Es wird die Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 43 Abs.
18 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften, der die
Anwendung des § 40a Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über
Kapitalanlagegesellschaften i.d.F. des sog. Korb II-Gesetzes auf
alle noch nicht bestandskräftigen Festsetzungen auch des
Veranlagungszeitraums 2003 anordnet, soweit
Veräußerungen im Mai 2003 betroffen sind, infolge
Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche
Rückwirkungsverbot verfassungswidrig ist.
1
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A. Streitig ist, ob sog. negative
Aktiengewinne aus der Veräußerung von
Sonder-Wertpapiervermögen bei der Einkommensermittlung nach
§ 8b Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes in der im Jahr
2003 (Streitjahr) geltenden Fassung (KStG) i.V.m. § 40a Abs. 1
Satz 2 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG)
i.d.F. des Art. 6 des Gesetzes zur Umsetzung der
Protokollerklärung der Bundesregierung zur
Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz
(sog. Korb II-Gesetz) vom 22.12.2003 (BGBl I 2003, 2840) im
Streitjahr hinzuzurechnen sind.
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2
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Der Kläger und Revisionskläger
(Kläger), ein Versicherungsverein a.G., gehört zu einem
…konzern und betreibt für diesen (als Unternehmen in
einem sog. Gleichordnungskonzern i.S. des § 18 Abs. 2 des
Aktiengesetzes) das Versicherungsgeschäft. Im Jahr 2003
veräußerte er Anteilscheine an drei Spezialfonds und
erzielte hieraus Buchgewinne:
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Fonds
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Anzahl der Anteile
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Veräußerung am
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Buchgewinn
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Fonds A
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…
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15.05.2003
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Fonds A
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…
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19.05.2003
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Fonds A
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…
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20.05.2003
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Fonds A
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…
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23.05.2003
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… EUR
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Fonds B
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…
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19.05.2003
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… EUR
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Fonds C
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…
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29.08.2003
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… EUR
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Gesamt
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… EUR
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4
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Aus der Veräußerung der
Anteilscheine an dem Fonds D erzielte er einen buchtechnischen
Verlust in Höhe von … EUR.
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5
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Im Rahmen seiner
Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr
erklärte der Kläger die Buchgewinne (Fonds A, B, C) als
nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG steuerfrei („Steuerfreie
Erträge aus dem Abgang von Investmentfondsanteilen“).
Einen Anleger-Aktiengewinn oder -verlust ermittelte er
nicht.
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6
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Mit Körperschaftsteuerbescheid vom
06.07.2005, der gemäß § 164 Abs. 1 der
Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
erging, und mit Bescheid vom 06.01.2009, der den Ausgangsbescheid
aus anderen Gründen änderte, veranlagte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) den Kläger
hinsichtlich der Buchgewinne aus der Veräußerung der
Anteilscheine erklärungsgemäß. Der Vorbehalt der
Nachprüfung blieb im Änderungsbescheid vom 06.01.2009,
mit dem die Körperschaftsteuer auf … EUR festgesetzt
wurde, bestehen.
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7
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Im Zuge einer Außenprüfung
ermittelte man zu der Veräußerung der Anteilscheine an
den Fonds A, B und C die folgenden Anleger-Aktienverluste, die der
Höhe nach zwischen den Beteiligten unstreitig sind (Tz. 2.11.8
des Außenprüfungsberichts vom 09.03.2011):
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8
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Fonds
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Anleger-Aktienverlust
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A
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… EUR
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B
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… EUR
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C
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… EUR
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Gesamt
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… EUR
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9
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Das FA änderte den
Körperschaftsteuerbescheid in der Weise, dass dieser Betrag
(als sog. negativer Aktiengewinn) dem zu versteuernden Einkommen
hinzugerechnet und zugleich die Steuerfreistellung der Buchgewinne
rückgängig gemacht wurde; der Verlust aus dem Verkauf des
Fonds D wurde nicht hinzugerechnet.
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10
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Betrag der Einkommenskorrektur:
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Bisher
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… EUR
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abzgl. bisher steuerfrei belassene
Buchgewinne
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… EUR
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errechneter Anleger-Aktienverlust
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… EUR
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Korrektur Verkauf Rentenfonds
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… EUR
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|
… EUR
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11
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Die Einkommenserhöhung betrug folglich
… EUR und der Betrag der nicht abziehbaren Kosten minderte
sich um … EUR (Änderungsbescheid vom 12.04.2011;
Festsetzung der Steuer auf … EUR).
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12
|
Mit seinem hiergegen erhobenen Einspruch
wandte sich der Kläger gegen die Hinzurechnung der negativen
Aktiengewinne aus der Veräußerung der Investmentfonds.
§ 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG dürfe als Verweisungsnorm auf
§ 8b Abs. 3 KStG nicht herangezogen werden, da diese Regelung
erst mit dem Korb II-Gesetz vom 22.12.2003 (Verkündung am
27.12.2003; Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15.08.2003,
Einbringung in den Bundestag am 08.09.2003) in Kraft getreten sei.
Vor Einführung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG habe es keine
dem § 8b Abs. 3 KStG entsprechende Regelung für
Wertpapier-Sondervermögen gegeben. Die rückwirkende
Einführung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG durch § 43
Abs. 18 KAGG sei unzulässig. Der Einspruch wurde
zurückgewiesen (Einspruchsentscheidung vom
12.12.2016).
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13
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Im Klageverfahren, das erfolglos blieb
(Finanzgericht - FG - Münster, Urteil vom 20.06.2018 - 10 K
3981/16 K, abgedruckt in EFG 2018, 1478 = SIS 18 12 74), hatte das
FA den Körperschaftsteuerbescheid aus nicht das Klageverfahren
betreffenden Gründen am 11.05.2018 geändert.
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14
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Der Kläger rügt mit der Revision
die Verletzung materiellen Rechts.
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15
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Er beantragt, unter Aufhebung des
angefochtenen Urteils den Körperschaftsteuerbescheid 2003 vom
11.05.2018 dahingehend abzuändern, dass die
außerbilanzielle Hinzurechnung der negativen Aktiengewinne in
Höhe von … EUR rückgängig gemacht und das zu
versteuernde Einkommen entsprechend gemindert wird, und regt eine
Normenkontrollvorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG)
an.
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16
|
Das FA beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
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17
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B. Infolge der vom Senat angenommenen
Verfassungswidrigkeit des § 43 Abs. 18 KAGG, der die Anwendung
des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG i.d.F. des sog. Korb II-Gesetzes
auf alle noch nicht bestandskräftigen Festsetzungen auch des
Veranlagungszeitraums 2003 anordnet, soweit
Veräußerungen im Mai 2003 betroffen sind, war das
Revisionsverfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des
Grundgesetzes (GG) i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über
das Bundesverfassungsgericht auszusetzen und die Entscheidung des
BVerfG einzuholen.
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18
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Nach Überzeugung des Senats ist § 43
Abs. 18 KAGG mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes unvereinbar
und verstößt insoweit gegen Art. 20 Abs. 3 GG, als durch
die Anwendung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG i.d.F. des sog.
Korb II-Gesetzes auf alle noch nicht bestandskräftigen
Festsetzungen auch des Veranlagungszeitraums 2003
Veräußerungen im Mai 2003 betroffen und dabei erzielte
sog. negative Anleger-Aktiengewinne unter Anwendung von § 8b
Abs. 3 KStG bei der Einkommensermittlung nicht zu
berücksichtigen sind.
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19
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I. Rechtsentwicklung der im Streitfall
maßgeblichen Vorschrift
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20
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1. Das Recht der inländischen
Investmentgesellschaften war bis zum 31.12.2003 im Gesetz über
Kapitalanlagegesellschaften geregelt (ursprüngliche Fassung
vom 16.04.1957, BGBl I 1957, 378). Dieses Gesetz enthielt die
aufsichts- und steuerrechtlichen Vorschriften für
inländische Kapitalanlagegesellschaften. Es wurde im Rahmen
des Gesetzes zur Modernisierung des Investmentwesens und zur
Besteuerung von Investmentvermögen
(Investmentmodernisierungsgesetz) vom 15.12.2003 (BGBl I 2003,
2676) mit Wirkung vom 01.01.2004 durch das Investmentgesetz
für das Aufsichtsrecht und das Investmentsteuergesetz (InvStG
2004) für das Steuerrecht abgelöst. Das Investmentgesetz
wurde inzwischen durch das am 22.07.2013 in Kraft getretene
Kapitalanlagegesetzbuch ersetzt (BGBl I 2013, 1981), das
Investmentsteuergesetz durch das Investmentsteuergesetz 2018
(Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung vom 19.07.2016, BGBl I
2016, 1730).
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21
|
In dem Gesetzgebungsverfahren zum
Investmentmodernisierungsgesetz setzte sich der Gesetzgeber u.a.
mit einem Auslegungsproblem zur ertragsteuerrechtlichen
Berücksichtigungsfähigkeit von Teilwertabschreibungen
auseinander (vgl. § 8 InvStG 2004). Es ging um die Frage, ob
der in § 8b Abs. 3 KStG in der ab 1.1.2001 geltenden Fassung
vorgesehene Ausschluss der Berücksichtigungsfähigkeit von
Teilwertabschreibungen (vgl. BTDrucks 14/2683, 79) auch auf
Kapitalanlagegesellschaften Anwendung findet, obwohl § 40a
KAGG auf diese Vorschrift nicht verwies. Der Gesetzgeber erstreckte
die seiner Auffassung nach im Vergleich zur bisherigen Rechtslage
nur klarstellende Lösung, wonach § 8b Abs. 3 KStG auch
auf Kapitalanlagegesellschaften Anwendung finde, durch eine
Änderung des auslaufenden KAGG zugleich auf die Vergangenheit.
Die dies anordnenden Regelungen des § 40a Abs. 1 Satz 2 und
des § 43 Abs. 18 KAGG wurden in das sog. Korb II-Gesetz
aufgenommen. Die Gesetzgebungsverfahren zum Korb II-Gesetz und zum
Investmentmodernisierungsgesetz wurden in der zweiten Hälfte
des Jahres 2003 durchgeführt (vgl. zu den Gesetzentwürfen
der Bundesregierung BRDrucks 560/03 vom 15.08.2003 und BRDrucks
609/03 vom 28.8.2003; vgl. BTDrucks 15/1518 vom 08.09.2003 und
BTDrucks 15/1553 vom 19.09.2003). Das
Investmentmodernisierungsgesetz wurde am 19.12.2003, das Korb
II-Gesetz am 27.12.2003 im Bundesgesetzblatt verkündet.
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22
|
2. Hintergrund der Einführung des §
40a Abs. 1 KAGG war der Systemwechsel im
Körperschaftsteuerrecht vom Anrechnungs- zum
Halbeinkünfteverfahren (später
Teileinkünfteverfahren). Dieser Systemwechsel hatte u.a. zu
Änderungen des KAGG geführt (vgl. BTDrucks 14/2683, 132).
An den durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur
Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz - StSenkG
- ) vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433) eingeführten -
zunächst nur aus einem Satz bestehenden - § 40a Abs. 1
KAGG a.F. wurde durch das Korb II-Gesetz vom 22.12.2003 ein zweiter
Satz angefügt, für den es in der vorherigen Fassung noch
keine Entsprechung gegeben hatte:
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„(1) 1Auf die Einnahmen aus
der Rückgabe oder Veräußerung von Anteilscheinen an
einem Wertpapier-Sondervermögen, die zu einem
Betriebsvermögen gehören, sind § 3 Nr. 40 des
Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 2 des
Körperschaftsteuergesetzes anzuwenden, soweit sie dort
genannte, dem Anteilscheininhaber noch nicht zugeflossene oder als
zugeflossen geltende Einnahmen enthalten oder auf Beteiligungen des
Wertpapier-Sondervermögens an Körperschaften,
Personenvereinigungen oder Vermögensmassen entfallen, deren
Leistungen beim Empfänger zu den Einnahmen im Sinne des §
20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes gehören. ²Auf
Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit Anteilsscheinen an einem
Wertpapier-Sondervermögen stehen, sind § 3c Abs. 2 des
Einkommensteuergesetzes und § 8b Abs. 3 des
Körperschaftsteuergesetzes anzuwenden, soweit die
Gewinnminderungen auf Beteiligungen des
Wertpapier-Sondervermögens an Körperschaften,
Personenvereinigungen oder Vermögensmassen entfallen, deren
Leistungen beim Empfänger zu den Einnahmen im Sinne des §
20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes
gehören.“
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23
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Die zeitliche Anwendung des § 40a Abs. 1
KAGG wurde durch das Korb II-Gesetz in § 43 Abs. 18 KAGG wie
folgt festgelegt:
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„(18) § 40a Abs. 1 in der Fassung
des Artikels 6 des Gesetzes vom 22.12.2003 (BGBl I S. 2840) ist
für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit
Festsetzungen noch nicht bestandskräftig sind.“
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24
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Nach der Begründung des
Regierungsentwurfs (vgl. BTDrucks 15/1518, 17) handelt es sich bei
§ 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG um eine „redaktionelle
Klarstellung, dass § 8b Abs. 3 KStG auch bei
Investmentanteilen gilt, wenn Verluste aus der
Veräußerung der Anteilsscheine oder Teilwertminderungen
auf Wertminderungen der in dem Wertpapier-Sondervermögen
befindlichen Beteiligungen beruhen“. Zur Regelung ab
Veranlagungszeitraum 2004 s. § 8 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1
InvStG 2004 i.V.m. § 8b KStG.
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25
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3. Nach dem Beschluss des BVerfG vom
17.12.2013 - 1 BvL 5/08 (BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79) ist §
43 Abs. 18 KAGG wegen Verletzung des rechtsstaatlichen
Rückwirkungsverbots partiell (Veranlagungszeiträume 2002
und früher) nichtig; dazu heißt es in den
Leitsätzen: „1. Den Inhalt geltenden Rechts kann der
Gesetzgeber mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den
verfassungsrechtlichen Grenzen für eine rückwirkende
Rechtsetzung feststellen oder klarstellend präzisieren. 2.
Eine nachträgliche, klärende Feststellung des geltenden
Rechts durch den Gesetzgeber ist grundsätzlich als konstitutiv
rückwirkende Regelung anzusehen, wenn dadurch eine in der
Fachgerichtsbarkeit offene Auslegungsfrage entschieden wird oder
eine davon abweichende Auslegung ausgeschlossen werden soll.“
Das BVerfG hat in seinem Beschluss die auf den Veranlagungszeitraum
2002 abzielende Vorlagefrage auf den Veranlagungszeitraum 2001
erstreckt, da sich die nach der Vorlage für den im
Ausgangsverfahren entscheidungserheblichen Veranlagungszeitraum
2002 erheblichen Verfassungsrechtsfragen in gleicher Weise für
das Jahr 2001 stellen würden. Im Weiteren ist dort (zu B.I.5.
[= Rz 37] - Station „Zulässigkeit der Vorlage“)
ausgeführt: „… Eine Erstreckung der Vorlage auf
den Veranlagungszeitraum 2003 kommt hingegen nicht in Betracht,
weil die verfassungsrechtliche Beurteilung bezüglich dieses
Veranlagungszeitraums (vgl. Finanzgericht Nürnberg, Urteil vom
21.7.2009 - 1 K 733/2007 -, EFG 2010, S. 163) schon im Hinblick auf
die Einordnung der gesetzlichen Rückwirkung eigene Probleme
und teilweise andere Fragen aufwirft.“
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26
|
§ 43 Abs. 18 KAGG ist damit
verfassungswidrig, soweit er für Gewinnminderungen, die im
Zusammenhang mit Anteilscheinen an einem
Wertpapier-Sondervermögen stehen, die rückwirkende
Anwendung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG in den
Veranlagungszeiträumen 2001 und 2002 anordnet. Insoweit
entfaltet § 43 Abs. 18 KAGG schon in formaler Hinsicht echte
Rückwirkung. Die rückwirkende Verweisung auf § 8b
Abs. 3 KStG in § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG ist aus
verfassungsrechtlicher Sicht als konstitutive Änderung der
bisherigen Rechtslage zu behandeln und damit auch materiell an den
Grundsätzen einer echten Rückwirkung zu messen. Die
Voraussetzungen einer nur ausnahmsweise zulässigen echten
Rückwirkung liegen nicht vor.
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27
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4. Die Rechtsfrage, ob auf eine Anwendung von
§ 8b Abs. 3 KStG - ohne Berücksichtigung des § 43
Abs. 18 KAGG - durch Auslegung „einfachen Rechts“
für den Veranlagungszeitraum 2002 geschlossen werden kann, hat
der Bundesfinanzhof (BFH) durch Urteil vom 25.06.2014 - I R 33/09
(BFHE 246, 310, BStBl II 2016, 699 = SIS 14 25 06) abschlägig
beantwortet: „Der in § 40a Abs. 1 KAGG i.d.F. des
StSenkG vom 23.10.2000 enthaltene Verweis auf § 8b Abs. 2 KStG
2002 umfasst nicht zugleich die Rechtsfolge des § 8b Abs. 3
KStG 2002 als Rechtsgrundlage für die Hinzurechnung eines sog.
negativen Aktiengewinns aus der Rückgabe von Anteilsscheinen
an einem Wertpapier-Sondervermögen zum
Steuerbilanzgewinn.“ Diese Linie wurde durch Urteil vom
30.07.2014 - I R 74/12 (BFHE 249, 430, BStBl II 2016, 701 = SIS 15 14 98) bestätigt. Insbesondere ist im BFH-Urteil in BFHE 246,
310, BStBl II 2016, 699 = SIS 14 25 06 herausgestellt, dass das
„Transparenzprinzip“ (da nur als eingeschränktes
zu verstehen, s. sogleich) nicht als teleologisches Leitprinzip
geeignet ist, die Gesetzeslücke belastend und damit
eingriffsrechtfertigend zu schließen.
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28
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II. Einfachgesetzliche Rechtslage
|
|
Die Revision ist unbegründet, wenn §
43 Abs. 18 KAGG verfassungsgemäß ist. Sie hat jedoch
Erfolg, wenn die Regelung (gegebenenfalls in bestimmten
Fallsituationen, die im Streitfall „auch“ vorliegen)
gegen den verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz
verstößt.
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29
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Unter Anwendung des § 43 Abs. 18 KAGG ist
der im Streitfall (Streitjahr 2003) im Zuge der
Veräußerung der Anteilscheine realisierte sog. negative
(Anleger-)Aktiengewinn bei der Ermittlung des zu versteuernden
Einkommens hinzuzurechnen (§ 8b Abs. 3 KStG). Dem entspricht
die - von der Vorinstanz als rechtmäßig bestätigte
- angefochtene Steuerfestsetzung (zur Verwaltungsauffassung
[Anwendung der Regelung ab Veranlagungszeitraum 2003] s. Schreiben
des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.07.2016, BStBl I 2016,
763 = SIS 16 17 24). Dies ist unter den Beteiligten nicht im
Streit.
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30
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Sollte allerdings § 43 Abs. 18 KAGG nicht
oder jedenfalls in bestimmten Fallsituationen, die im Streitfall
„auch“ vorliegen, nicht anzuwenden sein, ist das im
angefochtenen Steuerbescheid berücksichtigte zu versteuernde
Einkommen des Klägers herabzusetzen. Denn der in § 40a
Abs. 1 KAGG i.d.F. des StSenkG vom 23.10.2000 enthaltene Verweis
auf § 8b Abs. 2 KStG erfasst nicht zugleich die Rechtsfolge
des § 8b Abs. 3 KStG als Rechtsgrundlage für die
Hinzurechnung eines sog. negativen Aktiengewinns aus der
Veräußerung von Anteilscheinen an einem
Wertpapier-Sondervermögen zum Steuerbilanzgewinn (s. die zu
B.I.4. angeführte Rechtsprechung des BFH).
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31
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III. Verfassungsrechtliche Beurteilung
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Nach Überzeugung des vorlegenden Senats
verletzt die bezogen auf das Streitjahr in § 43 Abs. 18 KAGG
angeordnete und - (streitfallbezogen:) für
Veräußerungen im Mai 2003 - rückwirkende Anwendung
des § 8b Abs. 3 KStG den Grundsatz rechtsstaatlichen
Vertrauensschutzes und verstößt insoweit gegen Art. 20
Abs. 3 GG.
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32
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1. Das grundsätzliche Verbot
rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien
der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes (vgl. z.B.
BVerfG-Beschlüsse vom 08.06.1977 - 2 BvR 499/74, 2 BvR
1042/75, BVerfGE 45, 142, 167 f.; vom 10.10.2012 - 1 BvL 6/07,
BVerfGE 132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 41). Es schützt das
Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter
der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der
auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte (vgl. z.B. BVerfG-Urteil vom
23.11.1999 - 1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239, 262; BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 41; BVerfG-Urteil vom
10.04.2018 - 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217, BStBl II 2018, 303 =
SIS 18 04 72, Rz 134). Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines
der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich
belastend ändert, bedarf dies einer besonderen Rechtfertigung
vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes,
unter deren Schutz Sachverhalte „ins Werk gesetzt“
worden sind (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 45, 142,
167 f.; vom 22.03.1983 - 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343, 356 f. =
SIS 83 14 49; vom 14.05.1986 - 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200, 242 =
SIS 86 25 18; vom 03.12.1997 - 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67, 78 f.
= SIS 98 10 50; BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 217, BStBl II 2018,
303 = SIS 18 04 72, Rz 134).
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33
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a) Eine sog. unechte Rückwirkung liegt
vor, wenn eine Norm auf gegenwärtige, noch nicht
abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die
Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition
entwertet (vgl. BVerfG-Urteile in BVerfGE 101, 239, 263; vom
10.06.2009 - 1 BvR 706/08, 1 BvR 814/08, 1 BvR 819/08, 1 BvR
832/08, 1 BvR 837/08, BVerfGE 123, 186, 257 = SIS 10 06 66),
beispielsweise, wenn belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach
ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem
bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden
(„tatbestandliche Rückanknüpfung“; vgl. z.B.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 63, 343, 356 = SIS 83 14 49; in
BVerfGE 72, 200, 242 = SIS 86 25 18; in BVerfGE 97, 67, 79 = SIS 98 10 50; vom 05.02.2002 - 2 BvR 305/93, 2 BvR 348/93, BVerfGE 105,
17, 37 f. = SIS 02 09 34; vom 07.07.2010 - 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04,
2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, 17 = SIS 10 22 45). Sie ist
grundsätzlich zulässig (so BVerfG-Beschlüsse in
BVerfGE 132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 43; in BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 40; BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 217, BStBl II 2018, 303
= SIS 18 04 72, Rz 136). Allerdings können sich aus dem
Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip Grenzen der
Zulässigkeit ergeben. Diese Grenzen sind überschritten,
wenn die vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung zur
Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet oder erforderlich ist
oder wenn die Bestandsinteressen der Betroffenen die
Veränderungsgründe des Gesetzgebers überwiegen
(ständige Rechtsprechung, z.B. BVerfG-Beschluss in BVerfGE
132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 43, m.w.N.).
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34
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b) Im Steuerrecht liegt eine unechte
Rückwirkung vor, wenn der Gesetzgeber Normen mit Wirkung
für den laufenden Veranlagungszeitraum ändert; denn nach
§ 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1, § 25 Abs. 1 des
Einkommensteuergesetzes bzw. § 30 Nr. 3 KStG entsteht die
Einkommensteuer bzw. die Körperschaftsteuer erst mit dem
Ablauf des Veranlagungszeitraums, d.h. des Kalenderjahres (vgl.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 72, 200, 252 f. = SIS 86 25 18;
in BVerfGE 97, 67, 80 = SIS 98 10 50; in BVerfGE 132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 44; in BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 42;
BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 217, BStBl II 2018, 303 = SIS 18 04 72, Rz 142).
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35
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Sofern eine Steuerrechtsnorm nach diesen
Grundsätzen unechte Rückwirkung entfaltet, gelten
für deren Vereinbarkeit mit der Verfassung nach der neueren
Rechtsprechung des BVerfG im Verhältnis zu sonstigen
Fällen unechter Rückwirkung gesteigerte Anforderungen
(vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 46;
BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 217, BStBl II 2018, 303 = SIS 18 04 72, Rz 139). Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass
rückwirkende Regelungen innerhalb eines Veranlagungszeitraums,
die danach der unechten Rückwirkung zugeordnet werden, in
vielerlei Hinsicht den Fällen echter Rückwirkung
nahestehen. Allerdings ist auch in diesem Fall eine unechte
Rückwirkung nicht grundsätzlich unzulässig (vgl.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 127, 1, 17 f. = SIS 10 22 45; vom
07.07.2010 - 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, BVerfGE 127, 31,
47 f. = SIS 10 22 37; vom 07.07.2010 - 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05,
2 BvR 1738/05, BVerfGE 127, 61, 76 f. = SIS 10 22 39; BVerfG-Urteil
in BVerfGE 148, 217, BStBl II 2018, 303 = SIS 18 04 72, Rz 138 f.).
Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht aber insbesondere
nicht so weit, den Regelungsadressaten vor jeder Enttäuschung
zu bewahren (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 08.03.1983 - 2 BvL
27/81, BVerfGE 63, 312 = SIS 84 02 04; vom 10.04.1984 - 2 BvL
19/82, BVerfGE 67, 1; vom 30.09.1987 - 2 BvR 933/82, BVerfGE 76,
256; vom 10.12.1985 - 2 BvL 18/83, BVerfGE 71, 255). Soweit nicht
besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten,
genießt die bloße allgemeine Erwartung, das geltende
Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen
besonderen verfassungsrechtlichen Schutz (vgl. z.B.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 105, 17, 40 = SIS 02 09 34; vom
08.12.2009 - 2 BvR 758/07, BVerfGE 125, 104, 135 = SIS 10 12 74; in
BVerfGE 132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 45; BVerfG-Urteil in BVerfGE
148, 217, BStBl II 2018, 303 = SIS 18 04 72, Rz 138).
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36
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c) Wenn der Gesetzgeber das
Körperschaftsteuerrecht während des laufenden
Veranlagungszeitraums umgestaltet und die Rechtsänderungen auf
dessen Beginn bezieht, bedürfen die belastenden Wirkungen
einer Enttäuschung schutzwürdigen Vertrauens deshalb
stets einer hinreichenden Begründung nach den
Maßstäben der Verhältnismäßigkeit. Hier
muss der Normadressat eine Enttäuschung seines Vertrauens in
die alte Rechtslage nur hinnehmen, soweit dies aufgrund besonderer,
gerade die Rückanknüpfung rechtfertigender
öffentlicher Interessen unter Wahrung der
Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist (vgl.
BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 127, 1, 20 = SIS 10 22 45; in
BVerfGE 127, 31, 48 f. = SIS 10 22 37; in BVerfGE 132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 46; BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 217, BStBl II 2018, 303
= SIS 18 04 72, Rz 139).
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37
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Wo danach jeweils die Grenzen
verfassungsrechtlich zulässiger unechter Rückwirkung
innerhalb eines Veranlagungs- oder Erhebungszeitraums liegen,
hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab.
Vertrauen ist besonders schutzwürdig, wenn die Betroffenen zum
Zeitpunkt der Verkündung der Neuregelung nach der alten
Rechtslage eine verfestigte Erwartung auf
Vermögenszuwächse erlangt und realisiert hatten oder
hätten realisieren können (BVerfG-Beschlüsse in
BVerfGE 127, 1, 21 = SIS 10 22 45; in BVerfGE 127, 61, 79 f. = SIS 10 22 39; BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 217, BStBl II 2018, 303 =
SIS 18 04 72, Rz 140). Das gilt vor allem dann, wenn auf der
Grundlage des geltenden Rechts vor Verkündung des
rückwirkenden Gesetzes bereits Leistungen zugeflossen waren
(vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 127, 31, 56 ff. = SIS 10 22 37;
einschränkend insoweit BVerfG-Beschluss in BVerfGE 132, 302 =
SIS 12 29 53, Rz 64 ff.). Besonders schutzwürdig ist das
Vertrauen der Betroffenen zudem dann, wenn diese vor der
Einbringung des neuen Gesetzes in den Bundestag verbindliche
Festlegungen getroffen hatten (vgl. BVerfG-Beschlüsse in
BVerfGE 127, 31, 50 = SIS 10 22 37; in BVerfGE 132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 54 ff.; BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 217, BStBl II 2018,
303 = SIS 18 04 72, Rz 140). Umgekehrt werden grundsätzlich
(allgemeine) Gegenfinanzierungsinteressen (s. BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 127, 31, 59 = SIS 10 22 37; s. zur nicht ausreichenden
Rechtfertigung durch das Argument der Erhöhung des
Steueraufkommens auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 132, 302 = SIS 12 29 53, Rz 73) und Vorhaben, die die Rechtslage verbessern oder
Besteuerungslücken schließen sollen
(BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 127, 1, 26 = SIS 10 22 45; in
BVerfGE 127, 31, 59 = SIS 10 22 37), nicht als ausreichend
angesehen.
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38
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2. Nach diesen Maßstäben führt
§ 43 Abs. 18 KAGG im Streitjahr nach der Maßgabe dieser
formalen („tatbestandstechnischen“) Unterscheidung zu
einer unechten Rückwirkung. Denn das sog. Korb II-Gesetz wurde
am 27.12.2003 im Bundesgesetzblatt verkündet, seine
belastenden Rechtsfolgen (hier: Anwendung des § 8b Abs. 3
KStG) treten jedoch - unter Rückgriff auf einen bereits zuvor
ins Werk gesetzten Sachverhalt (Veräußerung der
Anteilscheine im Lauf des Jahres 2003) - erst im Zeitpunkt der
Entstehung der Körperschaftsteuer für das Streitjahr,
also am 31.12.2003, ein (s.a. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 1 =
SIS 14 07 79, Rz 42; gl.A. - neben der Vorinstanz - auch FG
Nürnberg, Urteil vom 21.07.2009 - 1 K 733/2007, EFG 2010, 163
= SIS 09 35 03; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.11.2017 -
4 K 3397/15, EFG 2018, 401 [anhängige Revision IV R 19/17] =
SIS 17 24 97; s.a. Maciejewski/Thelen, Die Öffentliche
Verwaltung 2015, 271, 275; Wernsmann in
Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -, AO/FGO, § 4 AO Rz 733;
ablehnend Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 4 AO Rz 16a,
jeweils m.w.N.).
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39
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3. Vor dem Gesetzeserlass getätigte
verbindliche Dispositionen des Klägers (hier:
Veräußerung/Rückgabe der Anteilscheine) verdienen
nach Auffassung des vorlegenden Senats dem Grundsatz nach
Vertrauensschutz.
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40
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a) Allerdings hat die Vorinstanz auf ein
Fehlen eines schutzwürdigen Vertrauens bei dem Kläger
erkannt, und dies damit begründet, dass die Rechtslage von
Anfang an umstritten gewesen sei (ebenso in der Sache FG
Baden-Württemberg, Urteil in EFG 2018, 401 = SIS 17 24 97; FG
Nürnberg, Urteil vom 13.12.2016 - 1 K 1214/14, EFG 2017, 1606;
Hinweis auf das Sondervotum von Masing zum BVerfG-Beschluss in
BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, BVerfGE 135, 29, Rz 85 ff.). Auch
wenn der BFH in seinem Urteil in BFHE 246, 310, BStBl II 2016, 699
= SIS 14 25 06 die Auffassung vertreten habe, dass § 40a Abs.
1 KAGG in der bis zum sog. Korb II-Gesetz geltenden Fassung keine
Rechtsgrundlage für die Anwendung von § 8b Abs. 3 KStG
„darstelle“, ändere dies jedoch nichts daran, dass
weder die eine noch die andere Auslegung „von Verfassungs
wegen“ zwingend geboten gewesen sei. Die Fachgerichte
hätten („von Verfassungs wegen“) eine Auslegung
von § 40a Abs. 1 KAGG in der bis zum sog. Korb II-Gesetz
geltenden Fassung i.S. einer Anwendung von § 8b Abs. 3 KStG
ohne Weiteres herbeiführen können, womit die betroffenen
Steuerpflichtigen auch hätten rechnen müssen.
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41
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b) Diese Deutung von „Vertrauen“
wird jedoch sowohl der verfassungsrechtlichen Maßgabe einer
„Kontinuitätsgewähr“ des geltenden Rechts (s.
allgemein Birk in Pezzer [Hrsg.], Vertrauensschutz im Steuerrecht,
Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft - DStJG - 27 [2004], 9, 13
ff.; Mellinghoff, ebenda, 25, 30 und 34 ff.) auf der Grundlage
einer sog. Gewährleistungsfunktion der Rechtsordnung als auch
der Grundstruktur der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung
(als Vorbehalt des Gesetzes [z.B. Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht,
23. Aufl., § 3 Rz 230]; Waldhoff, DStJG 27 [2004], 129, 143
f.; s.a. § 85 AO) nicht gerecht.
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42
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Der BFH hat zwar erst im Jahr 2014 (BFH-Urteil
in BFHE 246, 310, BStBl II 2016, 699 = SIS 14 25 06) eine die
Auslegungsfrage „einfachen Rechts“ abschließend
beantwortende Entscheidung getroffen; er hat dabei - in Kenntnis
des BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79 und der im
Sondervotum von Masing konkret formulierten
Rechtseinschätzung, der Gesetzeszweck erzwinge eine belastende
Entscheidung - auf das Fehlen eines allgemein auslegungsleitenden
Gesetzesprinzips erkannt und dabei auch zugrunde gelegt, dass sich
eine (etwaige) rechtspolitische Fehlerhaftigkeit nicht
eingriffsrechtfertigend auswirken kann. Aber diese Entscheidung zum
dortigen Streitjahr 2002 hat uneingeschränkt
(rechtsbeschreibende) Wirkung auf den Folge-Veranlagungszeitraum
2003. Es kommt nicht in Betracht, für diesen
Veranlagungszeitraum (das hier einschlägige Streitjahr 2003)
relativierend zu berücksichtigen, dass „nur eine unechte
Rückwirkung vorliegt, so dass die Erwägungen des
BVerfG“ (wohl gemeint: zur offenen Auslegungsfrage
„einfachen Rechts“, die eine „echte
Rückwirkung“ nicht rechtfertigt) „hier nicht in
gleicher Schärfe gelten“ (so Oellerich, EFG 2018, 406,
407; in der Sache aber ebenfalls FG Baden-Württemberg, Urteil
in EFG 2018, 401 = SIS 17 24 97). Wenn es dem Gesetzgeber nicht
ohne weiteres zuzugestehen ist, durch rückwirkende
„klarstellende“ Gesetzgebung eine Gesetzesauslegung
seines Verständnisses unabhängig von der zur
Norminterpretation berufenen Fachgerichtsbarkeit zu installieren
(so die Erkenntnis aus dem BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79; s.a. z.B. Birk, FR 2014, 338, 339; differenzierend
Osterloh, Steuer und Wirtschaft - StuW - 2015, 201, 206 ff.), hat
dies nichts damit zu tun, ob als Prüfungsmaßstab auf der
Grundlage der rein formalen Begrifflichkeit eine
„echte“ oder eine „unechte
Rückwirkung“ heranzuziehen ist. Jedenfalls kann sich die
einzelfallbezogene Vertrauensfrage nicht an den Maßgaben des
jahresbezogenen Veranlagungszeitraums ausrichten, so dass etwa eine
Disposition am 31.12.2002 „schützenswerter“
wäre als eine solche am 01.01.2003 (s.a. Pelka, DStJG 27
[2004], 118 f., und Spindler, ebenda, 119 f.
[Diskussionsbeiträge]), sondern wird allein durch die
vertrauensbezogenen Umstände - die im Streitjahr
(zunächst) gegenüber dem Vorjahr unverändert
vorliegen - bestimmt (so im Ergebnis auch z.B. Mellinghoff, DStJG
27 [2004], 25, 53 und 59 [Diskussionsbeitrag]; Spindler, DStJG 27
[2004], 69, 88; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz
28; wohl auch Osterloh, StuW 2015, 201, 206).
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43
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Eine andere Deutung lässt sich abweichend
zur Auffassung des FG Baden-Württemberg (im Urteil in EFG
2018, 401 = SIS 17 24 97) auch nicht aus Rz 37 des
BVerfG-Beschlusses in BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79 zur
Zulässigkeit der dortigen Vorlage (bzw. der Frage der
[weiteren] Erstreckung der Vorlage auf das Folgejahr mit der
Situation einer „unechten Rückwirkung“)
schließen, indem dort für die verfassungsrechtliche
Beurteilung (schon im Hinblick auf die Einordnung der gesetzlichen
Rückwirkung) auf „eigene Probleme und teilweise andere
Fragen“ hingewiesen wird. Denn diese Passage erklärt
sich ohne weiteres schon aus dem eigenständigen
Prüfungspunkt einer etwaigen
„Vertrauenszerstörung“ im Änderungsjahr
(hier: 2003), die auch Sachgegenstand der vom BVerfG (Beschluss in
BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 37) zitierten Entscheidung des FG
Nürnberg (Urteil in EFG 2010, 163 = SIS 09 35 03) ist.
Jedenfalls kann der Senat nicht darin zustimmen, dass abgesehen von
den (auch) eine „echte Rückwirkung“
rechtfertigenden Situationen (s. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 1
= SIS 14 07 79, Rz 65, m.w.N.; s.a. Hey in Tipke/Lang, a.a.O.,
§ 3 Rz 269; Wernsmann in HHSp, § 4 AO Rz 752 ff. -
insbesondere: Beteiligte mussten mit einer belastenden
Änderung rechnen; es lag eine „unklare/verworrene
Rechtslage“ vor; das Recht war systemwidrig/unbillig, so dass
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestanden) allein
der Umstand einer offenen Auslegungsfrage - wenn bislang eine
abschließende Entscheidung des zuständigen Fachgerichts
zur Auslegung nicht vorliegt - „vertrauenshindernd“
ist. Denn eine Rechtslage ist nicht allein unter dem Aspekt
„unklar“, dass eine solche gerichtliche Entscheidung
noch aussteht; und von einer „verworrenen Rechtslage“
konnte mit Blick auf § 40a Abs. 1 KAGG nicht die Rede sein (s.
BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, Rz 67 ff.),
ebenfalls nicht (s. die angeführte BFH-Rechtsprechung) von
einer „systemwidrigen und unbilligen Regelung“.
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44
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Nach der Überzeugung des Senats vertraut
der Steuerpflichtige, wenn der (steuerrechtliche)
Eingriffstatbestand nicht ausdrücklich normiert ist, auch
nicht „lediglich“ auf seine eigene (im Zweifel ihm
„günstige“) Rechtsauslegung bzw. „die Chance
einer für … (ihn) günstigen Rechtsprechung“
(so aber Masing, Sondervotum zu BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79,
BVerfGE 135, 29, Rz 90). Vielmehr vertraut er auf den Grundsatz,
nicht ohne klare Rechtsgrundlage mit einer Steuerpflicht belastet
zu werden (so im Ergebnis auch BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 1 =
SIS 14 07 79, Rz 69; s. insbesondere auch Hey, DStJG 27 [2004], 91,
101; Birk, FR 2014, 338, 339 f.). Und es ist bereits im
Vorlagebeschluss des FG Münster vom 22.02.2008 - 9 K 5096/07 K
(EFG 2008, 983 = SIS 08 22 33, zum Verfahren 1 BvL 5/08 in BVerfGE
135, 1 = SIS 14 07 79) ausgeführt, dass zeitlich vor der
Gesetzesinitiative der Bundesregierung von einer ernsthaft
umstrittenen Rechtsfrage nicht ausgegangen wurde (s. insoweit auch
allgemein BFH-Beschluss vom 06.06.2013 - I R 38/11, BFHE 241, 530,
BStBl II 2014, 398 = SIS 13 23 38, Rz 54).
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45
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Jedenfalls ist der Senat davon überzeugt,
dass allein der abstrakte Umstand einer Möglichkeit
belastender Rechtsauslegung nicht bereits vertrauenshindernd ist.
„Vertrauen“ wird man nicht dadurch begrenzen
können, dass dem Steuerpflichtigen angemaßt wird, eine
Auslegung „von Verfassung wegen“ i.S. einer nicht
zweifelsbefreiten Erkenntnis, dass im Zeitpunkt der Disposition
eine Situation der „verfassungswidrigen Besserstellung“
vorliegt, auf deren Fortbestand nicht zu vertrauen ist, vorzunehmen
(s.a. Hey in DStJG 27 [2004], 91, 104 f.). Der Steuerpflichtige
wäre „vorauseilend“ gehalten, stets eine
(nachteilige) Änderung der bestehenden Rechtslage zu
antizipieren und sein Verhalten danach auszurichten. Dem kann nicht
zugestimmt werden. Vielmehr muss es nach der Überzeugung des
Senats auch ein „Vertrauen in das fehlerhafte
Steuergesetz“ geben (s. den Beitragstitel von Hey in DStJG 27
[2004], 91; s.a. dies. in Tipke/Lang, a.a.O., § 3 Rz 268).
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46
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c) Vertrauensschutz ist allerdings nicht mehr
zu gewähren, wenn der Vertrauenstatbestand entfallen ist. Ein
solcher Umstand ist nach der Überzeugung des Senats jedenfalls
vor der auf den 29.08.2003 datierenden Veräußerung der
Anteile des Fonds C durch den Kläger eingetreten.
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aa) Die Veräußerung (oder
Rückgabe) der Anteilscheine ist ein verbindlicher und
willensgetragener Dispositionsakt; an ein solches
„definitives“ Ereignis (als abgeschlossener
Lebensvorgang) ist für die vertrauensschutzbezogene
Prüfung eines Besteuerungstatbestands zur Besteuerung von
Veräußerungstatbeständen in zeitlicher Hinsicht
anzuknüpfen (zur Diskussion einer differenzierten - unter
möglicherweise zeitlich auf den Erwerb vorgezogenen - Sicht je
nach der Art der Dispositionsbezogenheit der Norm s. Spindler in
DStJG 27 [2004], 69, 88 f.; Kirchhof in Isensee/Kirchhof [Hrsg.],
Handbuch des Staatsrechts, 3. Aufl., § 118 Rz 114; Wernsmann
in HHSp, § 4 AO Rz 772). Dabei ist nach der Überzeugung
des Senats - entgegen der Ansicht des Klägers - für die
Frage, ob ein Vertrauensschutz gerechtfertigt ist, ohne Bedeutung,
dass im Realisationszeitpunkt ein besitzzeitanteiliger Wert die
Besteuerung (mit-)bestimmen soll, der je nach der (von der
Vorinstanz nicht festgestellten) Behaltenszeit der Anteilscheine
auch auf Vorjahre entfallen kann. Es handelt sich insoweit nicht um
behaltenszeitzugehörige Komponenten eines
Einkünftetatbestands, sondern um Komponenten, die den
Veräußerungs- bzw. Rückgabepreis der Anteilscheine
(die „Substanz“) betreffen (s. die Darstellung der
Funktionsweise z.B. bei FG Nürnberg, Urteil in EFG 2010, 163 =
SIS 09 35 03 Rz 39 f.). Insoweit kann allenfalls die Höhe der
Besteuerung in Frage stehen, nicht aber die hier maßgebliche
Entscheidung zur Besteuerung der
Veräußerung/Rückgabe „dem Grunde
nach“.
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48
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bb) Für die Frage, ab welchem Zeitpunkt
bereits vor Verkündung einer Neuregelung nicht mehr auf den
Bestand der noch geltenden Rechtslage vertraut werden kann, ist in
erster Linie der Gang des Gesetzgebungsverfahrens bis zur
Neuregelung entscheidend, und dabei vor allem die öffentliche
Bekanntgabe entsprechender Entwurfstexte (BVerfG-Urteil in BVerfGE
148, 217, BStBl II 2018, 303 = SIS 18 04 72, Rz 150). Dabei kann
nicht nur die Einbringung eines Gesetzesvorhabens in den Bundestag
(Art. 76 Abs. 1 GG), sondern bereits dessen Zuleitung zum Bundesrat
(Art. 76 Abs. 2 GG) vertrauenszerstörende Wirkung haben
(BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 217, BStBl II 2018, 303 = SIS 18 04 72, Rz 152; wohl auch Maurer in Isensee/Kirchhof, a.a.O., § 79
Rz 72; Kirchhof in Kirchhof, EStG, 18. Aufl., Einleitung Rz 49
a.E.; ders., DStR 2015, 717, 720[“bei einer noch in der
Entwicklung begriffenen Rechtslage“]; eher kritisch Hey in
Tipke/Lang, a.a.O., § 3 Rz 270 [enge Grenzen]; ablehnend
Schaumburg/Schaumburg in Mellinghoff/Schön/Viskorf [Hrsg.],
Festschrift Spindler, 2011, 171, 185, m.w.N.). Denn in beiden
Fällen hat sich ein nach dem Grundgesetz initiativberechtigtes
Verfassungsorgan entschlossen, ein Gesetzgebungsverfahren
förmlich einzuleiten. Hierzu muss ein ausformulierter
Gesetzentwurf als Beschlussvorlage vorliegen. Mit einer
Veröffentlichung haben die durch das Vorhaben Betroffenen die
Möglichkeit, sich in ihrem Verhalten auf die etwaige
Gesetzesänderung einzustellen. Es ist ihnen zumutbar,
jedenfalls bei in die Zukunft wirkenden Dispositionen darauf
Bedacht zu nehmen (BVerfG-Urteil in BVerfGE 148, 217, BStBl II
2018, 303 = SIS 18 04 72; s.a. das - Veräußerungen nach
dem Zeitpunkt der Einbringung des Gesetzentwurfs zum sog. Korb
II-Gesetz in den Bundestag betreffende - Urteil des FG
Nürnberg in EFG 2010, 163 = SIS 09 35 03). Dies gilt
unbeschadet des zutreffenden Hinweises, dass „bis zur
Verkündung (des Gesetzes) der maßgebliche Gesetzentwurf
ein rechtliches Nullum ist“ (Schaumburg/Schaumburg, a.a.O.,
Festschrift Spindler, 171, 185), da es hier nicht um
Rechtswirkungen geht, sondern um die Frage, inwieweit ein
individuelles Vertrauen in Abwägung zu (entgegenstehenden)
öffentlichen Belangen „schutzwürdig“ ist.
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Auch wenn der Gesetzentwurf der
Bundesregierung nach den Bedingungen des Art. 76 Abs. 2 Satz 3 GG
in den Bundestag (erst) am 08.09.2003 eingebracht wurde, ist der
erkennende Senat davon überzeugt, dass sich die spätere
Änderung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG nicht erst in
diesem Zeitpunkt „vertrauenszerstörend“
abzeichnete. Denn der Gesetzentwurf der Bundesregierung datiert vom
15.08.2003 (BRDrucks 560/03, 8 f. und 20). Das Vertrauen in den
Fortbestand der Rechtslage im Streitfall wird nach der
Überzeugung des Senats (schon) mit dem öffentlich
gewordenen Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15.08.2003
(BRDrucks 560/03) erschüttert. Ab diesem Zeitpunkt sind
mögliche zukünftige Gesetzesänderungen in konkreten
Umrissen ungeachtet der nicht prognostizierbaren
Unwägbarkeiten betreffend Änderungsvorhaben im Verlauf
des Gesetzgebungsverfahrens allgemein vorhersehbar (s. z.B.
allgemein auch BFH-Beschluss in BFHE 241, 530, BStBl II 2014, 398
[Az. beim BVerfG: 2 BvL 7/13] = SIS 13 23 38). Denn Gegenstand
dieses Gesetzentwurfs waren sowohl der Hinweis auf eine
„redaktionelle Änderung“ des § 40a Abs. 1
KAGG als auch die Anwendungsregelung auf alle noch nicht
bestandskräftigen Steuerfestsetzungen. Für einen
steuerrechtlich beratenen Marktteilnehmer bestand schon zu diesem
Zeitpunkt ein erkennbares Risiko, dass der - bislang in der
Situation negativer Aktiengewinne „günstige“ -
Rechtszustand keinen Bestand mehr haben könnte (so auch FG
Nürnberg, Urteil in EFG 2010, 163 = SIS 09 35 03, Rz 49; s.a.
die - wenn auch jeweils normspezifischen - Erwägungen [dort zu
§ 2a EStG a.F.] zu Grenzen des Vertrauensschutzes im
BFH-Urteil vom 22.02.2017 - I R 2/15, BFHE 257, 120, BStBl II 2017,
709 = SIS 17 08 41). Auch wenn die Überlegungen zum
(eingeschränkten) sog. Transparenzprinzip nicht dazu
ausreichen konnten, als teleologisches Leitprinzip eine Auslegung
der Ursprungsnorm i.S. der Anwendung des § 8b Abs. 3 KStG zu
ermöglichen (s.o. zu der konkret das Jahr 2002 betreffenden
BFH-Rechtsprechung), konnte eine situationsbezogene Konkretisierung
des Prinzips bzw. (so das FG Nürnberg im Urteil in EFG 2010,
163 = SIS 09 35 03) eine weitere Realisierung des
Transparenzprinzips bei der Besteuerung der Anteilscheininhaber von
Investmentfonds durch die klare gesetzliche Anordnung einer
Anwendung der Abzugsbeschränkung in § 8b Abs. 3 KStG
kraft ausdrücklicher und im Gesetzgebungsverfahren erfolgreich
umgesetzter Initiative der gesetzgebenden Organe naheliegen.
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Immerhin wird ein schutzwürdiges
Vertrauen in den Bestand der Steuerrechtslage für den davor
liegenden Zeitraum (hier: Mai 2003) durch diese Vorgänge im
Gesetzgebungsverfahren (s. dazu oben) nicht beseitigt.
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4. Der Kläger muss eine Enttäuschung
seines in den Veräußerungszeitpunkten Mai 2003
bestehenden Vertrauens in die alte Rechtslage nur hinnehmen, soweit
dies aufgrund besonderer, gerade die Rückanknüpfung
rechtfertigender öffentlicher Interessen unter Wahrung der
Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt ist. Diese
Voraussetzung ist nach der Überzeugung des Senats im
Streitfall nicht erfüllt.
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a) Allerdings hat die Vorinstanz insoweit
abweichend erkannt (ebenfalls FG Nürnberg, Urteil in EFG 2017,
1606; FG Baden-Württemberg, Urteil in EFG 2018, 401
[anhängige Revision IV R 19/17] = SIS 17 24 97). Die
Rechtslage vor der Gesetzesergänzung sei systemwidrig gewesen.
Und die Beseitigung dieser Systemwidrigkeit und der damit
verbundenen Besserstellung der Fondsanleger habe im Interesse der
Allgemeinheit gelegen. Dem Vertrauen der Betroffenen in die
Nichtanwendung von § 8b Abs. 3 KStG sei wegen der unsicheren
Rechtslage kein besonderes Gewicht beizumessen, wohingegen die
unbillige Begünstigung der Fondsanleger eklatant gewesen
sei.
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b) Der Senat folgt dieser Auffassung nicht. In
der BFH-Rechtsprechung wurde in ausreichender Deutlichkeit
geklärt, dass das von der Vorinstanz bemühte sog.
Transparenzprinzip, das zum Gegenstand hat, dass im Prinzip
dieselben Besteuerungsfolgen eintreten sollen wie bei einer sog.
Direktanlage, nicht als allgemeines teleologisches Leitprinzip
für die Besteuerungsfolgen bei Besitz von Anteilscheinen
herhalten kann, auch wenn es einzelnen KAGG-Strukturen -
insbesondere den positiven Aktiengewinnen (s. z.B. Gosch, BFH-PR
2014, 422, 423) - zugrunde lag (s. dazu die oben angeführte
BFH-Rechtsprechung mit den dortigen Nachweisen, insbesondere das
BFH-Urteil in BFHE 246, 310, BStBl II 2016, 699 = SIS 14 25 06, Rz
14; s.a. [“eingeschränktes Transparenzprinzip“] FG
Nürnberg in EFG 2010, 163 = SIS 09 35 03, Rz 31 f.; FG
München, Urteil vom 25.6.2019 - 6 K 1543/16, EFG 2019, 1608 =
SIS 19 12 88, Rz 29 [anhängige Revision I R 38/19]). Die
Gesetzesänderung kann daher nicht als
„systemlückenausfüllende“ gesetzgeberische
Maßnahme (zu einer solchen Situation z.B. BFH-Urteil in BFHE
257, 120, BStBl II 2017, 709 = SIS 17 08 41, Rz 25) verstanden
werden, weil keine „Systemlücke“ bestand. Wenn auf
dieser Grundlage aber allenfalls eine „rechtspolitische
Fehlerhaftigkeit“ der geltenden Rechtslage zu erkennen sein
könnte (ausstehende Parallelbehandlung zur Steuerfreistellung
positiver Aktiengewinne), wird die Gewährleistungsfunktion der
Rechtsordnung zugunsten des Steuerpflichtigen aktiviert (wohl
ablehnend Osterloh, StuW 2015, 201, 208 f.). Er vertraut -
unabhängig davon, ob er einen besitzzeitanteiligen
Anleger-Aktiengewinn, wenn ein solcher errechnet worden wäre,
steuerfrei erzielt hätte - darauf, dass der auf seine Anteile
entfallende besitzzeitanteilige Anleger-Aktienverlust bei einem
Anteilsverkauf bzw. einer Anteilsrückgabe (der den
Rückgabepreis negativ beeinflusst - s. z.B. FG Nürnberg,
Urteil in EFG 2010, 163 = SIS 09 35 03, Rz 40) nicht zu einer
Einkommenserhöhung (auf der Grundlage der typisierenden
Überlegung, dass der
Veräußerungs-/Rückgabepreis um diesen Betrag
gemindert ist) führt. Diese (erwartete) Besteuerungsfolge kann
als „Planungs- und Handlungsgrundlage“ (Mellinghoff,
DStJG 27 [2004], 25, 46) für den Deinvestitionsentschluss
bestimmend sein.
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Der Senat weist auf dieser Grundlage und zur
Vermeidung von „Vertrauensschutzlücken“ (Hey in
Drüen/Hey/Mellinghoff [Hrsg.], Festschrift BFH, 2018, 451, 475
f.) der „Enttäuschung“ des Rechtsunterworfenen ein
erhebliches Gewicht zu, da (auch) im Fall des Klägers nicht
ersichtlich ist, dass dem Erwerb, dem Behalten und der
Veräußerung der Anteilscheine eine Situation einer
„gezielten und spekulativen Steuerplanung“ (s.
allgemein Mellinghoff, DStJG 27 [2004], 25, 51 f.) zugrunde liegt.
Demgegenüber wird man dem allgemeinen Ziel der
Weiterentwicklung oder Umgestaltung des Steuerrechts und der
Erhöhung des Steueraufkommens - die schon nicht als
Begründung des Änderungsvorhabens, das vermeintlich nur
„klarstellend“ sein sollte, angeführt waren -
jedenfalls nicht das ausschlaggebende Gewicht zuweisen können,
eine rückwirkende Steuerbelastung zu rechtfertigen (s.
allgemein z.B. BFH-Beschluss in BFHE 241, 530, BStBl II 2014, 398 =
SIS 13 23 38, Rz 55 und 57; BFH-Urteil in BFHE 257, 120, BStBl II
2017, 709 = SIS 17 08 41, Rz 23; s.a. Hey in Tipke/Lang, a.a.O.,
§ 3 Rz 272; Wernsmann in HHSp, § 4 AO Rz 773, m.w.N.).
Nach der Überzeugung des Senats führt dann aber eine
Gesamtabwägung zwischen dem Gewicht des enttäuschten
Vertrauens und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der die
Rechtsänderung rechtfertigenden Gründe im Streitfall
dazu, dass das Vertrauen des Klägers im konkreten Fall
(„Bestandsinteresse“ - hier bezogen auf die
Veräußerungen im Mai 2003) einen Vorrang vor dem (aus
fiskalischen Interessen auch möglichst rückwirkenden)
Änderungsinteresse des Gesetzgebers hat (in der Tendenz
für vergleichbare Konstellationen wohl ablehnend Osterloh,
StuW 2015, 201, 208). Damit wird vertrauensbezogenen Dispositionen
des Steuerpflichtigen nicht durchgehend ein Vorrang zugewiesen;
aber der Gesetzgeber ist zur Wahrung eines berechtigten
individuellen Vertrauensschutzinteresses gehalten, sein
Änderungsinteresse grundsätzlich auf solche Dispositionen
zu beschränken, die zeitlich nach der erkennbaren Initiative
zur Änderung des Gesetzes unternommen worden sind.
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Wenn man für den Zeitpunkt einer
öffentlich erkennbaren Initiative zur Änderung des
Gesetzes von einer „vertrauenszerstörenden
Wirkung“ bezogen auf die Gewährleistungsfunktion der
(bestehenden) Rechtsordnung ausgeht, besteht nach der
Überzeugung des Senats auch kein gesetzgeberischer Bedarf, zur
gezielten Verhinderung eines sog. Ankündigungs- bzw.
Mitnahmeeffekts eine Rückwirkung anzuordnen.
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5. Eine verfassungskonforme Auslegung von
§ 43 Abs. 18 i.V.m. § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG ist nicht
möglich. Der Gesetzgeber hat durch seine Vorstellung, eine
„klarstellende Regelung“ für alle offenen
Verfahren (sowohl für das Streitjahr als auch alle Vorjahre)
zu schaffen, ausreichend deutlich gemacht, dass er einen
Vertrauensschutz nicht vorsehen wollte. Es ist nicht ersichtlich,
dass die zeitliche Anwendungsvorschrift eine verdeckte
Regelungslücke (s. allgemein BFH-Beschluss in BFHE 241, 530,
BStBl II 2014, 398 = SIS 13 23 38, Rz 60) aufweist.
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6. Indem der Senat zunächst den
Vertrauensbegriff auch bei der Prüfung der rechtsstaatlichen
Grenzen einer unechten Rückwirkung im Grundsatz auf eine Weise
versteht, die den Maßgaben der Prüfung bei der echten
Rückwirkung nahekommt (s. z.B. auch Mellinghoff, DStJG 27
[2004], 25, 40 ff. und 53; Spindler, DStJG 27 [2004], 69, 75 und
88; Schaumburg/Schaumburg, a.a.O., Festschrift Spindler, 171, 184;
Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 4 AO Rz 28; Kirchhof, FR
2016, 530, 531 f.), dabei aber gerade dem Korrektiv eines etwaigen
„vertrauenszerstörenden Umstandes“ im Zuge der
belastenden Gesetzgebungsinitiative eine besondere Bedeutung
beimisst, und der Senat im Streitfall bei der gebotenen
Gesamtabwägung zwischen Bestandsinteresse des
Steuerpflichtigen und Änderungsinteresse des Gesetzgebers dem
Letzteren auch bei einem möglicherweise legitimen
(rechtspolitischen) Änderungsgrund nicht zwangsläufig den
Vorrang einräumt, behindert er die Gestaltungsbefugnis des
Gesetzgebers des Jahres 2003 nicht unangemessen (wohl abweichend
Masing, Sondervotum zum BVerfG-Beschluss in BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79, BVerfGE 135, 29, Rz 92). Er sieht vielmehr das
verfassungsrechtlich gebotene Bedürfnis, Rechtssicherheit und
Rechtsrichtigkeit durch spezifisch einzelfallbezogene Abwägung
beider als zunächst gleichwertig anzusehender Gesichtspunkte
zu einem Ausgleich zu bringen; nicht zuletzt ist die
Möglichkeit des Gesetzgebers einzuberechnen,
„Steuergleichheit … unter Wahrung des
Vertrauensschutzes (in der Zukunft) zu verwirklichen“ (s.
Hey, DStJG 27 [2004], 91, 110 f.; s.a. dies. in Tipke/Lang, a.a.O.,
§ 3 Rz 268; Drüen, StuW 2015, 210, 220 f.). Dies
lässt das „Anliegen, die notwendige Flexibilität
der Rechtsordnung zu wahren“, unberührt, und
„zielt … auf künftige Rechtsänderungen und
relativiert nicht ohne Weiteres die Verlässlichkeit der
Rechtsordnung innerhalb eines Veranlagungs- oder
Erhebungszeitraums“ (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 132,
302 = SIS 12 29 53, Rz 54 a.E.; in BVerfGE 135, 1 = SIS 14 07 79,
Rz 63).
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7. Im Rahmen des anhängigen
Revisionsverfahrens ist eine abschließende Sachentscheidung
zu treffen. Ist die Regelung in § 43 Abs. 18 i.V.m. § 40a
Abs. 1 Satz 2 KAGG verfassungsgemäß, ist die Revision
des Klägers unbegründet. Hält es das BVerfG hingegen
für mit den Grundsätzen rechtsstaatlichen
Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbar, dass § 43
Abs. 18 KAGG die rückwirkende Anwendung von § 40a Abs. 1
Satz 2 KAGG auf alle noch nicht bestandskräftigen
Festsetzungen auch des Veranlagungszeitraums 2003 anordnet, soweit
Veräußerungen im Mai 2003 betroffen sind, führt die
Revision zur Herabsetzung des Einkommens des Klägers. Das dem
BVerfG vorgelegte Normenkontrollersuchen ist damit
entscheidungserheblich.
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