Die Revision des Beklagten gegen das Urteil
des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 6.9.2017 5 K 152/16
wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.
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I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr zusammen veranlagt
werden. Der Kläger erwarb am 22.2.2011 1.000
Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen zum Preis von 33.556,90
EUR. Bei Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen handelt es sich um
ein börsenfähiges Wertpapier in Form einer nennwertlosen,
in ihrer Laufzeit unbefristeten Inhaberschuldverschreibung. Jede
Teilschuldverschreibung von Xetra-Gold gewährt dem Inhaber das
Recht auf Auslieferung eines Gramms Gold, das jederzeit, unter
Einhaltung einer Lieferfrist von zehn Tagen, gegenüber der
Hausbank geltend gemacht werden kann. Daneben besteht die
Möglichkeit, die Wertpapiere an der Börse zu
veräußern.
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Zur Besicherung und Erfüllbarkeit der
Auslieferungsansprüche war im vorliegenden Fall die
Inhaberschuldverschreibung jederzeit durch Gold gedeckt. Dabei
überschritt der tatsächlich physisch eingelagerte
Goldbestand stets die gemäß Anleihebedingungen
vorgegebene Mindestgrenze von 95 %. Der verbleibende Teil wurde
durch kurzfristige Lieferansprüche auf Gold gesichert. Eine
Kapitalrückzahlung war nach den Emissionsbedingungen
ausgeschlossen. Lediglich Anleger, die durch Gesetz, Verordnung,
Satzung oder Anlagerichtlinien nicht in den Besitz physischen
Goldes gelangen durften, konnten
Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen an das emissionsbegleitende
Institut zurückgeben, welches das für die Wertpapiere
hinterlegte Gold am Markt verwertete.
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Am 24.11.2011 ließ sich der
Kläger - wie in den Emissionsbedingungen vorgesehen - 1.000
Gramm Gold physisch ausliefern. Das gelieferte Gold wurde danach
nicht veräußert.
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Die Klägerin erwarb am 17.5.2010 zum
Preis von 32.677,37 EUR 1.000
Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen und am 15.2.2011 weitere
1.000 Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen zum Preis von
32.890,25 EUR. Am 24.11.2011 ließ sie sich 2.000 Gramm
physisches Gold ausliefern. Das gelieferte Gold wurde danach nicht
veräußert.
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Zum Zeitpunkt der jeweiligen Auslieferung
am 24.11.2011 betrug der Wert von 1.000 Gramm Gold 40.780 EUR und
der Wert von 2.000 Gramm Gold 81.560 EUR.
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In ihrer Einkommensteuererklärung
für das Streitjahr (2011) erklärten die Kläger
Einkünfte aus Kapitalvermögen des Klägers in
Höhe von ... EUR und der Klägerin in Höhe von ...
EUR. Darin waren Gewinne des Klägers durch die Erfüllung
der Auslieferungsansprüche aus den
Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen in Höhe von 12.778 EUR
und Gewinne der Klägerin in Höhe von 18.873 EUR
enthalten.
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Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) erfasste die Einkünfte aus
Kapitalvermögen erklärungsgemäß und setzte die
Einkommensteuer mit unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden
Bescheid vom 12.12.2012 in Höhe von ... EUR fest.
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Am 27.10.2015 beantragten die Kläger
die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für das
Streitjahr nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung. Sie verwiesen
auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12.5.2015 VIII R 4/15
(BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835 = SIS 15 19 53), wonach die
Erlöse aus der Auslieferung des Xetra-Goldes nicht im Rahmen
der Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerbar
seien.
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Das FA änderte daraufhin den
bisherigen Bescheid mit Einkommensteuerbescheid vom 29.2.2016. Es
setzte die „Veräußerungsgewinne“ aus den
Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen nicht mehr als
Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern als Einkünfte
aus privaten Veräußerungsgeschäften nach
§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des
Einkommensteuergesetzes in der maßgebenden Fassung des
Streitjahres (EStG) an. Das FA ermittelte insoweit Einkünfte
des Klägers in Höhe von 6.706 EUR und der Klägerin
in Höhe von 7.041 EUR. Der Vorbehalt der Nachprüfung
blieb bestehen.
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Am 28.4.2016 beantragten die Kläger
erneut die Änderung der Einkommensteuerfestsetzung für
das Streitjahr. Zur Begründung trugen sie vor, dass sie
lediglich das mit den Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen
verbundene Recht auf Aushändigung des Goldes wahrgenommen
hätten. Darin sei kein Veräußerungsgeschäft zu
sehen. Das FA lehnte diesen Antrag ab.
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Der hiergegen erhobene Einspruch blieb
erfolglos.
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Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt
und führte in seinem Urteil vom 6.9.2017 5 K 152/16 (EFG 2018,
113 = SIS 17 23 80) im Wesentlichen aus, dass - anders als beim
Verkauf der Inhaberschuldverschreibungen - allein in der
Einlösung der Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen
verbunden mit der Auslieferung des physischen Goldes innerhalb der
Frist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG keine
Veräußerung i.S. der §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG zu sehen sei.
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Mit seiner Revision rügt das FA die
Verletzung materiellen Rechts (§§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 EStG).
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Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Kläger beantragen, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
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II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass es
sich bei den von den Klägern eingelösten
Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen nicht um Kapitalforderungen
i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG
handelt (s. unter 1.) und dass die Kläger durch die innerhalb
eines Jahres nach dem Erwerb dieser Inhaberschuldverschreibungen
erfolgten Einlösungen und Auslieferungen des physischen Goldes
keine Veräußerungen i.S. des § 22 Nr. 2 EStG i.V.m.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verwirklicht haben (s. unter
2.).
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1. Der von den Klägern bei der
Einlösung der Inhaberschuldverschreibungen erzielte
Buchdifferenzgewinn führt nicht zu steuerbaren Einkünften
aus Kapitalvermögen. Zwar gilt nach § 20 Abs. 2 Satz 2
EStG als Veräußerung auch die Einlösung. Diese muss
sich aufgrund der Bezugnahme auf § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG
jedoch auf eine der dort beschriebenen Kapitalanlagen beziehen.
Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen erfüllen keines dieser
Tatbestandsmerkmale (gleicher Ansicht BFH-Urteil in BFHE 250, 75,
BStBl II 2015, 835 = SIS 15 19 53; vgl. auch BFH-Urteile vom
12.5.2015 VIII R 35/14, BFHE 250, 71, BStBl II 2015, 834 = SIS 15 19 52; VIII R 19/14, BFH/NV 2015, 1559 = SIS 15 22 63).
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Bei den von den Klägern eingelösten
Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen handelte es sich nicht um
Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m.
Abs. 1 Nr. 7 EStG, da sie auf die Lieferung einer Sache gerichtet
waren. Nach den Emissionsbedingungen hatten die Kläger gegen
die Emittentin der Inhaberschuldverschreibungen
ausschließlich einen Anspruch auf die Lieferung von Gold, der
im Streitjahr physisch erfüllt worden ist. Es handelte sich
danach nicht um die Einlösung einer Kapitalforderung i.S. des
§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Zur weiteren Begründung
und zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der erkennende Senat
insoweit auf das BFH-Urteil in BFHE 250, 75, BStBl II 2015, 835 =
SIS 15 19 53, Rz 10 bis 12, dem er sich anschließt.
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2. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die
Einlösungen der Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen und
die an die Kläger erfolgten Lieferungen des physischen Goldes
keine Veräußerungen i.S. des § 22 Nr. 2 EStG i.V.m.
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellen.
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a) Ein privates
Veräußerungsgeschäft (§ 22 Nr. 2 EStG) ist
gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die
Veräußerung von Wirtschaftsgütern, insbesondere von
Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und
Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Unter
Veräußerung i.S. des § 23 EStG ist nach der
Rechtsprechung des BFH die entgeltliche Übertragung eines
angeschafften Wirtschaftsguts zu verstehen (vgl. z.B. BFH-Urteile
vom 8.4.2003 IX R 1/01, BFH/NV 2003, 1171 = SIS 03 36 96; vom
1.10.2014 IX R 55/13, BFHE 247, 397, BStBl II 2015, 265 = SIS 15 00 58). An einem entgeltlichen Vorgang fehlt es aber, wenn der
Gläubiger der Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibung lediglich
seinen verbrieften Anspruch auf Lieferung des Goldes einlöst
und gegen Rückgabe der Inhaberschuldverschreibung sein Gold an
der angegebenen Lieferstelle empfängt. Er erhält dadurch
nicht mehr, als seinem Sachleistungsanspruch entsprach. Seine
wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigert sich allein mit
der Lieferung des Goldes nicht. In Ermangelung einer Realisierung
der Werterhöhung ist der Normzweck des § 23 EStG,
innerhalb der Haltefrist realisierte Werterhöhungen eines
bestimmten Wirtschaftsgutes im Privatvermögen der
Einkommensteuer zu unterwerfen (ständige Rechtsprechung, s.
z.B. BFH-Urteil in BFHE 247, 397, BStBl II 2015, 265 = SIS 15 00 58, m.w.N.), in solchen Fällen nicht erfüllt. Der
Erwerber trägt auch nach der Lieferung des Goldes das Risiko
eines fallenden Goldpreises.
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b) Nach diesen Maßstäben hat die
Vorinstanz zutreffend eine Veräußerung i.S. des §
22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
verneint.
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aa) Die Einlösungen der
Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen und die an die Kläger
erfolgten Lieferungen des physischen Goldes bildeten im Streitfall
keine entgeltlichen Geschäfte. Nach den Emissionsbedingungen
(Ziffer 7 § 1 Abs. 1) verbrieften die ohne
Endfälligkeitstag vereinbarten
Xetra-Gold-Inhaberschuldverschreibungen das Recht der Kläger,
jederzeit die Lieferung einer bestimmten Menge an Gold zu
verlangen. Die Erfüllung des schuldrechtlichen
Sachlieferungsanspruchs setzte lediglich voraus, dass die
Kläger die Schuldverschreibungen bei der Rücknahmestelle
durch die depotführende Stelle der Kläger einreichen
lassen (Ziffer 7 § 3 Abs. 1 der Emissionsbedingungen) und der
Emittentin die Lieferkosten erstatten. Bei wirtschaftlicher
Betrachtung schlossen die Kläger mit der Emittentin durch das
Zeichnen der stets durch Gold gedeckten Inhaberschuldverschreibung
einen Kaufvertrag über die Lieferung einer bestimmten Menge an
Gold. Der Kauf der Inhaberschuldverschreibung und die bloße
Erfüllung des sich unmittelbar aus diesem obligatorischen
Vertrag ergebenden Sachlieferungsanspruchs stellten wirtschaftlich
insoweit einen einheitlichen Vorgang dar. Die Emittentin wurde
durch die Lieferung des Goldes an die Lieferstelle der Kläger
von ihrer Sachleistungspflicht frei (Ziffer 7 § 3 Abs. 5 der
Emissionsbedingungen). Die Kläger erhielten daher nicht mehr,
als ihnen schon vor der Einlösung der
Inhaberschuldverschreibung wirtschaftlich zuzuordnen war. In der
bloßen Geltendmachung des Sachlieferungsanspruchs ist
insoweit keine Verwertung des Rechts auf Lieferung zu sehen. Das
ausgelieferte Gold befindet sich im Eigentum der Kläger und
wird im Depot einer Bank verwahrt. Eine Veräußerung des
gelieferten physischen Goldes hat nicht stattgefunden.
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bb) Eine andere Beurteilung folgt nicht aus
dem Urteil des Senats vom 24.1.2012 IX R 62/10 (BFHE 236, 362,
BStBl II 2012, 564 = SIS 12 09 51). Anders als im Streitfall wurde
in jenem Urteil nicht lediglich der Goldlieferungsanspruch aus der
Inhaberschuldverschreibung erfüllt und diese eingelöst,
sondern der der Inhaberschuldverschreibung innewohnende
ursprüngliche Sachlieferungsanspruch durch Zahlung eines
Entgelts oder durch Umwandlung in einen Lieferungsanspruch eines
aliud (kanadische Goldmünzen) verwertet.
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Ebenso wenig ergibt sich eine abweichende
Beurteilung aus dem Urteil des BFH in BFHE 250, 75, BStBl II 2015,
835 = SIS 15 19 53. In jenem Urteil war die insoweit
maßgebliche Haltefrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG
unstreitig überschritten, so dass das Tatbestandsmerkmal der
entgeltlichen Veräußerung nicht geprüft worden
ist.
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cc) Fehlt es im Streitfall bereits an einem
entgeltlichen Vorgang, kommt es nicht auf die Frage an, ob eine
„Veräußerung“ - wie bei der
bloßen Einziehung einer Forderung - auch im Verbrauch des
Wirtschaftsguts liegen kann (offen gelassen bereits im BFH-Urteil
vom 18.10.2006 IX R 7/04, BFHE 215, 193, BStBl II 2007, 258 = SIS 06 45 96, unter II.2.b, Rz 16, m.w.N. zum Diskussionsstand).
Angesichts der im Streitfall fehlenden Realisierung einer
Wertveränderung muss der Senat auch nicht entscheiden, ob er
an der Rechtsprechung festhalten könnte, es als
Veräußerung zu werten, wenn der Steuerpflichtige eine
von ihm erworbene Forderung innerhalb der Spekulationsfrist
einzieht, um eine „Gewinnmöglichkeit zu
realisieren“ (dazu s. BFH-Urteil vom 13.12.1961 VI 133/60
U, BFHE 74, 331, BStBl III 1962, 127 = SIS 62 00 80).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §
135 Abs. 2 FGO.
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