Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil
des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 26.05.2020 - 6 K
263/18 = SIS 20 13 81 aufgehoben, soweit der Klage gegen den
Rückforderungsbescheid vom 03.07.2018 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung vom 12.09.2018 stattgegeben wurde.
Die Klage wird auch insoweit abgewiesen.
Unter Aufhebung der Kostenentscheidung des
Finanzgerichts werden die Kosten des gesamten Verfahrens der
Klägerin auferlegt.
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I. Im Revisionsverfahren ist noch streitig,
ob zu Unrecht gezahltes Kindergeld von der Klägerin und
Revisionsbeklagten (Klägerin) zurückgefordert werden
kann.
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Die Klägerin hat ihren Wohnsitz im
Inland. Sie ist schwedische Staatsangehörige und Mutter der in
ihrem Haushalt lebenden Kinder L (geboren 2006) und B (geboren
2012). Sie hat das alleinige Sorgerecht für die Kinder. Der
von der Klägerin geschiedene Kindesvater lebt in Schweden und
übt dort seit Januar 2017 eine Erwerbstätigkeit aus. Die
Klägerin ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes.
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Die Beklagte und Revisionsklägerin
(Familienkasse) zahlte für die Kinder zunächst laufend
Kindergeld. Nach Kenntniserlangung von der Erwerbstätigkeit
des Kindesvaters hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung
für den Zeitraum Januar bis Juli 2017 mit Bescheid vom
03.07.2018 teilweise auf. Sie führte aus, deutsches Kindergeld
sei gegenüber den schwedischen Leistungen nachrangig, für
den genannten Zeitraum bestehe nur noch ein Anspruch in Höhe
des Unterschiedsbetrages. Zugleich forderte sie den bereits
überzahlten Betrag in Höhe von insgesamt 1.529,92 EUR von
der Klägerin zurück.
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Den dagegen eingelegten Einspruch wies die
Familienkasse mit Einspruchsentscheidung vom 12.09.2018 zurück
und hielt daran fest, dass der für die Kinder in Schweden
bestehende Anspruch vorrangig sei.
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Im anschließenden Klageverfahren trug
die Familienkasse vor, der schwedische Träger habe mitgeteilt,
dass der in Schweden lebende und arbeitende Kindesvater dort
mangels Sorgerechts keinen Anspruch auf Familienleistungen habe.
Dabei habe der schwedische Träger aber die Regelung des Art.
60 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der
Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG)
Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen
Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen Union - ABlEU - 2009
Nr. L 284, S. 1) in der für den Streitzeitraum geltenden
Fassung (VO Nr. 987/2009 - Durchführungsverordnung - )
außer Acht gelassen. Dies bedeute für den Streitfall,
dass Schweden aufgrund der Erwerbstätigkeit des Kindesvaters
vorrangig zuständig sei. Mangels Sorgerechts folge daraus zwar
kein Anspruch des Kindesvaters, die in der Bundesrepublik
Deutschland lebende Kindesmutter müsse in Schweden jedoch so
behandelt werden, als ob sie dort leben und den schwedischen
Rechtsvorschriften unterliegen würde. Daher seien die
schwedischen Familienleistungen zu Recht angerechnet und der
überzahlte Betrag sei zutreffend zurückgefordert worden.
Den europäischen Verordnungen sei auch nicht zu entnehmen,
dass die Familienkasse verpflichtet wäre, das zu erstattende
Kindergeld vom schwedischen Träger einzufordern.
Unabhängig davon habe sie erfolglos versucht, eine Erstattung
von schwedischer Seite zu erlangen. Nach mehrmaliger Erinnerung,
zuletzt mit Schreiben vom 13.06.2019, habe der schwedische
Träger der Familienkasse lediglich eine Bescheinigung
übersandt, wonach Schweden keine Familienleistungen für
die Zeit von Januar bis Juli 2017 gewähre. Daraufhin habe die
Familienkasse den schwedischen Träger erneut um Erstattung
ersucht und ausdrücklich auf einen Anspruch der Kindesmutter
hingewiesen.
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Die Klage hatte Erfolg, soweit sie sich
gegen die Rückforderung richtete.
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Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) wurde
die Kindergeldfestsetzung für den Streitzeitraum in Höhe
des in Schweden bestehenden Anspruchs der Klägerin auf
Familienleistungen zu Recht aufgehoben. Insoweit wies das FG die
Klage ab. Das FG hob jedoch den Rückforderungsbescheid mit der
Begründung auf, die Familienkasse könne von der
Klägerin den überzahlten Betrag nicht nach § 37 Abs.
2 der Abgabenordnung (AO) zurückfordern, da sie aufgrund einer
Ermessensreduzierung auf Null nur den anderen Schuldner, den
schwedischen Träger, auf Rückzahlung in Anspruch nehmen
dürfe.
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Mit der allein von der Familienkasse
eingelegten Revision wird die Verletzung von Bundesrecht
gerügt.
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Die Familienkasse beantragt,
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das Urteil des Niedersächsischen FG
vom 26.05.2020 - 6 K 263/18 = SIS 20 13 81 aufzuheben, soweit die
Rückforderung des Kindergeldes durch die Familienkasse von der
Klägerin durch das FG aufgehoben wurde und die Klage auch
insoweit abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der
Klage auch insoweit, als die Klägerin die Aufhebung des
Rückforderungsbescheids begehrt (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr.
1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Auffassung des
FG war die Klägerin verpflichtet, das bestandskräftig
aufgehobene und gezahlte Kindergeld in Höhe von 1.529,92 EUR
zurückzuzahlen.
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1. Der Rückzahlungsanspruch der
Familienkasse ergibt sich aus § 37 Abs. 2 AO.
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Ist eine Steuervergütung wie das
Kindergeld (§ 31 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes) ohne
rechtlichen Grund gezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen
Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO
gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf
Erstattung des gezahlten Betrages. Diese Rechtsfolge tritt auch
ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später
wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO).
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a) Im Streitfall ist das Kindergeld für
den Streitzeitraum in Höhe von 1.529,92 EUR ohne Rechtsgrund
gezahlt worden. Das FG hat die Klage, soweit sie sich gegen die am
03.07.2018 erfolgte teilweise Aufhebung des Kindergeldes für
den Zeitraum Januar bis Juli 2017 richtete, abgewiesen. Hiergegen
hat die Klägerin keine Revision eingelegt. Durch die
bestandskräftige (teilweise) Aufhebung des
Kindergeldfestsetzungsbescheids in genannter Höhe ist der
rechtliche Grund für die Zahlung weggefallen (§ 37 Abs. 2
Satz 2 AO). Ob die Anrechnung der schwedischen Familienleistungen
zu Recht erfolgt ist, obwohl der schwedische Leistungsträger -
möglicherweise zu Unrecht - einen Anspruch auf schwedische
Familienleistungen verneint hat, kann aufgrund der Bestandskraft
des Bescheids vom 03.07.2018, soweit er die teilweise Änderung
der Festsetzung betraf, im vorliegenden Verfahren nicht mehr
geprüft werden. Wird ein Bescheid über die Bewilligung
von Kindergeld aufgehoben, steht mit Ergehen dieses
Aufhebungsbescheids, solange dessen Vollzugsfolgen fortbestehen,
fest, dass das auf der Grundlage des Bewilligungsbescheids gezahlte
Kindergeld zu Unrecht geleistet worden ist (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.08.2001 - VI R 83/99, BFHE 196,
278, BStBl II 2002, 47 = SIS 01 13 68; BFH-Beschluss vom 22.01.2004
- VIII B 289/03, BFH/NV 2004, 759 = SIS 04 29 17). Es ist auch
geklärt, dass es für die Frage, ob Kindergeld behalten
werden darf oder zurückzuzahlen ist, auf das Vorliegen von
Kindergeldfestsetzungs- oder Aufhebungsbescheiden - mithin auf die
formelle Bescheidlage - ankommt und nicht auf den abstrakten
materiell-rechtlichen Kindergeldanspruch (vgl. Senatsurteil vom
15.07.2010 - III R 32/08, BFH/NV 2010, 2237 = SIS 10 35 55).
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b) Die Klägerin ist
Leistungsempfängerin des zu Unrecht gezahlten Kindergeldes.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist
Leistungsempfänger i.S. des § 37 Abs. 2 AO derjenige,
demgegenüber die Finanzbehörde oder Familienkasse ihre -
vermeintlich oder tatsächlich bestehende - abgabenrechtliche
Verpflichtung erfüllen will (BFH-Urteile vom 23.10.2012 - VII
R 63/11, BFH/NV 2013, 689 = SIS 13 10 46, und vom 18.09.2012 - VII
R 53/11, BFHE 239, 292, BStBl II 2013, 710 = SIS 13 04 83, Rz 13,
m.w.N.).
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c) § 37 Abs. 2 Satz 1 AO räumt der
Behörde auch keinen Ermessensspielraum ein. Da es sich bei dem
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch um einen Anspruch
aus dem Steuerrechtsverhältnis handelt, richtet sich seine
Entstehung nach § 38 AO (Boeker in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz 27, m.w.N.).
Hiernach entsteht der Anspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht
ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Die
Familienkasse war daher nicht gehalten, bei der Entscheidung
über den Erlass des angegriffenen Bescheids zu prüfen, ob
die Rückforderung ermessenskonform war.
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d) Der schwedische Leistungsträger war im
Streitfall wegen dieses gegen die Klägerin gerichteten
Rückforderungsanspruch auch nicht Gesamtschuldner (§ 44
AO) mit der Folge, dass bei der Inanspruchnahme eines
Gesamtschuldners es grundsätzlich in das Ermessen der
Behörde nach § 44 Abs. 1 Satz 1 AO gestellt ist, an wen
sie sich wendet (vgl. BFH-Urteile vom 18.03.1987 - II R 35/86, BFHE
149, 267, BStBl II 1987, 419 = SIS 87 15 46; vom 08.08.1991 - V R
19/88, BFHE 165, 307, BStBl II 1991, 939 = SIS 91 24 26;
BFH-Beschluss vom 11.07.2001 - VII R 28/99, BFHE 195, 510, BStBl II
2002, 267 = SIS 01 12 55). Gemäß § 44 Abs. 1 AO
sind Personen, die nebeneinander dieselbe Leistung aus dem
Steuerschuldverhältnis schulden oder für sie haften,
Gesamtschuldner. Für den hier vorliegenden
öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch ist der schwedische
Leistungsträger nicht Rückforderungsschuldner.
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Hieran ändert auch das Unionsrecht nichts
(Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und
des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen
Sicherheit in der für den Streitzeitraum maßgeblichen
Fassung - VO Nr. 883/2004 - (Grundverordnung), ABlEU 2004 Nr. L
166, S. 1, und der VO Nr. 987/2009). Ein etwaiger
Erstattungsanspruch (vgl. Art. 6 Abs. 4, Abs. 5, Art. 60 Abs. 5 der
VO Nr. 987/2009) des deutschen Leistungsträgers gegen den
schwedischen Leistungsträger ist kein auf steuerrechtlichen
Gründen beruhender Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs.
2 AO, sondern ein zwischen den Mitgliedstaaten aufgrund einer
internationalen Vereinbarung (möglicherweise) bestehender
verfahrensrechtlicher Ausgleichsanspruch. Auch wenn sich dieser
gegen den vorrangig zuständigen Mitgliedstaat auf Erstattung
einer des nachrangig zuständigen Mitgliedstaats gezahlten
Familienleistung richtet, kann nicht unberücksichtigt bleiben,
dass der in § 37 Abs. 2 AO geregelte Anspruch auf der
Umkehrung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis
i.S. des § 37 Abs. 1 AO beruht (vgl. BFH-Urteil vom 12.11.2013
- VII R 15/13, BFHE 243, 309, BStBl II 2014, 359 = SIS 14 08 43).
An diesem Rechtsverhältnis ist der schwedische
Leistungsträger nicht beteiligt.
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e) Entgegen der Ansicht des FG steht der
Familienkasse für das rechtsgrundlos gezahlte Kindergeld in
Höhe des vermeintlich bestehenden Anspruchs auf schwedische
Familienleistungen daher auch kein weiterer (Haftungs-)Schuldner
zur Verfügung, der eine ermessensgerechte Auswahlentscheidung
unter den Schuldnern nach sich ziehen könnte.
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Gemäß Art. 60 Abs. 5 der VO Nr.
987/2009 kann zwar der Träger, der eine vorläufige
Leistungszahlung vorgenommen hat, die höher ist als der
letztlich zu seinen Lasten gehende Betrag, den zu viel gezahlten
Betrag nach dem Verfahren des Art. 73 der
Durchführungsverordnung vom vorrangig zuständigen
Träger zurückfordern. Dieses Verfahren soll auch
vermeiden, dass bei einer nachträglichen Feststellung der
rückwirkend geltenden vorrangigen Anwendbarkeit der
Rechtsvorschriften des anderen Mitgliedstaats, die
Kindergeldfestsetzung - soweit ein Anspruch auf ausländische
Familienleistungen besteht und vorrangig ist - aufgehoben wird,
wenn feststeht, dass der Kindergeldberechtigte insgesamt keine
höheren Leistungen als die ihm zustehenden inländischen
und ausländischen erhalten hat. Wenn aber die
Kindergeldfestsetzung bestandskräftig aufgehoben wurde,
führt das in Art. 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 73 der VO Nr. 987/2009
geregelte Verfahren nicht dazu, dass der ausländische
Leistungsträger zum weiteren Schuldner des
Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO wird oder für
diesen haftet (vgl. § 191 AO). Die in Art. 6, Art. 60, Art. 73
der VO Nr. 987/2009 und Art. 68 der VO Nr. 883/2004 aufgenommenen
Regelungen dienen einer engen und effektiven Zusammenarbeit
zwischen den Trägern der verschiedenen Mitgliedstaaten und
sind Ausfluss des Grundsatzes der vertrauensvollen Zusammenarbeit
nach Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische
Union (ABlEU 2012, Nr. C 326). Sie regeln u.a. das Verfahren der
Mitgliedstaaten bei Meinungsverschiedenheiten, insbesondere bei der
Überprüfung der in Art. 68 der VO Nr. 883/2004
getroffenen Koordinierungsregelungen und ermöglichen den
Mitgliedstaaten auch im Interesse der Leistungsberechtigten
vorläufige Entscheidungen zu treffen. Sie berühren aber
nicht unmittelbar die Rechtsbeziehungen zwischen dem
Leistungsempfänger, der ohne rechtlichen Grund eine Leistung
erhalten hat, und dem Vergütungsgläubiger. Die Regelungen
aus der VO Nr. 883/2004 und aus der VO Nr. 987/2009 verleihen dem
Kindergeldberechtigten weder materielle Leistungsansprüche
noch begründen sie Einwendungen oder Einreden gegen die
Durchsetzbarkeit öffentlich-rechtlicher
Erstattungsansprüche. Der Kindergeldberechtigte kann daher der
gesetzlich vorgesehenen Erstattungspflicht für rechtsgrundlos
geleistetes Kindergeld nicht mit dem Einwand begegnen, der
inländische Leistungsträger möge im Hinblick auf
einen möglicherweise bestehenden Anspruch auf
ausländische Familienleistungen die Rückzahlung von dem
anderen Mitgliedstaat fordern. Es ist grundsätzlich allein
Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten, die
materiellen und formellen Voraussetzungen für einen
Erstattungsanspruch bei rechtsgrundlos gezahlten Familienleistungen
festzulegen (Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten). Damit wird
die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen
Rechte des Kindergeldberechtigten auch nicht praktisch
unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert -
Effektivitätsgrundsatz - (vgl. BFH-Urteil vom 09.05.2012 - I R
73/10, BFHE 238, 1, BStBl II 2013, 566 = SIS 12 22 08, Rz 19,
m.w.N.).
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f) Der Rückforderung steht auch nicht
entgegen, dass die Klägerin möglicherweise keine Kenntnis
von einem Anspruch auf ausländische Familienleistungen hatte.
§ 37 Abs. 2 AO setzt kein Verschulden auf Seiten des
Leistungsempfängers voraus. Der Rückzahlungsanspruch
besteht vielmehr auch dann, wenn den Leistungsempfänger an der
Fehlleistung kein Verschulden trifft oder wenn er diese nicht
einmal erkannt hat (Senatsurteil vom 10.03.2016 - III R 29/15,
BFH/NV 2016, 1278 = SIS 16 16 61, Rz 24). Der
Rückforderungsanspruch ist Ausdruck eines übergeordneten
und allgemein herrschenden Prinzips, dass derjenige, der vom Staat
auf Kosten der Allgemeinheit etwas zu Unrecht erhalten hat,
grundsätzlich verpflichtet ist, das Erhaltene
zurückzuzahlen (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteil vom
09.07.2019 - X R 35/17, BFHE 264, 421, BStBl II 2019, 668 = SIS 19 11 86, Rz 28; BFH-Beschluss vom 22.07.2014 - VII R 38/13, BFH/NV
2014, 1721 = SIS 14 27 03, Rz 10, m.w.N.).
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g) Einer Rückforderung steht auch nicht
der Gesichtspunkt von Treu und Glauben oder der Verwirkungsgedanke
entgegen (vgl. Senatsbeschluss vom 27.02.2007 - III B 1/06, BFH/NV
2007, 1120 = SIS 07 15 64). Zur Schaffung des erforderlichen
Vertrauenstatbestandes (Umstandsmomentes) müssen besondere
Umstände hinzukommen, die die Geltendmachung des
Rückforderungsanspruchs als illoyale Rechtsausübung
erscheinen lassen. Dem Verhalten der Familienkasse muss die
konkludente Zusage zu entnehmen sein, dass der
Kindergeldempfänger mit einer Rückforderung des
Kindergeldes nicht zu rechnen braucht (z.B. Senatsbeschluss vom 28.01.2010 - III B 37/09, BFH/NV 2010,
837 = SIS 10 11 71, m.w.N.). Ein
solches Verhalten ist vorliegend nicht erkennbar. Allein die in den
europäischen Verordnungen enthaltenen Regelungen und
Grundsätze über die vertrauensvolle Zusammenarbeit
zwischen den Mitgliedstaaten reichen ohne ein besonderes Verhalten
der Familienkasse nicht aus, zwischen der Klägerin und der
Familienkasse ein konkretes Rechtsverhältnis als Grundlage
für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben zu
begründen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135
Abs. 1 FGO.
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