Auf die Revision der Klägerin wird das
Urteil des Finanzgerichts Köln vom 25.03.2020 - 12 K 1954/18 =
SIS 21 01 73 aufgehoben.
Der Gewerbesteuermessbescheid für 2013
vom 14.10.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.07.2018
wird dahingehend geändert, dass ein Gewinn aus Gewerbebetrieb
in Höhe von ./. 11.198 EUR und eine erweiterte Kürzung in
Höhe von 38.713 EUR berücksichtigt werden.
Im Übrigen wird die Sache an das
Finanzgericht Köln zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die
Kosten des gesamten Verfahrens übertragen.
4
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte
(Finanzamt - FA - ) setzte die Gewerbesteuermessbeträge
für 2013 und 2014 zunächst
erklärungsgemäß auf 0 EUR fest. Die
vortragsfähigen Gewerbeverluste wurden auf den 31.12.2012,
31.12.2013 und 31.12.2014 jeweils auf 167.895 EUR gesondert
festgestellt.
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5
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Im Rahmen einer im Jahr 2016
durchgeführten Betriebsprüfung für die
Erhebungszeiträume 2012 bis 2014 traf der Prüfer die
Feststellung, dass die Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG auf die Gewinne zu beschränken sei, die sich ohne
Tätigkeitsvergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergäben (§ 9 Nr.
1 Satz 5 Nr. 1a GewStG). Vor diesem Hintergrund erließ das FA
am 14.10.2016 nach § 35b Abs. 1 GewStG bzw. § 164 Abs. 2
der Abgabenordnung (AO) geänderte Gewerbesteuermessbescheide
für 2013 und 2014 und setzte den Gewerbesteuermessbetrag -
unter Berücksichtigung des Verlustabzugs - auf 0 EUR (2013)
bzw. 3.206 EUR (2014) fest. Den Gewerbesteuermessbetrag für
2015 setzte es mit Bescheid vom 01.06.2017 auf 4.865 EUR
fest.
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Dagegen legte die Klägerin Einspruch
ein. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.07.2018 setzte das FA den
Gewerbesteuermessbetrag für 2014 - nach einem entsprechenden
Verböserungshinweis - auf 3.773 EUR herauf und den
Gewerbesteuermessbetrag für 2015 auf 4.424 EUR herab. Den
Einspruch gegen den Gewerbesteuermessbescheid für 2013 wies
das FA als unbegründet zurück. Zugleich wurde der
vortragsfähige Gewerbeverlust auf 21.290 EUR (31.12.2013) bzw.
0 EUR (31.12.2014) festgestellt.
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Die nachfolgende Klage, mit der die
Klägerin eine teleologische Reduktion des § 9 Nr. 1 Satz
5 Nr. 1a GewStG unter Hinweis darauf begehrte, dass sämtliche
Kommanditbeteiligungen „im Privatvermögen
gehalten“ würden, wies das Finanzgericht
(FG) mit seinem in EFG 2021, 783 = SIS 21 01 73 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.
Bei der an die Komplementär-GmbH gezahlten
Haftungsvergütung und den an die Kommanditisten gezahlten
Arbeitslöhnen bzw. Zinsen handele es sich um
Sonderbetriebseinnahmen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
EStG, die unter § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG fielen. Eine
einschränkende Auslegung des Tatbestands komme angesichts des
eindeutigen Wortlauts der Norm nicht in Betracht. § 9 Nr. 1
Satz 5 Nr. 1a GewStG gelte auch für den Gesellschafter C; zwar
sei dieser bereits vor dem maßgeblichen Stichtag (19.06.2008)
als Arbeitnehmer bei der Klägerin beschäftigt gewesen,
Gesellschafter sei er jedoch erst im November 2010
geworden.
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8
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Dagegen richtet sich die Revision, mit der
die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts geltend macht.
Zu Unrecht habe das FG eine teleologische Reduktion des § 9
Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG in Fällen, in denen der
Vergütungsgläubiger nicht der Gewerbesteuer unterliege,
abgelehnt. Die Norm diene allein der Verhinderung
missbräuchlicher Gestaltungen (vgl. Beschluss des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21.07.2016 - IV R 26/14, BFHE 254,
371, BStBl II 2017, 202 = SIS 16 21 89). Der Gesetzgeber habe
Gestaltungen entgegentreten wollen, in denen sich der
Vergütungsgläubiger zur Vermeidung einer Gewerbesteuer
auf die Vergütung an der Gesellschaft mitunternehmerisch
beteiligt habe. Soweit die Norm auf die Kommanditisten angewendet
werde, ergebe sich ein sinnwidriges Ergebnis, da diese ihre
Beteiligung im „Privatvermögen
hielten“, somit nicht gewerbesteuerpflichtig
seien und auch keine Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG
stattfinde. Dies widerspreche dem Regelungszweck der erweiterten
Kürzung. § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG entfalte dann eine rein
fiskalische Wirkung. Die Norm sei daher - in Übereinstimmung
mit Teilen des Schrifttums - einschränkend auszulegen.
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9
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Die Klägerin beantragt
sinngemäß,
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das Urteil des FG Köln vom 25.03.2020
- 12 K 1954/18 aufzuheben und die Gewerbesteuermessbescheide
für 2013 bis 2015 vom 14.10.2016 bzw. 01.06.2017 in Gestalt
der Einspruchsentscheidung vom 11.07.2018 dahingehend zu
ändern, dass die erweiterte Kürzung nicht um die
Sondervergütungen gemindert wird.
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Das FA beantragt,
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die Revision als unbegründet
zurückzuweisen.
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§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG sei
eindeutig und bedürfe weder der Auslegung noch einer
teleologischen Reduktion. Es sei nicht ersichtlich, dass der
Wortlaut zu weit geraten sei und im Hinblick auf Sinn und Zweck der
Norm auf Sondervergütungen an Gesellschafter, die ihre
Beteiligung „im Privatvermögen
hielten“, keine Anwendung finden dürfe.
Dem Gesetzgeber hätte es freigestanden, die Norm restriktiver
zu formulieren. Dies habe er aber nicht getan, sondern in Ansehung
des Umstands, dass die Neuregelung eine Vielzahl von
Fallgestaltungen treffen werde, in § 36 Abs. 6a Satz 2 GewStG
eine Übergangsregelung aufgenommen.
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12
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B. Die Revision ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Im Hinblick auf die
Gewerbesteuermessbescheide für 2014 und 2015 wird die Sache
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO - ); der Senat kann nicht entscheiden,
ob die zulässige Klage (dazu unter I.) in Bezug auf die
Gewerbesteuermessbescheide für 2014 und 2015 begründet
ist. Das FG hat zwar zu Recht eine teleologische Reduktion des
§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG abgelehnt (dazu unter II.1.),
so dass die an die Kommanditisten gezahlten Sondervergütungen
aus der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG
auszuscheiden waren. Ob das FA die Haftungsvergütung der
Komplementär-GmbH zu Recht nicht in die erweiterte
Kürzung einbezogen hat, kann der Senat jedoch nicht
entscheiden. Insofern bedarf es einer weiteren Aufklärung des
Sachverhalts durch das FG (dazu unter II.2.). In Bezug auf den
Gewerbesteuermessbescheid für 2013 hat die Revision hingegen
in vollem Umfang Erfolg. Soweit das FA die Sondervergütungen
im streitgegenständlichen Änderungsbescheid erstmals der
Gewerbesteuer unterworfen hat, fehlt es an einer
Korrekturvorschrift. Der Klage war daher insoweit stattzugeben
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO; dazu unter III.).
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13
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I. Zu Recht ist das FG (stillschweigend) von
der Zulässigkeit der Klage auch im Hinblick auf den
Gewerbesteuermessbescheid für 2013 ausgegangen. Wenngleich es
sich insoweit um eine sog. Null-Festsetzung handelt, ist die
Klägerin nach § 40 Abs. 2 FGO klagebefugt. Denn
gemäß § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG sind bei der
Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes die
Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie der
Festsetzung des Steuermessbetrags für den Erhebungszeitraum,
auf dessen Schluss der vortragsfähige Gewerbeverlust
festgestellt wird, zugrunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10,
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie
§ 42 FGO gelten entsprechend. Der Gewerbesteuermessbescheid
wird danach im Ergebnis wie ein Grundlagenbescheid behandelt. Da
aufgrund dieser „inhaltlichen Bindung“
keine eigenständige Prüfung im Rahmen des
Feststellungsverfahrens stattfindet, entfaltet auch eine
Null-Festsetzung im Gewerbesteuermessbescheid eine sachliche
Beschwer, die den Steuerpflichtigen zu seiner Anfechtung berechtigt
(ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 06.12.2016 - I
R 79/15, BFHE 256, 199, BStBl II 2019, 173 = SIS 17 04 50, Rz 9;
vom 10.02.2022 - IV R 33/18 = SIS 22 12 50, Rz 26; vom 17.03.2021 - IV R 7/20 = SIS 21 12 82, Rz 17).
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14
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II. Im Hinblick auf die
Gewerbesteuermessbescheide für 2014 und 2015 wird die Sache
zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG
zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
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15
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1. Das FG hat eine teleologische Reduktion des
§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG zu Recht abgelehnt.
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a) Bei der Klägerin handelt es sich um
eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des §
15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Ihr Betrieb unterliegt daher nach § 2
Abs. 1 GewStG unabhängig von der Art der ausgeübten
Tätigkeit der Gewerbesteuer (vgl. BFH-Urteil vom 26.06.2007 -
IV R 9/05, BFHE 219, 173, BStBl II 2007, 893 = SIS 07 31 78, unter
II.1., m.w.N.; nachfolgend - zweiter Rechtsgang - : BFH-Beschluss
vom 30.10.2014 - IV R 2/11, BFHE 247, 349, BStBl II 2015, 565 = SIS 14 32 42).
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b) Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die
Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen gekürzt um 1,2
Prozent des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des
Unternehmers gehörenden und nicht von der Grundsteuer
befreiten Grundbesitzes; maßgebend ist der Einheitswert, der
auf den letzten Feststellungszeitpunkt (Hauptfeststellungs-,
Fortschreibungs- oder Nachfeststellungszeitpunkt) vor dem Ende des
Erhebungszeitraums (§ 14 GewStG) lautet. An Stelle der
Kürzung nach Satz 1 tritt auf Antrag bei Unternehmen, die -
wie die Klägerin - ausschließlich eigenen Grundbesitz
oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen
verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder
Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder
Eigentumswohnungen im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes in der
jeweils geltenden Fassung errichten und veräußern, die
Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung
und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (§ 9 Nr. 1
Satz 2 GewStG).
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18
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c) Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr.
1a Satz 1 GewStG, der § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG i.d.F.
des Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vom 19.12.2008 (BGBl I
2008, 2794) entspricht, gelten § 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3
GewStG (erweiterte Kürzung) allerdings nicht, soweit der
Gewerbeertrag Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr.
2 Satz 1 EStG enthält, die der Gesellschafter von der
Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der
Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für
die Überlassung von Wirtschaftsgütern, mit Ausnahme der
Überlassung von Grundbesitz, bezogen hat. Nach § 36 Abs.
6a Satz 2 GewStG i.d.F. des JStG 2009 ist § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr.
1a GewStG i.d.F. des JStG 2009 erstmals auf Vergütungen
anzuwenden, die nach dem 18.06.2008 erstmals vereinbart worden
sind; eine wesentliche Änderung einer vor diesem Zeitpunkt
getroffenen Vereinbarung über die Vergütungen gilt als
neue Vereinbarung. Gemäß § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a
Satz 2 GewStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des nationalen
Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung
weiterer steuerlicher Vorschriften (KroatienAnpG) vom 25.07.2014
(BGBl I 2014, 1266) ist § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a Satz 1 GewStG
auch auf Vergütungen anzuwenden, die vor dem 19.06.2008
erstmals vereinbart worden sind, wenn die Vereinbarung nach diesem
Zeitpunkt wesentlich geändert wird. Diese Fassung des Gesetzes
ist erstmals für den Erhebungszeitraum 2015 anzuwenden (§
36 Abs. 1 GewStG i.d.F. des KroatienAnpG).
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aa) § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG ist mit dem
JStG 2009 eingefügt worden, um steuerliche Gestaltungen im
Zusammenhang mit der erweiterten Kürzung für
Grundstücksunternehmen in der Rechtsform der
Personengesellschaft zu verhindern. Es geht dabei um Gestaltungen,
nach denen Erträge, die die Gesellschaft
gewerbesteuerpflichtigen Dritten für erbrachte Leistungen
zahlt, in den Kürzungsumfang einbezogen werden, weil der
Dritte Gesellschafter der Gesellschaft ist (BT-Drucks. 16/10189, S.
73). Um dies zu vermeiden, sieht § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a
GewStG vor, dass Sondervergütungen eines Gesellschafters von
der erweiterten Kürzung ausgeschlossen werden, also bei der
Gesellschaft mit Gewerbesteuer belastet werden. Von diesem
Grundsatz nimmt das Gesetz lediglich Sondervergütungen
für die Überlassung von Grundbesitz an die Gesellschaft
aus, da sie „die Kerntätigkeit der Gesellschaft
umfassen“ (BT-Drucks. 16/10189, S. 73).
Hinsichtlich solcher Vergütungen bleibt es bei dem Grundsatz,
dass sie in die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG einbezogen werden und somit im Ergebnis nicht (weder bei der
Gesellschaft noch beim Gesellschafter - für ihn gilt § 9
Nr. 2 GewStG) mit Gewerbesteuer belastet werden. Insoweit
heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs
(BT-Drucks. 16/10189, S. 73): „Hierzu wird die erweiterte
Kürzung auf Ebene der grundbesitzverwaltenden
Personengesellschaft in Bezug auf Sondervergütungen des
Mitunternehmers dahingehend eingeschränkt, dass nur die
Sondervergütungen in die erweiterte Kürzung einzubeziehen
sind, die auf die Überlassung von Grundbesitz an die
Gesellschaft entfallen, d.h. die die Kerntätigkeit der
Gesellschaft umfassen. Soweit der Mitunternehmer der Gesellschaft
Darlehen überlässt oder andere Leistungen wie zum
Beispiel Beratungsleistungen erbringt, wird die erweiterte
Kürzung ausgeschlossen“ (BFH-Beschluss in
BFHE 254, 371, BStBl II 2017, 202 = SIS 16 21 89, Rz 42).
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20
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bb) Ob § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG
auch dann zur Anwendung gelangt, wenn der
Vergütungsempfänger nicht der Gewerbesteuer unterliegt
und § 9 Nr. 2 GewStG damit nicht zur Anwendung kommen kann,
ist umstritten. Nach der wohl überwiegenden Literaturmeinung
ist die Norm in diesem Fall aufgrund ihres
überschießenden Charakters teleologisch zu reduzieren
(Roser in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 1 Rz
213; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 10. Aufl.,
§ 9 Nr. 1 Rz 34; Wagner in Wendt/
Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Aufl., § 9 Nr. 1
Rz 132; Schnitter in Frotscher/Drüen, GewStG, § 9 Rz 91a;
Bleschick in Hallerbach/Nacke/ Rehfeld, GewStG, § 9 Nr. 1 Rz
287; BeckOK GewStG/Jahndorf, 5. Ed. [01.03.2023], GewStG § 9
Rz 450; Mensching/Tyarks, DStR 2009, 2037, 2039). Nach anderer
Auffassung ist der Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG
eindeutig und einer teleologischen Reduktion nicht zugänglich
(Brandis/Heuermann/Gosch, § 9 GewStG Rz 109c).
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cc) Der erkennende Senat hält § 9
Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG auch dann für einschlägig,
wenn der Vergütungsempfänger nicht der Gewerbesteuer
unterliegt.
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aaa) Maßgebend für die
Interpretation eines Gesetzes ist der in ihm zum Ausdruck kommende
objektivierte Wille des Gesetzgebers. Der Feststellung des zum
Ausdruck gekommenen objektivierten Willens des Gesetzgebers dienen
die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische
Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus
ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den
Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische
Auslegung); zur Erfassung des Inhalts einer Norm darf sich der
Richter dieser verschiedenen Auslegungsmethoden gleichzeitig und
nebeneinander bedienen. Insbesondere bei der Auslegung einer Norm
aus ihrem Wortlaut ist zu berücksichtigen, dass diese nur eine
von mehreren anerkannten Auslegungsmethoden ist, zu denen - wie
ausgeführt - auch die systematische Auslegung zählt. Nach
Letzterer ist darauf abzustellen, dass einzelne Rechtssätze,
die der Gesetzgeber in einen sachlichen Zusammenhang gebracht hat,
grundsätzlich so zu interpretieren sind, dass sie logisch
miteinander vereinbar sind. Ziel jeder Auslegung ist die
Feststellung des Inhalts einer Norm, wie er sich aus dem Wortlaut
und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist.
Gegen seinen Wortlaut ist die Auslegung eines Gesetzes allerdings
nur ausnahmsweise möglich, wenn die wortgetreue Auslegung zu
einem sinnwidrigen Ergebnis führt, das vom Gesetzgeber nicht
beabsichtigt sein kann, oder wenn sonst anerkannte
Auslegungsmethoden dies verlangen (z.B. BFH-Beschluss in BFHE 254,
371, BStBl II 2017, 202 = SIS 16 21 89, Rz 36, m.w.N.).
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bbb) Der Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 5
Nr. 1a Satz 1 GewSt setzt allein „Vergütungen im Sinne
des § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes“ voraus, „die
der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine
Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe
von Darlehen oder für die Überlassung von
Wirtschaftsgütern, mit Ausnahme der Überlassung von
Grundbesitz, bezogen hat“. Dass der
Gesellschafter als Vergütungsempfänger der Gewerbesteuer
unterliegt, verlangt die Norm nicht.
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ccc) Auch Sinn und Zweck der Norm sowie
historische Erwägungen rechtfertigen keine einschränkende
Auslegung.
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(1) Der Gesetzgeber verfolgte mit der
Einfügung des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG - wie
ausgeführt - das Ziel, steuerliche Gestaltungen im
Zusammenhang mit der erweiterten Kürzung für
Grundstücksunternehmen in der Rechtsform der
Personengesellschaft zu verhindern, nach denen Erträge, die
die Gesellschaft gewerbesteuerpflichtigen Dritten für
erbrachte Leistungen zahlt, in den Kürzungsumfang einbezogen
werden, weil der Dritte Gesellschafter der Gesellschaft ist. Hierzu
sollte die erweiterte Kürzung auf Ebene der
grundbesitzverwaltenden Personengesellschaft in Bezug auf
Sondervergütungen des Mitunternehmers dahingehend
eingeschränkt werden, dass nur die Sondervergütungen in
die erweiterte Kürzung einzubeziehen sind, die auf die
Überlassung von Grundbesitz an die Gesellschaft entfallen (und
damit die Kerntätigkeit der Gesellschaft umfassen). Hingegen
sollte die erweiterte Kürzung ausgeschlossen werden, soweit
der Mitunternehmer der Gesellschaft Darlehen überlässt
oder andere Leistungen erbringt (BR-Drucks. 545/08, S. 113;
BT-Drucks. 16/10189, S. 73). Damit wollte der Gesetzgeber
insbesondere verhindern, dass sich der
Vergütungsgläubiger zur Vermeidung einer Gewerbesteuer
auf die Vergütung an der Gesellschaft mitunternehmerisch
beteiligt (BT-Drucks. 16/11108, S. 31).
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(2) Das Regelungsziel der Gestaltungs- oder
Missbrauchsvermeidung kommt im Gesetzestext jedoch nicht zum
Ausdruck. Eine Einschränkung auf
Vergütungsempfänger, die ihrerseits der Gewerbesteuer
unterliegen, lässt sich der Norm nicht entnehmen. § 9 Nr.
1 Satz 5 Nr. 1a GewStG stellt vielmehr eine stark typisierende
Regelung auf, die pauschal auf die Zahlung von
Sondervergütungen an den Gesellschafter abstellt (zur
Typisierung im Rahmen des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG vgl.
auch BFH-Urteil vom 29.06.2022 - III R 19/21, BFHE 277, 416, BStBl
II 2023, 84 = SIS 22 18 28, Rz 23). Sie ist einer
einschränkenden Auslegung nicht zugänglich (ebenso
Hessisches FG, Urteil vom 29.05.2019 - 8 K 291/18, EFG 2019, 1695 =
SIS 19 14 62, rechtskräftig; zustimmend
Böwing-Schmalenbrock, EFG 2019, 1696; Schnitter in
Frotscher/Drüen, a.a.O., § 9 Rz 90). Soweit der Senat in
dem Beschluss in BFHE 254, 371, BStBl II 2017, 202 = SIS 16 21 89
(Rz 43) ausgeführt hat, § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG
spreche dafür, dass der Gesetzgeber mit
„eigenem“ Grundbesitz i.S. des § 9
Nr. 1 Satz 2 GewStG den „zum Betriebsvermögen des
Unternehmers gehörenden“ Grundbesitz
meine, zu dem auch der im zivilrechtlichen Eigentum des
Gesellschafters stehende, an die Gesellschaft zur Nutzung
überlassene Grundbesitz gehöre, und die Regelung in Satz
5 Nr. 1a lediglich der Verhinderung missbräuchlicher
Gestaltungen diene, steht dies allein im Kontext der
(systematischen) Auslegung des Begriffs „eigener
Grundbesitz“ in § 9 Nr. 1 Satz 2
GewStG.
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ddd) Systematische Erwägungen, die
für das gegenteilige Auslegungsergebnis sprechen, sind
ebenfalls nicht ersichtlich.
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28
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eee) Entgegen der Auffassung der Klägerin
und der zuvor zitierten überwiegenden Literaturmeinung kann
§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG in den Fällen, in denen
der Vergütungsempfänger nicht der Gewerbesteuer
unterliegt, auch nicht teleologisch reduziert werden.
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(1) Die teleologische Reduktion setzt eine
Divergenz zwischen Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck voraus. Sie
zielt darauf ab, den Geltungsbereich einer Norm mit Rücksicht
auf ihren Gesetzeszweck gegenüber dem zu weit gefassten
Wortlaut einzuschränken. Sie kommt nur in Betracht, wenn die
auf den Wortlaut abstellende Auslegung zu einem sinnwidrigen
Ergebnis führen würde. Es bedarf demnach einer verdeckten
Regelungslücke (z.B. BFH-Urteil in BFHE 219, 173, BStBl II
2007, 893 = SIS 07 31 78, unter II.5.). Lässt sich ein
bestimmter Gesetzeszweck hingegen nicht sicher feststellen, so ist
für eine teleologische Reduktion kein Raum (ebenso Drüen
in Tipke/Kruse, § 4 AO Rz 382).
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(2) Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf
nicht der Gewerbesteuer unterliegende Vergütungsempfänger
i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG nicht erfüllt.
Zwar lagen der Einfügung der Norm durch das JStG 2009
Gestaltungen zugrunde, in denen der Vergütungsempfänger
der Gewerbesteuer unterfiel und nur deshalb Gesellschafter der
Personengesellschaft wurde, um die Gewerbesteuerbarkeit der
Vergütungen umgehen zu können. Dabei hatte der
Gesetzgeber wohl in erster Linie das sog. Bankenbeteiligungsmodell
(vgl. dazu FG Düsseldorf, Urteil vom 18.06.2007 - 17 K 923/05
F, EFG 2007, 1696 = SIS 07 30 30: kein Missbrauch von
Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts; s.a. Mensching/Tyarks,
DStR 2009, 2037) vor Augen (ebenso Brandis/Heuermann/Gosch, §
9 GewStG Rz 109b; Wagner in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann,
a.a.O., § 9 Nr. 1 Rz 132; Bleschick in
Hallerbach/Nacke/Rehfeld, a.a.O., § 9 Nr. 1 Rz 286; Renner in
Bergemann/Wingler, GewStG, § 9 Rz 69).
„Insbesondere“, aber nicht
ausschließlich diese Gestaltung wollte er verhindern
(BT-Drucks. 16/11108, S. 31). Dementsprechend hat der Gesetzgeber
den Tatbestand des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG nicht auf
diesen Fall beschränkt, sondern Sondervergütungen der
Gesellschafter ganz allgemein von der erweiterten Kürzung
ausgenommen. Dies betrifft Sondervergütungen jedweder Art,
also auch Vergütungen für die - wohl weniger
„gestaltungsgeneigte“ - Tätigkeit
im Dienst der Gesellschaft. Allein Vergütungen für die
Überlassung von Grundbesitz hat er ausdrücklich
ausgenommen. Dies spricht ebenfalls dafür, dass der
Gesetzgeber die Geltung des Tatbestands bewusst nicht weitergehend
einschränken wollte. Diese tatbestandliche Weite kommt auch in
der zeitlichen Anwendungsbestimmung des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr.
1a Satz 2 GewStG bzw. § 36 Abs. 6a Satz 2 GewStG i.d.F. des
JStG 2009 zum Ausdruck, die für Altvereinbarungen
Bestandsschutz gewährt. Eine derartige Typisierung mag
überschießende Tendenz haben, führt allerdings
nicht zu einem sinnwidrigen Ergebnis. Es lässt sich nicht
eindeutig feststellen, dass der Gesetzgeber mit § 9 Nr. 1 Satz
5 Nr. 1a GewStG allein Sondervergütungen an Gesellschafter
erfassen wollte, die ihrerseits der Gewerbesteuer unterliegen. Eine
tatbestandliche Reduktion, von der ohnehin nur besonders
zurückhaltend Gebrauch zu machen ist (BFH-Urteil in BFHE 219,
173, BStBl II 2007, 893 = SIS 07 31 78, unter II.5.b), ist daher
nicht gerechtfertigt.
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(3) Das zu § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG a.F.
(nunmehr § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG) ergangene BFH-Urteil
in BFHE 219, 173, BStBl II 2007, 893 = SIS 07 31 78 steht dem nicht
entgegen. Nach den Grundsätzen dieser Entscheidung ist §
9 Nr. 1 Satz 5 GewStG a.F. im Wege der teleologischen Reduktion in
der Weise einzuschränken, dass dem Grundstücksunternehmen
die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags auch dann zu
gewähren ist, wenn das überlassene Grundstück zwar
dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient,
dieses den Grundbesitz nutzende Unternehmen jedoch mit allen seinen
(positiven wie negativen) Einkünften von der Gewerbesteuer
befreit ist. Diese Grundsätze lassen sich jedoch nicht auf
§ 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG übertragen (anders Roser
in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 9 Nr. 1 Rz 213; Schnitter in
Frotscher/Drüen, a.a.O., § 9 Rz 91a; Mensching/Tyarks,
DStR 2009, 2037, 2039). Zwar ist auch § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG
a.F. offen formuliert („wenn der Grundbesitz ganz oder zum
Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen
dient“). Der Gesetzeszweck ließ sich
dort aber sicher bestimmen (s. BFH-Urteil in BFHE 219, 173, BStBl
II 2007, 893 = SIS 07 31 78, unter II.5.a: „§ 9 Nr. 1
Satz 5 GewStG hat den Sinn, zu verhindern, dass der ein eigenes
Grundstück nutzende Einzelunternehmer schlechter gestellt wird
als ein Gewerbetreibender, der ein Grundstück nutzt, das er
einer zwischengeschalteten Gesellschaft überlassen
hat“). Daher konnte der Senat seinerzeit den
Tatbestand teleologisch reduzieren, soweit der Gesetzeszweck -
mangels Besserstellung des Mitunternehmers gegenüber dem
Einzelunternehmer - nicht tangiert wird. Vorliegend lässt sich
ein hinreichend bestimmter Gesetzeszweck jedoch - wie
ausgeführt - nicht mit der dafür erforderlichen
Sicherheit feststellen.
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2. In Anwendung dieser Grundsätze hat die
Vorinstanz zu Recht entschieden, dass die Sondervergütungen
nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG nicht der erweiterten
Kürzung unterliegen. Dies betrifft jedenfalls die an die
Kommanditisten gezahlten Sondervergütungen (dazu unter a). Ob
die Haftungsvergütung der Komplementär-GmbH der
erweiterten Kürzung unterfällt, kann der Senat hingegen
nicht entscheiden. Das Urteil der Vorinstanz ist daher aufzuheben.
Die Sache ist - soweit die Erhebungszeiträume 2014 und 2015
betroffen sind - nicht spruchreif und muss zur anderweitigen
Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO; dazu unter b).
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a) § 9 Abs. 1 Satz 5 Nr. 1a GewStG
gelangt zur Anwendung, soweit die an die Kommanditisten gezahlten
Sondervergütungen (Darlehenszinsen, Arbeitslohn) betroffen
sind.
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aa) Dies gilt auch im Hinblick auf den
Kommanditisten C. Die Vorinstanz hat in diesem Zusammenhang zu
Recht darauf abgestellt, dass dieser zwar bereits vor dem
19.06.2008 als Arbeitnehmer bei der Klägerin beschäftigt
war, jedoch erst im November 2010 Gesellschafter geworden ist. Nach
§ 36 Abs. 6a Satz 2 GewStG i.d.F. des JStG 2009 bzw. § 9
Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a Satz 2 GewStG kommt es auf die (erstmalige)
Vereinbarung bzw. die wesentliche Änderung der Vereinbarung
über die Vergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
Satz 1 EStG (nach dem 18.06.2008) an. Vor diesem Hintergrund hat
das FG zu Recht nicht auf den Abschluss des Arbeitsvertrags
abgestellt, sondern auf die Fortsetzung des
„Arbeitsverhältnisses“ nach
Begründung der Mitunternehmerstellung und damit auf die
„Tätigkeit im Dienst der
Gesellschaft“ i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5
Nr. 1a Satz 1 GewStG (ebenso Mensching/ Tyarks, DStR 2009, 2037,
2040; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 9 Nr. 1
Rz 34: Vereinbarung über die Beteiligung des bisher nicht
beteiligten Vergütungsempfängers; Schnitter in
Frotscher/Drüen, a.a.O., § 9 Rz 91b; BeckOK
GewStG/Jahndorf, 5. Ed. [01.03.2023], GewStG § 9 Rz 451: neue
Beteiligung eines bisher nicht beteiligten
Vergütungsempfängers als wesentliche Änderung; s.a.
Roser in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 9 Nr. 1 Rz 212).
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bb) Die streitgegenständlichen
Aufwendungen (Darlehenszinsen, Arbeitslohn) stellen
Vergütungen i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG
dar. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig.
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b) Hingegen kann der Senat im Hinblick auf die
Haftungsvergütung der Komplementär-GmbH nicht
abschließend beurteilen, ob diese § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr.
1a GewStG unterfällt. Zwar handelt es sich dabei ebenfalls um
eine Vergütung i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1
EStG; dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Es fehlen
jedoch Feststellungen des FG dazu, ob die Haftungsvergütung
nach dem 18.06.2008 erstmals vereinbart bzw. ob die betreffende
Vereinbarung nach diesem Zeitpunkt wesentlich geändert worden
ist. Sollte dies nicht der Fall sein, würde die Abrede als
sog. Altvereinbarung Bestandsschutz nach § 36 Abs. 6a Satz 2
GewStG i.d.F. des JStG 2009 bzw. § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1a Satz
2 GewStG genießen. Die erforderlichen Feststellungen muss das
FG im Hinblick auf die Erhebungszeiträume 2014 und 2015 -
für 2013 kommt es darauf nicht an (dazu unter III.) - im
zweiten Rechtsgang nachholen.
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III. In Bezug auf den
Gewerbesteuermessbescheid für 2013 hat die Revision in vollem
Umfang Erfolg. Soweit das FA die Sondervergütungen im
streitgegenständlichen Änderungsbescheid erstmals der
Gewerbesteuer unterworfen hat, fehlt es an einer
Korrekturvorschrift. Die Änderung ist insbesondere nicht von
§ 35b Abs. 1 GewStG gedeckt. Die Vorentscheidung ist insoweit
auch aus diesem Grund aufzuheben. Die Sache ist insoweit
spruchreif, so dass der Senat im Hinblick auf die Festsetzung des
Gewerbesteuermessbetrags für 2013 auf der Grundlage der
Feststellungen des FG in der Sache selbst entscheiden kann. Die
Klage ist begründet.
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1. Gemäß § 35b Abs. 1 Satz 1
GewStG ist der Gewerbesteuermessbescheid oder
Verlustfeststellungsbescheid von Amts wegen aufzuheben oder zu
ändern, wenn der Einkommensteuerbescheid, der
Körperschaftsteuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid
aufgehoben oder geändert wird und die Aufhebung oder
Änderung den Gewinn aus Gewerbebetrieb berührt. Die
Änderung des Gewinns aus Gewerbebetrieb ist insoweit zu
berücksichtigen, als sie die Höhe des Gewerbeertrags oder
des vortragsfähigen Gewerbeverlustes beeinflusst (§ 35b
Abs. 1 Satz 2 GewStG). Die Norm dient der Verfahrensvereinfachung.
Sie bezweckt die Vermeidung einer unerwünschten Verdoppelung
von Rechtsbehelfsverfahren, in denen der Steuerpflichtige sowohl
gegen den geänderten Einkommensteuer-,
Körperschaftsteuer- bzw. Feststellungsbescheid als auch gegen
den Gewerbesteuermessbescheid oder Verlustfeststellungsbescheid ein
und dieselben (materiell-rechtlichen) Einwendungen erhebt
(BFH-Urteil vom 23.06.2004 - X R 59/01, BFHE 206, 449, BStBl II
2004, 901 = SIS 04 38 08, unter II.3.a). Sie erlaubt daher eine
punktuelle Änderung des Gewerbesteuermessbescheids bzw.
Verlustfeststellungsbescheids. Eine „Wiederaufrollung des
Steuerfalls“ findet hingegen nicht statt
(BFH-Urteil vom 11.10.1966 - I 223/65, BFHE 87, 290, BStBl III
1967, 131 [Rz 10] = SIS 67 00 78; Selder in Glanegger/ Güroff,
a.a.O., § 35b Rz 10; Kontny in Wendt/Suchanek/Möllmann/
Heinemann, a.a.O., § 35b Rz 27).
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2. Im Streitfall hat das FA den Bescheid
für 2013 über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
(Gewinnfeststellungsbescheid) vom 03.02.2015, der nicht unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) stand, mit
Bescheid vom 23.09.2016 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO
geändert. Dabei hat es die laufenden Einkünfte (von ./.
22.259,93 EUR auf ./. 16.198,93 EUR) - und damit die Einkünfte
aus Gewerbebetrieb (von 116.017,68 EUR auf 122.078,68 EUR) -
aufgrund der Feststellungen der Betriebsprüfung um 6.061 EUR
erhöht. Die Sondervergütungen sind indes unverändert
geblieben; das FA hat allein die Haftungsvergütung der
Komplementär-GmbH in Höhe von 5.000 EUR nicht mehr als
„Gewinn aus Gesamthandsbilanz (nicht nach Quote
verteilt)“ ausgewiesen, sondern den
„Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher
Grundlage“ zugerechnet, so dass diese nun mit
einem Betrag von 138.277,61 EUR (zuvor: 133.277,61 EUR) ausgewiesen
sind.
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Hingegen wurde im Ursprungsbescheid für
2013 über den Gewerbesteuermessbetrag (ohne Datumsangabe), der
ebenfalls nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand, ein
Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von ./. 17.259 EUR
berücksichtigt. Dies entspricht der Summe aus den
„laufende[n] Einkünfte[n] (nach Quote
verteilt)“ in Höhe von ./. 22.259,93 EUR
und dem „Gewinn aus Gesamthandsbilanz (nicht nach Quote
verteilt)“ in Höhe von 5.000 EUR. Dagegen
hat das FA die „Vergütungen auf gesellschaftsrechtlicher
Grundlage“ in Höhe von 133.277,61 EUR
(erklärungsgemäß) nicht der Gewerbesteuer
unterworfen. Dies ist erst in dem auf § 35b Abs. 1 GewStG
gestützten Änderungsbescheid vom 14.10.2016 geschehen.
Dort hat das FA korrespondierend zum Feststellungsbescheid für
2013 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb in Höhe von 122.078 EUR
angesetzt.
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3. Das FA konnte sich für die
Änderung des Gewerbesteuermessbescheids für 2013 nur
insoweit auf § 35b Abs. 1 GewStG berufen, als der Gewinn im
Gewinnfeststellungsbescheid - den Feststellungen der
Betriebsprüfung entsprechend - um 6.061 EUR erhöht worden
ist. Soweit das FA die Sondervergütungen erstmals der
Gewerbesteuer unterworfen hat, scheidet eine Änderung nach
§ 35b Abs. 1 GewStG aus.
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a) Der Gewinnfeststellungsbescheid für
2013 ist geändert worden; die Änderung hat den Gewinn aus
Gewerbebetrieb berührt (§ 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG). Die
Änderung ist nach § 35b Abs. 1 Satz 2 GewStG (nur)
insoweit zu berücksichtigen, als sie die Höhe des
Gewerbeertrags beeinflusst. Im Streitfall beschränkt sich die
Änderung i.S. des § 35b Abs. 1 Satz 1 GewStG auf die -
einzelne Prüfungsfeststellungen (Berücksichtigung von
sofort abgezogenen Aufwendungen im Wege der Abschreibung; private
Telefonnutzung) betreffende - Erhöhung des Gesamthandsgewinns
um 6.061 EUR. Diese Gewinnerhöhung durfte das FA im
Gewerbesteuermessbescheid nachvollziehen.
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b) § 35b Abs. 1 GewStG ermöglicht
zugleich, den Kürzungsbetrag nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG
entsprechend anzupassen (und die Gewinnerhöhung wieder aus dem
Gewerbeertrag „herauszukürzen“).
Denn auch Hinzurechnungen werden von § 35b Abs. 1 GewStG
erfasst, soweit diese nach Grund und Höhe von der
Gewinnermittlung berührt werden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 87,
290, BStBl III 1967, 131 [Rz 10 ff.] = SIS 67 00 78). Über die
Gewinnänderung hinausgehende Änderungen des
Gewerbesteuermessbescheids sind möglich, wenn und soweit es
durch eine Änderung des Gewinns zu Auswirkungen auf
Hinzurechnungen oder Kürzungen nach §§ 8, 9 GewStG
kommt (R 35b.1 Abs. 2 Satz 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien 2009;
Kontny in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, a.a.O., §
35b Rz 27; Selder in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 35b Rz
9; einschränkend Brandis/Heuermann/Baldauf, § 35b GewStG
Rz 24). Dies ist hier im Hinblick auf die Kürzung des
erhöhten Gewerbeertrags nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG der
Fall.
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c) Hingegen scheidet eine Änderung nach
§ 35b Abs. 1 GewStG aus, soweit das FA die
Sondervergütungen (ohne die Haftungsvergütung der
Komplementär-GmbH) in Höhe von 133.277,61 EUR erstmals
der Gewerbesteuer unterworfen hat. Insofern fehlt es an einer
Änderung des Feststellungsbescheids i.S. des § 35b Abs. 1
Satz 1 GewStG. Die Norm ermöglicht nicht (zwingend) eine
Anpassung des im Gewerbesteuermessbescheid angesetzten Gewinns an
die im Gewinnfeststellungsbescheid getroffenen Feststellungen,
sondern allein, die im Gewinnfeststellungsbescheid vorgenommene
Erhöhung (oder Minderung) des gewerblichen Gewinns durch eine
Erhöhung (oder Minderung) des Gewerbeertrags im
Gewerbesteuermessbescheid nachzuvollziehen. Eine Korrektur von
Rechtsfehlern kann nicht auf § 35b Abs. 1 GewStG gestützt
werden.
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d) Ebenso wenig durfte das FA die
Haftungsvergütung der Komplementärin in Höhe von
5.000 EUR von der erweiterten Kürzung ausnehmen. Dieser Betrag
war im Ursprungsbescheid sowohl im Gewinn (vgl. § 7 Satz 1
GewStG) als auch in der erweiterten Kürzung (§ 9 Nr. 1
Satz 2 GewStG) enthalten. Soweit das FA die erweiterte Kürzung
im angefochtenen Bescheid eingeschränkt hat, handelt es sich
um eine - von § 35b Abs. 1 GewStG nicht erfasste - Korrektur
eines Rechtsfehlers.
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46
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4. Da auch sonstige Korrekturvorschriften
nicht einschlägig sind, ist die Klage gegen den
Gewerbesteuermessbescheid für 2013 im Ergebnis begründet.
Das FA durfte den im Ursprungsbescheid berücksichtigten Gewinn
aus Gewerbebetrieb (./. 17.259 EUR) nur um 6.061 EUR erhöhen.
Die Summe aus dem anzusetzenden Gewinn aus Gewerbebetrieb (./.
11.198 EUR) und den der Höhe nach unveränderten
Hinzurechnungen (49.911 EUR) - insgesamt 38.713 EUR -
unterfällt in voller Höhe der erweiterten Kürzung.
Der verbleibende Betrag beträgt demnach 0 EUR, so dass kein
Verlustabzug erfolgt. Dies erhöht die vortragsfähigen
Fehlbeträge zum 31.12.2013 und hat somit auch Auswirkungen auf
die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge für die
folgenden Erhebungszeiträume.
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47
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IV. Die Kostenentscheidung folgt aus §
143 Abs. 2 FGO. Auch bei nur teilweiser Zurückverweisung der
Sache muss dem FG die Entscheidung über die gesamten Kosten
des Verfahrens übertragen werden (Grundsatz der
Einheitlichkeit der Kostenentscheidung). Daher hat das FG im
Streitfall auch über die Kosten zu entscheiden, soweit sie das
Streitjahr 2013 betreffen (ständige Rechtsprechung, z.B.
BFH-Urteil vom 10.02.2022 - IV R 33/18 = SIS 22 12 50, Rz 76).
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