USt-Befreiung für Privatschulen, Unterrichtsperson: 1. Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG 1993 für unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienende Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen kann auch eine natürliche Person in Anspruch nehmen. - 2. Voraussetzung ist, dass ihr von der zuständigen Landesbehörde bescheinigt worden ist, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet. - 3. Es reicht nicht aus, dass eine derartige Bescheinigung der Bildungseinrichtung erteilt worden ist, an der die Person unterrichtet. - Urt.; BFH 23.8.2007, V R 4/05; SIS 07 34 85
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) ist Inhaber eines CAD (Computer Aided Design) -
Zeichenbüros mit dazugehörigem Vertrieb von CAD-Anlagen
und EDV-Zubehör. Er hielt in den Streitjahren (1995 und 1996)
regelmäßig CAD-Schulungen für eine Handwerkskammer
und für ein Berufsförderungswerk ab. Die
Dozentenleistungen für die Handwerkskammer erbrachte der
Kläger persönlich, die Schulungen für das
Berufsförderungswerk ließ er durch eine Mitarbeiterin
durchführen.
Die Bezirksregierung hat dem
Berufsförderungswerk am 19.12.1996 für den Zeitraum vom
1.1.1996 bis zum 31.12.1998 bescheinigt, dass es mit bestimmten
Lehrgängen auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen
Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung
ordnungsgemäß vorbereitet.
Der Kläger behandelte in seinen
Steuererklärungen für die Streitjahre die Umsätze
aus Dozententätigkeit insgesamt als umsatzsteuerfrei
gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes
1993 (UStG).
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) erkannte im Anschluss an eine steuerliche
Prüfung die Dozententätigkeit dagegen insoweit nicht als
steuerfreie Leistung an, als sie von der Mitarbeiterin des
Klägers ausgeführt worden war und erließ am
23.5.2000 entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide
für die Streitjahre.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach
erfolglosem Einspruch erhobenen Klage des Klägers statt. Es
führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die
Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG erfasse
nicht nur die Dozententätigkeit des Klägers, sondern auch
diejenige der für ihn tätigen Mitarbeiterin. Die
Vorschrift begünstige über ihren Wortlaut hinaus nicht
nur die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender
oder berufsbildender Einrichtungen, sondern auch freie Mitarbeiter,
die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen
Unterricht erteilten. Diese erweiternde Auslegung des Begriffs der
Einrichtung ergebe sich aus der neueren Rechtsprechung des
Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom
7.9.1999 Rs. C-216/97, Gregg (Slg. 1999, I-4947, UR 1999, 419 = SIS 00 01 53). Danach sei der Begriff der Einrichtung dahin auszulegen,
dass auch natürliche Personen, die ein Unternehmen betreiben,
nicht von der Steuerbefreiung auszuschließen seien. Damit sei
das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27.8.1998 V R 73/97 (BFHE
187, 60, BStBl II 1999, 376 = SIS 99 04 48) überholt, das sich
auf die frühere, nunmehr aufgegebene Rechtsprechung des EuGH
stütze. Auch habe sich der BFH für andere
Befreiungstatbestände des § 4 UStG der neueren Auffassung
des EuGH angeschlossen, dass unter den Begriff
„Einrichtung“ auch natürliche Personen fallen
könnten (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 28.2.2002 V B 31/01,
BFH/NV 2002, 957 = SIS 02 69 64).
Dieser Auslegung entspreche auch die
Auffassung der Finanzverwaltung in den für die Streitjahre
geltenden Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR - (Hinweis auf Abschn.
112a Abs. 1 Satz 1 UStR 1996), die der Gesetzgeber mit Wirkung ab
1999 durch Änderung des § 4 Nr. 21 UStG ausdrücklich
in den Gesetzestext aufgenommen habe.
Nachdem juristische Personen die
steuerbefreite Tätigkeit unstreitig durch angestelltes
Personal ausführen könnten, müsse dies auch für
den Kläger als natürliche Person gelten, da er eine
„Einrichtung“ im o.g. Sinne sei. Nach dem Zweck der
Steuerbefreiung, die gleichmäßige umsatzsteuerrechtliche
Belastung von privaten und öffentlichen
Ausbildungsträgern zu gewährleisten, sei es ausreichend,
dass die Leistung allein oder zusammen mit den Leistungen anderer
Unternehmer die Ausbildung fördere, ergänze oder
erleichtere (Hinweis auf BFH-Urteil vom 10.6.1999 V R 84/98, BFHE
188, 462, BStBl II 1999, 578 = SIS 99 18 51).
Es liege auch die nach § 4 Nr. 21
Buchst. b UStG erforderliche Bescheinigung der zuständigen
Landesbehörde vor. Dass diese erst für den Zeitraum ab
1.1.1996 gelte, sei unschädlich. Denn zum einen bestehe die
Möglichkeit der Rückwirkung (Hinweis auf BFH-Beschluss
vom 6.12.1994 V B 52/94, BFH/NV 1995, 744 = SIS 96 06 42, BStBl II
1995, 913 = SIS 96 06 42). Darüber hinaus habe die Verwaltung
auch grundsätzlich die Umsatzsteuerbefreiung für die
Leistungen von Berufsförderungszentren anerkannt (Hinweis auf
die Besprechung der Umsatzsteuerreferenten der Länder vom
31.8. bis 2.9.1981, UR 1981, 279).
Das Urteil ist in EFG 2005, 825 = SIS 05 21 24 abgedruckt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision
rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und macht im
Wesentlichen geltend: Die nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG
erforderliche Bescheinigung liege nur für das
Berufsförderungswerk - und nicht für den Kläger -
vor und auch nur für das Streitjahr 1996.
Selbst wenn sich die Umsatzsteuerreferenten
der Länder darauf geeinigt haben sollten, die Leistungen der
Berufsförderungszentren grundsätzlich von der
Umsatzsteuerpflicht auszunehmen, so beträfe dies nur die
„unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden
Leistungen“ der Berufseinrichtung selbst. Die Leistungen, die
der Kläger in Person oder durch seine Mitarbeiter erbringe,
seien grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Die Leistungen, die
der Kläger selbst erbracht habe, habe das FA lediglich
aufgrund der - dem Gesetzeswortlaut widersprechenden -
Verwaltungsauffassung (Abschn. 112a Abs. 1 Satz 1 UStR 1992) als
steuerfrei behandelt.
Der Kläger selbst sei und betreibe
keine „Einrichtung“ i.S. des § 4 Nr. 21 Buchst. b
UStG.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
Er tritt dem Vorbringen des FA
entgegen.
II. Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ).
Entgegen der Auffassung des FG sind die
streitigen Leistungen nicht gemäß § 4 Nr. 21
Buchst. b UStG steuerfrei. Auch eine Steuerfreiheit nach Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. i oder j der Sechsten Richtlinie des Rates
vom 17.5.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie
77/388/EWG) scheidet aus.
1. Der Kläger hat mit den durch seine
Mitarbeiterin durchgeführten Schulungen an das
Berufsförderungswerk in den Streitjahren sonstige Leistungen
erbracht, die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG
der Umsatzsteuer unterliegen.
2. Diese Leistungen sind nicht nach § 4
Nr. 21 Buchst. b UStG von der Steuer befreit.
a) Nach dieser Vorschrift sind steuerfrei die
unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen
privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder
berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige
Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine
vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts
abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall
nicht vor.
aa) Nach der Rechtsprechung des BFH
begünstigt § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG nur die Träger
privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder
berufsbildender Einrichtungen, nicht aber freie Mitarbeiter
(Unternehmer), die an diesen Schulen oder ähnlichen
Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen (vgl. BFH-Urteil in BFHE
187, 60, BStBl II 1999, 376 = SIS 99 04 48, unter II.2.b;
BFH-Beschluss vom 20.10.2005 V R 75/03, BStBl II 2006, 147 = SIS 06 03 69, unter III.1.a bb). Das ergibt sich aus dem Wortlaut der
Vorschrift, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck der
Steuerbefreiung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 60, BStBl II 1999,
376 = SIS 99 04 48, unter II.2.b).
bb) Diese Rechtsprechung des BFH ist -
entgegen der Auffassung des FG - nicht durch die neuere
Rechtsprechung des EuGH überholt.
§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG setzt Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG um (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 188, 462, BStBl II 1999, 578 = SIS 99 18 51,
unter II.2.; BFH-Urteil vom 21.3.2007 V R 28/04, BFH/NV 2007, 1604
= SIS 07 23 55, unter II.2.c, aa).
Nach dieser Bestimmung befreien die
Mitgliedstaaten die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den
Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung
oder die berufliche Umschulung sowie die eng damit verbundenen
Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtungen des
öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind,
oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat
anerkannter vergleichbarer Zielsetzung.
Der Kläger ist aber keine
„andere Einrichtung mit von dem betreffenden Mitgliedstaat
anerkannter vergleichbarer Zielsetzung“ im Sinne dieser
Bestimmung.
Zwar können, soweit durch Art. 13 Teil A
Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG „Einrichtungen“
begünstigt sind, diese auch von natürlichen Personen
betrieben werden (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 1999, I-4947, UR 1999,
419 = SIS 00 01 53; vom 26.5.2005 Rs. C-498/03, Kingscrest
Associates Ltd. und Montecello Ltd., BFH/NV Beilage 2005, 310 = SIS 05 30 13 Rz 35, 40 und 43; BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 957 = SIS 02 69 64; BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1604 = SIS 07 23 55, unter
II.2.c, dd (1)). Der Kläger ist aber nicht i.S. des Art. 13
Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG
„anerkannt“. Nicht ihm ist von der
zuständigen Landesbehörde (hier: Bezirksregierung)
gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG bescheinigt worden,
dass er auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des
öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung
ordnungsgemäß vorbereitet. Eine derartige Bescheinigung
liegt vielmehr nur für das Berufsförderungswerk vor,
demgegenüber der Kläger durch seine Mitarbeiterin die
streitigen Leistungen erbracht hat. Dies genügt den
Anforderungen nicht.
cc) Aus dem BFH-Urteil in BFHE 188, 462, BStBl
II 1999, 578 = SIS 99 18 51 - auf das sich das FG und der
Kläger bezogen haben - ergibt sich nichts anderes. Denn im
dort entschiedenen Streitfall hatte die zuständige
Landesbehörde der Klägerin eine Bescheinigung i.S. von
§ 4 Nr. 21 Buchst. b UStG erteilt.
dd) Im Übrigen liegt im Streitfall eine
Bescheinigung für das Berufsförderungswerk nur für
das Streitjahr 1996 und nicht für das Streitjahr 1995 vor.
Eine Rückwirkung auf einen Zeitraum, der
vor dem in der Bescheinigung bestätigten Zeitraum liegt, ist -
wie das FA zutreffend ausführt - nicht möglich. Sie kommt
nach dem BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 744 = SIS 96 06 42, BStBl II
1995, 913 = SIS 96 06 42 nur in Betracht, soweit die Bescheinigung
diesen Zeitraum abdeckt. Dies ist hier für das Streitjahr 1995
nicht der Fall.
Darauf, ob die (Finanz-)Verwaltung
grundsätzlich die Umsatzsteuerbefreiung für die
Leistungen von Berufsförderungszentren anerkannt hat - worauf
das FG unter Hinweis auf die Besprechung der Umsatzsteuerreferenten
der Länder vom 31.8. bis 2.9.1981 (UR 1981, 279) abgestellt
hat -, kommt es nicht an. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG verlangt
eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde.
3. Unmittelbar auf
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG, wonach
die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und
Hochschulunterricht von der Steuer befreien, kann sich der
Kläger nicht mit Erfolg berufen.
a) Zwar beschränkt sich der
gemeinschaftsrechtliche Begriff „Schul- und
Hochschulunterricht“ im Sinne dieser Vorschrift nicht auf
Unterricht, der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer
Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die
Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt; er
schließt vielmehr (auch) andere Tätigkeiten ein, bei
denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um
die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten
zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter
bloßer Freizeitgestaltung haben (vgl. EuGH-Urteil vom
14.6.2007 Rs. C-445/05, Haderer, UR 2007, 592 = SIS 07 23 30 Rz
26).
Die von der
Mitarbeiterin des Klägers durchgeführten CAD-Schulungen
erfüllen diese Voraussetzung nicht. Das
Berufsförderungswerk ist keine Schule oder Hochschule. Zudem
stellen die ausgeführten Unterrichtsleistungen
berufliche Fortbildungsmaßnahmen dar. Die berufliche
Fortbildung wird allerdings nicht von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst.
j der Richtlinie 77/388/EWG erfasst (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187,
60, BStBl II 1999, 376 = SIS 99 04 48, unter II.3.).
b) Auch wenn die
beiden in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i und j der Richtlinie
77/388/EWG vorgesehenen Arten der Steuerbefreiung u.a. auf die
Förderung des „Schul- und
Hochschulunterrichts“ als Tätigkeit von allgemeinem
Interesse gerichtet sind, kann daraus nicht gefolgert werden, dass
die beiden Vorschriften zusammen ein System bildeten, mit dem eine
Umsatzsteuerbefreiung für Tätigkeiten gewährt werden
soll, die nicht jeweils die Voraussetzungen nach der einen oder
nach der anderen Vorschrift erfüllen. Der Wortlaut der
Bestimmungen ist vielmehr eng auszulegen und bezieht sich nur auf
die Tätigkeiten, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt
und genau beschrieben sind (vgl. EuGH-Urteil Haderer in UR 2007,
592 = SIS 07 23 30 Rz 16 bis 19 und 37). Eine erweiternde Auslegung
dahingehend, dass der von Privatlehrern erteilte
Fortbildungsunterricht von der Bestimmung des Art. 13 Teil A Abs. 1
Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG erfasst wird, scheidet daher
ebenfalls aus.
4. Abschn. 112a UStR
vermag das Begehren des Klägers schon deshalb nicht zu
stützen, weil diese Verwaltungsregelung im UStG keine
Grundlage hat, und weil sie ferner Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j
der Richtlinie 77/388/EWG nicht entspricht, soweit sie nicht nur
den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht
begünstigt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 187, 60, BStBl II
1999, 376 = SIS 99 04 48, unter II.4.).