Luxemburg, Betriebsstätte, Verlust: 1. Verluste einer luxemburgischen Betriebsstätte sind nach Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg im deutschen Stammhaus auch nach Streichung von § 2 a Abs. 3 EStG 1997 a.F. prinzipiell nicht abzugsfähig. Sie werden ebenso wie entsprechende Gewinne von der inländischen Besteuerungsgrundlage ausgenommen. - 2. Ein phasengleicher Verlustabzug kommt abweichend davon nur ausnahmsweise in Betracht, sofern und soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste im Quellenstaat steuerlich unter keinen Umständen anderweitig verwertbar sind (Anschluss an EuGH-Urteil vom 13.12.2005 Rs C-446/03 "Marks and Spencer", EuGHE 2005 I S. 10837 = SIS 06 02 17). (zur Anwendung vgl. BMF-Schreiben vom 13.7.2009, IV B 5 - S 2118-a/07/10004, BStBl 2009 I S. 835 = SIS 09 22 33) - Urt.; BFH 17.7.2008, I R 84/04; SIS 08 35 49
I. Es handelt sich um jenes
Revisionsverfahren, das dem Vorabentscheidungsersuchen des Senats
an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)
durch Beschluss vom 28.6.2006 I R 84/04 (BFHE 214, 270, BStBl II
2006, 861 = SIS 06 41 13) sowie dem anschließenden Urteil des
EuGH vom 15.5.2008 Rs. C-414/06 „Lidl Belgium“ (DStR
2008, 1030 = SIS 08 25 46) zugrunde lag.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG,
betrieb ihre Geschäftstätigkeit - den Handel mit und den
Vertrieb von Waren - in Luxemburg über eine dort belegene
Betriebsstätte und erwirtschaftete hieraus im Streitjahr 1999
einen Verlust von 163.382 DM, den sie bei der Ermittlung des
Gesamtbetrags der Einkünfte abzog. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) lehnte den Verlustabzug
unter Hinweis auf die Freistellung der
Betriebsstätteneinkünfte gemäß Art. 5 Abs. 1
und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung
der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und
Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom
Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern
(DBA-Luxemburg) vom 23.8.1958 (BGBl II 1959, 1270) ab und stellte
dementsprechend den Gewinn der Klägerin auf den 31.12.1999
gesondert und einheitlich fest. Die dagegen gerichtete Klage, die
die Klägerin auf gemeinschafts- und verfassungsrechtliche
Einwendungen stützte, blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG)
Baden-Württemberg wies sie mit Urteil vom 30.6.2004 1 K 312/03
als unbegründet ab. Das Urteil ist in EFG 2004, 1694 = SIS 04 36 45 abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt
sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den
angefochtenen Feststellungsbescheid 1999 dahingehend zu
ändern, dass die Verluste aus der Betriebsstätte in
Luxemburg in die Bemessungsgrundlage der Steuer einbezogen
werden.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
II. Das durch Beschluss des Senats in BFHE
214, 270, BStBl II 2006, 861 = SIS 06 41 13 gemäß §
121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
ausgesetzte Revisionsverfahren wird fortgeführt. Der
Aussetzungsgrund ist entfallen, nachdem der EuGH durch Urteil in
DStR 2008, 1030 = SIS 08 25 46 über die ihm vom Senat durch
jenen Senatsbeschluss in BFHE 214, 270, BStBl II 2006, 861 = SIS 06 41 13 nach Art. 234 Abs. 3 des Vertrages von Nizza zur
Änderung des Vertrages über die Europäische Union,
der Verträge zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften (EG) sowie einiger damit zusammenhängender
Rechtsakte zur Vorabentscheidung vorgelegten Rechtsfragen
entschieden hat.
III. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen bisherige
Feststellungen reichen nicht aus, um abschließend zu
entscheiden.
1. Die von der Klägerin im Streitjahr in
ihrer luxemburgischen Betriebsstätte erwirtschafteten Verluste
sind nach Art. 20 Abs. 2 i.V.m. Art. 5 Abs. 1 DBA-Luxemburg im
Inland steuerfrei und gehen insoweit nicht in die
einkommensteuerrechtliche Bemessungsgrundlage zum Ausgleich
steuerpflichtiger Einkünfte ein. Der Senat nimmt insoweit
Bezug auf seine ständige Rechtsprechung (vgl. zuletzt
Senatsbeschluss vom 11.3.2008 I R 116/04, DStR 2008, 1086 = SIS 08 24 92; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, MA
Art. 23A Rz 57, jew. m.w.N.), an der er jedenfalls für die mit
Luxemburg vereinbarte Abkommenslage festhält.
Denn indem nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1
DBA-Luxemburg ausdrücklich „von der
Bemessungsgrundlage (der) Steuer des Wohnsitzstaates ... die
Einkünfte ... ausgenommen (werden), für die nach den
vorhergehenden Artikeln der andere Staat ein Besteuerungsrecht hat
...“, ist letztlich zweifelsfrei, dass darin nicht nur
positive, sondern auch negative Einkünfte einbezogen sind
(sog. Symmetriethese). Darauf baute auch die (innerstaatliche)
Regelung des § 2a Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1997
(EStG 1997) auf (vgl. Senatsbeschluss vom 13.11.2002 I R 13/02,
BFHE 201, 73, BStBl II 2003, 795 = SIS 03 19 24; Wassermeyer in
Debatin/Wassermeyer, ebenda). Der Umstand, dass § 2a Abs. 3
EStG 1997 durch das Steuerentlastungsgesetz (StEntlG) 1999/
2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) mit
erstmaliger Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1999 an (vgl. §
52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von
steuerlichen Vorschriften - Steuerbereinigungsgesetz [StBereinG]
1999 - vom 22.12.1999, BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) - und
damit für das Streitjahr - ersatzlos gestrichen worden ist,
ändert an der erwähnten zwischenstaatlichen Vereinbarung
nichts. Abgesehen davon ist nicht zu erkennen, dass der (deutsche)
Gesetzgeber mit der Streichung von § 2a Abs. 3 EStG 1997 a.F.
die Grundlage für ein anderweitiges Abkommensverständnis
schaffen wollte. Gründe für die Streichung von § 2a
Abs. 3 EStG 1997 a.F. waren ausweislich der Gesetzesmaterialien
(vgl. BTDrucks 14/23, S. 167) vielmehr - allein - die
Schwierigkeiten, die geltend gemachten Verluste zu dokumentieren
und über viele Zeiträume zu
„kontrollieren“, systematische Bedenken
gegenüber dem erwähnten Umstand, dass abkommensbefreite
Gewinne unberücksichtigt bleiben, Verluste aber angesetzt
werden können, sowie die Überlegung, dass die Verluste
bereits über den Progressionsvorbehalt (vgl. § 32b EStG
1997) hinreichend berücksichtigt seien. Infolgedessen sieht
der Senat nach wie vor keine Veranlassung, sich der
entgegenstehenden Spruchpraxis des österreichischen
Verwaltungsgerichtshofs (Erkenntnis vom 25.9.2001 99/14/0217 E,
IStR 2001, 754) sowie des luxemburgischen tribunal administratif
(Urteil vom 19.1.2005 No. 17.820, s. Winandy, IStR 2005, 594)
anzuschließen und die Verluste der luxemburgischen
Betriebsstätte in die inländische Besteuerung
einzubeziehen.
2. Die so verstandene Abkommensregelung
verstößt im Grundsatz dann nicht gegen die
gemeinschaftsrechtlich verbürgte Grundfreiheit des
Niederlassungsrechts (Art. 43 EG) sowie des Kapitalverkehrs (Art.
56 EG), wenn die Verluste der in dem anderen Mitgliedstaat
belegenen Betriebsstätte bei der Besteuerung der
Einkünfte dieser Betriebsstätte in jenem Mitgliedstaat
für künftige Steuerzeiträume berücksichtigt
werden können. Im Einzelnen verweist der Senat, um
Wiederholungen zu vermeiden, zur Begründung auf das Urteil des
EuGH in DStR 2008, 1030 = SIS 08 25 46.
3. Ein phasengleicher Abzug der (nach
Maßgabe des deutschen Steuerrechts ermittelten)
luxemburgischen Betriebsstättenverluste im Streitjahr kommt in
Einklang mit dem vorzitierten EuGH-Urteil und aufgrund des
prinzipiellen Anwendungsvorrangs gemeinschaftlichen
Primärrechts (und damit der gemeinschaftsrechtlichen
Grundfreiheiten) vor nationalem Recht sonach nur dann in Betracht,
wenn die Klägerin die in Luxemburg für den betreffenden
Besteuerungszeitraum sowie für frühere
Besteuerungszeiträume vorgesehenen Möglichkeiten zur
Berücksichtigung von Verlusten tatsächlich
ausgeschöpft hat, ggf. durch Übertragung dieser Verluste
auf einen Dritten oder ihre Verrechnung mit Gewinnen, die die
Betriebsstätte in früheren Zeiträumen erwirtschaftet
hat, und wenn im Streitjahr keine Möglichkeit besteht, dass
die Verluste der Betriebsstätte in Luxemburg für
künftige Zeiträume von ihr selbst oder von einem Dritten
berücksichtigt werden.
Dazu ist anzumerken, dass in der
mündlichen Verhandlung vor dem EuGH offenbar
„bestätigt“ wurde, dass die Klägerin
die in Rede stehenden Verluste im Jahre 2003, in dem die
luxemburgische Betriebsstätte Gewinne erwirtschaftete,
verrechnen konnte (so Tz. 50 des EuGH-Urteils in DStR 2008, 1030 =
SIS 08 25 46). Für den erkennenden Senat kann diese
„Bestätigung“ jedoch nicht fruchtbar
gemacht werden; sie wurde vom FG als dem für das
Revisionsverfahren maßgeblichen Tatgericht nicht
festgestellt. Es ist dessen Sache, die notwendigen Feststellungen
im 2. Rechtsgang nachzuholen und jene
„Bestätigung“ ggf. zu verifizieren.