Musikinstrument, Ersatz der Reparaturkosten durch Arbeitgeber: Ersetzt der Arbeitgeber aufgrund einer tarifvertraglichen Verpflichtung dem als Orchestermusiker beschäftigten Arbeitnehmer die Kosten der Instandsetzung des dem Arbeitnehmer gehörenden Musikinstruments, so handelt es sich dabei um steuerfreien Auslagenersatz. - Urt.; BFH 28.3.2006, VI R 24/03; SIS 06 20 68
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Stadt, die in dem
von ihr betriebenen Theater Musiker als Arbeitnehmer
beschäftigte. In den Jahren 1994 und 1995 ersetzte sie
einzelnen Musikern, die für ihre Berufstätigkeit eigene
Musikinstrumente benutzten, die für die Instandhaltung der
Instrumente angefallenen Kosten, wobei sie keine Lohnsteuer
einbehielt. Die Kostenerstattung beruhte auf § 12 Abs. 2 Satz
3 des Tarifvertrages für die Musiker in Kulturorchestern (TVK)
i.V.m. § 1 des Tarifvertrages über Instrumentengeld und
Rohr-, Blatt- und Saitengeld. § 12 des TVK lautet:
(1) Der Musiker ist verpflichtet, jedes ihm
zur Benutzung zugewiesene Instrument pfleglich zu behandeln. Der
Arbeitgeber trägt die erforderlichen Instandsetzungskosten.
...
(2) Soweit dem Musiker ein Instrument nicht
zur Verfügung gestellt worden ist, hat er ein gutes Instrument
in tadellosem und spielfertigem Zustand zu benutzen. Der
Arbeitgeber hat ihm für die Abnutzung ein Instrumentengeld zu
gewähren ... Der Arbeitgeber trägt ferner die als
erforderlich nachgewiesenen Instandsetzungskosten, wenn sie in
angemessenem Verhältnis zum Zeitwert des Instruments
stehen.
Außerdem war die Klägerin durch
ein Urteil des Arbeitsgerichts ... vom 13.7.1995 verpflichtet, die
Instandsetzungskosten steuerfrei an einen Arbeitnehmer
auszuzahlen.
Nach einer
Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Auffassung, die von
der Klägerin erstatteten Kosten seien steuerpflichtiger
Arbeitslohn. Das FA erließ auch deswegen gegenüber der
Klägerin einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid, wonach
ein Haftungsbetrag von 13.057 DM auf die Lohnsteuer für die
Instandsetzungskosten entfiel. Einspruch und Klage, mit denen die
Klägerin jeweils geltend machte, die Übernahme der
Instandsetzungskosten stelle steuerfreien Auslagenersatz i.S. des
§ 3 Nr. 50 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar, blieben
ohne Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in EFG 2003,
1694 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die
Erstattung von Instandsetzungskosten für Musikinstrumente zu
Unrecht als Arbeitslohn statt als Auslagenersatz angesehen. Bei der
Ausbesserung der Instrumente handele es sich um ein Geschäft
des Arbeitgebers. Die Aufwendungen entstünden weit
überwiegend im Interesse des Arbeitgebers und nicht des
Musikers. Durch die Kostenerstattung werde der Musiker nicht
bereichert.
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das finanzgerichtliche Urteil aufzuheben und
unter Änderung des Haftungsbescheids vom 7.1.1998 und der
Einspruchsentscheidung vom 25.1.1999 die Haftungsschuld um 6.675
EUR (13.057 DM) Lohnsteuer herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Es meint, die Erstattung der
Instandsetzungskosten sei kein Auslagenersatz. Dieser liege nach
der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21.8.1995 VI R
30/95 (BFHE 178, 350, BStBl II 1995, 906 = SIS 96 01 40) vor, wenn
der Arbeitnehmer im ganz überwiegenden Interesse des
Arbeitgebers Aufwendungen tätige, die der
Arbeitsausführung dienten und nicht zu einer Bereicherung
führten. Hier werde der Arbeitnehmer durch die Erstattung aber
bereichert, da ihm eigene Aufwendungen zur Instandsetzung seines
Instruments erspart würden. Die Aufwendungen würden auch
nicht im überwiegenden Interesse des Arbeitgebers
erbracht.
Die Revision der Klägerin ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung des vorinstanzlichen
Urteils sowie der Einspruchsentscheidung des FA und zur
Abänderung des angefochtenen Haftungsbescheids (§ 126
Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO - ). Das FA hat die
Klägerin zu Unrecht wegen der Ersatzleistungen in Haftung
genommen.
1. Nach § 191 Abs. 1 Satz 1 der
Abgabenordnung (AO 1977) kann derjenige, der kraft Gesetzes
für eine fremde Steuer haftet, durch Haftungsbescheid in
Anspruch genommen werden. Im Rahmen des Lohnsteuer-Abzugverfahrens
haftet der Arbeitgeber gemäß § 42d Abs. 1 Nr. 1
EStG dafür, dass die von seinen Arbeitnehmern geschuldete
Lohnsteuer einbehalten und an das FA abgeführt wird (§ 38
Abs. 3 EStG). Die Erhebung von Lohnsteuer setzt notwendig voraus,
dass steuerpflichtiger Arbeitslohn vorliegt (§ 38 Abs. 1 Satz
1 EStG). Bei den Zahlungen, mit denen die Klägerin den
Orchestermusikern die Instandsetzungskosten für deren eigene
Instrumente erstattete, handelt es sich indessen nicht um
Arbeitslohn, sondern um Auslagenersatz i.S. des § 3 Nr. 50
EStG.
2. a) Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist
dadurch gekennzeichnet, dass dem Arbeitnehmer Einnahmen
(Bezüge oder geldwerte Vorteile) zufließen, die
„für“ seine Beschäftigung gewährt
werden (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, § 2 Abs. 1 der
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung - LStDV - ). Nach
ständiger Rechtsprechung des BFH gehört zum Arbeitslohn
jeder gewährte Vorteil, der durch das individuelle
Dienstverhältnis veranlasst ist. Der erforderliche
Veranlassungszusammenhang ist gegeben, wenn der Vorteil nur deshalb
gewährt wird, weil der Zurechnungsempfänger Arbeitnehmer
des Arbeitgebers ist, der Vorteil also mit Rücksicht auf das
Dienstverhältnis eingeräumt wird, und wenn sich die
Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinn als Gegenleistung
für das Zurverfügungstellen der individuellen
Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (z.B. BFH-Urteil vom
26.6.2003 VI R 112/98, BFHE 203, 53, BStBl II 2003, 886 = SIS 03 44 97, m.w.N.).
b) Steuerpflichtiger Arbeitslohn ist
grundsätzlich auch Werbungskostenersatz. Steuerfreier
Werbungskostenersatz ist nur in den gesetzlich vorgesehenen
Fällen wie z.B. § 3 Nr. 30 EStG möglich (vgl.
Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 19 Rz.
23).
c) Dagegen sind Zahlungen des Arbeitgebers,
mit denen Auslagen des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber
ersetzt werden, nach § 3 Nr. 50 EStG steuerfrei. Es handelt
sich hierbei um nicht steuerbare Leistungen außerhalb des
Arbeitslohnes. Denn derartige Zahlungen werden nicht für die
Beschäftigung gezahlt und haben deshalb keinen
Entlohnungscharakter; sie sind lediglich ein
Vermögensausgleich der für den Arbeitgeber
getätigten Aufwendungen und führen nicht zu einer
Bereicherung des Arbeitnehmers. § 3 Nr. 50 EStG hat daher nach
ganz überwiegender Auffassung nur deklaratorische Bedeutung
(vgl. z.B. v. Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, - K/S/M
-, Einkommensteuergesetz, § 3 Rdnr. B 50/4).
3. Die Abgrenzung des nicht steuerbaren
Auslagenersatzes vom steuerpflichtigen Werbungskostenersatz ist
„noch nicht im einzelnen für alle Fälle
abschließend geklärt“ (BFH-Urteil in BFHE 178,
350, BStBl II 1995, 906 = SIS 96 01 40). Das gesetzliche
Tatbestandsmerkmal des § 3 Nr. 50 EStG, wonach Auslagen des
Arbeitnehmers „für den Arbeitgeber“
vorliegen müssen, ist auslegungsbedürftig. In
Rechtsprechung und Schrifttum wurden verschiedene Formulierungen
entwickelt, welche im Einzelfall die Beurteilung ermöglichen
sollen, ob Aufwendungen des Arbeitgebers als Werbungskostenersatz
oder Auslagenersatz einzuordnen sind. Die Unterscheidung soll sich
etwa danach richten, wessen Geschäft der Arbeitnehmer mit den
später vom Arbeitgeber ersetzten Ausgaben führt bzw. in
wessen Sphäre die Aufwendungen fallen, ob der Arbeitnehmer die
ursprünglichen Ausgaben für Rechnung des Arbeitgebers
tätigt, oder ob der Arbeitgeber die Ausgaben nach allgemeinen
arbeits- oder auftragsrechtlichen Regeln zu ersetzen hat
(Überblick z.B. bei v. Beckerath in K/S/M, § 3 Rdnr. B
50/27 ff.; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuergesetz,
§ 3 Rn. 1855 ff.; Offerhaus, BB 1990, 2017, 2019). Der BFH
hat, anknüpfend an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs,
Auslagenersatz dann angenommen, wenn dem Arbeitnehmer vom
Arbeitgeber auf Nachweis Aufwendungen ersetzt werden, die
(ausschließlich oder doch bei weitem überwiegend) durch
die Belange des Arbeitgebers bedingt und von diesem veranlasst oder
gebilligt sind, ein eigenes Interesse des Arbeitnehmers an den
Ausgaben also nicht besteht (z.B. Urteile vom 19.1.1976 VI R
227/72, BFHE 117, 470, BStBl II 1976, 231 = SIS 76 01 25; vom
17.12.1993 III R 29/91, BFH/NV 1994, 371). Mit dem Urteil in BFHE
178, 350, BStBl II 1995, 906 = SIS 96 01 40 hat der Senat diese
Erwägung dahin weiterentwickelt, dass Auslagenersatz
jedenfalls dann anzunehmen sei, wenn der Arbeitnehmer im ganz
überwiegenden Interesse des Arbeitgebers Aufwendungen
tätige, die der Arbeitsausführung dienten und nicht zu
einer Bereicherung des Arbeitnehmers führten.
4. Zwar ist es grundsätzlich Sache der
Orchestermusiker als Eigentümer der beruflich genutzten
Musikinstrumente, sich um die erforderlichen Reparaturen und
Instandhaltungsmaßnahmen zu kümmern und auch die
hierfür anfallenden Kosten zu tragen. Während diese
Maßnahmen im Allgemeinen in die Sphäre der Arbeitnehmer
fallen, sieht es der Senat im Streitfall als entscheidend an, dass
die Klägerin tarifvertraglichen Regelungen unterworfen ist,
die sie verpflichten, ihren Arbeitnehmern die als erforderlich
nachgewiesenen Instandsetzungskosten zu ersetzen. Die Klägerin
kann sich einer Inanspruchnahme nicht entziehen, wobei sie diese
Situation nicht selbst durch Individualvereinbarungen
herbeigeführt hat, sondern einer tarifvertraglichen Bindung
unterliegt. Als Folge liegt das Risiko des Entstehens von
Reparaturkosten für die Instrumente nicht bei den
Arbeitnehmern, sondern bei der Klägerin. Wenn deshalb die
Arbeitnehmer die Aufwendungen zunächst selbst tragen, so tun
sie das im unmittelbaren Interesse des Arbeitgebers. Ihre Ausgaben
sind durch dessen Belange bedingt; sie gehen auf Rechnung des
Betriebes und sind, soweit sie erstattet werden, keine
Werbungskosten der Arbeitnehmer (vgl. BFH-Urteile vom 5.11.1971 VI
R 207/68, BFHE 103, 472, BStBl II 1972, 137 = SIS 72 00 84; vom
21.8.1974 VI R 272/70, nicht veröffentlicht). Die Erstattung
der Instandsetzungsaufwendungen stellt für die Arbeitnehmer
zwar einen Vorteil dar, der ohne das Dienstverhältnis nicht
eingeräumt worden wäre. Jedoch handelt es sich dabei
wegen des eigenbetrieblichen Interesses der Klägerin nicht um
eine Leistung mit Entlohnungscharakter (a.A.
Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer,
„Auslagenersatz“ Rz. 12, 13).
Die Annahme eines nicht steuerbaren
Auslagenersatzes wirkt sich im Übrigen nicht wesentlich auf
das Steueraufkommen aus. Denn wären im Streitfall die
Leistungen der Klägerin als Werbungskostenersatz zu
beurteilen, könnten die Arbeitnehmer ihre entsprechenden
Aufwendungen im Ermäßigungsverfahren oder
spätestens bei der Einkommensteuerveranlagung als
Werbungskosten absetzen. Im Endergebnis würde sich allenfalls
bei den Arbeitnehmern, deren Werbungskosten insgesamt nicht
über den Arbeitnehmer-Pauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1
EStG) hinausgehen, eine steuerliche Auswirkung ergeben.
5. Wegen der Bejahung von Auslagenersatz kann
offen bleiben, ob der angefochtene Bescheid bereits deshalb
hätte aufgehoben werden müssen, weil im Hinblick auf das
zu Lasten der Klägerin ergangene Urteil des Arbeitsgerichts
die Inanspruchnahme der Klägerin im Haftungswege
ermessensfehlerhaft war.
6. Da das FG von anderen
Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war das vorinstanzliche
Urteil ebenso wie die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben. Die
Sache ist spruchreif. Der angefochtene Haftungsbescheid war im
Sinne des Klageantrags abzuändern. Die Neuberechnung und
Aufteilung der Haftungsbeträge wird dem FA übertragen
(§ 100 Abs. 2, § 121 FGO).