Die Revision der Klägerin gegen das
Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 23.5.2012 2 K
250/11 = SIS 13 13 45 wird als unbegründet
zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu
tragen.
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I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte im Streitjahr 2010
Kapitalerträge i.S. des § 20 des Einkommensteuergesetzes
(EStG). Die Schuldnerin der Kapitalerträge wies in der von ihr
erstellten Steuerbescheinigung Einkünfte aus
Kapitalvermögen in Höhe von 1.523,72 EUR sowie
einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer in Höhe
von 380,93 EUR zzgl. 20,95 EUR Solidaritätszuschlag aus. Den
Sparer-Pauschbetrag nahm die Klägerin nicht in Anspruch. In
der von einem Steuerberater gefertigten
Einkommensteuererklärung für 2010 erklärte sie
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus einer
Leibrente. Zu den erzielten Kapitaleinkünften machte sie keine
Angaben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - )
setzte die Einkommensteuer 2010 erklärungsgemäß in
Höhe von 0 EUR fest. Die Veranlagung erfolgte - abgesehen von
das vorliegende Verfahren nicht betreffenden programmierten
Vorläufigkeitsgründen - endgültig.
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Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der
Einkommensteuerfestsetzung für 2010 beantragte die
Klägerin unter Vorlage der Steuerbescheinigung über die
von ihr erzielten Kapitalerträge sowie die anrechenbaren
Abzugsbeträge die sog. Günstigerprüfung nach §
32d Abs. 6 EStG. Das FA lehnte eine Änderung des
bestandskräftigen Einkommensteuerbescheids und eine Anrechnung
der Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuerschuld ab. Die nach
erfolglosem Einspruch erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) mit
Urteil vom 23.5.2012 2 K 250/11 abgewiesen.
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Die Klägerin trägt zur
Begründung ihrer Revision vor, der Antrag auf
Günstigerprüfung sei unbefristet und könne auch nach
der Unanfechtbarkeit der Einkommensteuerfestsetzung gestellt
werden. Entgegen der Auffassung des FG sei Rechtsgrundlage für
eine Korrektur des Bescheids § 173 Abs. 1 Nr. 1 und nicht Nr.
2 der Abgabenordnung (AO), da die Änderung zu einer
höheren Steuer führe. Die Anrechnung der
Kapitalertragsteuer dürfe bei der Frage, ob die dem FA erst
nachträglich bekannt gewordenen Kapitaleinkünfte zu einer
höheren oder niedrigeren Steuer führten, nicht
berücksichtigt werden, da Festsetzungs- und Erhebungsverfahren
getrennt zu betrachten seien. Etwas anderes ergebe sich auch nicht
aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 16.3.1990 VI R 90/86
(BFHE 160, 213, BStBl II 1990, 610 = SIS 90 14 60), dem eine mit
dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Nettolohnvereinbarung
zugrunde gelegen habe.
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Die Klägerin beantragt, unter
Aufhebung des angefochtenen Urteils der Vorinstanz, der
Einspruchsentscheidung vom 24.8.2011 und des Ablehnungsbescheids
vom 10.6.2011 das FA zu verpflichten, den Einkommensteuerbescheid
für 2010 vom 3.3.2011 dahingehend zu ändern, dass bei der
Festsetzung der tariflichen Einkommensteuer die bisher nicht
erklärten Kapitalerträge in Höhe von 1.523 EUR
berücksichtigt werden.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon
ausgegangen, dass die von der Klägerin beantragte
Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG zu keiner
Änderung des unanfechtbaren Einkommensteuerbescheids für
2010 führt. Zwar ist der Antrag unbefristet. Jedoch liegen die
Voraussetzungen für eine Änderung des
bestandskräftigen Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO
oder § 175 Abs. 1 AO nicht vor.
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1. Der Antrag auf Günstigerprüfung
nach § 32d Abs. 6 EStG ist unbefristet, so dass er von der
Klägerin auch nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der
Einkommensteuerfestsetzung gestellt werden konnte.
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a) Dem Wortlaut des § 32d Abs. 6 EStG
lässt sich eine Befristung der Antragstellung nicht entnehmen.
Während bei den Antragsrechten gemäß § 32d
Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 und Abs. 4 EStG im Gesetz ausdrücklich
angeordnet wurde, dass der Antrag spätestens zusammen mit der
Einkommensteuererklärung für den jeweiligen
Veranlagungszeitraum zu stellen ist, findet sich eine derartige
Einschränkung bei Abs. 6 der Regelung nicht. Zudem
schließt dieser die Anwendung des Abs. 4 ausdrücklich
aus.
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b) Für dieses Auslegungsergebnis spricht
auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Zwar sollte nach der
Begründung zum Gesetzentwurf (BTDrucks 16/4841, S. 62) der
Steuerpflichtige die Wahlmöglichkeit im Rahmen seiner
Veranlagung geltend machen. Diese zeitliche Begrenzung ist jedoch
in § 32d Abs. 6 EStG, anders als in Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 4
der Vorschrift, nicht Gesetz geworden.
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c) Danach handelt es sich bei dem Antrag auf
Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG um ein
unbefristetes Wahlrecht, das bis zum Eintritt der
Festsetzungsverjährung ausgeübt werden kann (so auch Koss
in Korn, § 32d EStG Rz 109; Oellerich in Bordewin/Brandt,
§ 32d EStG Rz 121; Hechtner, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB -
2011, 1769, 1770 f.; Sikorski, NWB 2011, 1064, 1067; a.A.
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 34. Aufl., § 32d Rz 22;
Blümich/Werth, § 32d EStG Rz 161; Baumgärtel/ Lange
in Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rz 85; Harenberg/
Zöller, Abgeltungsteuer 2011, 3. Aufl., S. 137; Steinlein/
Storg/Tischbein, Die Abgeltungsteuer in der Praxis, Rz 190;
Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22.12.2009 IV C
1-S 2252/08/10004, BStBl I 2010, 94 = SIS 09 37 93, und vom
9.10.2012 IV C 1-S 2252/10/10013, BStBl I 2012, 953 = SIS 12 30 48,
jeweils Rz 149).
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2. Allerdings führt der Antrag auf
Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG nur dann
dazu, dass die bislang gemäß §§ 32d Abs. 1, 43
Abs. 5 EStG abgegolten besteuerten Kapitaleinkünfte den
Einkünften i.S. des § 2 EStG hinzugerechnet und der
tariflichen Einkommensteuer unterworfen werden, wenn die
Voraussetzungen für eine Änderung des Steuerbescheids
vorliegen. Insoweit ergibt sich eine zeitliche Begrenzung der
Wahlrechtsausübung aus dem allgemeinen verfahrensrechtlichen
Institut der Bestandskraft. Könnten antragsgebundene
Vergünstigungen des EStG ohne weiteres nach Bestandskraft der
Steuerfestsetzung geltend gemacht werden, liefe dies auf eine
Aushöhlung der Vorschriften der AO über die Korrektur von
Steuerbescheiden hinaus (BFH-Urteile vom 28.9.1984 VI R 48/82, BFHE
141, 532, BStBl II 1985, 117 = SIS 84 21 34; vom 21.7.1989 III R
303/84, BFHE 157, 488, BStBl II 1989, 960 = SIS 89 21 56; vom
24.3.1998 I R 20/94, BFHE 185, 451, BStBl II 1999, 272 = SIS 98 13 24; vom 30.8.2001 IV R 30/99, BFHE 196, 507, BStBl II 2002, 49 =
SIS 02 02 45).
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3. Die Regelung des § 32d Abs. 6 EStG
selbst ist keine Rechtsgrundlage für eine Änderung der
Einkommensteuerfestsetzung. Sie soll nicht zur Korrektur einer
rechtswidrigen Einkommensteuerfestsetzung führen, sondern ist
als Billigkeitsmaßnahme zu verstehen, mit der
Steuerpflichtige, deren Steuersatz noch niedriger als 25 % liegt,
eine weitere Begünstigung erfahren (Senatsurteil vom 28.1.2015
VIII R 13/13, BFHE 249, 125, BStBl II 2015, 393 = SIS 15 04 10).
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4. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon
ausgegangen, dass als Rechtsgrundlage für eine Korrektur der
Einkommensteuerfestsetzung § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO
einschlägig ist, eine Änderung jedoch aufgrund des groben
Verschuldens der Klägerin am nachträglichen Bekanntwerden
der Kapitaleinkünfte ausgeschlossen ist.
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a) Steuerbescheide sind nach § 173 Abs. 1
Nr. 2 AO zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel
nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer
führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran
trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel erst nachträglich
bekannt werden. Dabei steht nach ständiger Rechtsprechung des
BFH die erstmalige Ausübung eines nicht fristgebundenen
steuerlichen Wahlrechts nach Bestandskraft der
Einkommensteuerfestsetzung einer Änderung nach § 173 Abs.
1 Nr. 2 AO nicht entgegen (BFH-Urteile in BFHE 141, 532, BStBl II
1985, 117 = SIS 84 21 34; in BFHE 157, 488, BStBl II 1989, 960 =
SIS 89 21 56).
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b) Tatsache im Sinne dieser Vorschrift ist
alles, was Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen
Steuertatbestandes sein kann, also Zustände, Vorgänge,
Beziehungen, Eigenschaften materieller oder immaterieller Art (vgl.
BFH-Urteil vom 30.10.2003 III R 24/02, BFHE 204, 10, BStBl II 2004,
394 = SIS 04 09 27, m.w.N.). Der nach Eintritt der Unanfechtbarkeit
der Festsetzung gestellte Antrag auf Günstigerprüfung
nach § 32d Abs. 6 EStG ist als Verfahrenshandlung keine
nachträglich bekannt gewordene Tatsache, wohl aber der der
Steuervergünstigung zugrunde liegende Sachverhalt, der zu
einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung führen kann
(vgl. BFH-Urteile in BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117 = SIS 84 21 34; in BFHE 204, 10, BStBl II 2004, 394 = SIS 04 09 27). Dies ist
im vorliegenden Fall die dem FA erst nach der
Einkommensteuerfestsetzung bekannt gewordene Tatsache, dass die
Klägerin Kapitaleinkünfte erzielt hat, die nach §
32d Abs. 1 EStG dem Abgeltungsteuersatz unterlegen haben. Diese
Tatsache ist auch rechtserheblich, weil die Ausübung des
Wahlrechts nach § 32d Abs. 6 EStG nicht fristgebunden ist
(vgl. BFH-Urteil in BFHE 141, 532, BStBl II 1985, 117 = SIS 84 21 34).
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c) Entgegen der Auffassung der Klägerin
führen diese nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen zu
einer niedrigeren Steuer, so dass für eine Korrektur die
Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO erfüllt sein
müssen.
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aa) Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des
§ 32d Abs. 6 Satz 1 EStG. Danach werden auf Antrag des
Steuerpflichtigen die nach § 20 EStG ermittelten
Einkünfte nur dann nicht der Abgeltungsteuer nach § 32d
Abs. 1 EStG, sondern den Einkünften i.S. des § 2 EStG
hinzugerechnet und der tariflichen Einkommensteuer nach § 32a
EStG unterworfen, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer
einschließlich der Zuschlagsteuern führt. Das Gesetz
ordnet danach für die Günstigerprüfung eine
Gesamtbetrachtung an, die auch hinsichtlich der Frage, ob die
nachträglich bekannt gewordene Tatsache der Erzielung von
Kapitaleinkünften nach § 173 Abs. 1 AO zu einer
höheren (Nr. 1) oder niedrigeren Steuer (Nr. 2) führt,
nicht unberücksichtigt bleiben kann. Vergleichsmaßstab
für eine Korrektur nach § 173 AO ist aufgrund der
Besonderheiten, die mit der Einführung des gesonderten Tarifs
für Kapitaleinkünfte nach § 32d Abs. 1 EStG als
Schedule verbunden sind, in diesem Fall nicht allein die im zu
ändernden Einkommensteuerbescheid festgesetzte Steuer. Zu
berücksichtigen ist nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG
vielmehr auch die durch den Abzug vom Kapitalertrag nach § 43
Abs. 5 EStG abgegoltene Einkommensteuer.
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bb) Bei der danach anzustellenden
Gesamtbetrachtung führen die nachträglich bekannt
gewordenen Tatsachen im vorliegenden Fall zu einer insgesamt
niedrigeren Steuer. Bisher waren bei der Einkommensteuerfestsetzung
nur die von der Klägerin erklärten Einkünfte aus
nichtselbständiger Tätigkeit und aus einer Leibrente
erfasst worden und die Kapitaleinkünfte mit dem gesonderten
Steuersatz des § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 %
abgegolten besteuert worden. Dies ergibt in der Summe eine
höhere Einkommensteuer als bei der Hinzurechnung der
Kapitaleinkünfte zu den tariflich besteuerten Einkünften
nach §§ 2, 32a EStG, da der progressive Steuersatz der
Klägerin im Streitjahr unter 25 % lag. Auf die Frage, ob - wie
vom FG angenommen - aufgrund der Verklammerung von Festsetzungs-
und Erhebungsverfahren durch § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG in den
Vergleich auch anzurechnende Abzugsbeträge einzubeziehen sind
(so BFH-Urteil in BFHE 160, 213, BStBl II 1990, 610 = SIS 90 14 60;
vgl. auch Senatsurteil vom 7.5.2013 VIII R 17/09, BFH/NV 2013, 1581
= SIS 13 25 24), kommt es nicht an.
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d) Voraussetzung für eine Korrektur der
Einkommensteuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO ist,
dass die Klägerin kein grobes Verschulden daran trifft, dass
dem FA die erzielten Kapitaleinkünfte erst nach der
Einkommensteuerfestsetzung bekannt geworden sind. Dies hat das FG
in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint.
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aa) Grobes Verschulden im Sinne der
maßgeblichen Vorschrift setzt Vorsatz und grobe
Fahrlässigkeit voraus. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor,
wenn ein Steuerpflichtiger die ihm nach seinen persönlichen
Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in
ungewöhnlichem, nicht entschuldbarem Maße verletzt. Das
Vorliegen dieser Voraussetzungen ist im Wesentlichen eine Tatfrage.
Die hierzu vom FG aufgrund der von ihm getroffenen
tatsächlichen Feststellungen vorgenommene Würdigung darf
- abgesehen von zulässigen oder begründeten
Verfahrensrügen - in der Revisionsinstanz nur daraufhin
überprüft werden, ob der Rechtsbegriff des Vorsatzes bzw.
der groben Fahrlässigkeit richtig erkannt worden ist und ob
die Würdigung der Umstände hinsichtlich des individuellen
Verschuldens den Denkgesetzen und Erfahrungssätzen entspricht
(ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 8.12.1998 IX R
14/97, BFH/NV 1999, 743 = SIS 98 57 08, m.w.N.).
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bb) Danach ist die Beurteilung des FG, die
Klägerin treffe grobes Verschulden, nicht zu beanstanden. Da
die Steuerbescheinigung bereits vor der Abgabe der
Einkommensteuererklärung vorlag, hätte die Klägerin
den mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung
beauftragten Steuerberater über die erzielten
Kapitaleinkünfte unterrichten müssen. Sollte sie dies
getan haben, wäre dessen schuldhafte Verletzung der Pflicht,
dem FA diese Tatsache vor der Unanfechtbarkeit der
Steuerfestsetzung mitzuteilen, der Klägerin wie eigenes
Verschulden zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 9.11.2011 X R 53/09,
BFH/NV 2012, 545 = SIS 12 06 57; vom 9.5.2012 I R 73/10, BFHE 238,
1, BStBl II 2013, 566 = SIS 12 22 08).
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5. Eine Änderung der
Einkommensteuerfestsetzung kommt auch nicht wegen eines
rückwirkenden Ereignisses nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
AO in Betracht.
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a) Danach kann ein Steuerbescheid
geändert werden, wenn ein Ereignis eintritt, das steuerliche
Wirkung für die Vergangenheit hat. Ob ein Ereignis
ausnahmsweise steuerlich in die Vergangenheit zurückwirkt,
richtet sich allein nach den Normen des jeweils einschlägigen
materiellen Steuerrechts (Beschluss des Großen Senats des BFH
vom 19.7.1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 = SIS 93 23 33, unter C.II.1.c, m.w.N.). Es muss ein Bedürfnis
bestehen, eine schon bestandskräftig getroffene Regelung an
die nachträgliche Sachverhaltsänderung anzupassen
(BFH-Urteil vom 12.7.1989 X R 8/84, BFHE 157, 484, BStBl II 1989,
957 = SIS 89 21 04, unter 1.a). Dies ist vorliegend jedoch nicht
der Fall.
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b) Allein die Vorlage der Steuerbescheinigung
über die erzielten Kapitaleinkünfte ist kein
rückwirkendes Ereignis im Sinne der Vorschrift. Dies wird
durch § 175 Abs. 2 Satz 2 AO ausdrücklich angeordnet.
Auch der Antrag auf Günstigerprüfung nach Eintritt der
Bestandskraft ist kein rückwirkendes Ereignis. Da die
Voraussetzungen für eine Ausübung des Wahlrechts nach
§ 32d Abs. 6 EStG bereits vor Eintritt der Bestandskraft
vorlagen, besteht kein Bedürfnis, den erst nach Eintritt der
Bestandskraft gestellten Antrag zurückwirken zu lassen (vgl.
BFH-Urteil vom 20.8.2014 X R 33/12, BFHE 247, 105, BStBl II 2015,
138 = SIS 14 32 08).
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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