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I. Die Kläger und Revisionskläger
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr (2006) zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist Rechtsanwalt.
Er übt diese Tätigkeit in einer Einzelpraxis aus.
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Im März 2003 wurde der Kläger von
einem Geschwisterpaar in einer Erbschaftsangelegenheit mandatiert.
Die Mandanten waren die gesetzlichen Erben, und zwar die Nichte und
der Neffe der Erblasserin, die ein Vermögen von ca. 10 Mio.
EUR hinterlassen hatte. Da sich aufgrund eines notariellen
Erbvertrages eine weitere Person namens E. berühmte, Erbe zu
sein, kam es zu einem Rechtsstreit. Der Kläger vertrat die
Nichte der Erblasserin in einer Erbfeststellungsklage vor dem
Landgericht (LG) und beide Mandanten im Erbscheinverfahren vor dem
Nachlassgericht sowie als Geschädigte in einem Strafverfahren
gegen E., den Notar R. sowie einen weiteren Hintermann S. Das LG
kam im Strafverfahren aufgrund eines
Sachverständigengutachtens zu dem Schluss, dass die
vorgelegten Urkunden, insbesondere der Erbvertrag, sämtlich
gefälscht waren. S. wurde die Herausgabe der von ihm
verschobenen Vermögenswerte auferlegt, was im Herbst 2006 auch
geschah. E. und R. wurden strafrechtlich verurteilt. Das LG gab der
Erbfeststellungsklage mit Versäumnisurteil im Herbst des
Jahres 2006 statt, nachdem es zuvor mit Beschluss vom 23.12.2003
Prozesskostenhilfe (PKH) gewährt hatte. Der Kläger
verzichtete allerdings darauf, Vorschüsse gegenüber der
Staatskasse geltend zu machen. Die Vorschüsse hätten sich
wegen der im PKH-Recht vorgesehenen Begrenzung des Gegenstandswerts
auf maximal 1.018 EUR belaufen. Vorschussansprüche
gegenüber seinen Mandanten machte der Kläger schon
deswegen nicht geltend, weil diese nicht zahlungsfähig
waren.
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S. überwies schließlich an die
Mandanten des Klägers auf dessen Anwaltskonto den Betrag von
100.173,09 EUR. Nachdem die beiden Mandate betreffend die
Erbrechtsklage und die Vertretung als Geschädigte im
Strafverfahren Ende 2006 beendet waren, trafen der Kläger und
die beiden Mandanten Ende Dezember 2006 zwei Honorarvereinbarungen,
die die Zahlung von 40.000 EUR für die Erbrechtsklage und von
14.500 EUR für die Vertretung im Strafverfahren vorsahen. Die
Beträge wurden mit der von S. auf das Anwaltskonto
überwiesenen Summe verrechnet.
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Der Jahresgewinn des Klägers aus
seiner anwaltlichen Tätigkeit belief sich im Jahr 2003 auf
18.768,51 EUR, im Jahr 2004 auf ./. 768,60 EUR, im Jahr 2005 auf
20.392,33 EUR, im Jahr 2006 auf 61.931,06 EUR, im Jahr 2007 auf
67.517,67 EUR und im Jahr 2008 auf 45.984,03 EUR.
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Ohne die Honorare aus der
Erbrechtsangelegenheit hätte sich der Jahresgewinn des
Klägers in 2006 aus seiner anwaltlichen Tätigkeit somit
auf 7.431,06 EUR (61.931,06 EUR ./. 54.500 EUR) belaufen.
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Dem Begehren der Kläger, die aufgrund
der Honorarvereinbarungen vom Dezember 2006 erzielten Einnahmen
gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes
in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) dem
ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen, entsprachen weder
der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) noch das
Finanzgericht (FG).
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Mit ihrer Revision rügen die
Kläger die unzutreffende Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4
EStG durch das FG. Dessen Auffassung, freiberuflich tätige
Rechtsanwälte könnten wegen ihres typischerweise
schwankenden Einkommens keine außerordentlichen
Einkünfte im Sinne der genannten Vorschrift haben,
verstoße bereits gegen den Gesetzeswortlaut. Denn der
Kläger habe zweifellos für die Vertretung seiner
Mandanten eine Vergütung für eine mehrjährige
Tätigkeit erhalten. Außerdem verletze die vom FG
vertretene Auslegung den Grundsatz der Gleichbehandlung der
Einkunftsarten. Die Tarifermäßigung werde ihm allein
wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Freiberufler
versagt. Das Argument des typischerweise schwankenden Einkommens
stelle keinen sachlichen Grund dar, sondern diskriminiere
willkürlich seine Berufsgruppe gegenüber
Steuerpflichtigen mit gleichmäßigem Jahreseinkommen. Die
„naturgegebene“ Benachteiligung der unternehmerisch
tätigen Steuerpflichtigen durch den progressiven Tarif werde
durch die Versagung der Tarifbegünstigung noch verstärkt.
Die Behauptung vom typischerweise schwankenden Einkommen sei
überdies empirisch nicht belegt; bei Ärzten mit einem
bestimmten Patientenstamm dürfte das Einkommen keinen
nennenswerten Schwankungen unterliegen. Letztlich würden nur
Staatsbedienstete in den Genuss der Steuerermäßigung
kommen können. Die von der höchstrichterlichen
Rechtsprechung herausgearbeiteten Fallgruppen der ausnahmsweisen
Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf Freiberufler habe
keine Grundlage im Gesetzwortlaut und konterkariere den Zweck des
§ 34 EStG. Entsprechende Einschränkungen gebe es bei
abhängig beschäftigten Steuerpflichtigen nicht. Mit dem
Urteil vom 14.12.2006 IV R 57/05 (BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180
= SIS 07 03 16) habe der Bundesfinanzhof (BFH) einen
zögerlichen Kurswechsel eingeleitet und im Ergebnis die
Fallgruppenbildung aufgegeben. Nach diesem Urteil sei für die
Tarifermäßigung lediglich Voraussetzung, dass die
geballte Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten
eine Progressionswirkung typischerweise erwarten lasse. Dass die
Vergütung erst nach einem vorangegangenen Rechtsstreit gezahlt
worden sei, stelle nur ein konkretes Beispiel für das
„typischerweise Erwartenlassen“ einer abzumildernden
Progressionswirkung dar. Selbst bei Beibehaltung der
Fallgruppenbildung müsse im Streitfall in Fortentwicklung des
genannten BFH-Urteils eine neue Fallgruppe gebildet werden. Ein
Freiberufler habe jedenfalls dann außerordentliche
Einkünfte, wenn er ohne ihm zuzurechnende Gründe die
Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in den
jeweiligen Veranlagungszeiträumen nicht erhalte und ihm die
Vergütung erst später in einem Veranlagungszeitraum nach
Wegfall der Hinderungsgründe zusammengeballt zufließen
würde. Im Streitfall habe er keine Möglichkeit gehabt,
die Zusammenballung zu verhindern. Auf die von § 9 des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) beziehungsweise vom
vormals geltenden § 17 der
Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) eingeräumte
Möglichkeit, Vorschüsse zu verlangen, könne er nicht
verwiesen werden, weil seine Mandanten finanziell nicht in der Lage
gewesen seien, Vorschusszahlungen zu leisten und das Beharren auf
einer Zahlung eine Mandatskündigung hätte provozieren
können. Eine Einnahmenglättung durch Vorschusszahlungen,
wie im BFH-Urteil vom 10.2.1972 IV R 8/68 (BFHE 105, 255, BStBl II
1972, 529 = SIS 72 03 10) angesprochen, sei im Streitfall demnach
nicht möglich gewesen.
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Die Kläger beantragen
sinngemäß, unter Aufhebung des angegriffenen Urteils den
Einkommensteuerbescheid 2006 vom 3.1.2008 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 27.10.2008 dahingehend abzuändern,
dass die Einkommensteuer auf 5.618 EUR und der
Solidaritätszuschlag auf 207,35 EUR herabgesetzt wird.
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Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
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Die Beteiligten haben übereinstimmend
auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet.
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II. Die Revision ist unbegründet und
daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FG hat zu Recht den
ermäßigten Steuersatz nicht auf die
streitgegenständlichen Einnahmen angewandt. Berufsübliche
Honorareinnahmen eines Rechtsanwalts führen zu laufenden
Gewinnen, die dem Regelsteuersatz zu unterwerfen sind.
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1. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG ist die
auf außerordentliche Einkünfte entfallende
Einkommensteuer nach besonderen Regeln zu berechnen. Als
außerordentliche Einkünfte kommen nach § 34 Abs. 2
Nr. 4 EStG Vergütungen für mehrjährige
Tätigkeiten in Betracht.
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Für die Anwendung der bei
außerordentlichen Einkünften vorgesehenen
Tarifermäßigung reicht es nach ständiger
Rechtsprechung des BFH grundsätzlich nicht aus, dass ein
freiberuflich tätiger Steuerpflichtiger für eine
mehrjährige Tätigkeit ein berufsübliches Honorar
erhält. Zum Zwecke der Abgrenzung der dem gewöhnlichen
Tarif unterliegenden laufenden Einkünfte aus
selbständiger Arbeit von den ermäßigt besteuerten
außerordentlichen Einkünften sind auch solche
Einkünfte, die Ertrag einer mehrjährigen Tätigkeit
darstellen, nur dann den außerordentlichen Einkünften
zuzuordnen, wenn der Steuerpflichtige sich während mehrerer
Jahre ausschließlich einer bestimmten Sache gewidmet und die
Vergütung dafür in einem einzigen Veranlagungszeitraum
erhalten hat oder wenn eine sich über mehrere Jahre
erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen
Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar ist und
nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört, in
einem einzigen Veranlagungszeitraum entlohnt wird (BFH-Urteil in
BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180 = SIS 07 03 16, m.w.N.). Auch
wenn eine einmalige Sonderzahlung für langjährige Dienste
aufgrund einer arbeitnehmerähnlichen Stellung geleistet wird,
kommt § 34 EStG zur Anwendung (BFH-Urteil vom 7.7.2004 XI R
44/03, BFHE 208, 110, BStBl II 2005, 276 = SIS 05 13 16). Daneben
hat der IV. Senat des BFH außerordentliche Einkünfte
auch für den Fall bejaht, dass dem Steuerpflichtigen eine
Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit
aufgrund einer vorausgegangenen rechtlichen Auseinandersetzung
zusammengeballt zufließt (BFH-Urteil in BFHE 216, 247, BStBl
II 2007, 180 = SIS 07 03 16).
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2. Nach diesen Grundsätzen handelt es
sich bei den Vergütungen, die der Kläger im Zusammenhang
mit der Erbrechtsangelegenheit erhalten hat, nicht um
außerordentliche Einkünfte. Der Kläger war, was von
ihm selbst nicht angezweifelt wird, weder in einer
arbeitnehmerähnlichen Stellung, noch hat er eine abgrenzbare
Sondertätigkeit entfaltet. Er hat sich auch nicht während
mehrerer Jahre ausschließlich einer bestimmten Sache
gewidmet. Vielmehr hat er einen für den Beruf des
Rechtsanwalts typischen Auftrag ausgeführt und nach
Mandatsende abgerechnet (vgl. BFH-Urteil vom 17.2.1993 I R 119/91,
BFH/NV 1993, 593). Die erhaltene Vergütung hat er nicht als
Nachzahlung aufgrund einer vorausgegangenen rechtlichen
Auseinandersetzung erhalten, so dass, ungeachtet der Frage, ob der
Senat der Rechtsauffassung des IV. Senats in dessen Urteil in BFHE
216, 247, BStBl II 2007, 180 = SIS 07 03 16 beitreten könnte,
auch unter diesem Gesichtspunkt die Anwendung des § 34 EStG
ausgeschlossen ist.
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3. Der BFH hat in den vergangenen Jahrzehnten
seine auf Entscheidungen des Reichsfinanzhofs - RFH - (z.B.
RFH-Urteile vom 19.6.1923 VIe A 10/13, RFHE 12, 228 betreffend
Rechtsanwalt; vom 16.12.1931 VI A 1277/31, RStBl 1932, 169
betreffend Ingenieur; vom 19.2.1936 VI A 71/36, RStBl 1936, 651
betreffend Testamentsvollstreckertätigkeit eines
Rechtsanwalts; vom 21.9.1944 IV 139/43, RStBl 1944, 748 betreffend
Rechtsanwalt) zurückgehende Rechtsprechung zur Anwendung des
§ 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG - bzw. der Vorgängervorschriften -
im Bereich der Einkünfte aus selbständiger Arbeit
wiederholt im Hinblick auf verschiedentlich erhobene Einwendungen
überprüft und stets daran festgehalten, dass die
Anwendung der Tarifermäßigung auf besondere
Tätigkeiten beschränkt ist, die von der üblichen
Tätigkeit eines Freiberuflers abgrenzbar sein müssen
(z.B. BFH-Urteile vom 10.5.1961 IV 275/59 U, BFHE 73, 730, BStBl
III 1961, 532 = SIS 61 03 50; vom 22.5.1975 IV R 33/72, BFHE 116,
136, BStBl II 1975, 765 = SIS 75 04 45; in BFH/NV 1993, 593). Auch
der erkennende Senat sieht keine Veranlassung zu einer
Änderung oder Fortentwicklung dieser Rechtsprechung. Die
Einwendungen der Revision sind nicht stichhaltig.
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a) Grundlage der ständigen Rechtsprechung
ist der Befund, dass mehrjährige Tätigkeiten und die
hierfür erhaltenen Vergütungen bei freiberuflich
tätigen Steuerpflichtigen nicht unüblich sind,
häufig sogar die Regel sein dürften. Zu denken ist etwa
an einen forensisch tätigen Rechtsanwalt, der angesichts der
Dauer der vorgerichtlichen Auseinandersetzung und der in
Deutschland üblichen gerichtlichen Verfahrenslaufzeiten nicht
selten mehrjährig i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG -
dafür genügt bereits ein 13 Monate dauerndes Mandat - in
Anspruch genommen wird. Dass, von den streitigen Einnahmen
abgesehen, noch weitere Honorareinnahmen aus einer
mehrjährigen Tätigkeit des Klägers herrühren,
erscheint auch im Streitfall nicht fernliegend. Die Bearbeitung der
an Architekten oder Ingenieure erteilten Aufträge wird
ebenfalls vielfach mehr als ein Jahr benötigen. Ohne
Einschränkung des Gesetzeswortlauts wären damit
erhebliche Teile der von Freiberuflern erzielten Einkünfte
keine laufenden Gewinne, sondern bei Bezahlung zum Zeitpunkt der
Auftragsbeendigung (vgl. z.B. § 15 der Honorarordnung für
Architekten und Ingenieure und §§ 8, 10 RVG)
außerordentliche Einkünfte. Dies würde nicht nur zu
ganz erheblichen Schwierigkeiten bei der Durchführung der
Veranlagungsarbeiten führen (zu diesem
Praktikabilitätsargument bereits RFH-Urteil in RStBl 1932,
169; BFH-Urteil in BFHE 116, 136, BStBl II 1975, 765 = SIS 75 04 45). Was sachlich deutlich schwerer wiegt, ist der Umstand, dass
die berufsüblichen Einkünfte von Freiberuflern in
beträchtlichem Umfang nicht dem Regelsteuersatz unterliegen
würden, was diese Personengruppe gegenüber anderen
Steuerpflichtigen privilegieren würde, die, wie z.B.
Arbeitnehmer, ihre berufsüblichen Einkünfte
„normal“ versteuern müssen. Daher geht das
Revisionsvorbringen zur angeblichen Diskriminierung einer ganzen
Berufsgruppe schon im Ansatzpunkt fehl.
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In Folge der Häufigkeit und
Regelmäßigkeit, mit der mehrjährige Aufträge
von Freiberuflern typischerweise angenommen, abgewickelt und
abgerechnet werden, gehen Vergütungen - auch ohne
Vorschusszahlungen - für mehrjährige Tätigkeiten
kontinuierlich in die Gewinnermittlung der jeweiligen
Veranlagungszeiträume ein und sorgen schon hierdurch,
jedenfalls bei halbwegs stabiler Auftragslage, für die von
§ 34 EStG bezweckte Tarifglättung (so zutreffend bereits
Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, II. Band, S.
956). Bei instabiler Auftragslage oder überhaupt bei
wechselhaftem unternehmerischen Erfolg in einzelnen Jahren sind die
daraus resultierenden Steuersatzunterschiede von den betroffenen
Steuerpflichtigen hinzunehmen. Denn § 34 EStG dient nicht
dazu, die nachteiligen Folgen temporal schwankender Einkünfte
generell auszugleichen (vgl. RFH-Urteil in RStBl 1936, 651). Dass
im Streitfall die mit dem Erbrechtsmandat verbundenen
Honorareinnahmen im Vergleich zu den übrigen Einnahmen des
Klägers betragsmäßig weit herausragten und zur
„schwankenden“ Einnahmesituation geführt
haben, ist im Wesentlichen Folge des in der Akquisition und
Bearbeitung eines Großmandats zu erblickenden
unternehmerischen Erfolgs. Die sich aus dem Vergleich zu anderen
Mandaten ergebende relative „Größe“
eines Einzelmandats kann für sich genommen nicht zur Annahme
„außerordentlicher“ Einkünfte und zur
Anwendung der Tarifermäßigung führen.
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b) Für die hiernach gebotene Abgrenzung
zwischen berufsüblichen Honoraren und außerordentlichen
Einkünften hat die Rechtsprechung die oben erwähnten
Fallgruppen gebildet. Der Streitfall gibt keine Veranlassung, eine
neue Fallgruppe zu entwickeln bzw. eine bestehende zu
erweitern.
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aa) Die Tatsache, dass der Kläger im
Streitfall von seinen Mandanten keine Vorschusszahlungen erlangen
konnte, ändert an der Berufsüblichkeit des Honorars
nichts. Honorareinnahmen sind nicht deshalb
„außerordentlich“ oder atypisch, weil der
Auftraggeber finanziell nicht oder kaum in der Lage ist,
Vorschusszahlungen zu leisten. Wenn es rechtlich auf den Umstand
ankäme, ob eine Vorschusszahlung realisierbar ist oder nicht,
wäre die Abgrenzbarkeit laufender von außerordentlichen
Einkünften zudem in der Praxis kaum zu leisten. Denn bei einer
Vielzahl von Mandaten müssten die wahren Gründe für
die Nichtleistung eines Vorschusses (Deckungszusage der
Rechtsschutzversicherung, Rücksichtnahme auf eine
langjährige Kundenbeziehung, Gefahr der Mandatskündigung
bei als unangemessen empfundenem Vorschussverlangen, Bewilligung
von PKH, Zahlungsunfähigkeit des Auftraggebers u.ä.)
ermittelt werden, um die von Amts wegen vorzunehmende Entscheidung
über den anzuwendenden Tarif treffen zu können.
Schließlich lässt die Möglichkeit der Bewilligung
von PKH und der hieraus resultierende, gegen die Staatskasse
gerichtete Vorschussanspruch des Anwalts gemäß
§§ 45, 47 RVG (entspricht §§ 121, 127 BRAGO)
eine Zusammenballung von Einkünften mit entsprechender
Progressionswirkung nicht typischerweise erwarten. Der Einwand der
Kläger, dass die Vergütung nach PKH-Grundsätzen im
Streitfall im Vergleich zum Gegenstandswert wegen einer
gesetzlichen Gebührendeckelung recht niedrig gewesen wäre
(vgl. § 49 RVG, § 123 BRAGO), rechtfertigt keine andere
Beurteilung. Denn die Höhe der im Einzelfall gezahlten
Vergütung ist für die Anwendung des § 34 EStG nicht
rechtserheblich. Auch bei einem „kleinen“
mehrjährigen Mandat müsste, wollte man der Revision
folgen, die Tarifermäßigung grundsätzlich
gewährt werden. Bei einem solchen Mandat hätten
Vorschusszahlungen auf der Grundlage der §§ 47 RVG, 127
BRAGO aber durchaus Gewicht, da bei niedrigen Gegenstandswerten der
beigeordnete Rechtsanwalt dieselben Gebühren erhält wie
ein Wahlanwalt (Müller-Rabe in Gerold/Schmidt,
Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Kommentar, 20. Aufl. 2012,
§ 49 Rz 4).
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bb) Die vom Kläger auf der Basis des
BFH-Urteils in BFHE 216, 247, BStBl II 2007, 180 = SIS 07 03 16
begehrte Fortentwicklung der dort angesprochenen Fallgruppe kommt
nicht in Betracht. Der Entscheidung des IV. Senats lag nicht der
Normalfall der üblichen Honorierung einer typischen
freiberuflichen Leistung zugrunde, sondern ein
außerordentliches, nicht dem normalen Ablauf entsprechendes
Ereignis. Erst dieses ungewöhnliche, also gerade nicht
berufstypische Geschehen führte zu einem zusammengeballten
Einnahmenzufluss, der eine entsprechende Progressionswirkung
erwarten ließ. Dieses atypische Ereignis war ein mit der
kassenärztlichen Vereinigung geführter Prozess über
die - erst durch ein Grundsatzurteil des Bundessozialgerichts (BSG)
geklärte - Punktbewertung psychotherapeutischer Leistungen
(vgl. BSG-Urteil vom 25.8.1999 B 6 KA 14/98 R, BSGE 84, 235), die
nach dem Obsiegen des Steuerpflichtigen zu einer einmaligen
Nachzahlung für die Vielzahl der in mehreren
zurückliegenden Jahren erbrachten ärztlichen Leistungen
führte. Damit ist der vorliegende Fall einer gewöhnlichen
Honorierung eines Rechtsanwalts nicht vergleichbar. An der
Vergleichbarkeit würde es entgegen der Auffassung des
Klägers auch dann fehlen, wenn ein Rechtsanwalt sein
berufsübliches Honorar für eine mehrjährige
Tätigkeit nicht durch freiwillige Zahlung des Mandanten,
sondern erst aufgrund einer Honorarklage erhielte.
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