Selbstständiger Referent, USt-Pflicht, USt-Freiheit, EU-Recht: 1. Die Durchführung von eintägigen Fortbildungsseminaren der Bundessteuerberaterkammer für Steuerberater durch einen selbständigen Referenten gegen Entgelt ist umsatzsteuerpflichtig. - 2. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 begünstigt nur die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, nicht aber selbständige Referenten, die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen (Anschluss an BFH-Urteil vom 27.8.1998 V R 73/97, BFHE 187 S. 60, BStBl 1999 II S. 376 = SIS 99 04 48). - 3. Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 ist materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung der in dieser Vorschrift bezeichneten Umsätze. Sie ist für denjenigen beizubringen, der sich auf die Steuerbefreiung beruft. - 4. Ein Steuerpflichtiger kann sich nicht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG berufen, wenn er nicht als "andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung" anerkannt ist. - Urt.; BFH 17.4.2008, V R 58/05; SIS 08 27 44
I. Streitig ist, ob eine Tätigkeit als
Referent im Rahmen eintägiger Fortbildungsseminare der
Bundessteuerberaterkammer für Steuerberater umsatzsteuerfrei
ist.
Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger), der habilitiert ist und die Lehrberechtigung
für die Fächer ... hat, war in den Streitjahren (1995 bis
1999) als Rechtsanwalt und Steuerberater tätig; daneben war er
schriftstellerisch tätig und hielt Vorträge. Seine
Umsätze versteuerte er nach vereinnahmten Entgelten.
Der Kläger führte in den
Streitjahren aufgrund von Verträgen mit der
Bundessteuerberaterkammer, in denen er als „Referent“
bezeichnet wurde, eintägige, auf den Teilnehmerkreis der
Steuerberater beschränkte Seminare gegen Vergütung durch.
Als Arbeitsunterlage fertigte der Kläger
vervielfältigungsfähige Manuskripte an und stellte diese
zur Verfügung.
Die Seminare wurden an verschiedenen von
der Bundesteuerberaterkammer und den regionalen
Steuerberaterkammern festgelegten Orten durchgeführt. Die
jeweils ganztägig, d.h. von 9 bis 17 Uhr, durchgeführten
Fortbildungsseminare umfassten regelmäßig acht
„Unterrichtsstunden“ zu je 45 Minuten. Teilnehmer waren
praktizierende Steuerberater. Die Zahl der Teilnehmer war auf
jeweils 40 bis 50 Personen begrenzt.
Das Seminar ... hielt der Kläger in
den Jahren 1995 bis 1997 insgesamt 22 Mal ab, das Seminar ... in
den Jahren 1997 bis 1999 insgesamt 45 Mal.
Der Kläger erhielt für die
Seminare ein „Pauschalhonorar“ in Höhe von ... DM
bzw. ... DM je Veranstaltung sowie darüber hinaus 15 DM pro
Teilnehmer eines Seminars für das Manuskript. Bezüglich
der Vergütung wurde vereinbart, dass mangels
Vorsteuerabzugsberechtigung der Bundessteuerberaterkammer eine ggf.
anfallende Umsatzsteuer in den genannten Beträgen enthalten
sei.
Am 1.2.2000 erteilte die Bezirksregierung
der Bundessteuerberaterkammer eine Bescheinigung nach § 4 Nr.
21 Buchst. a, bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die wie folgt
lautet:
|
„... Ihrer Einrichtung wird zur
Vorlage bei dem zuständigen Finanzamt bescheinigt, dass
folgende berufliche Bildungsmaßnahme/n im Sinne des § 4
Nr. 21 a), bb) Umsatzsteuergesetz ordnungsgemäß
durchgeführt wird/werden:
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- ...
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- ...
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Diese Bescheinigung wird auf Widerruf
erteilt und darf nicht für Werbezwecke verwendet werden. Sie
gilt rückwirkend ab 1987.“
|
In seinen Umsatzsteuererklärungen
für die Streitjahre 1995 bis 1999 behandelte der Kläger
die aufgrund seiner Referententätigkeit erbrachten Leistungen
als gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993
steuerfrei.
Im Anschluss an eine
Umsatzsteuersonderprüfung setzte der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA - ) mit geänderten
Umsatzsteuerbescheiden für die Streitjahre 1995 bis 1999
Umsatzsteuer für die erbrachten Referentenleistungen fest.
Dabei wandte das FA den ermäßigten Steuersatz nach
§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG 1993/1999 an, soweit der
Kläger Entgelte vereinnahmte, die auf die Manuskripte
entfielen.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab
das Finanzgericht (FG) mit seinem in EFG 2005, 1807 = SIS 05 46 54
veröffentlichten Urteil der Klage im Hauptantrag statt. Es
entschied, die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre
1995 bis 1997 sowie 1998 und 1999 in der Fassung der während
des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheide vom
22.7.2005 für 1998 und 1999 seien rechtswidrig, da das FA die
vom Kläger im Rahmen der von der Bundessteuerberaterkammer
veranstalteten Fortbildungsseminare erbrachten Referentenleistungen
zu Unrecht besteuert habe. Die Leistungen seien nach Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.5.1977
zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) von
der Umsatzsteuer befreit.
Über den Hilfsantrag des Klägers,
in Anwendung der allgemeinen Billigkeitsregelung in Abschn. 112a
der Umsatzsteuer-Richtlinien 1992 und 1996 (UStR 1992 und 1996)
entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre zu
erlassen, entschied das FG deshalb nicht.
Mit seiner Revision rügt das FA
Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993,
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG).
Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben
und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Hilfsweise regt der Kläger an, dem
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)
gemäß Art. 234 des Vertrages zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft (EG) die Frage vorzulegen, ob der
Begriff „Schul- und Hochschulunterricht“ in Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG auch die
berufliche Fortbildung umfasst.
Er trägt im Wesentlichen vor, aus Art.
13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/EWG folge,
dass neben dem Schul- und Hochschulunterricht auch die Ausbildung,
Fortbildung und berufliche Umschulung befreit seien. Schul- und
Hochschulunterricht solle Bildung vermitteln. Zur Bildung
gehöre auch die Aus- und Fortbildung. Aus- und Fortbildung in
Form des Schul- oder Hochschulunterrichts sei auch dann steuerfrei,
wenn sie durch einen Privatlehrer und nicht von einer Einrichtung
i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG
ausgeführt werde. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der
Richtlinie 77/388/EWG erfasse nicht nur den von Privatlehrern an
Schulen und Hochschulen erteilten Unterricht, sondern auch den
Unterricht, der gemessen an seinen wissenschaftlichen und
didaktischen Anforderungen dem Unterricht entspreche, der
üblicherweise an einer Schule oder Hochschule erteilt werde.
Es sei allgemein bekannt, dass Hochschulen in Deutschland und in
anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Kenntnisse im
Rahmen der berufsbegleitenden Fortbildung vermittelten. Der
Gemeinschaftsgesetzgeber rechne den Schul- und Hochschulunterricht
zu den Tätigkeiten, die dem Gemeinwohl dienten. Dem Gemeinwohl
diene nicht nur die Erstausbildung, sondern auch die Fort- und
Weiterbildung.
Die Bundesteuerberaterkammer unterhalte
eine (Hoch-)Schule. Zumindest habe aber sein, des Klägers,
Unterricht dem Unterricht entsprochen, der üblicherweise an
einer Schule oder Hochschule erteilt werde.
Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1777/2005
(VO Nr. 1777/2005) des Rates vom 17.10.2005 zur Festlegung von
Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 77/388/EWG (Amtsblatt
der Europäischen Union Nr. L 288/1) konkretisiere mittelbar
die Begriffe Schule und Hochschule. Dieser Artikel sei die
schriftliche Fixierung dessen, was schon immer bei der Auslegung
des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG zu
beachten gewesen sei. Voraussetzung einer (Hoch-)Schule sei nicht,
dass bestimmte Themen über viele Jahre hinweg in einem
regelmäßigen Turnus vorgetragen würden. Es
genüge, dass Kenntnisse über bestimmte Sachgebiete
über längere Zeit einer nicht begrenzten Zahl von
Interessenten vermittelt würden. Die Vermittlung von
Kenntnissen könne dabei auch an verschiedenen Orten
erfolgen.
Gemeinsam mit den obersten
Finanzbehörden der Länder sei das Bundesministerium der
Finanzen (BMF) zu dem Ergebnis gelangt, dass die
Kenntnisvermittlung durch Gastdozenten an der Bundesfinanzakademie
(Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BdF - vom 12.9.1990
IV A 3 - S 7179 - 5/90, Steuererlasse in Karteiform - StEK -,
Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Nr. 21, Rechtsspruch 21) und die
Leistungen externer Dozenten und Moderatoren bei dienstlichen
Fortbildungsveranstaltungen im Bundesministerium für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMF-Schreiben vom
30.12.1996 IV C 4 - S 7179 - 21/96 = SIS 97 06 32, StEK,
Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Nr. 21, Rechtsspruch 36) als
Unterricht einzustufen sei, der umsatzsteuerfrei bleibe. In dieser
Beurteilung liege für die genannten Fälle eine
Konkretisierung des Abschn. 112a Abs. 1 UStR 1992 und 1996.
Mindestens handele es sich um eine Billigkeitsentscheidung, die
auch von den Gerichten zu beachten sei.
II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung
der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
- FGO - ).
Entgegen der Vorentscheidung sind die
Umsätze des Klägers nicht steuerfrei.
1. Der Kläger hat durch seine
Referententätigkeit sonstige Leistungen gegen Entgelt
erbracht, die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 der
Umsatzsteuer unterliegen.
2. Die Leistungen des Klägers sind nicht
nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 von der Steuer
befreit.
Der Senat geht dabei davon aus, dass auch im
Streitjahr 1999 gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 UStG 1999
nur die bis zum 31.3.1999 geltende Fassung des § 4 Nr. 21
Buchst. b UStG 1993 anzuwenden ist, da der Kläger im
Klageverfahren unwidersprochen vorgetragen hat, dass er die
Seminare vor dem 1.4.1999 abgehalten habe.
a) Nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 in
der bis zum 31.3.1999 gültigen Fassung sind:
„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1
bis 3 fallenden Umsätzen steuerfrei:
...
Nr. 21 die unmittelbar dem Schul- und
Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer
allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen,
...
b)
|
wenn die zuständige Landesbehörde
bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer
juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende
Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten;“
|
b) Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21
Buchst. b UStG 1993 liegen im Streitfall nicht vor.
Die Vorschrift des § 4 Nr. 21 Buchst. b
UStG 1993 begünstigt nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs (BFH) nur die Träger privater Schulen und
anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen,
nicht aber selbständige Referenten, die an diesen Schulen oder
ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen (vgl.
bereits BFH-Urteil vom 27.8.1998 V R 73/97, BFHE 187, 60, BStBl II
1999, 376 = SIS 99 04 48, und BFH-Beschluss vom 20.10.2005 V R
75/03, BFHE 212, 150, BStBl II 2006, 147 = SIS 06 03 69).
c) Im Übrigen fehlt es auch an einer
Bescheinigung i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993.
Die im Verfahren vorgelegte Bescheinigung vom
1.2.2000 ist nicht dem Kläger erteilt worden, sondern der
Bundessteuerberaterkammer. Das genügt nicht (vgl. BFH-Urteile
vom 23.8.2007 V R 4/05, BFHE 217, 327 = SIS 07 34 85, unter II. 2.
b bb, und V R 10/05, BFHE 217, 332 = SIS 07 34 84, unter II. 2. b,
Letzteres zur Nachfolgevorschrift des § 4 Nr. 21 b bb UStG
1999). Außerdem wird der Bundessteuerberaterkammer darin
lediglich bescheinigt, dass ihre beruflichen
Bildungsmaßnahmen ... und ... i.S. des § 4 Nr. 21 a bb
UStG 1999 „ordnungsgemäß
durchgeführt“ wurden und nicht - wie erforderlich -,
dass die Bundessteuerberaterkammer durch die Seminare auf einen
Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen
Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß
vorbereitet. Die Bescheinigung der zuständigen
Landesbehörde ist aber materiell-rechtliche Voraussetzung
für die Steuerbefreiung der in § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG
1993 bezeichneten Umsätze (vgl. BFH-Urteil vom 24.9.1998 V R
3/98, BFHE 187, 334, BStBl II 1999, 147 = SIS 99 05 34, zur
vergleichbaren Vorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG 1993,
unter II. 1. b der Gründe).
3. Der Kläger kann sich ferner nicht mit
Erfolg auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie
77/388/EWG berufen.
Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der
Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der
Steuer
-
|
die Erziehung von Kindern und Jugendlichen,
den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die
Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng
verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen
durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen
Aufgaben betraut sind oder andere Einrichtungen mit von dem
betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung
(Buchst. i)
|
sowie
-
|
den von Privatlehrern erteilten Schul- und
Hochschulunterricht (Buchst. j).
|
a) Die Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG liegen nicht vor.
Zwar kann der Begriff der Einrichtung im Sinne
dieser Bestimmung nicht nur juristische Personen, sondern auch
natürliche Personen erfassen, da der Grundsatz der
steuerlichen Neutralität es verbietet, Wirtschaftsteilnehmer,
die die gleichen Umsätze bewirken, bei deren Besteuerung
unterschiedlich zu behandeln (hierzu EuGH-Urteil vom 7.9.1999 Rs.
C-216/97, Gregg, Slg. 1999, I-4947, UR 1999, 419 = SIS 00 01 53
Randnrn. 14 bis 20).
Die vom Kläger erbrachten Leistungen sind
aber schon deshalb nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der
Richtlinie 77/388/EWG von der Steuer zu befreien, weil der
Kläger mangels Anerkennung nicht als „andere
Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter
vergleichbarer Zielsetzung“ anzusehen ist (vgl. dazu
BFH-Beschluss in BFHE 212, 150, BStBl II 2006, 147 = SIS 06 03 69,
und BFH-Urteil vom 21.3.2007 V R 28/04, BFH/NV 2007, 1604 = SIS 07 23 55, unter II. 2. c dd der Gründe).
b) Auch eine Steuerbefreiung gemäß
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG scheidet
aus.
aa) Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der
Richtlinie 77/388/EWG enthält keine Definition des Begriffs
„Schul- und Hochschulunterricht“.
Hierzu hat der EuGH ausgeführt, zwar
seien die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG umschrieben
seien, eng auszulegen, doch würde eine besonders enge
Auslegung des Begriffs „Schul- und
Hochschulunterricht“ die Gefahr einer je nach
Mitgliedstaat unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuersystems
hervorrufen, weil die jeweiligen Unterrichtssysteme der
Mitgliedstaaten unterschiedlich gestaltet seien (vgl. EuGH-Urteil
vom 14.6.2007 Rs. C-445/05, Haderer, BFH/NV Beilage 2007, 394, UR
2007, 592 = SIS 07 23 30 Randnr. 24).
Der EuGH hat davon ausgehend den
gemeinschaftlichen Begriff „Schul- und
Hochschulunterricht“ i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG nicht genau definiert, sondern
festgestellt, „dass sich dieser Begriff nicht auf den
Unterricht beschränkt, der zu einer Abschlussprüfung zur
Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im
Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit
vermittelt, sondern dass er andere Tätigkeiten
einschließt, bei denen die Unterweisung in Schulen und
Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten
der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese
Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer
Freizeitgestaltung haben (vgl. EuGH-Urteil Haderer in BFH/NV
Beilage 2007, 394, UR 2007, 592 = SIS 07 23 30 Randnr. 26).
Der EuGH hat ferner betont, dass der
Wortlaut des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie
77/388/EWG eng auszulegen ist und sich nur auf die Tätigkeiten
bezieht, die in dieser Bestimmung einzeln aufgeführt und genau
beschrieben sind (vgl. EuGH-Urteil Haderer in BFH/NV Beilage 2007,
394, UR 2007, 592 = SIS 07 23 30 Randnr. 37).
bb) Davon ausgehend kann die Tätigkeit
des Klägers - unabhängig von dessen Qualifikation als
Hochschullehrer - nicht als „Schul- und
Hochschulunterricht“ i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG qualifiziert werden.
Die Bundessteuerberaterkammer als
(vertraglicher) Leistungsempfänger des Klägers ist keine
Schule oder Hochschule. Die an verschiedenen Orten in großer
Zahl durchgeführten Veranstaltungen richteten sich weder an
Schüler oder Hochschüler, sondern an praktizierende
Steuerberater, die die Seminare gegen Entgelt zu ihrer Fortbildung
besuchten.
Bei den eintägigen Fortbildungsseminaren
handelt es sich ferner nicht um einen in einen Lehr- oder
Studienplan eingebetteten Unterricht. Es gibt - anders als bei
Kursen mit dem Gegenstand „Sofortmaßnahmen am
Unfallort“ - auch keine Stellungnahme von
Kultusministerien, wonach es erforderlich oder zumindest
wünschenswert ist, den Inhalt der streitigen Kurse in den
Schul- bzw. Hochschulunterricht zu integrieren (vgl. dazu
BFH-Urteil vom 10.1.2008 V R 52/06, BFH/NV 2008, 725 = SIS 08 12 03, unter II. 2. a dd).
c) Auch wenn die beiden in Art. 13 Teil A Abs.
1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Arten der
Steuerbefreiung u.a. auf die Förderung des „Schul-
und Hochschulunterrichts“ als Tätigkeit von
allgemeinem Interesse gerichtet sind, kann daraus nicht gefolgert
werden, dass die beiden Vorschriften zusammen ein System bildeten,
mit dem eine Umsatzsteuerbefreiung für Tätigkeiten
gewährt werden soll, die nicht jeweils die Voraussetzungen
nach der einen oder nach der anderen Vorschrift erfüllen. Der
Wortlaut der Bestimmungen ist vielmehr eng auszulegen und bezieht
sich nur auf die Tätigkeiten, die in der Vorschrift einzeln
aufgeführt und genau beschrieben sind (vgl. EuGH-Urteil
Haderer in BFH/NV Beilage 2007, 394, UR 2007, 592 Randnrn. 16 bis
19 und 37).
Eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass
die vom Kläger abgehaltenen Seminare aufgrund des
Regelungsgehalts der Bestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i
der Richtlinie 77/388/EWG gleichwohl von der Bestimmung des Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG erfasst werden,
scheidet daher ebenfalls aus (vgl. BFH-Urteile in BFHE 217, 327 =
SIS 07 34 85, und in BFHE 217, 332 = SIS 07 34 84).
d) Entgegen der Rechtsansicht des Klägers
berührt Art. 14 VO Nr. 1777/2005 diese Auslegung nicht.
Danach umfassen die Dienstleistungen der
Ausbildung, Fortbildung oder beruflichen Umschulung, die unter den
Voraussetzungen des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie
77/388/EWG erbracht werden, Schulungsmaßnahmen mit direktem
Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf sowie jegliche
Schulungsmaßnahme, die dem Erwerb oder der Erhaltung
beruflicher Kenntnisse dient. Die Dauer der Ausbildung, Fortbildung
oder beruflichen Umschulung ist hierfür unerheblich.
Die Regelung des Art. 14 VO Nr. 1777/2005
betrifft zum einen lediglich die im Streitfall nicht eingreifende
Bestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie
77/388/EWG. Zum anderen sind die Durchführungsvorschriften -
wie es in der Präambel ausdrücklich heißt -
„ausschließlich vom Zeitpunkt des Inkrafttretens
dieser Verordnung an rechtsverbindlich; sie berühren nicht die
Gültigkeit der von den Mitgliedstaaten in der Vergangenheit
angenommenen Rechtsvorschriften und Auslegungen“.
Gemäß Art. 23 VO Nr. 1777/2005 ist die Verordnung erst
am 1.7.2006 in Kraft getreten und somit in den Streitjahren (1995
bis 1999) nicht anwendbar. Im Übrigen spricht die Regelung des
Art. 14 VO Nr. 1777/2005 aufgrund des Wortlauts des Art. 13 Teil A
Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie 77/388/EWG für die
Annahme, dass die Fortbildung aufgrund ihres in der Verordnung
spezifisch geregelten Anwendungsbereichs, jedenfalls in dem dort
definierten Umfang, nicht vom gemeinschaftsrechtlichen Begriff
„Schul- und Hochschulunterricht“ umfasst
wird.
4. Auf Abschn. 112a UStR 1992 und 1996 kann
sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen.
Wie der BFH bereits in seinem Urteil in BFHE
187, 60, BStBl II 1999, 376 = SIS 99 04 48 entschieden hat, haben
diese Verwaltungsregelungen zum einen keine Grundlage im UStG 1993
und entsprechen zum anderen nicht Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j
der Richtlinie 77/388/EWG, soweit sie nicht nur den von
Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht
begünstigen.
5. Einen Anspruch darauf, abweichend vom
Gesetz besteuert zu werden, hat der Kläger nicht (vgl. dazu
BFH-Beschluss vom 18.7.2002 V B 112/01, BFHE 199, 77, BStBl II
2003, 675 = SIS 02 94 75).
Auf das BMF-Schreiben in StEK,
Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Nr. 21, Rechtsspruch 36 kann sich
der Kläger ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. In diesem
Schreiben hat das BMF im Einvernehmen mit den obersten
Finanzbehörden der Länder die folgende Auffassung
vertreten:
„Eine staatliche Einrichtung, z.B.
eine Behörde, die Aus- und Fortbildungsmaßnahmen
für ihre Mitarbeiter durchführt, kann insoweit als
allgemein- bzw. berufsbildende Einrichtung im Sinne des § 4
Nr. 21 UStG angesehen werden. Wirken bei den im Rahmen der Aus- und
Fortbildungsmaßnahmen erbrachten Unterrichtsleistungen
externe Dozenten mit, so kommt auch für diese Personen die
Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 UStG in Betracht, wenn
die nach Buchst. b dieser Vorschrift erforderliche Bescheinigung
der zuständigen Landesbehörde, dass auf einen Beruf oder
eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts
abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet
wird,
-
|
entweder dem Dozenten (vgl. Abschn. 112a
Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 UStR)
|
-
|
oder der Einrichtung selbst erteilt worden
ist (vgl. Abschn. 112a Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 UStR).“
|
Das BMF-Schreiben findet keine Stütze in
§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 - dazu bereits unter II. 2. b -
. Auch hat der Kläger keine solche Bescheinigung - wie bereits
unter II. 2. c ausgeführt - vorgelegt.
Gleiches gilt für das BdF-Schreiben in
StEK, Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Nr. 21, Rechtsspruch 21,
das eine Ausnahme vom Bescheinigungsverfahren für
selbständig tätige Dozenten an der Bundesfinanzakademie
vorsieht. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 verlangt, dass die
zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass die
unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen
privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder
berufsbildender Einrichtungen - mit Ausnahme der Ersatzschulen
gemäß Art. 7 Abs. 4 des Grundgesetzes - auf einen Beruf
oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen
Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß
vorbereiten. Eine Ausnahme von dem erforderlichen
Bescheinigungsverfahren - wie sie das o.g. BdF-Schreiben
zulässt - ist im Gesetz nicht vorgesehen.
6. Der Hilfsantrag des Klägers, in
Anwendung der allgemeinen Billigkeitsregelung des Abschn. 112a UStR
1992 und 1996 entsprechende Umsatzsteuerbescheide für die
Streitjahre zu erlassen, ist unzulässig, da eine
Verpflichtungsklage (§§ 40 Abs. 1 Alt. 2, 101 FGO) nicht
in zulässiger Weise erhoben worden ist.
Der BFH darf im Streitfall zwar auch über
den Hilfsantrag des Klägers entscheiden, der aufgrund der
Abweisung der Klage im Hauptantrag wieder auflebt. Die
Steuerfestsetzung einerseits und der Erlass einer
Billigkeitsmaßnahme andererseits bilden aber
selbständige Verfahren. Solange die zuständige
Finanzbehörde - wie im Streitfall - über den Erlass einer
Billigkeitsmaßnahme nicht entschieden hat, fehlt es an dem
notwendigen Verwaltungsverfahren und damit an einer
Sachurteilsvoraussetzung für das Klageverfahren (vgl.
BFH-Urteile vom 4.2.1987 I R 252/83, BFHE 149, 50, BStBl II 1987,
682 = SIS 87 10 63, unter II. 3. der Gründe, und vom 15.7.2004
V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862 = SIS 04 35 29, unter
II. 4. der Gründe). Der BFH hat von Amts wegen auch noch im
Revisionsverfahren in jeder Verfahrenslage das Vorliegen der
Sachentscheidungsvoraussetzungen im finanzgerichtlichen
Klageverfahren ohne Bindung an die tatsächlichen
Feststellungen des FG zu prüfen (vgl. BFH-Urteil vom 19.5.2004
III R 36/02, BFH/NV 2004, 1655 = SIS 04 40 65; Gräber/ von
Groll, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 33 Rz 3).
7. Die Sache ist spruchreif. Der Senat kann in
der Sache selbst erkennen und weist die Klage ab. Die vom
Kläger im Jahr 1995 bis zum 30.3.1999 durch seine
Referententätigkeit ausgeführten sonstigen Leistungen
sind nicht gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993
steuerfrei. Im Übrigen ist die Höhe der für die
Streitjahre festgesetzten Umsatzsteuer unstreitig.
8. Der Senat folgt nicht der Anregung des
Klägers, gemäß Art. 234 Abs. 3 EG eine
Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.
Die vom Kläger insoweit
sinngemäß aufgeworfene Frage, ob der Begriff
„Schul- und Hochschulunterricht“ in Art. 13 Teil
A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG auch die berufliche
Fortbildung umfasse, stellt sich unter Berücksichtigung der
wiedergegebenen Rechtsprechung des EuGH - wie dargelegt - bei dem
hier gegebenen Sachverhalt nicht. Jedenfalls besteht im Streitfall
kein gemeinschaftsrechtlicher Klärungsbedarf.