1
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I. Es ist streitig, ob der vom Kläger,
Revisionsbeklagten und Anschlussrevisionskläger (Kläger)
im Jahr 2005 (Streitjahr) bezogene einmalige Ertrag aus
Umsatzsteuer-Erstattungen nebst Erstattungszinsen für die
Jahre 1996 bis 2003 nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) tarifbegünstigt zu besteuern
ist.
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2
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Der Kläger betrieb im Streitjahr eine
Spielhalle und erzielte aus dieser Tätigkeit gewerbliche
Einkünfte. Er ermittelte seinen Gewinn durch
Betriebsvermögensvergleich. Im Jahr 2005 wurde
höchstrichterlich geklärt, dass Umsätze aus
Glücksspielen mit Geldeinsatz außerhalb öffentlicher
Spielbanken nach damaliger Rechtslage von der Umsatzsteuer befreit
waren, wenn der Betrieb solcher Glücksspiele in
öffentlichen Spielbanken steuerfrei war (Urteil des
Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17.2.2005 Rs. C-453,
C-462/02 - Linneweber und Akritidis -, Slg. 2005, I-1131 = SIS 05 16 75; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12.5.2005 V R 7/02,
BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617 = SIS 05 33 28). Infolgedessen
erstattete der Beklagte, Revisionskläger und
Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) dem Kläger
die von ihm gezahlte Umsatzsteuer nebst Zinsen nach § 233a der
Abgabenordnung (AO) für die Jahre 1996 bis 2003 in Höhe
von insgesamt 177.089,89 EUR (Umsatzsteuer: 139.567,89 EUR;
Erstattungszinsen: 37.522 EUR). Nach Verrechnung mit
Steuerrückständen des Klägers und der
Einkommensteuer-Vorauszahlung für das Jahr 2005 in Höhe
von insgesamt 70.980,09 EUR zahlte das FA im November 2005 hiervon
noch einen Betrag in Höhe von 106.109,80 EUR an den
Kläger aus.
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3
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In seiner Einkommensteuererklärung
für 2005 erklärte der Kläger Einkünfte aus
Gewerbebetrieb in Höhe von 130.786 EUR. Er gab an, dass in
diesem Betrag tarifbegünstigte Gewinne i.S. des § 34 Abs.
2 Nr. 2 bis 5 EStG in Höhe von 177.089 EUR enthalten seien.
Das FA besteuerte diesen Betrag jedoch nicht tarifbegünstigt,
sondern mit dem Regelsteuersatz. Es setzte die Einkommensteuer mit
Bescheid vom 31.8.2006 auf 41.445 EUR fest. Der hiergegen
eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom
5.11.2007).
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Das Finanzgericht (FG) setzte die
Einkommensteuer 2005 unter Änderung des Bescheids vom
31.8.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.11.2007 auf
den Betrag herab, der sich ergibt, wenn die
Umsatzsteuer-Erstattungen für die Jahre 1996 bis 2003 in
Höhe von 139.567,89 EUR als außerordentliche
Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG behandelt
werden. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Berechnung der
Steuer übertrug es dem FA. Die Kosten des Verfahrens legte es
dem FA zu 80 % und dem Kläger zu 20 % auf. Das Urteil des FG
ist in EFG 2012, 931 = SIS 12 05 38 abgedruckt.
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5
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Das FA hat Revision, der Kläger
Anschlussrevision eingelegt.
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6
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Das FA wendet sich mit seiner Revision
gegen die Vorentscheidung, soweit das FG die
Umsatzsteuer-Erstattungen für die Jahre 1996 bis 2003 als
Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten i.S.
des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG qualifiziert hat. Es seien keine
„außerordentlichen“ Einkünfte gegeben. Eine
rechtliche Auseinandersetzung könne nur dann zu
tarifbegünstigten Einkünften führen, wenn
einkommensteuerpflichtige Einnahmen streitig seien. Hieran fehle
es, weil die Umsatzsteuer gewinnneutral sei. Außerdem seien
bei Gewerbetreibenden Steuererstattungen für mehrere
Veranlagungszeiträume kein ungewöhnlicher Vorgang. Ebenso
liege den Umsatzsteuer-Erstattungen keine mehrjährige
Tätigkeit zugrunde. Dieses Tatbestandsmerkmal beziehe sich auf
die Dauer der einzelnen Leistungserbringung. Danach sei es
ausgeschlossen, die mit den einzelnen Spielern durchgeführten
Geschäfte (Spielumsätze) als mehrjährige
Tätigkeit zu qualifizieren. Schließlich sei auch keine
Vergütung i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG gegeben. Denn
die (nachträgliche) Steuerfreistellung führe nicht zu
einer teilweisen Rückgewähr der Spieleinsätze.
Abgesehen davon entspreche es nicht der Zielsetzung des
Gesetzgebers, den Kläger über die
Umsatzsteuer-Erstattungen hinaus zusätzlich durch einen
begünstigten Steuertarif zu privilegieren.
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7
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Das FA beantragt sinngemäß, die
Vorentscheidung aufzuheben, soweit das FG die Einkommensteuer 2005
auf den Betrag herabgesetzt hat, der sich ergibt, wenn die
Umsatzsteuer-Erstattungen in Höhe von 139.567,89 EUR als
außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr.
4 EStG behandelt werden, und die Klage auch insoweit
abzuweisen.
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8
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Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Revision des FA zurückzuweisen, sowie
im Wege der Anschlussrevision die Einkommensteuer 2005 auf den
Betrag herabzusetzen, der sich ergibt, wenn zusätzlich die
Erstattungszinsen in Höhe von 37.522 EUR als
außerordentliche Einkünfte nach § 34 Abs. 1 und 2
EStG behandelt werden.
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9
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Der Kläger wendet sich zum einen gegen
die Revision des FA. Zum anderen macht er im Wege der
Anschlussrevision geltend, dass auch die Erstattungszinsen nach
§ 34 Abs. 1 und 2 EStG tarifbegünstigt zu besteuern
seien. Diese Zinsen erfüllten sowohl den Tatbestand des §
34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als auch den
des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.
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II. Die Revision des FA ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Anschlussrevision des
Klägers ist unzulässig und daher zu verwerfen (§ 126
Abs. 1 FGO).
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A. Revision des FA
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Nach § 34 Abs. 1 EStG ist für
außerordentliche Einkünfte ein begünstigter
Steuersatz zu gewähren. Als außerordentliche
Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG u.a.
Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in
Betracht. Das FG hat zu Recht entschieden, dass der vom Kläger
im Streitjahr 2005 zusammengeballt bezogene Ertrag aus den
Umsatzsteuer-Erstattungen für die Jahre 1996 bis 2003 nach
diesen Vorschriften tarifbegünstigt zu besteuern ist.
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1. Die Umsatzsteuer-Erstattungen sind ein
betrieblicher Ertrag, der als
„außerordentlich“ i.S. des § 34 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 EStG zu beurteilen ist.
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14
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Der Senat teilt die Rechtsauffassung des X.
Senats, wonach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG - sofern im Übrigen
eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit
vorliegt (dazu 2.) - anwendbar ist, wenn der Steuerpflichtige die
Einkünfte aufgrund einer vorangegangenen rechtlichen
Auseinandersetzung atypisch zusammengeballt bezieht (BFH-Urteil vom
25.2.2014 X R 10/12, BFHE 245, 1, BStBl II 2014, 668 = SIS 14 16 42, Rz 33 ff.).
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a) Der Senat hat in seinem Urteil vom
30.1.2013 III R 84/11 (BFHE 240, 156 = SIS 13 08 43) entschieden,
dass § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf ein von einem Rechtsanwalt
vereinnahmtes berufsübliches Honorar für die Bearbeitung
eines mehrjährigen Mandats nicht anwendbar ist. Dabei
ließ der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit offen, ob er
der Rechtsauffassung des IV. Senats in dessen Urteil vom 14.12.2006
IV R 57/05 (BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180 = SIS 07 03 16)
beitreten könnte, wonach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zur
Anwendung kommt, wenn eine Vergütung für eine
mehrjährige Tätigkeit aufgrund einer vorausgegangenen
rechtlichen Auseinandersetzung zusammengeballt zufließt
(Senatsurteil in BFHE 240, 156 = SIS 13 08 43, Rz 14). Zudem merkte
er an, dass sich der entschiedene Fall nicht mit dem des IV. Senats
in BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180 = SIS 07 03 16 vergleichen
lasse, selbst wenn ein Rechtsanwalt ein solches Honorar nicht durch
eine freiwillige Zahlung, sondern erst aufgrund einer Honorarklage
erhalte (Senatsurteil in BFHE 240, 156 = SIS 13 08 43, Rz 20).
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16
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Ungeachtet dessen schließt sich der Senat
für den Streitfall - wie bereits der X. Senat in dessen Urteil
in BFHE 245, 1, BStBl II 2014, 668 = SIS 14 16 42, Rz 33 - der
Rechtsauffassung des IV. Senats an. Der hier zu entscheidende
Sachverhalt unterscheidet sich in wesentlichen Punkten von dem, der
in dem Senatsurteil in BFHE 240, 156 = SIS 13 08 43 zu beurteilen
war.
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aa) So ist in Fällen vorliegender Art
unerheblich, ob es sich um eine ausschließliche oder eine
abgrenzbare Sondertätigkeit handelt, weil diejenigen
Gesichtspunkte, die im Regelfall für eine einschränkende
Auslegung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG sprechen (insbesondere
Vermeidung von Gestaltungs- und Missbrauchsmöglichkeiten,
fehlende Praktikabilität), bei der hier zu beurteilenden
Fallkonstellation nicht zum Tragen kommen. Zur Vermeidung von
Wiederholungen verweist der Senat auf die Ausführungen im
BFH-Urteil in BFHE 245, 1, BStBl II 2014, 668 = SIS 14 16 42, Rz 34
und 36.
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bb) Zudem liegt den im Streitfall zu
beurteilenden Umsatzsteuer-Erstattungen gerade kein
gewöhnliches Geschehen, sondern ein atypischer Vorgang
zugrunde. Selbst wenn bei Gewerbetreibenden Steuererstattungen
für mehrere Jahre - wie das FA ausführt - kein
ungewöhnliches Ereignis sein sollten, handelt es sich hier
nicht um eine gewöhnliche Steuererstattung, sondern um einen
atypisch zusammengeballten
(„außerordentlichen“) Ertrag, der daraus
resultiert, dass aufgrund der Europarechtswidrigkeit der
entsprechenden Vorschrift des deutschen Umsatzsteuerrechts die
Glücksspielumsätze des Klägers als umsatzsteuerfrei
angesehen werden und dies nachträglich Auswirkungen auf die
Höhe der Umsatzsteuer verfahrensrechtlich noch offener
Veranlagungszeiträume hat. Eine solche Steuererstattung beruht
nicht auf den - als üblich anzusehenden - unterschiedlichen
Rechtsauffassungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der
Finanzbehörde zu den sich typischerweise stellenden
Einzelfragen, sondern auf einer grundlegenden
umsatzsteuerrechtlichen Neubeurteilung der
Glücksspielumsätze (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 245, 1,
BStBl II 2014, 668 = SIS 14 16 42, Rz 44).
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b) Die Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4
EStG scheitert auch nicht daran, dass es in Fällen
vorliegender Art an der erforderlichen - typischerweise zu
erwartenden - Progressionswirkung fehlt (vgl. hierzu BFH-Urteil in
BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180 = SIS 07 03 16, Rz 21).
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20
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Die Umsatzsteuer-Erstattungen begründeten
einen einmalig anfallenden Ertrag, der sich für jedes
verfahrensrechtlich noch offene Jahr auf 15 % (1996 und 1997) oder
16 % (1998 bis 2003) der entsprechenden
Glücksspielumsätze belief. Danach führen bei
Spielhallenbetreibern derartige Umsatzsteuer-Erstattungen, die
für (offene) Veranlagungszeiträume geballt bezogen
werden, regelmäßig zu einem ins Gewicht fallenden
zusätzlichen Gewinn. So ergibt sich im Streitfall aus den
Umsatzsteuer-Erstattungen für acht Jahre ein zusätzlicher
Gewinn, der den in diesem Zeitraum erwirtschafteten
durchschnittlichen Jahresumsatz aus dieser Tätigkeit
übersteigt. Damit lassen derartige Fälle typischerweise
eine Progressionswirkung erwarten (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE
245, 1, BStBl II 2014, 668 = SIS 14 16 42, Rz 35).
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21
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c) Im Übrigen schließt sich der
Senat der Rechtsauffassung des X. Senats an, nach der § 34
Abs. 2 Nr. 4 EStG in der hier gegebenen Fallkonstellation auch
zugunsten der Bezieher von Einkünften aus Gewerbebetrieb
anwendbar ist, die ihren Gewinn durch
Betriebsvermögensvergleich ermitteln (BFHE 245, 1, BStBl II
2014, 668 = SIS 14 16 42, Rz 37 ff.).
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22
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2. Die Umsatzsteuer-Erstattungen sind ferner
„Vergütungen für mehrjährige
Tätigkeiten“ i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4
EStG.
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Der X. Senat hat in dem Urteil in BFHE 245, 1,
BStBl II 2014, 668 = SIS 14 16 42 in Rz 45 ff. im Einzelnen
dargelegt, dass Umsatzsteuer-Erstattungen der vorliegenden Art
sowohl den Vergütungsbegriff als auch das Erfordernis
erfüllen, für eine mehrjährige Tätigkeit
bezogen zu werden. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der
Senat auf diese Ausführungen.
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B. Anschlussrevision des Klägers
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Die Anschlussrevision des Klägers ist
mangels Beschwer unzulässig.
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1. Die Zulässigkeit der Anschlussrevision
setzt u.a. voraus, dass der Anschlussrevisionskläger durch das
Urteil des FG beschwert ist (BFH-Urteil vom 29.10.2002 VII R 48/01,
BFHE 200, 66 = SIS 03 07 78, Rz 23, m.w.N.). Legt der Kläger
die Anschlussrevision ein, ist die erforderliche (formelle)
Beschwer gegeben, soweit das FG dem Klagebegehren nicht voll
entsprochen hat (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15.5.2013 X R 27/11,
BFH/NV 2013, 1583 = SIS 13 25 25, Rz 5, betreffend die Einlegung
der Revision). Bei Streitigkeiten über die
Rechtmäßigkeit eines Einkommensteuerbescheids ist dies
nach der Differenz zwischen der begehrten und der festgesetzten
Steuer zu beurteilen (BFH-Urteil vom 15.11.1995 X R 87/92, BFH/NV
1996, 545, unter B I.).
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27
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Danach fehlt es im Streitfall an der
erforderlichen Beschwer, weil das FG die Einkommensteuer im
Ergebnis auf den vom Kläger beantragten Betrag herabgesetzt
und damit dem Klagebegehren voll entsprochen hat. Dies ergibt sich
aus folgenden Erwägungen:
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a) Der Kläger hat vor dem FG beantragt,
die Einkommensteuer 2005 auf den Betrag herabzusetzen, der sich
ergibt, wenn die Umsatzsteuer-Erstattungen und Erstattungszinsen
für die Jahre 1996 bis 2003 in Höhe von insgesamt 177.089
EUR als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34
Abs. 1 EStG behandelt werden. Das FG entschied, dass „...
die Einkommensteuer für das Jahr 2005 unter
Berücksichtigung der erstatteten Umsatzsteuerbeträge in
Höhe von 139.567,89 EUR als außerordentliche
Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG
festgesetzt“ wird. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Die Berechnung der Steuer übertrug es gemäß §
100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA. Ausweislich des angefochtenen
Einkommensteuerbescheids 2005 vom 31.8.2006 belief sich das zu
versteuernde Einkommen (zvE) des Klägers auf 135.695 EUR.
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29
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b) Für die betragsmäßige
Berechnung der festzusetzenden Einkommensteuer bedeutet dies:
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30
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Nach Abzug der Umsatzsteuer-Erstattungen in
Höhe von 139.567,89 EUR als tarifbegünstigte
Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 EStG von dem (positiven)
zvE in Höhe von 135.695 EUR ergibt sich ein negatives
verbleibendes zvE. Für einen derartigen Fall ordnet § 34
Abs. 1 Satz 3 EStG an, dass die Einkommensteuer das Fünffache
der auf ein Fünftel des zvE entfallenden Einkommensteuer
beträgt. Demnach ist im Streitfall das gesamte positive zvE
des Klägers in Höhe von 135.695 EUR bereits deshalb nach
§ 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt, weil die
tarifbegünstigten Umsatzsteuer-Erstattungen diesen Betrag
übersteigen. Mit einer Erhöhung der
außerordentlichen Einkünfte um die Erstattungszinsen
lässt sich daher kein weitergehender Entlastungseffekt und
somit keine weitergehende Herabsetzung der Einkommensteuer 2005
erreichen.
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31
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Zur Verdeutlichung dieses Ergebnisses weist
der Senat auf die in der Akte des FG befindliche Probeberechnung
des FA vom ... hin, für deren Zwecke offensichtlich
tarifbegünstigte Einkünfte des Klägers nach §
34 Abs. 1 und 2 EStG in Höhe von 177.090 EUR unterstellt
wurden (vgl. ...). Das FA errechnete für diesen Fall eine
festzusetzende Einkommensteuer 2005 in Höhe von 16.938 EUR. Zu
dem gleichen Ergebnis gelangt man, wenn nur die
Umsatzsteuer-Erstattungen in Höhe von 139.567 EUR als
tarifbegünstigte Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und
2 EStG behandelt werden (vgl. dazu auch H 34.2 der
Einkommensteuerhinweise 2005 und 2010 Beispiel 2):
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zvE:
abzüglich Einkünfte i.S. des §
34 Abs. 2 EStG
verbleibendes zvE:
tarifbegünstigt nach § 34 Abs. 1
Satz 3 EStG
Steuer auf 1/5 des zvE (27.139 EUR)
tarifliche Einkommensteuer: 4.914 EUR x 5
abzüglich Steuerermäßigung
§ 35 EStG:
festzusetzende Einkommensteuer:
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135.695
EUR
139.567
EUR
- 3.872
EUR
135.695
EUR
4.914
EUR
24.570
EUR
7.632
EUR
16.938
EUR
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32
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Somit hat das FG die Einkommensteuer 2005 auf
die vom Kläger beantragte Höhe herabgesetzt. Dabei ist
unerheblich, dass es die Steuerberechnung gemäß §
100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen hat (vgl.
BFH-Beschluss in BFH/NV 2013, 1583 = SIS 13 25 25, Rz 6). Die vom
FG im Übrigen ausgesprochene Klageabweisung geht ins
Leere.
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33
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c) Da Gegenstand des Klagebegehrens
(Streitgegenstand) im finanzgerichtlichen Verfahren nicht ein
einzelnes Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit
des die Einkommensteuer festsetzenden Bescheids ist (vgl. z.B.
BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 545, unter B I.), kann die Beschwer auch
nicht darin gesehen werden, dass das FG die Erstattungszinsen nicht
als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1
und 2 EStG qualifiziert hat.
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34
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d) Die Anschlussrevision ist auch nicht
deshalb zulässig, weil sie - anders als (selbständige)
Rechtsmittel (vgl. § 145 FGO) - auf die Anfechtung der
Kostenentscheidung des FG beschränkt werden kann (BFH-Urteil
vom 22.4.2004 V R 72/03, BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684 = SIS 04 23 48, unter II.2.a, m.w.N.).
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35
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Eine solche Beschränkung kann nur dann
zulässig sein, wenn der Anschlussrevisionskläger auch
tatsächlich eine entsprechende Beschwer durch die
Kostenentscheidung der Vorinstanz geltend macht (vgl. BFH-Urteil
vom 27.9.1994 VIII R 36/89, BFHE 176, 289, BStBl II 1995, 353 = SIS 95 12 92, unter B.). Hieran fehlt es.
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36
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2. Zur Sache weist der Senat ergänzend
daraufhin, dass nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH
Erstattungszinsen gemäß § 233a AO keine
außerordentlichen Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und
2 EStG sind. Solche Zinsen erfüllen weder den Tatbestand des
§ 34 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG noch
den des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (BFH-Urteil vom 12.11.2013 VIII
R 36/10, BFHE 243, 506, BStBl II 2014, 168 = SIS 14 04 29, Rz 33
ff.).
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37
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3. Wird neben einer zulässigen Revision
eine unzulässige Anschlussrevision eingelegt, kann der Senat
insgesamt über beide Revisionen durch Urteil entscheiden
(BFH-Urteil vom 11.9.2013 II R 37/12, BFHE 243, 1, BStBl II 2014,
114 = SIS 13 30 65, Rz 39).
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38
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C. Kostenentscheidung
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39
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Die Kosten des gesamten Verfahrens sind vom FA
zu tragen.
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40
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1. Dabei kann hinsichtlich der Kosten des
Revisionsverfahrens dahinstehen, ob die Entscheidung insoweit nach
§ 136 Abs. 1 oder § 135 Abs. 2 FGO zu treffen ist.
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41
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Haben beide Beteiligte Rechtsmittel eingelegt
und bleiben beide erfolglos, ist über die Kosten des
Revisionsverfahrens grundsätzlich nach § 136 Abs. 1 Satz
1 FGO unter Zusammenrechnung der Streitwerte der Revision und
Anschlussrevision zu entscheiden (vgl. BFH-Urteile vom 2.2.1967 IV
224/64, BFHE 88, 23, BStBl III 1967, 274 = SIS 67 01 72; vom
24.3.1988 V R 126/81, BFH/NV 1989, 33, unter C.; vgl. auch Brandt
in Beermann/Gosch, FGO § 136 Rz 18). Setzte man hiervon
ausgehend für die Anschlussrevision, der mangels Beschwer
erkennbar keine Bedeutung zukommt, den Eingangswert der
Streitwerttabelle von 300 EUR an (§ 34 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes i.V.m. Anlage 2; vgl. FG Hamburg, Beschluss
vom 17.10.2005 V 286/99, EFG 2006, 440 = SIS 06 06 01), wären
dem FA die Kosten nach § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO ganz
aufzuerlegen.
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42
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Wollte man hingegen die Kostenentscheidung auf
§ 135 Abs. 2 FGO stützen, weil sich das
Rechtsmittelbegehren des Klägers in der Hauptsache bereits
vollumfänglich in seinem Antrag auf Zurückweisung der
Revision des FA wiederfindet, käme man zum gleichen
Ergebnis.
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43
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2. Die Kostenentscheidung des FG ist unrichtig
und deshalb unabhängig vom Ausgang des Revisionsverfahrens von
Amts wegen durch den Senat richtigzustellen (Senatsurteil vom
27.9.2012 III R 70/11, BFHE 239, 116, BStBl II 2013, 544 = SIS 12 30 59, Rz 34; Brandt in Beermann/Gosch, FGO § 143 Rz 90); die
Kostenentscheidung kann im Revisionsverfahren auch zum Nachteil des
Rechtsmittelführers berichtigt werden (z.B. BFH-Urteil vom
10.8.1989 V R 36/84, BFH/NV 1990, 386, unter II.3.).
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44
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Die vom FG vorgenommene
verhältnismäßige Teilung der Kosten ist
unzutreffend. Insoweit ist die Kostenentscheidung nicht nach §
136 Abs. 1 Satz 1 FGO, sondern nach § 135 Abs. 1 FGO zu
treffen. Danach sind die Kosten des Klageverfahrens allein dem FA
aufzuerlegen, weil es vor dem FG voll unterlegen war (vgl. oben
B.1.b).
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