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I. Die Beteiligten streiten darum, ob die
Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Umsatzsteuer
aufgrund eines unberechtigten Steuerausweises schuldet.
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Die Klägerin betreibt ein Unternehmen
zur Produktion und zum Vertrieb von Spirituosen in der Rechtsform
einer GmbH. Im Rahmen einer im Januar 2006 durchgeführten
Außenprüfung stellte der Prüfer fest, dass die
Klägerin in den Monaten April, Mai und Juni 2005 der T-GmbH
insgesamt drei Rechnungen erteilt hatte. In diesen Rechnungen war
Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 74.121,60 EUR gesondert
ausgewiesen. Die in den Rechnungen bezeichneten Lieferungen wurden
nicht ausgeführt. Die Rechnungen wiesen keinen Lieferzeitpunkt
und keine fortlaufende Rechnungsnummer auf. Die
Rechnungsempfängerin verwendete die Rechnungen zum
Vorsteuerabzug. Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) erfasste die gesondert ausgewiesenen
Steuerbeträge unter Hinweis auf § 14c Abs. 2 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999/2005 in der Fassung durch das
Steueränderungsgesetz (StÄndG) 2003.
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Die Klage hatte nach erfolglosem
Einspruchsverfahren Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur
Begründung seines in EFG 2009, 1684 = SIS 09 39 94
veröffentlichten Urteils aus, die Klägerin sei zu Unrecht
für die unberechtigt ausgewiesene Umsatzsteuer
gemäß § 14c Abs. 2 UStG in Anspruch genommen
worden. Bei den von der Klägerin begebenen Urkunden habe es
sich nicht um Rechnungen i.S. des § 14c UStG gehandelt, weil
sie nicht sämtliche in § 14 Abs. 4 UStG aufgezählten
Merkmale einer Rechnung enthalten hätten. Es hätten die
Angabe des Lieferzeitpunkts (§ 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG) sowie
eine fortlaufende Rechnungsnummer (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG)
gefehlt. Da § 14c UStG keine Definition der Rechnung enthalte,
müsse der allgemeine Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 1 bis
4 UStG gelten. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3
des Grundgesetzes folgende Bestimmtheitsgebot verlange vom
Gesetzgeber, Vorschriften so genau zu fassen, wie dies nach der
Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf
den Normzweck möglich sei. Wolle der Gesetzgeber in § 14c
Abs. 2 UStG einen vom allgemeinen abweichenden, besonderen
Rechnungsbegriff verwenden, um dem mit der Norm verfolgten Zweck
der Gefährdung des Steueraufkommens zu begegnen, so habe dies
durch eine entsprechende Definition zu geschehen. Für eine am
Zweck der Norm orientierte Auslegung des § 14c UStG sei kein
Raum.
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Hiergegen wendet sich das FA mit der
Revision. § 14c UStG beziehe sich auf den allgemeinen
Rechnungsbegriff des § 14 Abs. 1 UStG. Danach sei Rechnung
jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige
Leistung abgerechnet werde. Vorliegend seien die drei Dokumente
ausdrücklich als Rechnung bezeichnet worden. Auf die einzelnen
Merkmale des § 14 Abs. 4 UStG komme es für den
Gefährdungstatbestand des § 14c UStG nicht an. Eine
Gefährdungslage bestehe bereits, wenn die wesentlichen
Merkmale einer Rechnung wie Entgelt und ausgewiesene
inländische Umsatzsteuer enthalten seien. § 14c UStG
umfasse deshalb jedes Abrechnungspapier, das aus der Sicht eines
Durchschnittsverbrauchers beim Empfänger rein
äußerlich den Eindruck erwecke, es liege eine Rechnung
vor, die die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs eröffne.
Allein durch die Angabe des Entgelts und des ausgewiesenen
Steuerbetrages liege aus der Sicht des Empfängers nach der
Aufmachung eine Rechnung vor, die ihn nach seiner Ansicht zum
Vorsteuerabzug berechtige.
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Auch nach dem Urteil des Gerichtshofs der
Europäischen Union (EuGH) vom 18.6.2009 C-566/07, Stadeco BV
(Slg. 2009, I-5295, BFH/NV 2009, 1371 = SIS 09 26 03) zu Art. 21
Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977
zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) sei
ausreichend, dass „in einer Rechnung oder einem
ähnlichen Dokument“ die Umsatzsteuer eines
Mitgliedstaates der EU ausgewiesen werde. Im Streitfall fehlten
lediglich die fortlaufende Rechnungsnummer, deren Bedeutung die
Rechtsprechung schon relativiert habe, sowie das Leistungsdatum.
Die wesentlichen Merkmale einer Rechnung, insbesondere das Entgelt
und der Steuerbetrag seien aber angegeben.
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Die Auffassung des FG erleichtere den
Umsatzsteuerbetrug. § 14c Abs. 2 UStG orientiere sich an den
Vorgaben des EuGH, da eine Korrektur der „Rechnung“
zugelassen werde, wenn die Gefährdungslage beseitigt sei. Die
Klägerin habe im Streitjahr die Rechnungen nicht korrigiert.
Auch habe der aus den drei Dokumenten in Anspruch genommene
Vorsteuerabzug bislang nicht wieder rückgängig gemacht
werden können.
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Die von der Klägerin geforderte
Übereinstimmung zwischen den Voraussetzungen des § 15
Abs. 1 UStG 1999 in der Fassung vor Inkrafttreten des StÄndG
2003 (UStG a.F.) und des § 14 Abs. 3 UStG a.F. habe auch nach
altem Recht nicht bestanden. Die unterschiedlichen
Tatbestandsvoraussetzungen für den Vorsteuerabzug einerseits
und die Haftung für einen unberechtigten Steuerausweis
andererseits seien auch begründet, weil sich beide Normen in
dem von ihnen verfolgten Zweck unterschieden.
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Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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Für die Rechtslage bis zum 31.12.2003
sei es sowohl für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug als auch
für den unberechtigten Steuerausweis nach § 14 Abs. 3
UStG a.F. unbeachtlich gewesen, ob tatsächlich alle Angaben
des § 14 Abs. 1 UStG a.F. in einer Rechnung enthalten gewesen
seien. § 14 Abs. 4 UStG konkretisiere nunmehr den allgemeinen
Rechnungsbegriff in einer Art und Weise, wie dies vor Änderung
des Gesetzes nicht der Fall gewesen sei.
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§ 15 UStG sei ebenfalls an die neue
Rechtslage angepasst worden, da § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nunmehr
eine nach § 14a UStG ausgestellte Rechnung verlange. Daher
könne durch eine Rechnung, die diese Anforderungen nicht
erfülle, keine Vorsteuergefährdung entstehen.
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Sie, die Klägerin, sei in ihrem
Vertrauen auf die Gesetzesregelung und die Verwaltungsauffassung zu
schützen, dass die von ihr begebenen Dokumente bei
verständiger Würdigung eines mit dem UStG vertrauten
Sachbearbeiters der Finanzverwaltung nicht zu einem Vorsteuerabzug
hätten führen können. Dass der Empfänger des
Abrechnungspapiers durch betrügerische Handlungen
Vorsteuerbeträge erhalten habe, könne nicht zu ihren
Lasten gehen.
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II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung
der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO
- ). Entgegen der Auffassung des FG handelt es sich bei den von der
Klägerin begebenen Rechnungen um Rechnungen i.S. des §
14c Abs. 2 UStG. Ohne Bedeutung ist insoweit, dass die Rechnungen
die Merkmale des § 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG (fortlaufende
Rechnungsnummer) und des § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG
(Lieferzeitpunkt) nicht enthielten.
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Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag
gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer
nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), schuldet
gemäß § 14c Abs. 2 Satz 1 UStG den ausgewiesenen
Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender
Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist,
obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige
Leistung nicht ausführt (§ 14c Abs. 2 Satz 2 UStG). Die
Regelung beruht auf Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie
77/388/EWG in der im Streitjahr geltenden Fassung, wonach im
inneren Anwendungsbereich „jede Person, die die
Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist“, die
Mehrwertsteuer schuldet.
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a) Zweck der Regelung ist es, Missbräuche
durch Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis zu
verhindern (zur Vorgängervorschrift § 14 Abs. 3 UStG a.F.
vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24.9.1987 V R 50/85,
BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688 = SIS 88 12 24; vom 24.9.1987 V R
125/86, BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694 = SIS 88 12 23; vom
27.1.1994 V R 113/91, BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342 = SIS 94 13 26; vom 4.5.1995 V R 83/93, BFH/NV 1996, 190 = SIS 95 20 48; vom
17.5.2001 V R 77/99, BFHE 194, 552, BStBl II 2004, 370 = SIS 01 11 16; vgl. BFH-Beschluss vom 6.6.2002 V R 20/99, BFH/NV 2002, 1620 =
SIS 03 02 92; zu Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG
in der im Streitjahr geltenden Fassung: EuGH-Urteile Stadeco BV in
Slg. 2009, I-5295, BFH/NV 2009, 1371 = SIS 09 26 03 Rdnr. 28,
m.w.N.; vom 19.9.2000 C-454/98, Schmeink & Cofreth und Strobel,
Slg. 2000, I-6973 = SIS 00 12 77 Rdnrn. 57 und 61; vom 6.11.2003
C-78/02 bis C-80/02, Karageorgou u.a., Slg. 2003, I-13295 = SIS 04 01 41 Rdnrn. 50 und 53).
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b) § 14c Abs. 2 UStG stellt auf den
Steuerausweis in einer „Rechnung“ ab, ohne den
Rechnungsbegriff selbst oder mittels einer Verweisung zu
definieren. Den Begriff der Rechnung definiert § 14 Abs. 1
Satz 1 UStG. Danach ist eine Rechnung jedes Dokument, „...
mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet
wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im
Geschäftsverkehr bezeichnet wird“.
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c) § 14c Abs. 2 UStG setzt darüber
hinaus nicht voraus, dass eine Rechnung alle in § 14 Abs. 4
Satz 1 Nr. 1 bis 9 UStG aufgezählten Merkmale aufweist
(Niedersächsisches FG, Urteil vom 30.7.2010 16 K 55/10, UR
2011, 23 = SIS 10 37 22; Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, §
168 UStG Rz 22; Widmann in Plückebaum/Malitzky, UStG, §
14c Rz 6; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, § 14c Rz
58 ff.; Stadie, UStG 2009, S. 908 § 14c Rz 2; Frye, UR 2011,
1; Kraeusel/Schmidt in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 14c
Rz 13, 16, anders aber in Rz 68; Abschn. 190d Abs. 1 Satz 3 der
Umsatzsteuer-Richtlinien 2008, ab 1.11.2010 Abschn. 14c.2. Abs. 1
Satz 3 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses; a.A. Hundt-Eßwein
in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG, § 14c Rz 3; Scharpenberg
in Hartmann/Metzenmacher, UStG § 14c Rz 9, 10;
Schlosser-Zeuner in Bunjes/Geist, UStG, 9. Aufl., § 14c Rz 5;
Wagner in Sölch/ Ringleb, UStG § 14c Rz 20, 147; ders. in
DStR 2004, 477).
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aa) Nach der früheren Rechtsprechung
verwies § 14 Abs. 3 UStG a.F. zur Konkretisierung des Merkmals
„Rechnung“ auf den allgemeinen Rechnungsbegriff
des § 14 Abs. 4 UStG a.F., nicht dagegen auf § 14 Abs. 1
UStG (vgl. BFH-Urteile vom 16.3.1988 X R 7/80, BFH/NV 1989, 197; in
BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688 = SIS 88 12 24; in BFHE 153, 77,
BStBl II 1988, 694 = SIS 88 12 23; in BFHE 173, 466, BStBl II 1994,
342 = SIS 94 13 26; in BFH/NV 1996, 190 = SIS 95 20 48; in BFHE
194, 552, BStBl II 2004, 370 = SIS 01 11 16, m.w.N.). § 14
Abs. 4 UStG a.F. definierte die Rechnung - wie § 14 Abs. 1
UStG - als jede Urkunde, mit der ein Unternehmer oder in seinem
Auftrag ein Dritter über eine Lieferung oder sonstige Leistung
abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im
Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Diese Anknüpfung
entspricht dem Zweck des § 14 Abs. 3 UStG 1973,
Missbräuche durch das Ausstellen von Rechnungen mit offenem
Steuerausweis in Bezug auf den Vorsteuerabzug zu verhindern (vgl.
Senatsentscheidungen vom 9.9.1993 V R 45/91, BFHE 172, 237, BStBl
II 1994, 131 = SIS 94 05 51, und vom 8.12.1988 V R 28/84, BFHE 155,
427, BStBl II 1989, 250 = SIS 89 05 30).
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Soweit der Senat zur alten Rechtslage hiervon
abweichend entschieden hat, dass § 14 Abs. 3 UStG a.F. nur
eingreift, wenn die Urkunde nach ihrem Inhalt zum Vorsteuerabzug
geeignet ist (BFH-Urteil in BFHE 173, 466, BStBl II 1994, 342 = SIS 94 13 26) und alle insoweit erforderlichen Angaben enthält
(zuletzt BFH-Urteile vom 30.1.2003 V R 98/01, BFHE 201, 550, BStBl
II 2003, 498 = SIS 03 23 28; vom 18.1.2001 V R 83/97, BFHE 194, 483
= SIS 01 07 80), hält der Senat hieran für § 14c
Abs. 2 UStG nicht fest (Änderung der Rechtsprechung).
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bb) Gegen die Auffassung, nur eine Rechnung,
die - gegebenenfalls auch unzutreffend - alle Pflichtangaben
des § 14 Abs. 4 UStG enthalte, erfülle die
Voraussetzungen des § 14c Abs. 2 UStG, spricht der Vergleich
zwischen § 14c UStG und § 15 Abs. 1 UStG, insbesondere
die Gegenüberstellung der mit diesen Vorschriften verfolgten
Zwecke. Daraus ergibt sich, dass die
Gefährdungstatbestände des § 14c UStG und das Recht
auf Vorsteuerabzug aus § 15 Abs. 1 UStG hinsichtlich der
Anforderungen an die in Bezug genommene Rechnung unterschiedlichen
Tatbestandsvoraussetzungen unterliegen und beide Vorschriften
unterschiedliche Ziele verfolgen.
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aaa) § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG
verlangt für den Vorsteuerabzug, dass der Unternehmer
„eine nach den §§ 14, 14a ausgestellte
Rechnung“ besitzt. Damit setzt die Berechtigung zum
Vorsteuerabzug den Besitz einer gleichsam qualifizierten Rechnung
voraus, die über die Merkmale der Rechnungsdefinition in
§ 14 Abs. 1 UStG hinaus die in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
bis 9 UStG aufgezählten Angaben enthält. Diese für
den Vorsteuerabzug erforderlichen Pflichtangaben in einer Rechnung
dienen dazu, das Gleichgewicht von Vorsteuerabzug beim
Leistungsempfänger und Umsatzsteuer beim Leistenden zu
gewährleisten. Der Finanzverwaltung wird dadurch nicht nur
ermöglicht, das Vorliegen der Voraussetzungen für den
Vorsteuerabzug zu überprüfen und damit einen
unberechtigten Vorsteuerabzug beim Rechnungsempfänger zu
vermeiden, sondern vor allem auch eine mit dem Vorsteuerabzug
korrespondierende Besteuerung beim leistenden Unternehmer
sicherzustellen.
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bbb) Im Gegensatz zu § 15 Abs. 1 UStG
verweist § 14c UStG nicht auf §§ 14, 14a UStG. Wenn
der Gesetzgeber aber im Rahmen des § 14c UStG denselben
Rechnungsbegriff hätte verwenden wollen wie in § 15 Abs.
1 UStG, hätte es nahegelegen, in beiden Vorschriften, die
zeitgleich mit Wirkung ab 1.1.2004 durch dasselbe Gesetz, das
StÄndG 2003, neu gefasst bzw. in das UStG aufgenommen wurden,
auch dieselbe Verweisung zu verwenden (zu Recht Frye, UR 2011, 1,
3).
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ccc) Darüber hinaus dient § 14c UStG
auch einem anderen Zweck als § 15 Abs. 1 UStG. Diese andere
Zielsetzung gebietet die Anwendung des allgemeinen
Rechnungsbegriffs des § 14 Abs. 1 UStG ohne die Pflichtangaben
des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 9 UStG. Der Normzweck des
§ 14c UStG besteht daher darin, Missbrauch durch Ausstellung
von Rechnungen zu verhindern und der Gefährdung des
Umsatzsteueraufkommens durch ein Ungleichgewicht von Steuer und
Vorsteuerabzug zu begegnen (BRDrucks 630/03 vom 5.9.2003, zu Art. 4
zu Nr. 17 - § 14c neu - ; vgl. auch Niedersächsisches FG
in UR 2011, 23 = SIS 10 37 22). § 14c UStG ist deshalb als
Gefährdungstatbestand in das Gesetz aufgenommen worden, wie
sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, weil § 14c Abs. 2 Satz
3 und 4 UStG im Rahmen der Berichtigungsmöglichkeit die
Beseitigung der „Gefährdung des
Steueraufkommens“ voraussetzt.
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ddd) Gegenstand der Regelung ist die
Gefährdung des Steueraufkommens durch Abrechnungsdokumente,
die die elementaren Merkmale einer Rechnung aufweisen oder den
Schein einer solchen erwecken und den Empfänger zum
Vorsteuerabzug verleiten (ebenso Stadie in
Rau/Dürrwächter, UStG, § 14c Rz 58). Eine
Gefährdung tritt dabei nicht nur ein, wenn eine alle
Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG erfüllende Rechnung
vorliegt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der
Steuerfestsetzung um ein Massenverfahren handelt, bei dem die
Verwaltung nicht in der Lage ist, die Voraussetzungen aller geltend
gemachten Vorsteuerbeträge vollumfänglich auch
hinsichtlich aller einzelnen Merkmale des § 14 Abs. 4 UStG vor
der regelmäßig unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
stehenden Steuerfestsetzung zu prüfen.
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§ 14c UStG könnte den mit der Norm
verfolgten Zweck, Missbräuche zu vereiteln und das
Steueraufkommen zu sichern, nicht erfüllen, wenn sich
Rechnungsaussteller durch Weglassen auch nur eines Merkmals des
§ 14 Abs. 4 UStG ihrer Inanspruchnahme entziehen könnten
(zutreffend Frye, UR 2011, 1, 7). Auch ist, nicht zuletzt wegen der
Berichtigungsmöglichkeit nach § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG
kein schutzwürdiges Interesse eines Rechnungsausstellers
erkennbar, risikolos Dokumente in den Rechtsverkehr zu bringen, die
als Abrechnungen über angebliche umsatzsteuerpflichtige
Vorgänge erscheinen und dem Rechnungsempfänger einen
unberechtigten Vorsteuerbetrug erst ermöglichen. Für die
Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG reicht es deshalb aus, dass
das Dokument als Abrechnung über eine (angebliche
umsatzsteuerpflichtige) Leistung durch einen (angeblichen)
Unternehmer wegen des Ausweises der Umsatzsteuer abstrakt die
Gefahr begründet, vom Empfänger oder einem Dritten zur
Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs gebraucht zu werden. Danach
reicht es aus, wenn es sich um ein Dokument handelt, das den
Rechnungsaussteller, den (vermeintlichen) Leistungsempfänger,
eine Leistungsbeschreibung, sowie das Entgelt und die gesondert
ausgewiesene Umsatzsteuer ausweist.
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eee) Diesem Ergebnis steht das Unionsrecht
nicht entgegen. Nach Art. 21 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie
77/388/EWG schuldet die Mehrwertsteuer „jede Person, die
die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist“.
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