Steuerhinterziehung, Haftungsbescheid gegen Ehegatten als Teilnehmer: Gegen den Mittäter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung kann ein Haftungsbescheid nach § 71 AO 1977 ergehen, wenn wegen Aufteilung der Steuerschuld nach §§ 268, 278 AO 1977 gegen diesen nicht als Steuerschuldner vollstreckt werden kann. - Urt.; BFH 7.3.2006, X R 8/05; SIS 06 24 75
I. Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger) wurde in den Streitjahren 1990, 1994, 1995 und 1996
zunächst antragsgemäß mit seiner Ehefrau zusammen
zur Einkommensteuer veranlagt. Anfang 2001 wurde gegen die Ehefrau,
die in den Streitjahren Gaststätten betrieben hat, ein
Steuerstrafverfahren u.a. wegen des Verdachts der
Einkommensteuerhinterziehung eingeleitet. Nach den Feststellungen
der Steuerfahndungsstelle hatte die Fa. M, ein
Großhandelsunternehmen für den Gastronomiebedarf, u.a.
auch für die Ehefrau eine zweite Kundennummer eingerichtet,
unter der sog. Schwarzrechnungen verbucht worden sind. Die weiteren
Ermittlungen der Steuerfahndungsstelle ergaben, dass die unter der
zweiten Kundennummer verbuchten Rechnungen in der Buchhaltung der
Ehefrau nicht berücksichtigt und bei der Ermittlung deren
Gewinn aus Gewerbebetrieb nicht erfasst worden waren. Wegen
Strafverfolgungsverjährung wurde das Strafverfahren gegen die
Ehefrau auf die Jahre 1994 bis 1996 beschränkt.
Aufgrund der Ermittlungen der
Steuerfahndungsstelle änderte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) mit Bescheiden vom
23.11.2001 die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1990 bis
1998. Obwohl der Einspruch gegen alle Änderungsbescheide ohne
Erfolg blieb, wurde Klage nur wegen der Jahre 1991 bis 1993 und
1997 sowie 1998 erhoben. Die Änderungsbescheide für 1990
und 1994 bis 1996 wurden bestandskräftig.
Das auf die Jahre 1995 und 1996
beschränkte strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen den
Kläger - für das Jahr 1994 war lt. Abschlussvermerk der
Bußgeld- und Strafsachenstelle bereits
Strafverfolgungsverjährung eingetreten - wurde nach §
153a der Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
Mit Bescheid vom 12.2.2003 entsprach das FA
dem Antrag des Klägers vom 21.12.2001, die nachgeforderte
Einkommensteuer gemäß § 268 der Abgabenordnung (AO
1977) dahin gehend aufzuteilen, dass die gesamten
Nachforderungsbeträge auf die Ehefrau entfallen.
Bereits unter dem 7.2.2003, den
Bevollmächtigten des Klägers zugestellt am 10.2.2003,
hatte das FA aufgrund der Änderungsbescheide vom 23.11.2001
hinsichtlich der Einkommensteuer einen Haftungsbescheid mit der
Begründung erlassen, der Kläger habe als Angestellter
seiner Ehefrau bei deren Steuerhinterziehung in erheblichem Umfang
mitgewirkt. Der Einspruch gegen den Haftungsbescheid hatte keinen
Erfolg.
Im finanzgerichtlichen Verfahren nahm der
Kläger die Klage bezüglich der Haftung für die
Einkommensteuer 1997 zurück. Hinsichtlich der Jahre 1991 bis
1993 und 1998 sowie der Nachforderungszinsen nach § 233a AO
1977 trennte das Finanzgericht (FG) das Verfahren ab, nachdem sich
das FA verpflichtet hatte, insoweit den angefochtenen
Haftungsbescheid aufzuheben und die Beteiligten daraufhin den
Rechtsstreit in diesem Umfang übereinstimmend für
erledigt erklärt hatten. Wegen der auf die Einkommensteuer
1990 verbuchten Zahlungen oder Verrechnungen gab das FG der Klage
teilweise statt. Infolge der Akzessorietät der Haftungsschuld
zur Steuerschuld mindere sich der Haftungsbetrag für 1990 auf
8.320,06 EUR. Die Haftungssumme für die Streitjahre 1990 und
1994 bis 1996 sei demgemäß auf 24.415,87 EUR
herabzusetzen. Im Übrigen wies das FG die Klage als
unbegründet ab (vgl. SIS 05 29 40).
Mit seiner Revision macht der Kläger
geltend, dass das FG-Urteil materielles Recht verletze (§ 44
Abs. 1 und 2, § 268 ff. AO 1977) und außerdem auf einem
Verfahrensmangel beruhe. Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen,
dass er, der Kläger, für die Einkommensteuerschuld hafte.
Zudem hätte das Gericht selbst ausreichende Feststellungen
hinsichtlich seiner Beteiligung treffen müssen und nicht
lediglich auf das Parallelverfahren 7 K 964/04 und die
Feststellungen der Straf- und Bußgeldstelle des FA verweisen
dürfen, weil der gegen ihn ergangene Strafbefehl aufgehoben
und das Strafverfahren gemäß § 153a StPO gegen
Zahlung einer Geldauflage eingestellt worden sei.
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil
und den angefochtenen Haftungsbescheid vom 7.2.2003 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 16.2.2004 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als
unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und war
deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das
FG erkannt, dass der Kläger nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO
1977 durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden kann, weil
er kraft Gesetzes (§ 71 AO 1977) für den gemäß
Aufteilungsbescheid vom 12.2.2003 auf seine Ehefrau entfallenden
Anteil an der Einkommensteuer 1990 sowie 1994 bis 1996 haftet.
1. Das FG-Urteil ist entgegen der Auffassung
des Klägers mit Gründen versehen. Ein FG-Urteil muss
einen Tatbestand und Entscheidungsgründe enthalten (§ 105
Abs. 2 Nr. 4 und 5 FGO). Im Tatbestand ist der Sach- und
Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem
wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen; wegen der
Einzelheiten darf auf Schriftsätze, Protokolle und andere
Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und
Streitstand ausreichend ergibt (§ 105 Abs. 3 FGO). Durch die
Rechtsprechung ist zudem anerkannt, dass das FG auch auf andere
eigene Entscheidungen Bezug nehmen darf, die gleichzeitig mit dem
angefochtenen Urteil oder Beschluss und in einem anderen
Rechtsstreit zwischen denselben Beteiligten ergangen sind (vgl.
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.4.1984 VIII R 229/83,
BFHE 141, 113, BStBl II 1984, 591 = SIS 84 16 40, m.w.N.;
Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rz.
23a). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
2. Entgegen der Auffassung des Klägers
beruht die Vorentscheidung auch auf keinem weiteren gerügten
Verfahrensfehler.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH
darf sich ein FG die tatsächlichen Feststellungen und
Beweiswürdigungen eines in das finanzgerichtliche Verfahren
eingeführten Strafurteils zu eigen machen, wenn die
Beteiligten gegen die strafgerichtlichen Feststellungen keine
substantiierten Einwendungen vortragen und keine entsprechenden
Beweisanträge gestellt haben (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom
20.8.1999 VII B 6/99, BFH/NV 2000, 215 = SIS 00 51 69). Nach dem
BFH-Beschluss vom 1.2.2001 VII B 234/00 (BFH/NV 2001, 931 = SIS 01 66 47) kann das FG seine Entscheidung auch auf die Feststellungen
aus einem in Rechtskraft erwachsenen Strafbefehl stützen. Der
Senat braucht im Streitfall nicht zu entscheiden, ob das FG die
Feststellungen der Steuerfahndung auch dann zur Grundlage seiner
Entscheidung machen kann, wenn das Verfahren nach § 153a StPO
eingestellt wird.
Das FG hat seine Entscheidung nur hinsichtlich
der Steuerhinterziehung durch die Ehefrau unter Hinweis auf den
gegen diese ergangenen rechtskräftigen Strafbefehl
gestützt (vgl. 2.a der Entscheidungsgründe im Verfahren 7
K 964/04, auf das das angefochtene FG-Urteil insoweit verweist).
Hinsichtlich der Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch den
Kläger begründet es im Verfahren 7 K 964/04 unter 2.b der
Entscheidungsgründe ausführlich, warum der Kläger
nach seiner Auffassung an der Steuerhinterziehung seiner Ehefrau
zumindest als Gehilfe beteiligt war. Dabei geht das FG auch auf die
vom Kläger zu seiner Entlastung vorgetragenen Einwendungen ein
(vgl. 2.b ee der Entscheidungsgründe im Verfahren 7 K
964/04).
Im Übrigen könnte der Kläger
mit der Rüge eines Verstoßes gegen die
Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht mehr
gehört werden. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln - so
auch bei der Verletzung der Sachaufklärungspflicht - geht das
Rügerecht durch rügelose Verhandlung zur Sache verloren
(§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung - ZPO - ;
ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss vom 22.3.2001
IX B 149/00, BFH/NV 2001, 1037 = SIS 01 67 35, m.w.N.). Der
rechtskundig vertretene Kläger hat sich in der mündlichen
Verhandlung vor dem FG - ausweislich des Sitzungsprotokolls vom
12.10.2004 - rügelos zur Sache eingelassen und lediglich
hinsichtlich des vom Beistand der Terminsbevollmächtigten der
Verwaltungsbehörde übergebenen Schreibens des
Steuerberatungsbüros wegen erforderlicher Rückfragen zur
Buchhaltung Schriftsatzfrist beantragt. Diese wurde ihm
gewährt. Auf eine weitere mündliche Verhandlung hat er
verzichtet und damit sein Rügerecht verloren. Somit lagen in
Bezug auf die im angefochtenen Urteil getroffenen
tatsächlichen Feststellungen keine zulässigen
Verfahrensrügen vor. Der BFH ist nach § 118 Abs. 2 FGO an
diese Feststellungen gebunden.
3. Nach § 71 AO 1977 haftet für
verkürzte Steuern, wer eine Steuerhinterziehung begeht oder an
einer solchen Tat teilnimmt. Er kann gemäß § 191 AO
1977 durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.
In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise ist das FG davon ausgegangen, dass die Ehefrau des
Klägers die streitbefangenen Steuern i.S. von § 370 Abs.
1 AO 1977 hinterzogen hat. Zu deren Steuerhinterziehung hat der
Kläger objektiv und subjektiv Beihilfe geleistet und damit
i.S. von § 71 AO 1977 an deren Tat teilgenommen.
Strafbare Beihilfe ist die vorsätzliche
Hilfeleistung zu einer vorsätzlich begangenen Straftat eines
anderen (§ 27 Abs. 1 des Strafgesetzbuchs - StGB - ). Als
Hilfeleistung i.S. des § 27 StGB ist dabei grundsätzlich
jede Handlung anzusehen, welche die Herbeiführung des
Taterfolges des Haupttäters objektiv fördert, ohne dass
sie für den Erfolg selbst ursächlich sein muss
(ständige Rechtsprechung, Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH
- vom 1.8.2000 5 StR 624/99, NJW 2000, 3010, BStBl II 2001, 79 =
SIS 00 14 34).
Gehilfenvorsatz liegt vor, wenn der Gehilfe
die Haupttat in ihren wesentlichen Merkmalen kennt und in dem
Bewusstsein handelt, durch sein Verhalten das Vorhaben des
Haupttäters zu fördern; Einzelheiten der Haupttat braucht
er nicht zu kennen. Ob der Gehilfe den Erfolg der Haupttat
wünscht oder ihn lieber vermeiden würde, ist nicht
entscheidend. Es reicht, dass die Hilfe an sich geeignet ist, die
fremde Haupttat zu fördern oder zu erleichtern, und der
Hilfeleistende dies weiß. Unter dieser Voraussetzung ist der
Vorsatz selbst dann nicht in Frage gestellt, wenn der Gehilfe dem
Täter ausdrücklich erklärt, er missbillige die
Haupttat (BGH-Urteil in NJW 2000, 3010, BStBl II 2001, 79 = SIS 00 14 34).
Der Kläger hat die Haupttat nach den
nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen
angegriffenen Feststellungen des FG objektiv unterstützt und
gefördert. Er hatte eine leitende Stellung in den Betrieben
seiner Ehefrau inne. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass er
eine Vielzahl gewichtiger geschäftlicher Entscheidungen selbst
traf. Zudem wurden die Lokale nach der Erklärung der Ehefrau
vom 7.3.2002 lediglich unter ihrem Namen betrieben, eigentlicher
Unternehmer sei der Kläger gewesen. Auch hat der Kläger
seine Ehefrau bei deren Abwesenheit vertreten und nach eigenem
Bekunden mit ihr abwechselnd die Vorbereitungsarbeiten für die
Erstellung der Buchhaltung durch den gemeinsamen Steuerberater
erledigt. Er hat dem Berater die sog.
„Schwarzrechnungen“ des Großhändlers
und die dazu gehörenden Zahlungsvorgänge nicht vorgelegt
und die aus den „Schwarzeinkäufen“
resultierenden Umsätze nicht erfasst. Da die
Einkommensteuererklärungen des Klägers und seiner Ehefrau
auf der Grundlage dieser unvollständigen Buchhaltung erstellt
wurden, wurden zu niedrige Einkünfte der Ehefrau des
Klägers aus Gewerbebetrieb erklärt.
Auch der subjektive Tatbestand der Beihilfe
zur Steuerhinterziehung liegt vor. Die Verwendung zweier
Kundennummern durch den Gastronomiegroßhändler, die
Nichtverbuchung der „Schwarzrechnungen“ und der
dazu gehörenden Zahlungsvorgänge sowie die Nichterfassung
der daraus resultierenden Umsätze in der Buchführung war
dem Kläger nach den den Senat gemäß § 118 Abs.
2 FGO bindenden Feststellungen des FG bekannt. Dass dieses
Verhalten keinem anderen Zweck dienen konnte, als eine
Steuerhinterziehung vorzubereiten, war ihm ohne weiteres erkennbar
(vgl. auch BFH-Urteil vom 8.9.2004 XI R 1/03, HFR 2005, 293).
4. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden,
dass der Haftungsbescheid vom 7.2.2003 nicht deshalb rechtswidrig
und daher aufzuheben ist, weil im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe
über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung
hinsichtlich der vom Kläger und seiner Ehefrau
gesamtschuldnerisch geschuldeten Einkommensteuer noch nicht
entschieden war. Der bestandskräftige Aufteilungsbescheid vom
12.2.2003 entfaltet Rückwirkung ab dem Tag der Antragstellung
(21.12.2001; vgl. § 276 Abs. 1 und 2 AO 1977; BFH-Beschluss
vom 23.6.1976 VIII B 61/75, BFHE 119, 133, BStBl II 1976, 572 = SIS 76 03 12 zu § 11 Abs. 1 der Aufteilungsverordnung; BFH-Urteil
vom 12.6.1990 VII R 69/89, BFHE 163, 498, BStBl II 1991, 493 = SIS 91 12 54).
5. Zutreffend hat das FG auch erkannt, dass
die Inanspruchnahme des Klägers durch Haftungsbescheid
zulässig war.
a) Nach § 268 AO 1977 können
Personen, die zusammen zu einer Steuer vom Einkommen veranlagt
worden und deshalb Gesamtschuldner sind (§ 44 Abs. 1 AO 1977),
beantragen, dass die Vollstreckung wegen dieser Steuern jeweils auf
den Betrag beschränkt wird, der sich nach Maßgabe der
§§ 269 bis 278 AO 1977 bei einer Aufteilung der Steuern
ergibt. Im Gesetz fehlt eine Aussage zu den Auswirkungen der
Aufteilung auf das Steuerschuldverhältnis. § 278 Abs. 1
AO 1977 führt zu den Wirkungen der Aufteilung lediglich aus,
dass die Vollstreckung nach der Aufteilung beschränkt ist und
solange über den Antrag auf Beschränkung der
Vollstreckung nicht unanfechtbar entschieden ist, dürfen nach
§ 277 AO 1977 Vollstreckungsmaßnahmen nur zur Sicherung
eines Anspruchs durchgeführt werden. Wegen der systematischen
Stellung der Bestimmungen über die Aufteilung der Steuerschuld
geht die herrschende Meinung davon aus, dass die Aufteilung der
Gesamtschuld lediglich zu einer Vollstreckungsbeschränkung
führt. Sie wandelt die Gesamtschuld nicht in
Teilschuldverhältnisse um; ein Gesamtschuldner bleibt auch
insoweit Steuerschuldner, als der aufgeteilte Steuerbetrag auf
andere Gesamtschuldner entfällt (BFH-Urteil in BFHE 163, 498,
BStBl II 1991, 493 = SIS 91 12 54; Senatsbeschluss vom 17.5.2001 X
B 69/00, BFH/NV 2001, 1521 = SIS 01 81 01; Müller-Eiselt in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, Vor §§ 268 bis
280 AO Rz. 5; Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung,
§ 268 AO Tz. 5 f.; Pahlke/Koenig/ Zöllner,
Abgabenordnung, § 268 Rz. 15; a.A. Klein/Brockmeyer, AO, 8.
Aufl., § 268 Rz. 4 und § 44 Rz. 11).
b) Dennoch bewirkt die Aufteilung
gemäß §§ 268 ff. AO 1977 nach ständiger
Rechtsprechung des BFH, dass für die Verwirklichung des
Anspruchs aus der gemeinsamen Steuerfestsetzung die Gesamtschuld im
Ergebnis in Teilschulden aufgespalten wird (vgl. BFH-Urteile vom
18.12.2001 VII R 56/99, BFHE 197, 19, BStBl II 2002, 214 = SIS 02 05 68; in BFHE 163, 498, BStBl II 1991, 493 = SIS 91 12 54; vom
12.1.1988 VII R 66/87, BFHE 152, 206, BStBl II 1988, 406 = SIS 88 07 54, und vom 5.2.1971 VI R 301/66, BFHE 101, 358, BStBl II 1971,
331 f. = SIS 71 01 84). Der BFH hat die in §§ 268, 278 AO
1977 geregelte Vollstreckungsbeschränkung nicht nur auf
Maßnahmen im engen vollstreckungsrechtlichen Sinn bezogen.
Vielmehr müssen nach der Aufteilung alle Maßnahmen
unterbleiben, die in ihrer Wirkung einer Vollstreckung gleichstehen
(BFH-Urteil in BFHE 152, 206, BStBl II 1988, 406 = SIS 88 07 54).
Deshalb ist nach Aufteilung einer Steuergesamtschuld von Ehegatten
die Aufrechnung - sie ist Teil des Erhebungsverfahrens und insoweit
von den Maßnahmen der Vollstreckung im Sechsten Abschnitt der
AO 1977 zu unterscheiden - des FA gegenüber einem Ehegatten,
auf den kein Rückstand entfällt, unzulässig
(BFH-Urteil in BFHE 152, 206, BStBl II 1988, 406 = SIS 88 07 54).
Zudem erledigt sich nach Ergehen des Aufteilungsbescheids das
Begehren auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) ohne Anordnung einer
Sicherheitsleistung (BFH-Beschluss vom 13.8.1991 VIII S 7/90, juris
Nr: STRE915087660). Der Antrag auf AdV ist unzulässig, wenn
bei einem Steuerbescheid gegen mehrere Steuerpflichtige die
Vollstreckung auf den anderen Steuerpflichtigen beschränkt
wird (vgl. Hessisches FG, Beschluss vom 4.8.2004 6 V 4700/03 juris
Nr: STRE200471677 = SIS 05 01 43; FG Münster, Beschluss vom
6.11.2002 8 V 3326/02 E,Ki, 8 V 3789/02 G, U, EFG 2003, 477; FG
Berlin, Beschluss vom 30.8.1991 VI 342/88, EFG 1992, 150).
c) Im Streitfall steht der Umstand, dass der
Kläger trotz der Aufteilung der Steuerschuld weiterhin
Schuldner der Einkommensteuer 1990 und 1994 bis 1996 ist (Geist in
Beermann/Gosch, AO, § 268 Rz. 13), einer
Haftungsinanspruchnahme für den auf seine Ehefrau entfallenden
Anteil an der Gesamtschuld nicht entgegen (so auch
Oberlandesgericht - OLG - Hamm, Urteil vom 8.3.1995 11 U 13/94,
juris Nr: KORE446969500); Hermes, Die Information über Steuer
und Wirtschaft - INF - 1994, 353; a.A. Müller-Eiselt in HHSp,
§ 268 AO Rz. 6).
aa) Haftung im steuerrechtlichen Sinne
bedeutet, dass jemand für die Erfüllung einer fremden
Schuld mit seinem eigenen Vermögen einzustehen hat
(BFH-Beschluss vom 11.7.2001 VII R 29/99, BFH/NV 2002, 305 = SIS 02 53 01). Ein Steuerschuldner kann deshalb für dieselbe Abgabe
grundsätzlich nicht Haftender im Sinne der steuergesetzlichen
Haftungsvorschriften sein und umgekehrt. Steuerschuldner und
Haftungsschuldner sind regelmäßig nicht
personenidentisch, weil die Stellung als Steuerschuldner mit der
eines Fremdhaftenden begrifflich unvereinbar ist (BFH-Urteil vom
15.4.1987 VII R 160/83, BFHE 149, 505, BStBl II 1988, 167 = SIS 87 16 55).
bb) Gleichwohl kann nach der Rechtsprechung
der Geschäftsführer einer GmbH als Haftungsschuldner
für von der GmbH nicht abgeführte Lohnsteuer auch
insoweit in Anspruch genommen werden, als die Steuer auf seinen
eigenen Arbeitslohn entfällt (BFH-Urteile in BFHE 149, 505,
BStBl II 1988, 167 = SIS 87 16 55; vom 2.8.1988 VII R 60/85, BFH/NV
1989, 150 = SIS 88 24 55; vom 14.12.1988 VII R 107/86, BFH/NV 1989,
549; BFH-Beschluss vom 8.5.2001 VII B 252/00, BFH/NV 2001, 1222 =
SIS 01 75 04). Begründet wird diese Ausnahme damit, dass er
für die Haftungsschuld der GmbH und damit für eine aus
seiner Sicht fremde Schuld, nicht dagegen für die eigene
Lohnsteuerschuld in Anspruch genommen wird. Der Grundsatz, dass
Steuer- und Haftungsschuldner nicht identisch sein können,
gelte nur dann, wenn derjenige, der als Haftungsschuldner in
Anspruch genommen werden soll, dieselbe Abgabe als Steuerschuldner
zu entrichten habe. Zusätzlich zur Steuerschuldnerschaft komme
es entscheidend auf die Zahlungsverpflichtung an, wenn die
Eigenschaft als Steuerschuldner die gleichzeitige Inanspruchnahme
des Steuerpflichtigen als Haftungsschuldner ausschließen soll
(BFH-Urteil in BFHE 149, 505, BStBl II 1988, 167 = SIS 87 16 55).
Der Gesellschafter-Geschäftsführer
einer GmbH kann zudem auch für von der GmbH nicht
abgeführte Kapitalertragsteuer als Haftungsschuldner in
Anspruch genommen werden, soweit die Steuer auf seine eigenen
Kapitaleinkünfte entfällt (BFH-Urteil vom 26.2.2003 I R
30/02, BFH/NV 2003, 1301 = SIS 03 41 66).
cc) Die trotz der Aufteilung der Gesamtschuld
nach §§ 268 ff. AO 1977 fortbestehende
Steuerschuldnerschaft des Klägers schließt seine
Haftungsinanspruchnahme nicht aus. Wie bei der
Geschäftsführerhaftung für von der GmbH nicht
abgeführte Lohnsteuer auf den eigenen Arbeitslohn gilt der
Grundsatz, dass Steuer- und Haftungsschuldner nicht
personenidentisch sein können, nur in Fällen, in denen
der Steuerschuldner auch Zahlungsverpflichteter ist (vgl. Boeker in
HHSp, § 191 AO Rz. 4). Ähnlich dem Arbeitnehmer, der als
Steuerschuldner nicht mehr in Anspruch genommen wird, wenn der
Arbeitgeber die Lohnsteuer vorschriftsmäßig vom
Arbeitslohn einbehalten und sie dem FA angemeldet hat (vgl.
BFH-Urteil in BFHE 149, 505, BStBl II 1988, 167 = SIS 87 16 55),
ist auch der zusammenveranlagte Ehegatte nach Aufteilung nicht zur
Zahlung der von ihm geschuldeten Steuer verpflichtet. Vielmehr
trägt jeder Gesamtschuldner (Ehegatte)
„seine“ Steuerschuld allein (BFH-Urteil vom
11.3.2004 VII R 15/03, BFHE 205, 22, BStBl II 2004, 566 = SIS 04 18 35). Deshalb handelt es sich nicht um eine unvereinbare
Personenidentität zwischen Schuldner und Haftendem, weil es zu
keiner doppelten Inanspruchnahme ein und desselben
Steuerpflichtigen aus Gründen der Haftung und der Steuerschuld
kommen kann.
Für ein Nebeneinander von Schuld und
Haftung sprechen auch Sinn und Zweck des § 71 AO 1977. Die
Vorschrift hat Schadensersatzcharakter (Boeker in HHSp, § 71
AO Rz. 3 und 30). Sie soll es der Finanzbehörde
ermöglichen, Täter oder Teilnehmer einer
Steuerhinterziehung zum Ersatz des durch die Tat entstandenen
Schadens heranzuziehen, ohne auf die §§ 823, 826 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs zurückgreifen zu müssen.
Würde man der Rechtsauffassung des Klägers folgen,
könnte sich der Mittäter einer Steuerhinterziehung seines
Ehepartners durch den Antrag auf gemeinsame Veranlagung und den
Antrag auf Aufteilung der Steuerschulden gemäß §
268 AO 1977 der Haftung für die hinterzogenen Steuern
entziehen. Das entspricht nicht dem Zweck der gesetzlichen
Vorschrift.
Die Vorschriften über die
Zusammenveranlagung von Ehegatten einerseits und der Aufteilung der
Steuerschulden gemäß § 268 ff. AO 1977 andererseits
verfolgen auch in ihrem Zusammenwirken nicht den Zweck, den
Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung von seiner
ohne die gemeinsame Veranlagung bestehenden Haftung aus § 71
AO 1977 und der Inanspruchnahme durch Haftungsbescheid
freizustellen. Zweck der Aufteilungsvorschriften ist vielmehr,
zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten nicht schlechter
zu stellen als einen nicht zusammenveranlagten Steuerpflichtigen
(Tipke/Kruse, a.a.O., Vor § 268 Rz. 2). Bei einer getrennten
Veranlagung aber entsteht ein Steueranspruch nur aufgrund der
eigenen Einkünfte; die Ehegatten sind nicht Gesamtschuldner.
Im Streitfall hätte das FA nur die Einkommensteuerbescheide
der Ehefrau geändert; die Haftungsinanspruchnahme des
Klägers aufgrund seiner Beteiligung an der Steuerhinterziehung
der Ehefrau wäre ohne weiteres möglich gewesen.
Zutreffend weist das FG daher darauf hin, dass der Ausschluss der
Haftung des Täters oder Teilnehmers einer Steuerhinterziehung
trotz Aufteilung der Steuerschuld zu einer nicht gerechtfertigten
Besserstellung zusammenveranlagter Ehegatten gegenüber einzeln
oder getrennt veranlagter Personen führen würde.
Dass Steuer- und Haftungsschuldner auch nach
der gesetzgeberischen Konzeption in Einzelfällen identisch
sein können, folgt aus § 45 Abs. 2 Satz 2 AO 1977. Bei
der Gesamtrechtsnachfolge durch Erbfall wird der Erbe selbst
Steuerschuldner. Allerdings besteht die Möglichkeit, die
Haftung des Erben (z.B. durch Nachlassverwaltung) auf den Nachlass
zu beschränken. Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 bleiben
jedoch Vorschriften, durch die eine steuerrechtliche Haftung der
Erben begründet wird, unberührt mit der Folge, dass
Erben, die - wie der Kläger im Streitfall - nach § 71 AO
1977 für verkürzte Steuern haften, nicht nur mit dem auf
sie übergegangenen Nachlass, sondern mit ihrem gesamten
Vermögen für die Steuerschulden des Erblassers einstehen
müssen.