Gewinnermittlungsart, zeitliche Grenze der Wahlfreiheit: Das Recht zur Wahl einer Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung entfällt erst mit der Erstellung eines Abschlusses und nicht bereits mit der Einrichtung einer Buchführung oder der Aufstellung einer Eröffnungsbilanz. - Urt.; BFH 19.3.2009, IV R 57/07; SIS 09 19 42
I. Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR. Sie erwarb mit
notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 23.10.1997 das bebaute
Grundstück A in H. Die Anschaffungskosten einschließlich
der Anschaffungsnebenkosten betrugen 17.556.188 DM.
Die Klägerin vermietete das
Grundstück in den Jahren 1998 (Streitjahr) bis 2001 an die
A-GmbH. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26.12.2001 verkaufte
sie das Grundstück an den Geschäftsführer der
Mieterin. Besitz, Nutzungen und Gefahr gingen zum Beginn des
31.12.2001 auf den Käufer über. Der Kaufpreis betrug
21.500.000 DM. Er wurde in einem Nachtrag zum Kaufvertrag vom
25.4.2002 auf 10.722.775 EUR herabgesetzt.
Die Klägerin ging ursprünglich
davon aus, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu
erzielen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -
) folgte dieser Auffassung zunächst und stellte für das
Streitjahr Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in
Höhe von –843.489 DM gesondert und einheitlich fest. Der
Feststellungsbescheid erging unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung.
Im Anschluss an eine bei der Klägerin
durchgeführte Außenprüfung vertrat das FA jedoch
die Auffassung, die Klägerin habe keine Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung erzielt, sondern einen gewerblichen
Grundstückshandel betrieben. Den für das Streitjahr
anzusetzenden Gewinn schätzte das FA nach den Grundsätzen
des Betriebsvermögensvergleichs gemäß § 4 Abs.
1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Den Einspruch der Klägerin, mit dem
sie sich nur gegen die Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 1
EStG anstelle der von ihr begehrten Gewinnermittlung nach § 4
Abs. 3 EStG wandte, wies das FA als unbegründet zurück.
Auch die Klage hatte aus den in EFG 2008, 783 = SIS 08 18 29
veröffentlichten Gründen keinen Erfolg.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 1998
vom 10.9.2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10.5.2005
dahin zu ändern, dass Einkünfte aus Gewerbebetrieb in
Höhe von -17.891.011 DM festgestellt werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht (FG) zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Die vom FG festgestellten Tatsachen tragen
nicht dessen Entscheidung, dass der Gewinn des Streitjahres nach
den Grundsätzen des Betriebsvermögensvergleichs
gemäß § 4 Abs. 1 EStG zu schätzen sei.
1. Der Senat kann nicht mehr nachprüfen,
ob die Klägerin einen Gewerbebetrieb als gewerbliche
Grundstückshändlerin unterhielt. Die Qualifizierung der
Einkunftsart als gewerbliche Einkünfte stellt im Rahmen einer
gesonderten und einheitlichen Feststellung eine verfahrensrechtlich
selbständige Besteuerungsgrundlage dar (Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18.8.1992 VIII R 22/91, BFH/NV 1993,
225, m.w.N.), die mangels eines auch insoweit eingelegten
Rechtsbehelfs bestandskräftig geworden ist.
2. Gewinn ist der um Entnahmen und Einlagen
korrigierte Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen
am Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am
Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres (§ 4 Abs. 1 Satz
1 EStG). Ein gewisser Personenkreis kann unter den in § 4 Abs.
3 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen anstelle des durch
Bestandsvergleich ermittelten Gewinns allerdings auch den
Überschuss der Betriebseinnahmen über die
Betriebsausgaben ansetzen (Einnahme-Überschussrechnung).
Hiernach sind zur Gewinnermittlung durch
Einnahme-Überschussrechnung Steuerpflichtige berechtigt, die
nicht aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet sind,
Bücher zu führen und regelmäßig
Abschlüsse zu machen, und die auch keine Bücher
führen und keine Abschlüsse machen.
a) Aus Wortlaut und Systematik dieser
gesetzlichen Regelung folgt nach ständiger Rechtsprechung des
BFH (Urteile vom 2.3.1978 IV R 45/73, BFHE 125, 45, BStBl II 1978,
431 = SIS 78 02 42; vom 30.9.1980 VIII R 201/78, BFHE 132, 228,
BStBl II 1981, 301 = SIS 81 12 12; vom 8.3.1989 X R 9/86, BFHE 156,
443, BStBl II 1989, 714 = SIS 89 13 25; vom 13.10.1989 III R 31/85,
BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287 = SIS 90 06 07, und vom 9.2.1999
VIII R 49/97, BFH/NV 1999, 1195 = SIS 99 50 13) und der im
Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (Bergkemper in
Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 550; Weber-Grellet, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz D 32; Steinhauff
in Bordewin/Brandt, § 4 EStG Rz 1224; Frotscher in Frotscher,
EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 4 Rz 15; Korn in Korn,
§ 4 EStG Rz 493; Mathiak, DStR 1990, 255), dass die
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG die Regel ist. Daran ist
trotz der im Schrifttum teilweise erhobenen Einwände (z.B.
HHR/Kanzler, Vor §§ 4 bis 7 EStG Rz 13; ders., FR 1998,
233, 245; Drüen, DStR 1999, 1589, 1594) festzuhalten. Denn
gemäß § 4 Abs. 1 EStG „ist“
Gewinn der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am
Schluss des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am
Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres. Demgegenüber
„können“ nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG
Steuerpflichtige als Gewinn den Überschuss der
Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben ansetzen. Es kommt
hinzu, dass Steuerpflichtige die Gewinnermittlung nach § 4
Abs. 3 EStG nicht frei wählen können. Vielmehr ist die
Einnahme-Überschussrechnung nur unter den im Gesetz im
Einzelnen bestimmten Voraussetzungen zulässig. Dies spricht
auch in systematischer Hinsicht für den
Betriebsvermögensvergleich als Grundform der
Gewinnermittlung.
Das zuvor Dargelegte bedeutet allerdings
nicht, dass die Gewinnermittlungsarten in einem Über- und
Unterordnungsverhältnis zueinander stünden. Vielmehr sind
Bestandsvergleich und Einnahme-Überschussrechnung zwei
unterschiedliche, aber grundsätzlich gleichwertige
Gewinnermittlungsmethoden (HHR/ Bergkemper, § 4 EStG Rz 504;
Weber-Grellet, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, a.a.O., §
4 Rz D 3; Segebrecht, Die Einnahmen-Überschussrechnung nach
§ 4 Abs. 3 EStG, 11. Aufl., Rz 3). Die Gewinnermittlung durch
Betriebsvermögensvergleich als Grundform hat vielmehr nur
Bedeutung für die Frage, nach welcher Methode der Gewinn zu
ermitteln ist, wenn der Steuerpflichtige keine (wirksame) Wahl
für die eine oder andere Gewinnermittlungsart getroffen hat
(vgl. Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 133). In einem solchen
Fall bleibt es bei der Grundform des § 4 Abs. 1 EStG, also bei
der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich
(BFH-Urteile in BFHE 132, 228, BStBl II 1981, 301 = SIS 81 12 12;
in BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287 = SIS 90 06 07, und vom
12.10.1994 X R 192/93, BFH/NV 1995, 587 = SIS 95 09 27).
b) Nach dieser Rechtslage haben nicht
buchführungspflichtige Steuerpflichtige, die auch freiwillig
keine Bücher führen und keine Abschlüsse machen, das
Recht, zwischen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und
nach § 4 Abs. 3 EStG zu wählen.
aa) Ein nicht buchführungspflichtiger
Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch
Bestandsvergleich - wie in § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG
ausdrücklich angesprochen - erst dann wirksam ausgeübt,
wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine
kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von
Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht (BFH-Urteile vom 19.10.2005
XI R 4/04, BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509 = SIS 06 02 11; vom
9.11.2000 IV R 18/00, BFHE 193, 436, BStBl II 2001, 102 = SIS 01 04 16; in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431 = SIS 78 02 42, und vom
2.3.2006 IV R 32/04, BFH/NV 2006, 1457 = SIS 06 30 41;
BFH-Beschlüsse vom 9.12.2003 IV B 68/02, BFH/NV 2004, 633 =
SIS 04 17 64, und vom 8.9.2005 IV B 107/04, BFH/NV 2006, 276 = SIS 06 07 67). Maßgeblich ist die tatsächliche Handhabung
der Gewinnermittlung (BFH-Urteil in BFHE 193, 436, BStBl II 2001,
102 = SIS 01 04 16, unter 2.a der Gründe).
bb) Hat der Steuerpflichtige demgegenüber
nur die Betriebseinnahmen und die Betriebsausgaben aufgezeichnet,
so hat er aufgrund dieser tatsächlichen Handhabung sein
Wahlrecht im Sinne einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
ausgeübt (BFH-Urteile in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431 =
SIS 78 02 42, und in BFH/NV 1999, 1195 = SIS 99 50 13). An die
Dokumentation der Wahl zugunsten der
Einnahme-Überschussrechnung sind dabei keine hohen
Anforderungen zu stellen. Schon das Erstellen und Sammeln der
Einnahmen- und Ausgabenbelege reicht aus; denn diese Belege
können bei Erfüllung nur geringer zusätzlicher
Voraussetzungen (insbesondere bei vollständiger und zeitlich
fortlaufender Ablage, verbunden mit einer regelmäßigen
Summenziehung) die Funktion von Grundaufzeichnungen
übernehmen. Fehlt es allerdings auch daran, kann nicht davon
ausgegangen werden, dass der Steuerpflichtige eine Wahl zugunsten
der Überschussrechnung getroffen hat (BFH-Urteile in BFHE 159,
123, BStBl II 1990, 287 = SIS 90 06 07, und in BFH/NV 1995, 587 =
SIS 95 09 27). Zwar macht § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG die
Ausübung des Wahlrechts nicht von irgendwelchen
Dokumentationen abhängig (BFH-Urteil vom 15.4.1999 IV R 68/98,
BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481 = SIS 99 15 39). Die Frage nach
der Wahl der Gewinnermittlungsart darf auch nicht mit der nach der
Ordnungsmäßigkeit der Gewinnermittlung verwechselt
werden. Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erfordert
aber, dass die zur Wahl berechtigten Steuerpflichtigen als Gewinn
den Überschuss der Betriebseinnahmen über die
Betriebsausgaben „ansetzen“. Soll dieses
„Ansetzen“ nicht nur ein
„Schätzen“ sein, müssen die
Steuerpflichtigen für die Wahl der
Einnahme-Überschussrechnung folglich jedenfalls gewisse
Mindestanforderungen wie das Sammeln bzw. Erstellen von Einnahmen-
und Ausgabenbelegen erfüllen. Vor allem aber sind gewerblich
tätige Steuerpflichtige - wie auch die Klägerin im
Streitfall - nach § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG)
regelmäßig verpflichtet, bestimmte Aufzeichnungen
über (vereinbarte bzw. vereinnahmte) Entgelte für
ausgeführte (bzw. noch nicht ausgeführte) Leistungen und
über Entgelte für (steuerpflichtige) Leistungen, die an
sie für ihr Unternehmen ausgeführt worden sind, zu
führen. § 22 UStG wirkt auch für die Einkommensteuer
(BFH-Urteile in BFHE 188, 291, BStBl II 1999, 481 = SIS 99 15 39,
und vom 11.8.1992 VII R 90/91, BFH/NV 1993, 346, m.w.N.).
3. Im Streitfall war die Klägerin auf der
Grundlage der nicht angegriffenen und den Senat daher bindenden
tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO)
gesetzlich (§§ 140, 141 der Abgabenordnung - AO - ) nicht
verpflichtet, Bücher zu führen; sie hat auch freiwillig
weder Bücher geführt noch Abschlüsse gemacht. Ihr
stand deshalb grundsätzlich das Wahlrecht zu, den Gewinn durch
Vermögensvergleich oder durch Einnahme-Überschussrechnung
zu ermitteln.
Nach den oben dargelegten Maßstäben
hat die Klägerin ihr Wahlrecht im Streitfall nicht zugunsten
des Betriebsvermögensvergleichs nach § 4 Abs. 1 EStG
ausgeübt. Denn sie hat keine Eröffnungsbilanz
aufgestellt, keine kaufmännische Buchführung eingerichtet
und keinen Abschluss gemacht.
Ob die Klägerin wirksam die
Gewinnermittlung durch Einnahme-Überschussrechnung
gewählt hat, kann der Senat auf der Grundlage der
tatsächlichen Feststellungen des FG nicht abschließend
beurteilen.
a) Die Klägerin hat für das
Streitjahr in ihrer Erklärung zur gesonderten und
einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die
Einkommensbesteuerung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
erklärt. Sie hat dementsprechend mit der
Feststellungserklärung auch keine Gewinnermittlung nach §
4 Abs. 3 EStG, sondern eine Einnahme-Überschussrechnung zur
Ermittlung der Einkünfte gemäß § 21 EStG
vorgelegt. Selbst wenn die Klägerin - was das FG von seinem
Standpunkt aus zu Recht nicht festgestellt hat - zur Ermittlung der
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Einnahmen (§
8 EStG) und die Werbungskosten (§ 9 EStG) aufgezeichnet oder
zumindest die Einnahmen- und Ausgabenbelege erstellt bzw. gesammelt
hätte, reichte dies allein zur Ausübung des Wahlrechts
zugunsten der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht
aus.
Zwar gehört zu den tatbestandlichen
Voraussetzungen für die Ausübung des nach § 4 Abs. 3
Satz 1 EStG eingeräumten Wahlrechts weder die Kenntnis aller
steuerlichen Folgen der einmal getroffenen Wahl noch das
Bewusstsein, überhaupt eine Wahl zu treffen (BFH-Urteil vom
29.8.1985 IV R 111/83, BFH/NV 1986, 158). Derjenige, der keinen
Gewinn ermitteln will, hat nach ständiger Rechtsprechung des
BFH aber auch (durch schlüssiges Verhalten) keine Wahl
zwischen den Gewinnermittlungsarten getroffen (BFH-Urteile in BFHE
132, 228, BStBl II 1981, 301 = SIS 81 12 12; in BFHE 156, 443, 445,
BStBl II 1989, 714, 715 = SIS 89 13 25; in BFH/NV 1986, 158; vom
11.12.1987 III R 204/84, BFH/NV 1988, 296 = SIS 88 11 15; vom
20.5.1988 III R 217/84, BFH/NV 1990, 17, 18 = SIS 88 24 11; in
BFH/NV 1993, 346, 348; vom 1.10.1996 VIII R 40/94, BFH/NV 1997, 403
= SIS 97 11 26, und in BFH/NV 1999, 1195 = SIS 99 50 13). An dieser
Rechtsprechung ist festzuhalten. Denn fehlt es am Willen, Gewinn zu
ermitteln, ist eine Wahl zwischen verschiedenen
Gewinnermittlungsarten nicht denkbar (BFH-Urteil in BFHE 132, 228,
BStBl II 1981, 301 = SIS 81 12 12).
Auch wenn man - wie die Klägerin im
Anschluss an eine im Schrifttum vertretene Auffassung (z.B.
Drüen, DStR 1999, 1589, 1593) - das
„Wahlrecht“ zur Überschussrechnung nach
§ 4 Abs. 3 Satz 1 EStG als ein auf der Tatbestandsebene
angesiedeltes Gestaltungsrecht ansieht, ergibt sich im Ergebnis
nichts anderes. Soweit hiernach allein die Art der Aufzeichnungen
die Art der Gewinnermittlung bestimmt, fehlt es an der Aufzeichnung
der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben bei
Steuerpflichtigen, die keinen Gewinn, sondern
Überschusseinkünfte ermitteln (wollen). Denn solche
Steuerpflichtigen zeichnen - wenn überhaupt - Einnahmen
(§ 8 EStG) und Werbungskosten (§ 9 EStG) auf. Sollen
Aufzeichnungen (oder Belegsammlungen) über Einnahmen und
Werbungskosten die Wahl einer Gewinnermittlungsart dokumentieren,
bedarf es daher insoweit ebenfalls einer entsprechenden (auch
konkludenten) Willensäußerung des Steuerpflichtigen.
Andernfalls würde durch die bei der Ermittlung der
Überschusseinkünfte allein in Betracht kommende
Aufzeichnung der Einnahmen und Werbungskosten die Wahl der
Einnahme-Überschussrechnung - ggf. auch zu Lasten des
Steuerpflichtigen - unterstellt. Dem Steuerpflichtigen kann es aber
durchaus gelegen sein, wenn sein Gewinn nicht gemäß
§ 4 Abs. 3 EStG ermittelt, sondern nach Maßgabe von
§ 4 Abs. 1 EStG geschätzt wird.
b) Hat die Klägerin hiernach
(zunächst) weder die Gewinnermittlung durch
Betriebsvermögensvergleich noch durch
Einnahme-Überschussrechnung gewählt, steht damit indessen
noch nicht fest, dass sie ihr Wahlrecht nicht auch noch
nachträglich wirksam ausüben konnte.
Der BFH hat in seiner neueren Rechtsprechung
hervorgehoben, dass das Wahlrecht zwischen der Gewinnermittlung
nach § 4 Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 3 EStG nicht
buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen prinzipiell
unbefristet zusteht (BFH-Urteil in BFHE 211, 262, BStBl II 2006,
509 = SIS 06 02 11). Formal wird das Wahlrecht hiernach allein
durch die Bestandskraft der Steuerfestsetzung bzw. Feststellung
begrenzt. Dies entspricht im Ergebnis auch der im Schrifttum
überwiegend vertretenen Auffassung (z.B. HHR/Bergkemper,
§ 4 EStG Rz 552; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 134 ff.;
Frotscher in Frotscher, a.a.O., § 4 Rz 19; Korn in Korn,
§ 4 EStG Rz 500; Kanzler, FR 1998, 233, 245; Drüen, DStR
1999, 1589; Drüen/Krumm, FR 2004, 685; Hofer, DStR 2000, 1635;
Schoor, Steuern und Bilanzen - StuB - 2005, 341; ders., DStZ 2006,
683; Gluth, Der Einfluss von Wahlrechten auf die Entstehung des
Steueranspruchs, 1997, S. 24 ff.).
Der erkennende Senat tritt der in dem
BFH-Urteil in BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509 = SIS 06 02 11 vom
XI. Senat vertretenen Ansicht bei. Das Gesetz bestimmt an keiner
Stelle eine Frist für die Ausübung des Wahlrechts
(HHR/Bergkemper, § 4 EStG Rz 549, 552; Offerhaus, BB 1977,
1493, 1495). Auch der Wortlaut des § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG
spricht für die hier vertretene Auffassung. Denn danach
entfällt für nicht buchführungspflichtige
Steuerpflichtige das Wahlrecht zur Gewinnermittlung nach § 4
Abs. 3 EStG erst mit der Erstellung des Abschlusses, nicht hingegen
bereits mit der Einrichtung der Buchführung (vgl. BFH-Urteile
in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431 = SIS 78 02 42; in BFHE 193,
436, BStBl II 2001, 102 = SIS 01 04 16; in BFHE 211, 262, BStBl II
2006, 509 = SIS 06 02 11, und in BFH/NV 2006, 1457 = SIS 06 30 41).
Den Abschluss erstellt der Steuerpflichtige jedoch erst nach Ablauf
des Gewinnermittlungszeitraums. Daraus folgt, dass die Wahl
zwischen den Gewinnermittlungsarten auch erst durch den Abschluss
und folglich nicht bereits zu Beginn des Wirtschaftsjahres
ausgeübt wird (Drüen, DStR 1999, 1589, 1592; Gluth, Der
Einfluss von Wahlrechten auf die Entstehung des Steueranspruchs,
1997, S. 25).
Dem mit der Einnahme-Überschussrechnung
verfolgten Vereinfachungszweck (vgl. dazu BFH-Urteil vom 24.11.1959
I 47/58 U, BFHE 70, 499, BStBl III 1960, 188 = SIS 60 01 11;
Segebrecht, Die Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4
Abs. 3 EStG, 11. Aufl., Rz 1) wird diese Auffassung ebenfalls
gerecht. Denn der Steuerpflichtige kann durch die Wahl der
Einnahme-Überschussrechnung auf die Erstellung des Abschlusses
verzichten, selbst wenn er zuvor schon eine Buchführung
eingerichtet hat (HHR/ Bergkemper, § 4 EStG Rz 552). Für
das Finanzamt ist insoweit nur von Bedeutung, dass es nach der Wahl
der Einnahme-Überschussrechnung durch den Steuerpflichtigen
diese auch erhält. Es kommt hinzu, dass die Verwendung der
elektronischen Datenverarbeitung (EDV) eine Angleichung der
Buchführung bei den beiden Gewinnermittlungsarten bewirkt hat.
Vielfach kann durch entsprechende Schlüsselung bei Abschluss
der Buchführung sowohl ein Bestandsvergleich als auch eine
Überschussrechnung entwickelt werden.
c) Die formale Beschränkung der
Ausübung des Wahlrechts durch die Bestandskraft der
Steuerfestsetzung bedeutet indessen nicht, dass der
Steuerpflichtige die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten stets
solange treffen darf, wie sich ihr Ergebnis steuerlich auswirken
kann. Denn das Wahlrecht wird in materiell-rechtlicher Hinsicht
auch durch die in § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten
Voraussetzungen beschränkt. So kommt die Wahl der
Überschussrechnung nach Erstellung des Abschlusses nicht mehr
in Betracht (BFH-Urteile in BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509 = SIS 06 02 11, und in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431 = SIS 78 02 42).
Ebenso scheidet die Wahl der Gewinnermittlung durch
Bestandsvergleich aus, wenn der Steuerpflichtige nicht zeitnah zu
Beginn des Gewinnermittlungszeitraums eine Eröffnungsbilanz
aufgestellt und eine kaufmännische Buchführung
eingerichtet hat (BFH-Urteile in BFHE 211, 262, BStBl II 2006, 509
= SIS 06 02 11, und in BFHE 125, 45, BStBl II 1978, 431 = SIS 78 02 42; HHR/Bergkemper, § 4 EStG Rz 552; Drüen, DStR 1999,
1589, 1592). Die Wahl zwischen den Gewinnermittlungsarten kann
außerdem durch die Bindung des Steuerpflichtigen an eine
für ein vorangegangenes Wirtschaftsjahr bereits getroffene
Wahl ausgeschlossen sein (vgl. BFH-Urteil in BFHE 193, 436, BStBl
II 2001, 102 = SIS 01 04 16).
d) Im Streitfall hat die Klägerin nach
den Feststellungen des FG vor Bestandskraft des gesonderten und
einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheids jedenfalls im
Einspruchsverfahren die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
begehrt. Die Klägerin konnte - wie oben dargelegt - zu diesem
Zeitpunkt ihr Wahlrecht zugunsten der
Einnahme-Überschussrechnung formal noch ausüben. Da das
FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein
Urteil aufzuheben.
4. Die nicht spruchreife Sache ist an das FG
zurückzuverweisen. Das FG wird im zweiten Rechtsgang zu
untersuchen haben, ob die Klägerin zumindest die
Minimalanforderungen für eine Überschussrechnung nach
§ 4 Abs. 3 EStG erfüllt hat. Hierfür kann im
Streitfall die von der Klägerin mit der
Feststellungserklärung eingereichte Überschussrechnung
hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
sprechen, wenn die Klägerin die Einnahmen und Ausgaben
aufgezeichnet oder zumindest die Einnahmen- und Ausgabenbelege
erstellt bzw. gesammelt hat. Dabei stünde es der Wahl der
Einnahme-Überschussrechnung nicht entgegen, wenn einzelne
Aufzeichnungen oder Belege fehlen sollten. Denn dies beträfe
nur die Ordnungsmäßigkeit der Gewinnermittlung, nicht
aber die Wahl der Gewinnermittlungsart als solche. Da die
Klägerin nur ein Grundstück gekauft und verkauft hat, ist
im Streitfall auch nicht davon auszugehen, dass die
Zusammenstellung der für die Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung erforderlichen Einnahmen und Ausgaben wegen der
Ausklammerung des Veräußerungsgewinns ungeeignet gewesen
wäre, die tatsächlichen Voraussetzungen für die
Ermittlung eines betrieblichen Gewinns zu schaffen. Es kommt hinzu,
dass die Klägerin offenbar, wie dem
Betriebsprüfungsbericht entnommen werden kann, auch die
Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG erfüllt hat. Dies
spricht ebenfalls für das Vorliegen der Minimalanforderungen
einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG.
Allerdings kann der Senat trotz der hiernach
vorliegenden Indizien diese auf tatsächlichem Gebiet liegende
Feststellung im Streitfall nicht selbst treffen, zumal das FA das
Vorhandensein ausreichender Aufzeichnungen ausdrücklich
bestritten hat.
Sofern das FG im zweiten Rechtsgang zu dem
Ergebnis gelangen sollte, dass die Minimalanforderungen an eine
Einnahme-Überschussrechnung erfüllt sind, ist der Gewinn
der Klägerin nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln und -
soweit Betriebseinnahmen bzw. Betriebsausgaben nicht nachgewiesen
werden können - erforderlichenfalls gemäß §
162 AO zu schätzen. Sind die Minimalanforderungen an eine
Einnahme-Überschussrechnung hingegen nicht erfüllt, muss
es bei der vom FA vorgenommenen Schätzung des Gewinns nach
Maßgabe von § 4 Abs. 1 EStG bleiben.
5. Der Senat weicht mit dieser Entscheidung
von den Urteilen des VIII. Senats des BFH in BFH/NV 1997, 403 = SIS 97 11 26 und in BFH/NV 1999, 1195 = SIS 99 50 13 ab. Der VIII.
Senat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er der Abweichung mit der
Folge zustimmt, dass er ebenfalls von der grundsätzlichen
Zulässigkeit einer Ausübung des Wahlrechts zwischen den
Gewinnermittlungsarten nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG bis zur
Bestandskraft der Steuerfestsetzung ausgeht. Eine Abweichung von
der Rechtsprechung des III. und des X. Senats des BFH liegt nicht
vor. Insbesondere ist wegen der nicht vergleichbaren Sachverhalte
keine Abweichung zu dem BFH-Urteil vom 31.8.1994 X R 110/90 (BFH/NV
1995, 390) gegeben. Auf (informatorische) Anfrage des erkennenden
Senats haben aber auch der III. und der X. Senat mitgeteilt, dass
sie der vorliegenden Entscheidung zustimmen.