Die Revision der Kläger gegen das Urteil
des Finanzgerichts Münster vom 21.8.2014 7 K 4608/11 E = SIS 14 28 84 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu
tragen.
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I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2009 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt wurden. Die Einkommensteuererklärung
für 2009 wurde von dem Steuerberater der Kläger mit Hilfe
eines elektronischen Steuerprogramms erstellt und an den Beklagten
und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA - ) übermittelt. Die
Kläger haben eine von ihnen unterschriebene komprimierte
(verkürzte) Steuererklärung in Papierform dem FA
nachgereicht. Diese war vom FA mit dem Eingangsstempel 14.2.2011
versehen worden. Die Klägerin erklärte in der Zeile 7 der
Anlage KAP Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 625.155
EUR, die dem inländischen Steuerabzug unterlagen. Bei den
Kapitalerträgen handelte es sich in Höhe von 624.755 EUR
um eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) der I-GmbH, an der
die Klägerin zu 90 % beteiligt war. Die Klägerin stellte
in den Zeilen 4 und 5 der Anlage KAP den Antrag auf
Günstigerprüfung und auf Überprüfung des
Steuereinbehalts. Den in Zeile 24 vorgesehenen Antrag auf Anwendung
der tariflichen Einkommensteuer, der die Besteuerung der
Kapitalerträge nach dem Teileinkünfteverfahren zur Folge
gehabt hätte, enthielt die Erklärung nicht.
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Das FA veranlagte die Kläger
antragsgemäß und besteuerte die Kapitaleinkünfte
der Klägerin in Höhe von 625.155 EUR abzüglich des
Sparer-Pauschbetrags in Höhe von 1.602 EUR nach dem
gesonderten Steuertarif für Einkünfte aus
Kapitalvermögen gemäß § 32d Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 25 %. Die interne
Freigabe der Veranlagung durch den Sachbearbeiter des FA erfolgte
am 7.4.2011. Der maschinell erstellte Einkommensteuerbescheid wurde
vom FA am 18.4.2011 zur Post aufgegeben.
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Mit beim FA am 13.4.2011 eingegangenem
Schreiben beantragte der Steuerberater der Kläger, die
Kapitaleinkünfte der Klägerin in Höhe von 624.755
EUR gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG
nach der tariflichen Einkommensteuer unter Anwendung des
Teileinkünfteverfahrens zu besteuern. Das FA lehnte dies ab,
da der Antrag spätestens zusammen mit der
Einkommensteuererklärung zu stellen sei. Nachdem die
Kläger erfolglos Einspruch eingelegt hatten, hat das
Finanzgericht (FG) die hiergegen erhobene Klage mit seinem in EFG
2014, 1962 = SIS 14 28 84 veröffentlichten Urteil vom
21.8.2014 7 K 4608/11 E abgewiesen.
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Die Kläger tragen zur Begründung
der Revision im Wesentlichen vor, die Fristenregelung des §
32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG verstoße gegen das
verfassungsrechtliche Gebot der Normenklarheit, da im Gesetz nicht
geregelt sei, zu welchem Zeitpunkt die
Einkommensteuererklärung im Sinne dieser Vorschrift abgegeben
worden sei. Eine Frist, die sich dem Gesetz nicht entnehmen lasse,
entspreche nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen. Das Wahlrecht
habe danach bis zum Erlass des Einkommensteuerbescheides
ausgeübt werden können. Zudem sei mit dem Antrag auf
Günstigerprüfung eine Ausübung des Wahlrechts nach
§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG verbunden
gewesen.
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Die Kläger beantragen, unter Aufhebung
des angefochtenen FG-Urteils, der Einspruchsentscheidung vom
13.12.2011 und des Ablehnungsbescheids vom 18.4.2011 das FA zu
verpflichten, den Einkommensteuerbescheid für 2009 vom
18.4.2011 dahingehend zu ändern, dass bei der Festsetzung
Kapitaleinkünfte in Höhe von 624.755 EUR unter Anwendung
des Teileinkünfteverfahrens nach der tariflichen
Einkommensteuer besteuert und die nach § 32d Abs. 1 EStG
besteuerten Einkünfte um diesen Betrag verringert
werden.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon
ausgegangen, dass der von der Klägerin erst nach der Abgabe
der Einkommensteuererklärung gestellte Antrag auf Besteuerung
der Kapitaleinkünfte nach der tariflichen Einkommensteuer
unter Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gemäß
§ 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG zu keiner
Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für 2009
führt. Er ist nicht innerhalb der in § 32d Abs. 2 Nr. 3
Satz 4 EStG geregelten Frist gestellt worden, und die
Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gemäß § 110 der Abgabenordnung (AO) lagen nicht
vor.
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1. Die Einkommensteuer für die
Kapitaleinkünfte der Klägerin wurde im
Einkommensteuerbescheid für 2009 zu Recht gemäß
§ 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 % festgesetzt.
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a) Die Einkünfte der Klägerin aus
der vGA sind als Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1
Satz 2 EStG, die nicht unter § 20 Abs. 8 EStG fallen,
gemäß § 32d Abs. 1 EStG nach dem gesonderten Tarif
für Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von
25 % zu besteuern. Die Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 4 EStG
i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010), nach der eine vGA
auch ohne einen Antrag des Steuerpflichtigen nach der tariflichen
Einkommensteuer zu besteuern ist, soweit sie das Einkommen der
leistenden Körperschaft gemindert hat, ist im Streitfall nicht
anwendbar, da sie nach § 52a Abs. 15 Satz 2 EStG i.d.F. des
JStG 2010 erstmals für den Veranlagungszeitraum 2011 gilt. Es
kann danach offenbleiben, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift
im Streitfall erfüllt waren.
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b) Aufgrund des rechtzeitig gestellten Antrags
der Klägerin nach § 32d Abs. 4 EStG auf
Überprüfung des Steuereinbehalts waren die nach der
Abgeltungsteuer besteuerten Kapitaleinkünfte in die
Steuerfestsetzung miteinzubeziehen.
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2. Das FA hat zu Recht die Besteuerung nach
der tariflichen Einkommensteuer unter Anwendung des
Teileinkünfteverfahrens gemäß § 32d Abs. 2 Nr.
3 Satz 1 Buchst. a EStG abgelehnt, da die Klägerin den
diesbezüglichen Antrag erst nach der Abgabe der
Einkommensteuererklärung gestellt hat, so dass er aufgrund der
Fristenregelung des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG nicht mehr
zu berücksichtigen war.
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a) Nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst.
a EStG gilt § 32d Abs. 1 EStG und somit der gesonderte Tarif
für Einkünfte aus Kapitalvermögen auf Antrag nicht
für Kapitalerträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2
EStG aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, wenn der
Steuerpflichtige im Veranlagungszeitraum, für den der Antrag
erstmals gestellt wird, unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 25
% an der Kapitalgesellschaft beteiligt war. In diesem Fall findet
nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG das sog.
Teileinkünfteverfahren Anwendung.
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b) Zwar war die Klägerin an der I-GmbH,
aus deren Beteiligung sie die Kapitalerträge erzielte, mit 90
%, d.h. zu mindestens 25 % beteiligt. Jedoch ist weitere
Voraussetzung für eine Besteuerung nach dem
Teileinkünfteverfahren nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4
EStG, dass der Antrag spätestens zusammen mit der
Einkommensteuererklärung für den jeweiligen
Veranlagungszeitraum gestellt wird.
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aa) Der Gesetzgeber hat durch die Verwendung
des Wortes „spätestens“ eindeutig zum
Ausdruck gebracht, dass die Ausübung des Wahlrechts zeitlich
durch die Abgabe der Einkommensteuererklärung befristet ist.
Diese Auslegung wird gestützt durch die
Gesetzesbegründung. Danach ist die zeitliche Begrenzung
eingeführt worden, um einen auf Steueroptimierung gerichteten
ständigen Wechsel des Besteuerungsregimes zu verhindern und
die Administration der Wahlrechtsausübung, die bis zu einem
Widerruf für insgesamt fünf Veranlagungszeiträume
gilt, zu erleichtern. Sie soll der Verfahrensvereinfachung sowohl
für den Steuerpflichtigen als auch für die
Finanzverwaltung dienen (BTDrucks 16/7036, S. 14). Dass § 32d
Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG lediglich ein befristetes Wahlrecht
gewährt, ergibt sich auch aus einer systematischen Auslegung
des § 32d EStG. So findet sich weder bei der Regelung des
Antrags auf Überprüfung des Steuereinbehalts nach §
32d Abs. 4 EStG noch auf Günstigerprüfung nach § 32d
Abs. 6 EStG, die jeweils nur für einen Veranlagungszeitraum
Wirkung entfalten, eine zeitliche Einschränkung dahingehend,
dass der Antrag „spätestens“ mit der
Einkommensteuererklärung zu stellen ist.
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bb) Auch in der Literatur wird einhellig die
Auffassung vertreten, dass das Antragsrecht nach § 32d Abs. 2
Nr. 3 Satz 4 EStG nur bis zur Abgabe der
Einkommensteuererklärung ausgeübt werden kann (vgl.
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 34. Aufl., § 32d Rz 12; Boochs in
Lademann, EStG, § 32d EStG Rz 19; Storg in Frotscher, EStG,
Freiburg 2011, § 32d Rz 40; Baumgärtel/Lange in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 32d EStG Rz 47; Blümich/Werth,
§ 32d EStG Rz 149; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 14. Aufl.,
§ 32d Rz 16; Koss in Korn, § 32d EStG Rz 74; Oellerich in
Bordewin/Brandt, § 32d EStG Rz 96; Schlotter in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 32d
Rz 39; Harenberg/Zöller, Abgeltungsteuer 2011, 3. Aufl., S.
130; Schlotter/Jansen, Abgeltungsteuer, S. 124).
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cc) Diese Auffassung wird auch vom
Bundesministerium der Finanzen (BMF) in seinem Schreiben vom
22.12.2009 IV C 1-S 2252/08/10004 (BStBl I 2010, 94 = SIS 09 37 93)
Rz 141 vertreten. Im BMF-Schreiben vom 9.10.2012 IV C 1-S
2252/10/10013 (BStBl I 2012, 953 = SIS 12 30 48) Rz 141 wurde die
Verwaltungsauffassung dahingehend konkretisiert, dass für
Antragstellung und Einkommensteuererklärung ein gleicher
Eingangsstempel für den jeweiligen Veranlagungszeitraum
erforderlich sei. Eine Nachholung des Antrags sei nur unter den
Voraussetzungen des § 110 AO möglich.
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c) Der Steuerberater der Klägerin hat den
Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG erst nach
der Abgabe der Einkommensteuererklärung gestellt, so dass er
verfristet war.
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aa) Zwar regelt § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4
EStG nicht ausdrücklich, wann eine
„Einkommensteuererklärung“ vorliegt, die
zum Ausschluss des Wahlrechts führt. Dieses gesetzliche
Tatbestandsmerkmal ist jedoch durch die Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) hinreichend geklärt. Danach ist eine
Steuererklärung eine formalisierte, innerhalb einer bestimmten
Frist abzugebende Auskunft des Steuerpflichtigen oder seines
Vertreters, die dem FA die Festsetzung der Steuer oder die
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ermöglicht und in der
Regel zum Erlass eines Steuerbescheides führt (BFH-Urteile vom
17.4.2008 V R 41/06, BFHE 221, 498, BStBl II 2009, 2 = SIS 08 39 12; vom 14.1.1998 X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203 =
SIS 98 10 48, jeweils m.w.N.; s.a. BTDrucks VI/1982, S. 128).
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bb) Im vorliegenden Fall entsprach die von den
Klägern beim FA eingereichte Einkommensteuererklärung den
Anforderungen an Form und Inhalt einer
Einkommensteuererklärung nach § 150 AO i.V.m. § 25
Abs. 3 EStG. Sie enthielt die für die Durchführung der
Veranlagung erforderlichen Mindestangaben, stimmte, soweit die
komprimierte Form Angaben enthielt, mit dem amtlichen
Erklärungsvordruck überein und war von den Klägern
eigenhändig unterschrieben worden. Danach hätte der
Antrag auf Besteuerung der Kapitaleinkünfte nach der
tariflichen Einkommensteuer gemäß § 32d Abs. 2 Nr.
3 Satz 4 EStG spätestens mit der Abgabe der
Einkommensteuererklärung am 14.2.2011 gestellt werden
müssen. Der erst nach diesem Zeitpunkt gestellte Antrag
führt auch nicht aufgrund der Regelung des § 153 AO zu
der von den Klägern begehrten Änderung der
Einkommensteuerfestsetzung. Zwar ist der Steuerpflichtige nach
§ 153 AO verpflichtet, eine unrichtige oder
unvollständige Steuererklärung zu berichtigen. Die
Nichtausübung eines Wahlrechts führt jedoch nicht dazu,
dass die Steuererklärung in diesem Sinne fehlerhaft ist. Mit
Abgabe der Einkommensteuererklärung ist folglich die Frist
für die Ausübung des Wahlrechts nach § 32d Abs. 2
Nr. 3 Satz 4 EStG auch dann abgelaufen, wenn die Erklärung
unrichtig und nach § 153 AO zu korrigieren ist.
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cc) Es kann bei den steuerlich beratenen
Klägern auch nicht davon ausgegangen werden, dass mit dem
Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG
konkludent auch ein Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1
Buchst. a EStG gestellt wurde. Zwar führt die Besteuerung der
Kapitaleinkünfte nach der tariflichen Einkommensteuer unter
Anwendung des Teileinkünfteverfahrens im Streitfall zu einer
niedrigeren Steuer. Das FA kann bei einer von einem fachkundigen
Berater erstellten Einkommensteuererklärung jedoch nicht ohne
weitere Anhaltspunkte davon ausgehen, dass mit der
Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG konkludent
auch der für die nächsten vier Veranlagungszeiträume
bindende Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG
gestellt wird. Ob bei einem nichtberatenen Steuerpflichtigen von
einer konkludenten Antragstellung auszugehen sein könnte, ist
im vorliegenden Streitfall nicht zu entscheiden.
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d) Nicht entscheidungserheblich ist danach, ob
der Antrag, wie von der Klägerin behauptet und vom FA
bestritten, telefonisch bereits am 7.4.2011 oder erst schriftlich
am 13.4.2011 gestellt wurde. Unerheblich ist auch, ob die
Veranlagung bereits am 7.4.2011 oder erst mit der
Prüfberechnung am 8.4.2011 abgeschlossen wurde, da es nicht
auf den Abschluss der Veranlagungsarbeiten, sondern auf die Abgabe
der Einkommensteuererklärung am 14.2.2011 ankommt.
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3. Die Fristenregelung des § 32d Abs. 2
Nr. 3 Satz 4 EStG ist verfassungsgemäß. Sie
verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche
Bestimmtheitsgebot noch gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
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a) Gesetzliche Ausschlussfristen müssen
aus dem Gesetzestext sofort, eindeutig und klar erkennbar sein und
dürfen sich nicht erst aus dem Sinn und Zusammenhang der
Gesetze ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 9.4.1975 I R 241/73, BFHE 115,
384, BStBl II 1975, 587 = SIS 75 03 41, m.w.N.). Dies ist
vorliegend, wie bereits unter II.2.c ausgeführt, der Fall, da
in § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG eindeutig geregelt ist, dass
der Antrag spätestens zusammen mit der
Einkommensteuererklärung zu stellen ist.
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b) Weitere Voraussetzung für die
Verfassungsmäßigkeit einer Fristenregelung ist, dass das
betreffende Recht vom Berechtigten binnen angemessener Frist und in
einfacher, leicht zu erfüllender Form in Anspruch genommen
werden kann (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
8.10.1985 1 BvL 17/83, 1 BvL 19/83, BVerfGE 70, 278 = SIS 86 06 43). Auch insoweit bestehen hinsichtlich der Regelung
grundsätzlich keine verfassungsrechtlichen Bedenken, da der
Antrag zusammen mit der Einkommensteuererklärung gestellt
werden kann.
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c) Die Befristung der Antragstellung ist auch
verhältnismäßig. Es ist verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden, dass der Gesetzgeber aus Gründen der
Verfahrensvereinfachung (BTDrucks 16/7036, S. 14) den Antrag
befristet hat. Zwar können die Anträge auf
Überprüfung des Steuereinbehalts nach § 32d Abs. 4
EStG und auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG
nach der gesetzlichen Regelung unbefristet, d.h. bis zur
Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung gestellt werden (vgl.
BFH-Urteil vom 12.5.2015 VIII R 14/13, DB 2015, 2059 = SIS 15 19 51). Im Unterschied zu diesen Anträgen entfaltet der Antrag
nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG jedoch - solange
er nicht widerrufen wird - nicht nur Wirkung für den
Veranlagungszeitraum, für den er gestellt wird, sondern auch
für die folgenden vier Veranlagungszeiträume. Es besteht
daher ein berechtigtes Interesse des Gesetzgebers, die
Möglichkeit der Antragstellung nach § 32d Abs. 2 Nr. 3
Satz 1 Buchst. a EStG bis zur Abgabe der
Einkommensteuererklärung zu befristen, um eine Änderung
der Bescheide der Folgejahre auf den Fall des Widerrufs der
Antragstellung, der nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 5 EStG auch
spätestens mit der Einkommensteuererklärung erfolgen
muss, zu begrenzen. Es ist auch kein milderes, den
Steuerpflichtigen weniger belastendes Mittel ersichtlich. Die
Veranlagung und damit der Arbeitsablauf der Finanzbehörde
würde zwangsläufig verzögert, wenn durch eine
Antragstellung nach Abgabe der Einkommensteuererklärung ein
Änderungsbedarf für die Folgejahre ausgelöst werden
könnte. Schließlich steht auch der durch die
Ausschlussfrist des § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG bewirkte
Verlust einer niedrigeren Besteuerung nicht außer
Verhältnis zu dem mit der Vorschrift angestrebten Zweck, da
dies durch eine rechtzeitige Antragstellung in der
Einkommensteuererklärung vermieden werden kann.
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4. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
gemäß § 110 AO ist unabhängig davon, ob die
Voraussetzungen des § 110 Abs. 2 AO erfüllt sind, schon
deshalb nicht zu gewähren, weil die Klägerin nicht ohne
Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war.
Sie muss sich das Verschulden ihres fachkundigen Beraters, der den
Antrag auf Besteuerung nach der tariflichen Einkommensteuer
gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG erst
verspätet gestellt hat, nach § 110 Abs. 1 Satz 2 AO
zurechnen lassen. Zwar ergibt sich weder aus der Anlage KAP noch
aus deren Anleitung in der Fassung vom August 2009, dass der Antrag
nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG
„spätestens“ zusammen mit der
Einkommensteuererklärung zu stellen ist. Jedoch begründet
bei berufsmäßigen Vertretern die mangelnde Kenntnis
über verfahrensrechtliche Fristen grundsätzlich einen
Verschuldensvorwurf (BFH-Urteil vom 27.8.1998 III R 47/95, BFHE
187, 134, BStBl II 1999, 65 = SIS 99 03 60, m.w.N.). Dies gilt auch
im vorliegenden Fall, da sich aus dem Gesetzeswortlaut des §
32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 EStG, der herrschenden Meinung in der
Literatur und der in den BMF-Schreiben veröffentlichten
Verwaltungsauffassung eindeutig ergibt, dass der Antrag nach §
32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG spätestens mit der
Abgabe der Einkommensteuererklärung zu stellen ist.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 2 FGO.
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