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I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren der
P-GmbH (GmbH). Die von der GmbH für März 2009 und April
2009 angemeldeten Lohnsteuerbeträge hatte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) aufgrund einer
erteilten Lastschrift zu den Fälligkeitsterminen eingezogen.
Auf Antrag der GmbH vom 9.6.2009 wurde am 1.9.2009 das
Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger focht als
Insolvenzverwalter die Lohnsteuerzahlungen an. Das FA erstattete
deswegen die vereinnahmten Beträge zur Insolvenzmasse. Nach
erneuter Überprüfung des Sachverhaltes gelangte es jedoch
zu der Erkenntnis, die Voraussetzungen einer Insolvenzanfechtung
hätten nicht vorgelegen und die Insolvenzmasse habe deswegen
keinen Erstattungsanspruch gemäß § 143 Abs. 1 der
Insolvenzordnung (InsO) gehabt. Mit auf § 37 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO) gestützten Rückforderungsbescheid
forderte es den Kläger zur Rückzahlung der erstatteten
Beträge auf. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das
Finanzgericht (FG) der dagegen erhobenen Klage statt.
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Das FG urteilte, § 37 Abs. 2 AO sei
eine spezialgesetzliche Konkretisierung des allgemeinen
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für das
Steuerrecht und setze einen Anspruch auf Korrektur einer aufgrund
einer öffentlich-rechtlichen Beziehung zwischen
Steuerpflichtigem und Finanzbehörde bewirkten
Vermögensverschiebung voraus. Die Erstattung von
Vermögensverschiebungen außerhalb des
Steuerrechtsverhältnisses könne nicht nach § 37 Abs.
2 AO verlangt werden, sondern sei auf dem ordentlichen Rechtsweg zu
verfolgen und nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu
korrigieren. Im Streitfall habe das FA den mit dem angefochtenen
Bescheid geforderten Betrag nicht zuvor an den Kläger zur
Erfüllung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis
zurückgezahlt, sondern in Befolgung einer - vermeintlich oder
tatsächlich - sich aus § 143 Abs. 1 InsO ergebenden
bürgerlich–rechtlichen Verpflichtung. Dies
schließe die Rückforderung durch Verwaltungsakt
aus.
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Seine Revision begründet das FA mit
seiner Rechtsauffassung, bei unberechtigter Insolvenzanfechtung sei
die Rückgewähr von Steuerzahlungen an die Insolvenzmasse
eine Vermögensverschiebung im Rahmen eines
Steuerschuldverhältnisses; die Rückforderung sei als
Umkehrung dieses Vorgangs ebenfalls Teil dieses
Steuerschuldverhältnisses. Die §§ 143 ff. InsO
normierten lediglich die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus
einer berechtigten Insolvenzanfechtung ergäben. Bei einer
Rückzahlung aufgrund unberechtigter Insolvenzanfechtung
schaffe das FA einen neuen steuerrechtlichen Sachverhalt in dem
bestehenden Steuerschuldverhältnis, ohne welches das FA die -
rechtsgrundlos wieder ausgekehrten - Steuerbeträge nicht
vereinnahmt hätte. Die bei der Entscheidung über das
Bestehen des Rückzahlungsanspruchs des FA vorgreiflich zu
entscheidende Frage über das Vorliegen der
Anfechtungsvoraussetzungen sei hier nicht rechtswegbestimmend. Bei
Streitigkeiten über die Wirksamkeit einer Aufrechnung des FA
mit Steuerforderungen gegen Erstattungsansprüche des
Insolvenzverwalters unter dem Gesichtspunkt „anfechtbarer
Erwerb der Aufrechnungslage“ sei anerkannt, dass das
Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen inzidenter in den
Verfahren vor den FG über die Rechtmäßigkeit der
Abrechnungsbescheide zu prüfen sei (Hinweis auf Urteil des
Bundesgerichtshofs - BGH - vom 22.10.2009 IX ZR 147/06, HFR 2010,
413 = SIS 10 06 34; Senatsurteil vom 2.11.2010 VII R 6/10, BFHE
231, 488, BStBl II 2011, 374 = SIS 11 01 56). Auch habe der
Bundesfinanzhof (BFH) dem Arbeitgeber und nicht dem Arbeitnehmer
bei einer rechtsgrundlosen Anmeldung und Abführung von
Lohnsteuern einen Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO
zuerkannt (Senatsbeschluss vom 15.11.1999 VII B 155/99, BFH/NV
2000, 547 = SIS 00 54 21). Für den hier gegebenen umgekehrten
Fall der rechtsgrundlosen Auszahlung der Lohnsteuer an den
Arbeitgeber könne nichts anderes gelten. Hinzuweisen sei auch
auf den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten
Gerichtshöfe des Bundes vom 27.9.2010 GmS-OGB 1/09 (BGHZ 187,
105). Für die Bestimmung des richtigen Rechtswegs habe der
Gemeinsame Senat nicht auf den insolvenzrechtlichen
Rückgewähranspruch abgestellt, sondern auf die dem
Anspruch zugrunde liegende arbeitsrechtliche Leistungsbeziehung, so
dass der Rechtsstreit auf den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten
verwiesen worden sei. Übertragen auf den Streitfall könne
die Insolvenzanfechtung als Umkehrung der steuerlichen
Leistungsbeziehung in Form der Rückgewähr dessen, was der
Insolvenzmasse als Steuerzahlung entzogen wurde, beurteilt und als
prägendes Element des Rechtsstreits angesehen werden. Dem
folgend sei die steuerrechtliche Leistungsbeziehung nicht nur
für den Rechtsweg, sondern auch dafür bestimmend, ob ein
steuerrechtlicher Erstattungsanspruch wegen Zahlung auf eine
unberechtigte Insolvenzanfechtung gegeben sei.
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II. Die Revision ist unbegründet. Das
Urteil des FG entspricht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
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Das FG hat den auf § 37 Abs. 2 AO
gestützten Rückforderungsbescheid des FA zu Recht
aufgehoben. Nach dieser Vorschrift hätte das FA einen Anspruch
auf Erstattung des an den Kläger zurückgezahlten Betrags,
wenn an ihn eine Steuer ohne rechtlichen Grund zurückgezahlt
worden wäre. Zur Verwirklichung dieses Anspruchs hätte es
gemäß § 218 Abs. 2 Satz 2 AO einen
Rückforderungsbescheid erlassen können.
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Im Streitfall geht es aber nicht um die
Rückforderung einer ungerechtfertigten Steuerrückzahlung,
sondern um die Rückabwicklung der - nach erneuter Prüfung
nunmehr als unberechtigt angesehenen - Befolgung der
Insolvenzanfechtung. Denn das FA hat die durch Lastschrift von der
GmbH eingezogenen Steuern zur Insolvenzmasse erstattet, weil es den
Rückgewähranspruch des Klägers aus § 143 Abs. 1
InsO zunächst anerkannt hat. Wie der Senat bereits in seinem
Beschluss vom 5.9.2012 VII B 95/12 (BFHE 238, 325, BStBl II 2012,
854 = SIS 12 27 03) im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH
(Beschluss vom 24.3.2011 IX ZB 36/09, NJW 2011, 1365) entschieden
hat, ist der Anspruch des Insolvenzverwalters auf
Rückgewähr (vermeintlich) in anfechtbarer Weise
geleisteter Steuern nach § 143 Abs. 1 InsO kein Anspruch aus
dem Steuerschuldverhältnis i.S. des § 37 Abs. 1 AO, weil
er kein auf steuerrechtlichen Gründen beruhender
Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO, sondern ein
bürgerlich-rechtlicher Anspruch ist. Auch wenn sich dieser
Anspruch auf Rückzahlung einer (zurückgezahlten) Steuer
richtet, so dass § 37 Abs. 2 AO wortwörtlich genommen
einschlägig zu sein scheint, kann nicht unberücksichtigt
bleiben, dass der in § 37 Abs. 2 AO geregelte Anspruch auf der
Umkehrung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis
i.S. des § 37 Abs. 1 AO beruht (vgl. im Aussetzungsverfahren
nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO: Senatsbeschluss
vom 27.9.2012 VII B 190/11, BFHE 238, 526, BStBl II 2013, 109 = SIS 12 31 05).
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Begründet aber der
Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters aus § 143
Abs. 1 InsO ein zivilrechtliches Rechtsverhältnis, so kann
auch die Rückforderung einer auf einer (vermeintlich)
unberechtigten Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung des FA nur
in diesem Rechtsverhältnis abgewickelt werden. Denn ein
Anspruch auf Rückgewähr einer Leistung teilt die
Rechtsnatur des Anspruchs, auf den jene Leistung erbracht worden
ist. Für diese Abwicklung kann sich das FA mangels
Anwendbarkeit des § 218 Abs. 2 Satz 2 AO oder einer sonstigen
Rechtsgrundlage nicht eines Rückforderungsbescheids bedienen,
sondern muss den Zivilrechtsweg beschreiten.
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Dabei kommt es entgegen der Auffassung der
Revision nicht darauf an, ob die Rückzahlung des FA
„aufgrund eines wirklich bestehenden oder eines
vermeintlichen Insolvenzanfechtungsanspruchs erfolgte“.
Auch wenn sich später herausstellt, dass die Anfechtung nicht
berechtigt war, hat das FA in Befolgung des Anfechtungsanspruchs
und nicht „ohne Rechtsgrund allein auf der Grundlage des
Steuerschuldverhältnisses“ zurückgezahlt. Zwar
trifft es zu, dass „mit der Genehmigung der
Lastschrifteinzüge die zugrunde liegenden Steuerforderungen
erfüllt und damit erloschen“ sind, wenn
„die Anfechtungsvoraussetzungen nach §§ 129 ff.
InsO nicht vor(liegen)“. Ob der Steueranspruch durch die
Steuerzahlung endgültig erloschen ist, hängt aber gerade
davon ab, ob der Insolvenzverwalter die Zahlung wirksam angefochten
hat. Wie der Senat bereits entschieden hat, bleibt das
Steuerschuldverhältnis bei Steuerfälligkeiten, die in
insolvenzreife Zeit fallen, selbst bei fristgerechter Zahlung wegen
der gesetzlich vorgesehenen Anfechtungsmöglichkeiten des
Insolvenzverwalters zunächst in der Schwebe. Die erfolgreiche
Anfechtung und Rückgewähr nach § 143 InsO bewirkt
gemäß § 144 InsO, dass die Steuerschuld
rückwirkend wieder auflebt. Die Beendigung des
Steuerschuldverhältnisses ist insoweit auflösend bedingt
(Senatsurteil vom 11.11.2008 VII R 19/08, BFHE 223, 303, BStBl II
2009, 342 = SIS 09 06 84). Das bedeutet, erst wenn
rechtsverbindlich feststeht, dass die Anfechtungsvoraussetzungen
nach §§ 129 ff. InsO nicht vorliegen (oder nicht wirksam
angefochten ist), hat das FA einen gesicherten Anspruch auf die
entrichtete Steuer und das Steuerschuldverhältnis ist
endgültig erloschen. Die entscheidende vorrangige Frage der
Anfechtungsberechtigung - mit den Rechtsfolgen der §§
143, 144 InsO - beantwortet sich allein nach den §§ 129
ff. InsO. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der
Senatsentscheidung in BFHE 231, 488, BStBl II 2011, 374 = SIS 11 01 56. In jenem Fall hatte das FA in einem Abrechnungsbescheid den
Vorsteuervergütungsanspruch der Schuldnerin mit den gegen sie
gerichteten Umsatzsteuerforderungen des FA verrechnet. Zu
entscheiden war über die Zulässigkeit dieser Aufrechnung,
wenn das FA die Möglichkeit dazu durch eine anfechtbare
Rechtshandlung erlangt hat. Die Frage der Rechtsnatur der
Rückforderung einer auf einer (vermeintlich) unberechtigten
Insolvenzanfechtung beruhenden Leistung des FA spielte in diesem
Rechtsstreit keine Rolle.
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Soweit sich das FA zur Begründung seiner
Rechtsauffassung auf das BFH-Urteil vom 24.11.2011 V R 13/11 (BFHE
235, 137, BStBl II 2012, 298 = SIS 11 39 41) beruft, ist darauf
hinzuweisen, dass der Senat im Beschluss in BFHE 238, 325, BStBl II
2012, 854 = SIS 12 27 03 dargelegt hat, dass er der - dort nicht
tragenden und den Ausführungen des BGH in NJW 2011, 1365
widersprechenden - Begründung nicht folgt. Hinsichtlich der
rechtlichen Qualifizierung des insolvenzanfechtungsrechtlichen
Rückgewähranspruchs komme es auf das
Rechtsverhältnis an, welches der angefochtenen Rechtshandlung
zugrunde liege. In der nämlichen Entscheidung hat der Senat
weiter ausgeführt, dass auch der Gemeinsame Senat in BGHZ 187,
105 das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters betreffende
Streitigkeiten als bürgerliche Rechtsstreitigkeiten angesehen
und lediglich im Fall angefochtener Lohnzahlungen (bei denen es
sich auch um bürgerlich-rechtliche Ansprüche handelt) den
Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen vorgegeben
hat.
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