvorschrift nicht zu einer niedrigeren Steuerfestsetzung
führen. Denn eine andere verfahrensrechtliche
Korrekturvorschrift als § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, die
zugunsten des Steuerpflichtigen in dieser Situation eingreifen
könnte, ist nicht ersichtlich. Das Wahlrecht gemäß
§ 32d Abs. 6 EStG ginge ins Leere, obwohl der Gesetzgeber es
als unbefristetes Wahlrecht ausgestaltet hat, das nicht im Rahmen
der Einkommensteuererklärung auszuüben ist. Für
diese Sichtweise spricht auch, dass das Wahlrecht gemäß
§ 32d Abs. 6 EStG Sozialzwecknormcharakter hat und die
Härten der abgeltenden Besteuerung der Kapitaleinkünfte
abfedern und insbesondere Steuerpflichtigen, deren Belastung mit
der tariflichen Einkommensteuer auf Kapitaleinkünfte niedriger
als der gesonderte Steuertarif in Höhe von 25 % ist - hier:
den Klägern -, die Möglichkeit eröffnen soll, ihre
Einkünfte aus Kapitalvermögen gemeinsam mit den
übrigen Einkünften der niedrigeren tariflichen Belastung
zu unterwerfen (Senatsurteile vom 28.01.2015 - VIII R 13/13, BFHE
249, 125, BStBl II 2015, 393 = SIS 15 04 10, Rz 13; in BFHE 256,
455, BStBl II 2017, 443 = SIS 17 06 32, Rz 41; BMF-Schreiben in
BStBl I 2016, 85 = SIS 16 02 36, Rz 149).
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3. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig,
dass bei Durchführung der Günstigerprüfung
gemäß § 32d Abs. 6 EStG die Kapitaleinkünfte
der Kläger in der bislang veranlagten Höhe den
übrigen Einkünften hinzuzurechnen sind (s. zur
Hinzurechnung Senatsurteil in BFHE 249, 125, BStBl II 2015, 393 =
SIS 15 04 10; BMF-Schreiben in BStBl I 2016, 85 = SIS 16 02 36, Rz
149, 150). Die Vorentscheidung ist danach auch zur Höhe der
vom FG festgesetzten Steuer nicht zu beanstanden.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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