Typische stille Gesellschaft, Kündigung keine Veräußerung: In der Kündigung einer typischen stillen Gesellschaft und der Vereinnahmung des Auseinandersetzungsguthabens liegt keine entgeltliche Veräußerung i.S. des § 23 EStG. - Urt.; BFH 18.10.2006, IX R 7/04; SIS 06 45 96
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute.
Der Kläger ist zu 20 v.H. an einer
Vermögensverwaltungs-GmbH (GmbH) beteiligt. Zwischen der GmbH
und einer Beteiligungsgesellschaft mbH i.L. (B) wurde im Juli 1994
eine typische stille Gesellschaft i.S. des § 230 des
Handelsgesetzbuches (HGB) mit einer Vermögenseinlage der B in
Höhe von 2.500.000 DM errichtet. B erfüllte die
Einlageverpflichtung, indem sie Kaufpreisforderungen verrechnete,
die ihr aus der Übertragung von Gesellschaftsanteilen an die
GmbH zustanden. Am 21.10.1994 veräußerte B die stille
Beteiligung wegen akuten Liquiditätsbedarfs an den Kläger
und den weiteren Gesellschafter der GmbH für insgesamt 400.000
DM, wobei der Kläger entsprechend seinem Gesellschaftsanteil
20 v.H. der stillen Beteiligung (nominal 500.000 DM) für
80.000 DM erwarb. Noch am 21.10.1994 kündigten der Kläger
und der weitere Gesellschafter das stille
Gesellschaftsverhältnis vertragsgemäß zum
31.12.1994. Die GmbH schrieb dem Kläger dessen
Auseinandersetzungsguthaben in Höhe von 500.000 DM
gut.
Der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA - ) unterwarf den Unterschied zwischen
Anschaffungspreis und zurückgezahltem Kapital (nämlich
420.000 DM) der Besteuerung, zunächst als Einkünfte aus
Kapitalvermögen, sodann - in der Einspruchsentscheidung - als
Gewinn aus einem Veräußerungsgeschäft i.S. von
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes
in der Fassung des Streitjahres (EStG).
Die hiergegen gerichtete Klage hatte
Erfolg. In seinem in EFG 2004, 805 = SIS 04 16 36
veröffentlichten Urteil vertrat das Finanzgericht (FG) die
Auffassung, der Vorgang sei nicht steuerbar; denn es liege keine
Veräußerung i.S. des § 23 EStG vor. Darunter
könne man nur die entgeltliche Übertragung eines
Wirtschaftsguts auf eine andere Person verstehen. Die
Kündigung einer stillen Gesellschaft gehöre nicht dazu.
Sie führe zu einem Verbrauch des Wirtschaftsguts
„Gesellschaftsanteil“. Dieser Sachverhalt sei z.B. in
§ 17 Abs. 4 EStG entsprechend einer Veräußerung zu
behandeln. Daraus folge im Umkehrschluss, dass in den Fällen,
in denen das Gesetz - wie in § 23 EStG - nur von einer
„Veräußerung“ spreche, die
Auseinandersetzung einer stillen Gesellschaft tatbestandlich nicht
erfasst werde.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA,
die es auf Verletzung des § 23 EStG stützt. Das FG habe
die Rechtsentwicklung nicht berücksichtigt, welche die
Auslegung des Begriffs der Veräußerung durch die neuere
Rechtsprechung insbesondere zu den Glattstellungsgeschäften
beim Optionshandel erfahren habe.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision
als unbegründet zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und nach
§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zurückzuweisen. Das FG hat zutreffend entschieden, dass der
Kläger keinen Steuertatbestand verwirklicht hat, indem er die
von B erworbene stille Beteiligung an der GmbH kündigte und
das Auseinandersetzungsguthaben vereinnahmte.
1. Einkünfte aus
Spekulationsgeschäften (§ 22 Nr. 2 EStG) i.S. des §
23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG sind
Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum
zwischen Anschaffung und Veräußerung bei anderen
Wirtschaftsgütern nicht mehr als sechs Monate
beträgt.
Zwar hat der Kläger die stille
Beteiligung an der GmbH von B entgeltlich erworben und deshalb im
Sinne dieser Vorschrift angeschafft; er hat sie aber nicht
veräußert (vgl. zu der gestreckten Tatbestandsstruktur
und zum Zweck der Vorschrift Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH -
vom 16.12.2003 IX R 46/02, BFHE 204, 228, BStBl II 2004, 284 = SIS 04 05 46, unter B. III. 1. b).
a) Veräußerung bedeutet das
entgeltliche Übertragen des angeschafften Wirtschaftsguts
(BFH-Urteil vom 2.5.2000 IX R 73/98, BFHE 192, 435, BStBl II 2000,
614 = SIS 00 11 95, unter II. 3. b). An einem entgeltlichen Vorgang
fehlt es aber, wenn der typisch stille Gesellschafter - wie hier
der Kläger - seine Beteiligung kündigt und im Gegenzug
sein Guthaben in Geld empfängt. Er erhält dadurch
nämlich nicht mehr, als seiner Beteiligung entsprach (vgl.
dazu BFH-Urteil vom 22.9.1987 IX R 15/84, BFHE 151, 143, BStBl II
1988, 250 = SIS 88 02 11, unter 1.).
Die durch Kündigung bedingte
Auflösung der stillen Gesellschaft (§ 234 Abs. 1 HGB)
führt zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Inhaber und dem
stillen Gesellschafter nach § 235 HGB, aufgrund derer das
Guthaben des stillen Gesellschafters zu berichtigen ist (§ 235
Abs. 1 HGB). Dieses Guthaben entsteht nicht erst mit der
Auflösung der Gesellschaft, sondern besteht bereits -
ausgedrückt durch das Einlagenkonto - während des
Bestehens der Gesellschaft (MünchKommHGB/Karsten Schmidt,
§ 235 Rz. 29, m.w.N; zur gesellschaftsrechtlichen Struktur der
stillen Beteiligung: Bundesgerichtshof - BGH - Urteil vom 24.2.1969
II ZR 123/67, BGHZ 51, 350) und wandelt sich mit der
Auseinandersetzung in eine zahlenmäßig begrenzte
Forderung (BGH-Urteile vom 14.7.1997 II ZR 122/96, NJW 1997, 3370,
und vom 11.7.1988 II ZR 281/87, NJW 1989, 453). Wird sie
erfüllt, erhält der stille Gesellschafter nur etwas, was
ihm schon vor der Auseinandersetzung wirtschaftlich zuzuordnen war.
Seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit steigert sich mit der
Auskehrung des Guthabens nicht (vgl. zur Abgrenzung BFH-Beschluss
vom 16.8.1995 VIII B 156/94, BFH/NV 1996, 125, zur Besteuerung
einer die Einlage übersteigenden Abfindung nach § 20 Abs.
1 Nr. 4 EStG).
b) Auch sonst erfasst das Gesetz
Kapitalrückzahlungen nicht als entgeltliche
Veräußerungsgeschäfte, sondern wendet in § 17
Abs. 4 EStG die für Anteilsveräußerungen geltenden
Vorschriften (§ 17 Abs. 1 bis 3 EStG) lediglich entsprechend
an, wenn z.B. eine Kapitalgesellschaft ihr Kapital
zurückzahlt. Eine vergleichbare Regelung war auch bei §
23 EStG geplant (vgl. BTDrucks 15/119, Entwurf eines
Steuervergünstigungsabbaugesetzes, S. 5), ist aber nicht
Gesetz geworden.
c) Eine andere Beurteilung folgt entgegen der
Revision nicht aus dem Senatsurteil vom 24.6.2003 IX R 2/02 (BFHE
202, 351, BStBl II 2003, 752 = SIS 03 37 82). Denn dort geht es
lediglich um die Frage, ob das Glattstellungsgeschäft als
„Veräußerung“ im Sinne eines
Übertragens zu bewerten ist. Der Entgeltscharakter dieser
Optionsgeschäfte steht allein schon wegen der von der
Kursentwicklung abhängigen Prämie als Gegenleistung
ersichtlich außer Frage. Ebenso verhält es sich bei
einem Rückumtausch eines Fremdwährungsguthabens als
marktoffenbarer entgeltlicher Veräußerungsvorgang
(BFH-Urteil vom 2.5.2000 IX R 74/96, BFHE 192, 88, BStBl II 2000,
469 = SIS 00 09 60, unter II. 2. b).
2. Nach diesen Maßstäben hat die
Vorinstanz im Ergebnis zutreffend die Voraussetzungen des § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG verneint.
a) Die infolge der Auflösung der stillen
Gesellschaft vorgenommene Auseinandersetzung zwischen dem
Kläger und der GmbH bildete kein entgeltliches Geschäft.
Der Kläger erlangte mit der Anschaffung der stillen
Beteiligung eine Einlage im Werte von 500.000 DM. Dieses Guthaben
wurde ihm nach der Kündigung der Gesellschaft in Geld
gutgeschrieben. Er bekam damit (in Geld) nicht mehr, als er ohnehin
schon hatte (Einlage).
b) Fehlt es im Streitfall bereits an einem
entgeltlichen Vorgang, kommt es nicht auf die von den Beteiligten
und dem FG in den Mittelpunkt ihrer Erörterungen gestellte
Frage an, ob eine „Veräußerung“ - wie
bei der bloßen Einziehung einer Forderung - auch im Verbrauch
des Wirtschaftsguts liegen kann (vgl. zur Diskussion: Crezelius,
in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rdnr. B 57;
Jacobs-Soyka in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht,
Kommentar, § 23 Rn 107; Blümich/Glenk, § 23 EStG Rz.
130. Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Anm. 141).
Der Senat muss deshalb auch nicht entscheiden, ob er an der
Rechtsprechung festhalten könnte, es als
Veräußerung zu werten, wenn der Steuerpflichtige eine
von ihm erworbene Forderung innerhalb der Spekulationsfrist
einzieht, um eine „Gewinnmöglichkeit zu
realisieren“ (BFH-Urteil vom 13.12.1961 VI 133/60 U, BFHE
74, 331, BStBl III 1962, 127 = SIS 62 00 80; dem folgend Streck, FR
1987, 297 ff.).