Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen
Teste, loggen Sie sich ein oder nutzen Sie unseren kostenlosen Test.
Sie sind bereits Abonnent der SIS-Datenbank Steuerrecht? Loggen Sie sich ein, um den vollen Zugriff auf die Dokumente zu erhalten.
Sie sind noch kein Bezieher der SIS-Datenbank Steuerrecht, wollen aber mehr erfahren oder die Datenbank testen? Hier finden Sie alle Informationen und können die Datenbank einen Monat lang kostenlos testen und erhalten Zugriff u.a. auf:
  • über 130.000 Dokumente (Urteile und Verwaltungsanweisungen)
  • umfangreiche Gesetzessammlung
  • 5 vollverlinkte Steuerhandbücher (AO, ESt/LSt, KSt, GewSt, USt)
  • viele weitere wertvolle Praxishilfen

Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung

Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung: 1. Krankheitskosten, denen es objektiv an der Eignung zur Heilung oder Linderung mangelt, können zwangsläufig erwachsen, wenn der Steuerpflichtige an einer Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung leidet, die nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht. - 2. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Steuerpflichtige für eine aus schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Sicht nicht anerkannte Heilmethode entscheidet. - 3. Ihre Grenze findet die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Außenseitermethoden nach § 33 EStG allerdings, wenn die Behandlung von einer Person vorgenommen wird, die nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassen ist. - Urt.; BFH 2.9.2010, VI R 11/09; SIS 10 36 90

Kapitel:
Privatbereich > Außergewöhnliche Belastungen (allgemeine)
Fundstellen
  1. BFH 02.09.2010, VI R 11/09
    BStBl 2011 II S. 119
    NJW 2011 S. 702
    LEXinform 0179899

    Anmerkungen:
    -/- in NWB 49/2010 S. 3937
    ge in DStRE 1/2011 S. 18
    St.G. in NWB 1/2011 S. 20
    St.Sch. in BFH/PR 2/2011 S. 46
    H.H. in DStR 5/2011 S. 204
    H.J.K. in FR 6/2011 S. 292
    N.B. in AktStR 2/2011 S. 259
Normen
[EStG] § 33
Vorinstanz / Folgeinstanz:
  • vor: Niedersächsisches FG, 08.01.2009, SIS 09 13 99, Krebsbehandlung, Außergewöhnliche Belastung, Zwangsläufigkeit, Nachweis, Wirksamkeit, Krankheitskosten
Zitiert in... / geändert durch...
  • BFH 10.8.2023, SIS 23 15 78, Keine außergewöhnlichen Belastungen bei Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft: Aufwen...
  • FG Münster 13.6.2023, SIS 23 17 09, Abzugsfähigkeit von Kosten für den Privatschulbesuch eines hochbegabten Kindes als außergewöhnliche Belas...
  • BFH 25.1.2022, SIS 22 06 26, Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung unter Verwendung gespendeter Eizellen: 1. Aufwendungen für e...
  • BFH 25.1.2022, SIS 22 06 27, Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung unter Verwendung gespendeter Eizellen: 1. Aufwendungen für e...
  • BFH 25.1.2022, SIS 22 06 28, Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung unter Verwendung gespendeter Eizellen: 1. Aufwendungen für e...
  • Niedersächsisches FG 14.12.2021, SIS 22 07 85, Abziehbarkeit von Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung im Sinne de...
  • FG Nürnberg 1.10.2020, SIS 21 01 84, Aufwendungen für eine Fettreduktion im Bereich des Mons pubis als außergewöhnliche Belastung: Ein unschön...
  • FG Münster 24.6.2020, SIS 20 13 49, Kosten der künstlichen Befruchtung als außergewöhnliche Belastung: 1. Kosten der künstlichen Befruchtung ...
  • FG Köln 20.3.2019, SIS 19 11 00, Fahrtkosten eines am Asperger-Syndrom sowie an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ADHS)...
  • FG Münster 19.2.2019, SIS 19 04 68, Lebensmittelkosten keine außergewöhnliche Belastung: Durch Bulimie verursache erhöhte Lebensmittelkosten ...
  • FG Köln 21.3.2018, SIS 18 17 98, Aufwendungen für eine Bioresonanztherapie als außergewöhnliche Belastungen: Aufwendungen für eine Bioreso...
  • BFH 21.2.2018, SIS 18 06 21, Krankheits- und Beerdigungskosten als außergewöhnliche Belastung, Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Bel...
  • BFH 5.10.2017, SIS 17 22 63, Aufwendungen für IVF einer in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebenden unfruchtbaren Frau als ...
  • BFH 5.10.2017, SIS 17 22 74, Aufwendungen für IVF einer in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebenden unfruchtbaren Frau als ...
  • BFH 17.5.2017, SIS 17 14 51, Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung nach der ICSI-Methode als außergewöhnliche Belastungen: 1. A...
  • BFH 25.4.2017, SIS 17 12 81, Aufwendungen für ein im Rahmen mehrerer Einkunftsarten genutztes häusliches Arbeitszimmer: Der gemäß § 4 ...
  • FG Düsseldorf 14.3.2017, SIS 17 11 09, Abzug von Schulgeldzahlungen als außergewöhnliche Belastungen: 1. Aufwendungen für den Besuch einer Priva...
  • BFH 19.11.2015, SIS 16 02 52, Aufwendungen für Lerntherapie und Erziehungsberatung eines hochbegabten Kindes keine außergewöhnliche Bel...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 1.10.2014, SIS 15 04 80, Liposuktion (Fettabsaugung) ist keine außergewöhnliche Belastung gem. § 64 Abs. 1 Nr. 2 f. EStDV: Liposuk...
  • Schleswig-Holsteinisches FG 8.7.2014, SIS 14 31 70, Liposuktion (Fettabsaugung) ist keine außergewöhnliche Belastung gem. § 64 Abs. 1 Nr. 2 f. EStDV: Liposuk...
  • FG Rheinland-Pfalz 20.5.2014, SIS 14 20 41, Aufwendungen für eine Brustoperation als außergewöhnliche Belastung: 1. Krankheitskosten werden als außer...
  • FG Hamburg 11.10.2013, SIS 14 02 09, Zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen: Der Wunsch eines mit falschem Name...
  • FG Rheinland-Pfalz 20.9.2013, SIS 14 01 95, Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen, Biophysikalische Informations-The...
  • Sächsisches FG 24.4.2013, SIS 13 31 41, Rückwirkenden Anwendung der Vorschriften zum Nachweis von Krankheitskosten, "Fernreiki", Beerdigungskoste...
  • Sächsisches FG 24.4.2013, SIS 13 29 31, Krankheitskosten, zumutbare Belastung, ärztliche Verordnung, "Fernreiki", häusliches Arbeitszimmer: 1. Da...
  • FG Baden-Württemberg 4.2.2013, SIS 14 12 03, Aufwendungen für die operative Behandlung einer Liposuktion sind keine außergewöhnlichen Belastungen, wen...
  • Hessisches FG 12.12.2012, SIS 13 09 45, Zwangsläufigkeit von Prozess- und Vollstreckungskosten bei der Durchsetzung von Ansprüchen aus wettbewerb...
  • FG Münster 6.9.2011, SIS 11 38 07, Aufwendungen für Kurmaßnahmen als agB, Abgrenzung Kurreise zur Erholungsreise: 1. Die Berücksichtigung vo...
  • BFH 16.12.2010, SIS 11 05 55, Aufwendungen für heterologe künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastungen: Aufwendungen eines E...
Fachaufsätze
  • LIT 02 10 69 H. Haupt, DStR 5/2011 S. 204: Steuerliche Entlastungen bei außergewöhnlichen Belastungen - Anmerkungen zu den BFH-Urteilen vom 2.9.2010...
  • LIT 02 12 18 St. Geserich, NWB 1/2011 S. 20: Immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung - BFH-Urteil vom 2.9.2010, VI R 11/09...
  • LIT 02 13 28 B. Paus, DStZ 5/2011 S. 150: Außergewöhnliche Belastungen: Der zwangsläufige Griff nach dem Strohhalm - Krankheitskosten - kein amtsär...
Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

 

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.

 

 

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr (2006) mit seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau H zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Im August 2006 wurde bei H eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert und bereits am 21.8.2006 eine Bauchoperation zur chirurgischen Entfernung des Tumors und seiner regionären Lymphknotenmetastasen durchgeführt. Im Anschluss an die Operation entschied sich H an Stelle der ihr von dem Krankenhaus angebotenen konventionellen Chemotherapie für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit dem Präparat Ukrain und in Kombination mit einer Sauerstoff-Mehrschritttherapie sowie einer Ozon-Sauerstoffbehandlung. Hierfür zahlten die Eheleute im Veranlagungszeitraum 2006 30.000 EUR an den behandelnden Hausarzt Dr. B - einem Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren.

 

 

3

Ausweislich einer Stellungnahme des B war eine nach internationaler Therapieempfehlung in der Situation der H durchzuführende Kombinationschemotherapie infolge ihres operationsbedingt geschwächten Gesundheitszustandes und einer Tumorkachexie nicht möglich. B bescheinigte der H zudem, dass sich ihr Allgemeinzustand unter der Behandlung zunehmend verbessere und die Durchführung der immunbiologischen Krebsabwehrtherapie weiterhin medizinisch notwendig sei.

 

 

4

Die bei der Krankenkasse beantragte Erstattung der Aufwendungen wurde unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen vom 14.11.2006 abgelehnt. Eine im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegte amtsärztliche Stellungnahme vom 26.6.2007 erläuterte die Situation der H und stellte die kritischen Positionen in der Fachwelt in Bezug auf die durchgeführte Behandlung mit Ukrain kurz dar. Unter Hinweis auf „eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Untersuchungen ..., die den Grundlagen einer wissenschaftlichen Untersuchungsmethode durchaus entsprechen“, kam der Amtsarzt zu folgendem Ergebnis:

 

 

5

„Diese Untersuchungen legen die Möglichkeit sehr nahe, dass Ukrain zukünftig möglicherweise eine interessante Medikation für die Onkologie werden könnte. ... Soweit sich jemand bei fraglicher Effektivität schulmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten auch zur Vermeidung Lebensqualität reduzierender Nebenwirkungen dann für einen alternativ medizinischen Behandlungsweg einer immunbiologischen Krebsabwehrtherapie entscheidet, sehe ich amtsärztlicherseits vergleichbar die Voraussetzungen für die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz als gegeben an.“

 

 

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) lehnte gleichwohl eine Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung sowohl im Einkommensteuerbescheid als auch in der Einspruchsentscheidung ab. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage - nach Einholung eines klinisch-pharmakologischen Sachverständigengutachtens - mit den in EFG 2009, 752 = SIS 09 13 99 veröffentlichten Gründen ab.

 

 

7

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Außerdem sei dem FG mangelnde Sachaufklärung vorzuwerfen.

 

 

8

Der Kläger beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 8.1.2009 11 K 490/07 und die Einspruchsentscheidung vom 19.10.2007 aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie in Höhe von 30.000 EUR als außergewöhnliche Belastung herabzusetzen.

 

 

9

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

 

10

II. 1. Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die streitbefangenen Aufwendungen für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

 

 

11

a) Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

 

 

12

aa) In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof (BFH) davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17.7.1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711 = SIS 81 22 55; vom 13.2.1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427 = SIS 87 12 04, und vom 20.3.1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596 = SIS 87 16 03).

 

 

13

bb) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1.2.2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543 = SIS 01 08 40, und vom 3.12.1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227 = SIS 99 06 03, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543 = SIS 01 08 40). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18.6.1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805 = SIS 98 03 08), also medizinisch indiziert sind.

 

 

14

cc) Vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienen, und solche, die auf einer medizinisch nicht indizierten Behandlung beruhen, zählen hingegen nicht zu den Krankheitskosten. Es handelt sich insoweit vielmehr um Aufwand, der nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entsteht, sondern auf einer freien Willensentschließung beruht und deshalb gemäß § 12 Nr. 1 EStG den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen ist.

 

 

15

dd) Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits fordert der BFH seit dem Urteil vom 14.2.1980 VI R 218/77 (BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295 = SIS 80 01 59, betr. Badekur auf Ibiza) in ständiger Rechtsprechung regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Aufwendung erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711 = SIS 81 22 55, betr. Frischzellenbehandlung; vom 11.1.1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386 = SIS 91 14 06, betr. Frischzellenbehandlung und rezeptfreie Arzneimittel; vom 11.12.1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275 = SIS 88 05 07, betr. Heilkur; in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427 = SIS 87 12 04, betr. Gruppensitzung bei den Anonymen Alkoholikern; in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543 = SIS 01 08 40, betr. Ayur-Veda-Behandlung; BFH-Beschluss vom 15.11.2007 III B 205/06, BFH/NV 2008, 368 = SIS 08 11 24, betr. Delfintherapie). Auch bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH diesen formalisierten Nachweis (beispielsweise BFH-Urteile vom 9.8.1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920 = SIS 91 21 02, betr. Bett mit motorgetriebener Oberkörperaufrichtung; vom 9.8.2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240 = SIS 02 02 17, betr. Asbestsanierung der Außenfassade eines Wohnhauses; vom 23.5.2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592 = SIS 02 85 77, betr. Neuanschaffung von Mobiliar wegen Formaldehydemission; vom 21.4.2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602 = SIS 05 30 39, betr. Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Wohngruppe; vom 15.3.2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841 = SIS 07 32 08, betr. Beseitigung von Birken; BFH-Beschlüsse vom 10.12.2004 III B 56/04, juris, betr. Asbestbeseitigung; vom 24.11.2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438 = SIS 07 06 86, betr. Aufwendungen für Fettabsaugung).

 

 

16

ee) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob an diesem formalisierten Nachweisverlangen stets festzuhalten ist.

 

 

17

Denn im Streitfall geht es ersichtlich nicht um die Abgrenzung echter Krankheitskosten von nur allgemein gesundheitsfördernden oder vorbeugenden Maßnahmen. Vielmehr ist die schwerwiegende Erkrankung der zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau des Klägers völlig unstreitig (vgl. insoweit BFH-Beschluss vom 15.11.1999 III B 76/99, BFH/NV 2000, 697 = SIS 00 55 20). Auch liegt die in Frage stehende immunbiologische Krebsabwehrtherapie nicht auf der Ebene von Geister- oder Wunderheilern; Fälle, in denen die Rechtsprechung einen zielgerichteten Eingriff zur Heilbehandlung verneint hat (vgl. BFH-Urteil vom 18.4.1990 III R 38/86, BFH/NV 1991, 27 = SIS 90 24 05, m.w.N.). Es handelt sich vielmehr um eine gezielte therapeutische Maßnahme, die durch eine gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassene Person, einen Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren, durchgeführt worden ist.

 

 

18

ff) Ebenfalls offenlassen kann der Senat im Streitfall, ob bei Behandlungen mit wissenschaftlich umstrittenen Methoden der Nachweis der medizinischen Indikation durch eine amts- oder vertrauensärztliche Begutachtung unerlässlich ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 368 = SIS 08 11 24).

 

 

19

Denn in Fällen wie dem vorliegenden stellt sich jedenfalls die Frage nach der objektiven Eignung einer medizinischen Maßnahme zur Heilung oder Linderung der Krankheit nicht mehr.

 

 

20

Leidet der Steuerpflichtige - wie hier die Ehefrau des Klägers - so schwer an einer Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung, die soweit fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht, wird diese letzte Lebensphase von dem Konflikt zwischen der schicksalhaften Realität, dem Wunsch nach Heilung und der Hoffnung des Patienten, seine eigene Erkrankung möge prinzipiell anders verlaufen als nach den statistisch gewonnenen Erfahrungen zu erwarten ist, geprägt. In dieser notstandsähnlichen Situation erwachsen Patienten, die mit den heute verfügbaren schulmedizinischen Verfahren nicht oder nicht mehr zu heilen sind, auch Aufwendungen für Maßnahmen, denen es objektiv an der Eignung zur Heilung oder Linderung der Krankheit mangeln mag, tatsächlich zwangsläufig. Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige die notstandsähnliche Zwangslage zwischen Realität und Wunsch nach Heilung durch Kontakte mit ärztlichen Außenseitern zu lösen sucht und sich - nach intensiver Beratung über palliative Behandlungsmöglichkeiten - für eine aus schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Sicht nicht anerkannte Heilmethode entscheidet. Nicht die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme begründet in diesen Fällen die tatsächliche Zwangsläufigkeit, sondern die Ausweglosigkeit der Lebenssituation, die den „Griff nach jedem Strohhalm“ gebietet.

 

 

21

gg) Ihre Grenzen findet die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Außenseitermethoden nach § 33 EStG allerdings, wenn Maßnahmen - anders als im Streitfall - von Personen vorgenommen werden, die nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassen sind (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 697 = SIS 00 55 20; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, - HHR -, § 33 EStG Rz 93, m.w.N.).

 

 

22

Damit sind die streitgegenständlichen Aufwendungen für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

 

 

23

b) Wer von den Ehegatten diese der Klägerin aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstandenen Kosten wirtschaftlich getragen hat, ist für den Abzug als außergewöhnliche Belastung bei Ehegatten, die - wie vorliegend - zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind, ohne Bedeutung. Denn nach § 26b EStG werden die Eheleute insoweit gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (sog. Einheitsgedanke, HHR/Kanzler, § 33 EStG Rz 21; Seiler in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 26b Rz 8; Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26b Rz B 76).

 

 

24

2. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 ist deshalb dahingehend zu ändern, dass bei der Einkommensteuerfestsetzung weitere Aufwendungen in Höhe von 30.000 EUR als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Neuberechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).

 

 

 

Anmerkung RiBFH i.R. Dr. Dürr

Mit dieser Entscheidung anerkennt der BFH erstmals Aufwendungen für eine medizinische Außenseitermethode. Es bleibt allerdings dabei, dass Scharlatanmethoden (Geisterheiler, Wunderheiler u.ä.) nicht zu außergewöhnliche Belastungen führen können (BFH, Urt. v. 18.4.1990, III R 38/86 = SIS 90 24 05, BFH/NV 1991, 27). Außerdem muss die Maßnahme von einer zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person durchgeführt werden. Die Entscheidung weist in die Richtung, Aufwendungen in einer notstandsähnlichen oder ausweglosen Lebenssituation auch unabhängig von einer Krankheit als zwangsläufig anzuerkennen. Ergänzend sei auf die BFH-Urteile v. 11.11.2010, VI R 16/09 = SIS 11 01 53 (BFH/NV 2011, 501, betr. Möbelanschaffungen) und VI R 17/09 = SIS 11 01 54 (BFH/NV 2011, 503, betr. Legastheniebehandlung) hingewiesen. Der BFH hält nicht mehr an der Erfordernis fest, dass bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen nur dann als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen sind, wenn die medizinische Indikation der Behandlung durch ein amts- oder vertrauensärztliches Attest nachgewiesen wird.