1. Auf die Revision des Beklagten wird das
Urteil des Finanzgerichts Münster vom 22.04.2020 - 15 K
1219/17 U,AO = SIS 20 08 46
aufgehoben.
2. Die Klage wegen Umsatzsteuer 2008 bis 2013
wird abgewiesen.
Der Rechtsstreit wegen Zinsen zur Umsatzsteuer
2008 bis 2013 sowie wegen abweichender Festsetzung von Umsatzsteuer
2008 bis 2013 und Zinsen zur Umsatzsteuer 2008 bis 2013 aus
Billigkeitsgründen wird an das Finanzgericht Münster zur
anderweitigen Verhandlung und Entscheidung
zurückverwiesen.
3. Dem Finanzgericht Münster wird die
Entscheidung über die Kosten des gesamten Verfahrens
übertragen.
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I. Streitig ist, ob fehlerhaft behandelte
innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte mit Rückwirkung
umsatzsteuerrechtlich korrigiert werden können.
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In den Jahren 2008 bis 2013 (Streitjahre)
betrieb der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) einen
Großhandel mit landwirtschaftlichen Maschinen. Er besaß
für die Republik Polen (Polen) das alleinige Vertriebsrecht
für Maschinen der Hersteller „A“
(Bundesrepublik Deutschland - Deutschland - ),
„B“ (Königreich Belgien) und
„C“ (Neuseeland/Tschechische
Republik).
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3
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Die Maschinen wurden vom Kläger bei
den Herstellern bestellt und von dort direkt an die Kunden in
verschiedenen Mitgliedstaaten, insbesondere Polen, geliefert. Die
Versendung erfolgte entweder durch den Kläger oder den
Hersteller, jeweils unter Verwendung der
Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer (in Deutschland:
Umsatzsteuer-Identifikationsnummer - USt-IdNr. - ) ihres
Ansässigkeitsstaates, wobei der Kläger seinen Kunden in
keinem Fall bereits vor der Warenbewegung die Verfügungsmacht
an den Maschinen übertrug. Auch die Endkunden verwendeten
jeweils die Mehrwertsteuer-Identifikationsnummern ihres
Ansässigkeitsstaates.
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Für die Lieferungen aus anderen
Mitgliedstaaten nach Polen erklärte der Kläger in seinen
deutschen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre auf
der Eingangsseite umsatzsteuerpflichtige innergemeinschaftliche
Erwerbe im Inland und machte zugleich den Vorsteuerabzug
gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend. Er erklärte die
Weiterlieferungen in Polen als umsatzsteuerfreie
innergemeinschaftliche Lieferungen von Deutschland nach Polen im
Sinne von § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG. Sowohl
die Zusammenfassenden Meldungen des Klägers für die
Streitjahre als auch die Rechnungen des Klägers an seine
Kunden enthielten zunächst keine Hinweise auf ein
innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft. Der Beklagte und
Revisionskläger (Finanzamt - FA - ) stimmte den
Erklärungen zunächst zu.
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Das Finanzamt für Groß- und
Konzernbetriebsprüfung führte unter anderem betreffend
Umsatzsteuer 2008 bis 2013 eine Außenprüfung beim
Kläger durch. In Bezug auf die Lieferungen zwischen den im
übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Herstellern, dem
Kläger und den im übrigen Gemeinschaftsgebiet
ansässigen Kunden kamen die Prüfer zu dem Ergebnis, dass
innergemeinschaftliche Reihengeschäfte im Sinne des § 3
Abs. 6 Satz 5 UStG in der in den Streitjahren gültigen Fassung
(nachfolgend: a.F.) vorliegen würden. Die Beförderung
oder Versendung könne aber jeweils nur einer Lieferung
zugeordnet werden. Dies seien gemäß § 3 Abs. 6 Satz
6 Halbsatz 1 UStG a.F. jeweils die Lieferungen der Hersteller an
den Kläger. Der Ort der Lieferungen des Klägers an seine
Kunden liege gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG
jeweils im Abnehmerstaat (zumeist Polen), wo die Beförderung
oder Versendung geendet habe. Dort hätte sich der Kläger
jeweils für Zwecke der Mehrwertsteuer registrieren und seine
Umsätze aus den Lieferungen an die Kunden erklären
müssen. Der Kläger hätte dort zusätzlich einen
innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern müssen und zugleich
den Vorsteuerabzug vornehmen dürfen. Zugleich habe der
Kläger die Waren gemäß § 3d Satz 2 Halbsatz 1
UStG in Deutschland innergemeinschaftlich erworben.
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Die Prüfer nahmen weiter an, von der
Vereinfachungsregel des § 25b UStG (innergemeinschaftliches
Dreiecksgeschäft) habe der Kläger keinen Gebrauch
gemacht. Denn für die Anwendung hätte der Kläger
unter anderem in der Rechnung an den letzten Abnehmer auf das
Dreiecksgeschäft und die übergegangene
Steuerschuldnerschaft hinweisen müssen (§ 25b Abs. 2 Nr.
3 i.V.m. § 14a Abs. 7 UStG). Dies habe der Kläger jedoch
nicht getan. Er habe in den Rechnungen die Steuerfreiheit einer
innergemeinschaftlichen Lieferung vermerkt und entsprechende
Zusammenfassende Meldungen abgegeben.
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Da die Versteuerung der zweiten Lieferung
im jeweiligen Zielstaat bisher unterblieben sei, gelte der
steuerpflichtige innergemeinschaftliche Erwerb des Klägers
nach § 3d Satz 2 Halbsatz 2 UStG in den Streitjahren als in
Deutschland bewirkt, da der Kläger im Einzelfall nicht
nachgewiesen habe, dass der Erwerb im jeweiligen Zielstaat
besteuert worden ist oder nach § 25b Abs. 3 UStG als besteuert
gilt. Dem Kläger stehe auch kein Recht auf Vorsteuerabzug nach
§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG zu.
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Der Kläger erteilte daraufhin im
Dezember 2015 berichtigte Rechnungen im Sinne des § 25b UStG
und übermittelte am 14.06.2016 berichtigte Zusammenfassende
Meldungen an das Bundeszentralamt für Steuern. Für Juni
2016 meldete der Kläger in seiner Umsatzsteuervoranmeldung
einen entsprechenden Umsatzsteuervergütungsanspruch
an.
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Noch vor Ergehen von
Änderungsbescheiden beantragte der Kläger mit Schreiben
vom 18.04.2016 beim FA, für die Streitjahre keinen Fall des
§ 3d Satz 2 UStG anzunehmen, hilfsweise, die
Rechnungskorrekturen nachträglich als rückwirkend zum
Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungsstellung anzuerkennen,
weiter hilfsweise eine abweichende Steuerfestsetzung aus
Billigkeitsgründen gemäß § 163 der
Abgabenordnung (AO).
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Diese Anträge lehnte das FA mit
Schreiben vom 27.05.2016 ab. In Umsetzung der Feststellungen der
Prüfer erließ es ebenfalls am 27.05.2016
Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für die Streitjahre, in
denen es unter anderem den Vorsteuerabzug aus den erklärten
innergemeinschaftlichen Erwerben nicht berücksichtigte. Zudem
minderte das FA auch die erklärten steuerfreien
innergemeinschaftlichen Lieferungen um die in Deutschland nicht
steuerbaren Umsätze. Zugleich setzte das FA für die
Streitjahre Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer fest.
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Die dagegen eingelegten Einsprüche
wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 21.03.2017 als
unbegründet zurück. Eine abweichende Steuer- und
Zinsfestsetzung aus Billigkeitsgründen lehnte das FA weiterhin
ab, da keine Unbilligkeit gegeben sei.
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12
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Das Finanzgericht (FG) Münster gab der
Klage statt (Urteil vom 22.04.2020 - 15 K 1219/17 U,AO, EFG 2020,
1097 = SIS 20 08 46). Es vertrat die Ansicht, dass die
innergemeinschaftlichen Erwerbe gemäß § 3d Satz 2
Halbsatz 2 UStG bereits in den Streitjahren entfallen seien, weil
der Kläger mit Rückwirkung die Rechnungen an die Kunden
berichtigt und eine korrigierte Zusammenfassende Meldung abgegeben
habe, so dass die Erwerbe bereits zu diesem Zeitpunkt nach §
25b Abs. 3 UStG als besteuert zu gelten hätten. Über die
Zinsbescheide entschied das FG nicht, da sich die Pflicht des FA
zur Änderung insoweit unmittelbar aus § 233a Abs. 5 Satz
1 AO ergebe. Auch über die Hilfsanträge
(Billigkeitsentscheidung wegen Umsatzsteuer und Zinsen) entschied
das FG nicht, da die Klage im Hauptantrag Erfolg hatte.
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13
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts. Es trägt vor, dass die
Voraussetzungen des § 25b UStG im Streitfall nicht
vorlägen. Eine Rückwirkung der im Jahr 2016 erfolgten
Rechnungsberichtigungen auf die Streitjahre komme nicht in
Betracht. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in den Rechtssachen
Senatex (Urteil vom
15.09.2016 - C-518/14, EU:C:2016:691 = SIS 16 19 41) und Firma Hans Bühler
(Urteil vom 19.04.2018 - C-580/16, EU:C:2018:261 = SIS 18 06 56) sei dies nicht möglich.
Diese Entscheidungen beträfen die Rückwirkung von
formellen Voraussetzungen, während es bei den hier streitigen
Voraussetzungen um materielle Voraussetzungen gehe. Den Angaben in
der Rechnung müsse eine materielle Bedeutung zukommen, weil
bei Fehlen dieser Angaben die Besteuerung gefährdet sei. Werde
der letzte Abnehmer nicht darauf hingewiesen, dass er
Steuerschuldner sei, werde die Besteuerung durch ihn gerade nicht
sichergestellt, sondern das Risiko der Nichtbesteuerung
hingenommen.
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Das FA beantragt, die Vorentscheidung
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt, die Revision als
unbegründet abzuweisen.
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Er trägt vor, dass ein Risiko der
Nichtbesteuerung im Streitfall nicht gegeben sei, da
innergemeinschaftliche Lieferungen erklärt worden seien, so
dass die Leistungsempfänger innergemeinschaftliche Erwerbe im
Bestimmungsland erklärt hätten.
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De facto gehe es im Streitfall nur darum,
ob Zinsen zur Umsatzsteuer entstehen. Die Höhe der Zinsen, die
bei einer fehlenden Rückwirkung entstünden, widerspreche
dem Grundsatz der Neutralität und habe quasi
Sanktionscharakter. Für Letzteres seien nach dem EuGH-Urteil
Senatex vom 15.09.2016 - C-518/14, EU:C:2016:691 = SIS 16 19 41, Rz 41 eigens geschaffene
Sanktionsregelungen für die Nichterfüllung der Pflichten
erforderlich.
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18
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Der Senat hat mit Beschluss vom 19.10.2021
das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in dem
Verfahren C-247/21 angeordnet. Nach Ergehen des EuGH-Urteils Luxury
Trust Automobil vom 08.12.2022 - C-247/21, EU:C:2022:966 =
SIS 23 01 23 wurde das Verfahren
wieder aufgenommen.
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19
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Der Kläger trägt im Hinblick auf
die genannte EuGH-Entscheidung vor, dass sich die Sachverhalte der
beiden Verfahren unterschieden. Im Verfahren Luxury Trust Automobil
vom 08.12.2022 - C-247/21, EU:C:2022:966 = SIS 23 01 23 sei es um einen Betrugsfall
gegangen, weshalb der EuGH die Vereinfachungsregelung des §
25b UStG verneint habe. Vorliegend gehe es nicht um einen
Betrugsfall. Ob die polnischen Erwerber einen
innergemeinschaftlichen Erwerb oder einen Erwerb im Rahmen eines
innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts versteuert
hätten, sei letztendlich unerheblich. Im Ergebnis hätten
die Erwerber die innergemeinschaftlichen Erwerbe in Polen
versteuert. Der deutsche Fiskus sei nicht geschädigt
worden.
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Der Streitfall unterscheide sich auch
deshalb vom Verfahren Luxury Trust Automobil vom 08.12.2022 -
C-247/21, EU:C:2022:966 = SIS 23 01 23, weil im dortigen Fall die Beteiligten von vornherein ein
Dreiecksgeschäft beabsichtigt hätten, während dies
vom Kläger im Streitfall erst auf Veranlassung der Prüfer
angenommen worden sei und die Rechnungen geändert worden
seien. Durch den unterlassenen Hinweis auf die Umkehr der
Steuerschuldnerschaft im EuGH-Fall trete die Gefahr auf, dass eine
Besteuerung im Bestimmungsland gänzlich unterbleibe. Im
Streitfall sei jedoch jede einzelne Lieferung im Bestimmungsland
erklärt worden. Sowohl bei der Umkehr der
Steuerschuldnerschaft als auch bei den vom Kläger
erklärten und gemeldeten innergemeinschaftlichen Lieferungen
finde die Besteuerung im Bestimmungsland statt, so dass zu keinem
Zeitpunkt eine Steuergefährdung bestanden habe, da alle
Vorgänge im richtigen Land erfasst worden seien. Erwerber der
vom Kläger gelieferten landwirtschaftlichen Maschinen
könnten nur Unternehmer sein. Daher sei es bei den fraglichen
Rechnungen ausgeschlossen, dass jemals eine Umsatzbesteuerung im
Inland erfolgen könne. Das FA behaupte einen Zinsanspruch
für einen Steueranspruch, der aus dem vorliegenden Sachverhalt
nie hätte entstehen können.
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21
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II. Die Revision ist begründet. Das
Urteil des FG ist aufzuheben. Die Klage wegen Umsatzsteuer 2008 bis
2013 ist als unbegründet abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Die Sache wird im
Übrigen (wegen Zinsen zur Umsatzsteuer 2008 bis 2013, wegen
abweichender Festsetzung von Umsatzsteuer 2008 bis 2013 aus
Billigkeitsgründen und abweichender Zinsfestsetzung aus
Billigkeitsgründen) zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz
1 Nr. 2 FGO).
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22
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Der Ort der innergemeinschaftlichen Erwerbe
des Klägers liegt gemäß § 3d Satz 1 UStG im
Bestimmungsland (s. dazu unter 1.). Der Kläger hat aber
daneben (jeweils) einen innergemeinschaftlichen Erwerb nach §
3d Satz 2 Halbsatz 1 UStG in Deutschland bewirkt (s. dazu unter
2.), der in den Streitjahren weder nachweislich im Bestimmungsland
besteuert wurde noch als besteuert gilt (s. dazu unter 3.). Die
Sache ist bezüglich der Hilfsanträge nicht spruchreif (s.
dazu unter 4.).
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23
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1. Sowohl der Ort der Lieferungen des
Klägers an seine Kunden als auch der Ort des
innergemeinschaftlichen Erwerbs des Klägers liegt im
Bestimmungsland (in der Regel Polen); denn es liegt ein
innergemeinschaftliches Reihengeschäft vor, bei dem die
Warenbewegung der ersten Lieferung an den Kläger zuzurechnen
ist. Entsprechend hat der Kläger die landwirtschaftlichen
Maschinen dort innergemeinschaftlich erworben. Die Weiterlieferung
des Klägers an seine mitgliedstaatlichen Abnehmer ist eine
Lieferung im Bestimmungsland und unterliegt dort der Besteuerung
(hier: zumeist in Polen).
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24
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a) Schließen mehrere Unternehmer
über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt
der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar
vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die
Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß
§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG a.F. nur einer der Lieferungen
zuzuordnen.
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25
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aa) Wird der Gegenstand der Lieferung durch
den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom
Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt
die Lieferung nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG dort als
ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den
Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (vgl. auch
Art. 32 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom
28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -
MwStSystRL - ). Lieferungen, die der Beförderungs- oder
Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo
die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet (§
3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG). Der innergemeinschaftliche Erwerb
durch den Abnehmer wird in dem Gebiet des Mitgliedstaates bewirkt,
in dem sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder
Versendung befindet (§ 3d Satz 1 UStG).
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bb) Wird der Gegenstand der Lieferung durch
einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer
ist, ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG a.F. die
Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen,
es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer
befördert oder versendet hat (s. im Übrigen zur
Rechtsentwicklung und zu den Tatbestandsvoraussetzungen des
innergemeinschaftlichen Reihengeschäfts im Einzelnen auch
Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28.05.2013 - XI R 11/09,
BFHE 242, 84, BStBl II 2023, 537 = SIS 13 20 49; vom 11.03.2020 -
XI R 18/18, BFHE 268, 364, BStBl II 2023, 525 = SIS 20 11 05;
BFH-Beschluss vom 22.11.2023 - XI R 1/20, BStBl II 2024, 530 = SIS 24 07 00).
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27
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b) Im Streitfall sind die Warenbewegungen der
ersten Lieferung an den Kläger zuzuordnen. Die Maschinen
wurden jeweils durch den Hersteller oder den Kläger versendet.
Dass der Kläger die Gegenstände als Lieferer
befördert oder versendet hat, hat das FG nicht festgestellt
und ist auch aus den Akten nicht ersichtlich. Wie das FG
festgestellt hat, hat der Kläger seinen Kunden in keinem Fall
bereits vor der Warenbewegung die Verfügungsmacht an den
Maschinen übertragen (vgl. dazu BFH-Urteil vom 22.11.2023 - XI
R 1/20, BStBl II 2024, 530 = SIS 24 07 00, Rz 45, m.w.N.).
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Da die Warenbewegung der ersten Lieferung der
Hersteller an den Kläger zuzuordnen ist, liegt der Ort der
zweiten Lieferung des Klägers an seine Abnehmer nach § 3
Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG im Bestimmungsland. Der Ort der
innergemeinschaftlichen Erwerbe des Klägers liegt nach §
3d Satz 1 UStG ebenfalls dort. Ein Besteuerungsrecht Deutschlands
ergibt sich, worauf der Kläger insoweit zu Recht hinweist,
daraus nicht. Vielmehr hätte der Kläger in den
Bestimmungsländern (zumeist Polen) innergemeinschaftliche
Erwerbe (Art. 40 MwStSystRL) erklären müssen, zugleich
diese Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen können (Art. 168
Buchst. c MwStSystRL) sowie seine Ausgangsumsätze an die
Erwerber im Bestimmungsland erklären und versteuern
müssen.
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2. Der innergemeinschaftliche Erwerb ist aber
daneben nach § 3d Satz 2 Halbsatz 1 UStG auch in Deutschland
bewirkt.
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a) Verwendet der Erwerber gegenüber dem
Lieferer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem
sich der Gegenstand am Ende der Beförderung oder Versendung
befindet, erteilte USt-IdNr., gilt der Erwerb gemäß
§ 3d Satz 2 Halbsatz 1 UStG im Gebiet dieses Mitgliedstaates
als bewirkt.
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31
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b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen
des § 3d Satz 2 Halbsatz 1 UStG vor. Der Kläger hat als
Erwerber gegenüber den Herstellern aus anderen Mitgliedstaaten
seine deutsche USt-IdNr. verwendet.
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3. Das Besteuerungsrecht Deutschlands ist
weder nach § 3d Satz 2 Halbsatz 2 UStG weggefallen noch kommt
die Besteuerungsfiktion des § 25b Abs. 3 UStG zur Anwendung.
Die Voraussetzungen für ein innergemeinschaftliches
Dreiecksgeschäft lagen in den Streitjahren noch nicht vor.
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33
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a) Die Ortsregelung des § 3d Satz 2
Halbsatz 1 UStG gilt so lange, bis der Erwerber nachweist, dass der
Erwerb durch den in § 3d Satz 1 UStG bezeichneten
Mitgliedstaat besteuert worden ist oder nach den Bestimmungen
über innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte
gemäß § 25b Abs. 3 UStG als besteuert gilt, sofern
der erste Abnehmer (für 2008 und 2009 nach § 18a Abs. 4
Satz 1 Nr. 3 UStG, für 2010 bis 2013 nach § 18a Abs. 7
Satz 1 Nr. 4 UStG) seiner entsprechenden Erklärungspflicht
nachgekommen ist.
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b) Diese Regelung steht im Einklang mit dem
Unionsrecht (Art. 41 Abs. 1 und Art. 42 MwStSystRL, vormals Art.
28b Teil A der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom
17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames
Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige
Bemessungsgrundlage; vgl. BFH-Urteil vom 08.09.2010 - XI R 40/08,
BFHE 231, 343, BStBl II 2011, 661 = SIS 11 01 97, Rz 18). Sie dient
nicht rechtssystematischen, sondern rein praktischen
Überlegungen. Sie soll zum einen sicherstellen, dass der fragliche
innergemeinschaftliche Erwerb besteuert wird (entweder im
Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat), und zum anderen
verhindern, dass dieser Erwerb doppelt besteuert wird (vgl.
EuGH-Urteile X und fiscale eenheid Facet BV-Facet Trading BV vom
22.04.2010 - C-536/08 und C-539/08, EU:C:2010:217 = SIS 10 09 41, Rz 35; Dyrektor Izby Skarbowej w
W. (Falsche Einstufung einer Kette von Umsätzen) vom
07.07.2022 - C-696/20, EU:C:2022:528 = SIS 22 11 94, Rz 41; Heuermann in
Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 3d Rz 10, 11).
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35
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c) Eine tatsächliche Besteuerung im
Bestimmungsland (insbesondere Polen) hat der Kläger nicht
nachgewiesen. Weder aus den tatsächlichen Feststellungen des
FG noch aus den Akten ergibt sich, dass der Kläger die
innergemeinschaftlichen Erwerbe in den Abnehmer-Mitgliedstaaten
(insbesondere in Polen) besteuert hätte. Sowohl der Nachweis
einer Registrierung in den Bestimmungsländern als auch der
Nachweis einer Besteuerung der innergemeinschaftlichen Erwerbe
fehlt. Gleiches gilt für die Besteuerung aufgrund der
berichtigten Rechnungen, so dass es auf den Umstand, dass diese
nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG keine Rückwirkung
hätten, nicht ankommt.
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36
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d) Die Voraussetzungen der Besteuerungsfiktion
des § 25b Abs. 3 UStG lagen in den Streitjahren nicht vor.
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aa) Nach § 25b Abs. 1 Satz 1 UStG ist ein
innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft gegeben, wenn drei
Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte
abschließen und dieser Gegenstand unmittelbar vom ersten
Lieferer an den letzten Abnehmer gelangt (§ 25b Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 UStG), die Unternehmer in jeweils verschiedenen
Mitgliedstaaten für Zwecke der Umsatzsteuer erfasst sind
(§ 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG), der Gegenstand der
Lieferungen aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet
eines anderen Mitgliedstaates gelangt (§ 25b Abs. 1 Satz 1 Nr.
3 UStG) und der Gegenstand der Lieferungen durch den ersten
Lieferer oder den ersten Abnehmer befördert oder versendet
wird (§ 25b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG).
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bb) Für den Übergang der
Steuerschuldnerschaft auf den letzten Abnehmer setzt § 25b
Abs. 2 UStG voraus, dass der Lieferung ein innergemeinschaftlicher
Erwerb vorausgegangen ist (§ 25b Abs. 2 Nr. 1 UStG), der erste
Abnehmer in dem Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder
Versendung endet, nicht ansässig ist und eine USt-IdNr.
verwendet, die nicht von dem Mitgliedstaat des ersten Lieferers
oder letzten Abnehmers stammt (§ 25b Abs. 2 Nr. 2 UStG), der
erste Abnehmer dem letzten Abnehmer eine Rechnung im Sinne des
§ 14a Abs. 7 UStG erteilt, in der die Steuer nicht gesondert
ausgewiesen ist (§ 25b Abs. 2 Nr. 3 UStG), und der letzte
Abnehmer eine USt-IdNr. des Mitgliedstaates verwendet, in dem die
Beförderung oder Versendung endet (§ 25b Abs. 2 Nr. 4
UStG).
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39
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cc) Liegen die Voraussetzungen des § 25b
Abs. 1 und 2 UStG vor, so gilt nach § 25b Abs. 3 UStG der
innergemeinschaftliche Erwerb des ersten Abnehmers als
besteuert.
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dd) Die Voraussetzungen des § 25b Abs. 1
und 2 UStG lagen in den Streitjahren indes nicht vor.
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aaa) Dies gilt insbesondere für die im
Streitfall umstrittene Voraussetzung, dass der erste Abnehmer dem
letzten Abnehmer eine Rechnung im Sinne des § 14a Abs. 7 UStG
erteilt haben muss, in der auf das Vorliegen eines
innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäfts und die
Steuerschuldnerschaft des letzten Abnehmers hinzuweisen ist. Dieser
Hinweis fehlte in den ursprünglichen Rechnungen.
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bbb) Soweit die berichtigten Rechnungen aus
dem Jahr 2016 diese Voraussetzungen erfüllen, kommt der
Berichtigung dieser Rechnungen keine Rückwirkung zu.
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(1) Nach § 31 Abs. 5 Satz 1 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung kann eine Rechnung
berichtigt werden, wenn sie nicht alle Angaben nach § 14 Abs.
4 oder § 14a UStG enthält oder Angaben in der Rechnung
unzutreffend sind.
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44
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(2) Die Berichtigung einer Rechnung kann zwar
unter bestimmten Bedingungen Rückwirkung entfalten (vgl.
EuGH-Urteile Senatex vom 15.09.2016 - C-518/14, EU:C:2016:691 =
SIS 16 19 41; Vãdan vom
21.11.2018 - C-664/16, EU:C:2018:933 = SIS 18 19 00; BFH-Urteile vom 20.10.2016 - V R 26/15,
BFHE 255, 348, BStBl II 2020, 593 = SIS 16 26 03, Leitsätze 1
bis 3; vom 22.01.2020 - XI R 10/17, BFHE 268, 331, BStBl II 2020,
601 = SIS 20 04 99, Rz 17 f.). Dies gilt auch für Rechnungen,
die den Anforderungen nach § 14a UStG nicht genügen (vgl.
BFH-Urteil vom 20.10.2016 - V R 26/15, BFHE 255, 348, BStBl II
2020, 593 = SIS 16 26 03). Dies beruht auf dem Grundprinzip der
Neutralität der Mehrwertsteuer, wonach der Vorsteuerabzug
gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen
erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten
formellen Voraussetzungen nicht genügt hat; daraus folgt, dass
die Steuerverwaltung, wenn sie über die Angaben verfügt,
die für die Feststellung des Vorliegens der materiellen
Voraussetzungen erforderlich sind, hinsichtlich des Rechts des
Steuerpflichtigen auf Abzug dieser Steuer keine zusätzlichen
Voraussetzungen aufstellen darf, die die Ausübung dieses
Rechts vereiteln können (vgl. EuGH-Urteile Barlis 06 -
Investimentos Imobiliários e Turísticos vom
15.09.2016 - C-516/14, EU:C:2016:690 = SIS 16 19 40; Raiffeisen Leasing vom
29.09.2022 - C-235/21, EU:C:2022:739 = SIS 22 18 73, Rz 38 ff.).
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(3) Auch hat der EuGH zu
innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften klargestellt, dass
nach dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer die
Nichterfüllung der formellen Anforderungen des Art. 42 Buchst.
b MwStSystRL durch einen Steuerpflichtigen (Pflicht zur Abgabe
einer Zusammenfassenden Meldung) nicht dazu führt, dass die
Anwendung dieses Art. 42 in Frage gestellt wird, wenn der Erwerber
eine ordnungsgemäß ausgefüllte Zusammenfassende
Meldung über seinen Umsatz nachträglich abgibt (vgl.
EuGH-Urteil Firma Hans Bühler vom 19.04.2018 - C-580/16,
EU:C:2018:261 = SIS 18 06 56).
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(4) Jedoch hat der EuGH mit dem Urteil Luxury
Trust Automobil vom 08.12.2022 - C-247/21, EU:C:2022:966 =
SIS 23 01 23 entschieden, dass der
Enderwerber im Rahmen eines Dreiecksgeschäfts nicht wirksam
als Schuldner der Mehrwertsteuer bestimmt worden ist, wenn die vom
Zwischenerwerber ausgestellte Rechnung nicht die Angabe
„Steuerschuldnerschaft des
Leistungsempfängers“ enthält und das
Weglassen der nach dieser Bestimmung erforderlichen Angabe
„Steuerschuldnerschaft des
Leistungsempfängers“ auf einer Rechnung
nicht später durch Ergänzung eines Hinweises darauf
berichtigt werden kann, dass diese Rechnung ein
innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft betrifft und dass die
Steuerschuld auf den Empfänger der Lieferung übergeht. Er
führt hierzu in der Entscheidung Folgendes aus:
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Rz 59 „Hierzu ist darauf hinzuweisen,
dass der Gerichtshof zwar anerkannt hat, dass das Grundprinzip der
Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt, dass der
Vorsteuerabzug oder die Erstattung der Vorsteuer gewährt wird,
auch wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen
nicht genügt hat, doch gilt dies nur unter der Voraussetzung,
dass die materiellen Anforderungen im Übrigen erfüllt
wurden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27.9.2007, Collée,
C-146/05, EU:C:2007:549 = SIS 08 00 30‚ Rn. 31, vom 19.4.2018, Firma Hans Bühler,
C-580/16, EU:C:2018:261 = SIS 18 06 56, Rn. 50 und 51, sowie vom 21.10.2021, Wilo Salmson
France, C-80/20, EU:C:2021:870 = SIS 21 17 26, Rn. 76).“
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Rz 60 „Es geht nämlich darum, die
fraglichen Umsätze unter Berücksichtigung ihrer
objektiven Merkmale zu besteuern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom
27.9.2007, Collée, C-146/05, EU:C:2007:549 = SIS 08 00 30‚ Rn. 30 und die dort
angeführte Rechtsprechung).“
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Rz 61 „Folglich kann von einer
Berichtigung der Rechnung nicht die Rede sein, wenn eine
Voraussetzung für die Anwendung der für
Dreiecksgeschäfte geltenden Ausnahmeregelung wie die nach Art.
226 Nr. 11a der Mehrwertsteuerrichtlinie erforderliche Angabe
fehlt. Wie die Generalanwältin in den Nrn. 57 und 61 ihrer
Schlussanträge ausgeführt hat, ist das nachträgliche
Erfüllen einer für die Steuerschuldverlagerung auf den
Empfänger einer Lieferung notwendigen Tatbestandsvoraussetzung
keine Korrektur. Es handelt sich um die erstmalige Ausstellung der
erforderlichen Rechnung, die keine Rückwirkung entfalten
kann.“
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(5) Dies gilt nicht nur - wie der Kläger
meint - in Fällen, in denen ein Umsatzsteuerbetrug gegeben
ist, sondern generell für die Fälle des
Dreiecksgeschäfts; denn der Nachweis, dass der Empfänger
der Lieferung gemäß Art. 197 MwStSystRL als
Steuerschuldner bestimmt worden ist, ist nach Auffassung des EuGH
eine materielle Voraussetzung für die Besteuerungsfiktion
(EuGH-Urteil Luxury Trust Automobil vom 08.12.2022 - C-247/21,
EU:C:2022:966 = SIS 23 01 23, Rz
49, 56). Außerdem kann man den vom EuGH in Bezug genommenen
Ausführungen der Generalanwältin Kokott in Rz 57 und 61
der Schlussanträge vom 14.07.2022 - C-247/21, EU:C:2022:588
entnehmen, dass das nachträgliche Erfüllen einer
notwendigen Tatbestandsvoraussetzung keine Korrektur, sondern das
erstmalige Ausstellen der vorausgesetzten Rechnung ist und erst mit
einer entsprechenden Rechnung, die dem Empfänger zugeht, die
Rechtsfolgen der Verwaltungsvereinfachungsregelung ex nunc
ausgelöst werden.
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e) Soweit der Kläger vorträgt, dass
davon auszugehen ist, dass die Abnehmer im Bestimmungsland
innergemeinschaftliche Erwerbe angemeldet haben und damit eine
Besteuerung im Bestimmungsland gegeben ist, so dass § 3d Satz
2 UStG seine oben beschriebene Schutzfunktion verloren habe, sehen
die Art. 41 Abs. 1 und Art. 42 MwStSystRL keine Ausnahmeregelungen
vor. Eine Abweichung vom klaren und unmissverständlichen
Wortlaut der Richtlinie setzt ein Eingreifen des Unionsgesetzgebers
voraus (vgl. EuGH-Urteil Mensing II vom 13.07.2023 - C-180/22,
EU:C:2023:565 = SIS 23 11 43, Rz
40 und 35; vgl. auch BFH-Urteil vom 22.11.2023 - XI R 22/23 (XI R
2/20), BFH/NV 2024, 612 = SIS 24 05 67, Rz 26, zu § 25a Abs. 3
Satz 3 UStG).
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4. Die Sache ist nur teilweise spruchreif.
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a) Das Verfahren wegen Umsatzsteuer 2008 bis
2013 ist spruchreif. Die angefochtenen Änderungsbescheide sind
rechtmäßig, weil die in den Streitjahren zu erfassenden
steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerbe nicht durch einen
Vorsteuerabzug neutralisiert werden können (vgl. EuGH-Urteil X
und fiscale eenheid Facet BV-Facet Trading BV vom 22.04.2010 -
C-536/08 und C-539/08, EU:C:2010:217 = SIS 10 09 41; BFH-Urteile vom 01.09.2010 - V R
39/08, BFHE 231, 308, BStBl II 2011, 658 = SIS 11 02 01; vom
08.09.2010 - XI R 40/08, BFHE 231, 343, BStBl II 2011, 661 = SIS 11 01 97), da nach Auffassung des EuGH in dem Land, dessen USt-IdNr.
verwendet wurde, keine Umsätze vorliegen, für die ein
Recht auf Vorsteuerabzug besteht und die allgemeine
Vorsteuerabzugsregelung nicht die besondere Regelung der § 3d
Satz 2, § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG ersetzen kann, die auf einem
Mechanismus der Verringerung der Bemessungsgrundlage beruht, mit
dem die Doppelbesteuerung korrigiert werden kann. Die
Bemessungsgrundlage hat das FA im Einspruchsverfahren auf die
zutreffende Höhe vermindert.
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b) Soweit sich der Kläger auch gegen die
Festsetzung von Zinsen zur Umsatzsteuer 2008 bis 2013 wendet sowie
hilfsweise eine abweichende Festsetzung von Umsatzsteuer 2008 bis
2013 und Zinsen zur Umsatzsteuer 2008 bis 2013 aus
Billigkeitsgründen fordert, hat das FG - aus seiner Sicht
folgerichtig - darüber nicht entschieden. Die Sache geht daher
insoweit an das FG zurück.
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5. Die Übertragung der Kostenentscheidung
auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Das FG hat mit
Rücksicht auf den Grundsatz der Einheitlichkeit der
Kostenentscheidung auch über die Kosten des durch dieses
Urteil rechtskräftig abgeschlossenen Teils des Verfahrens zu
entscheiden (vgl. BFH-Urteile vom 02.07.2021 - XI R 29/18, BFHE
274, 8, BStBl II 2022, 205 = SIS 21 17 35, Rz 41; vom 09.03.2023 -
IV R 11/20, BFHE 279, 531, BStBl II 2023, 830 = SIS 23 10 46, Rz
47).
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